Gerhard Stuby: 2 Artikel
2007-2
Gerhard Stuby
Kurze Geschichte des Völkerrechts
Recht soll Verhältnisse zwischen bestimmten Subjekten regeln, innerstaatliches Recht die Beziehungen der Individuen untereinander und zum Staat, Völkerrecht das Verhalten der Staaten untereinander. Ohne Staat kommt dieser Begriff von Recht im Allgemeinen und Völkerrecht im Besonderen nicht aus. Eine derartige Definition wird als zu eng kritisiert. So sei Recht als Grundbedingung menschlicher Existenz, dem Staat vorausgehend, zu begreifen, Völkerrecht dürfe nicht auf Beziehungen zwischen Staaten reduziert werden. Nichtstaatliche Organisationen oder Individuen seien einzubeziehen. Ob völkerrechtliche Einzelerscheinungen schon in Urgesellschaften vorzufinden oder erst beim Aufeinandertreffen von Großimperien (im Vorderen Orient) anzunehmen sind, hängt von der Definition, eng oder weit, ab. Hinzukommt, dass man für die Einordnung dieser frühen Phänomene in unsere moderne Gedankenwelt auf die »stummen« Zeugnisse archäologischer Funde angewiesen ist. Günstiger steht es, wenn die Beziehungen der griechischen Stadtstaaten (Polis) untereinander und zu den außen stehenden Reichen (Persien oder Karthago) zu beurteilen sind (etwa 600 bis 338 v. Chr.). Sie liegen uns zeitlich näher. »Historiker« (Thukydides u.a.) berichten für uns lesbar über diese Ereignisse. »Philosophen« (Platon, u.a.) bezeugen sie reflektierend. Einige Institute (Schiedsgerichtsbarkeit) muten modern an. Derartige Schlüsse könnten von rückwärtiger Sicht geprägt sein; ebenfalls die übliche Kategorisierung der folgenden römisch – hellenischen Periode (bis 500 n. Ch.) als aus völkerrechtlicher Sicht wenig ergiebig. Die Anfangszeit unterscheidet sich wenig von der griechischen Periode. Erst nach der Vernichtung Karthagos (146 v. Ch.) bilden sich imperiale Züge des bislang locker strukturierten Gesamtverbandes heraus. Die Regelung der Stellung der cives Romani zur politischen Gewalt wäre als »Staatsrecht«, die der cives untereinander als »Zivilrecht« zu betrachten; ius gentium trotz des Namens nicht als Völkerrecht, sondern als »innerstaatliches« Ausländerrecht. Die Außenbeziehungen zu den Barbaren (Germanen z. B.) waren weitgehend auf Krieg reduziert. Hierfür genügten die überkommenen hellenistischen Instrumente. Völkerrechtlich in der Tat nicht viel Neues, abgesehen von den Reflexionen eines Augustinus über den gerechten Krieg.
2007-2
Gerhard Stuby
Macht Macht Völkerrecht?
Die Änderung des Völkerrechts durch die mächtigen Staaten
Es sind die Schwachen in unserer Gesellschaft, die die meisten Hoffnungen ins Recht setzen. Sie sind am meisten enttäuscht, wenn sie unterliegen. Vor Gericht und auf Hoher See ist man in Gottes Hand, kommentiert der zynische Realist. Das herrschende Recht ist eben das Recht der Herrschenden, sagt derjenige, der Durchblick beansprucht. Nicht anders beim Völkerrecht. Die Schwachen in der asymmetrischen Staatenwelt verweisen auf Art. 2 Ziff. 1 der Charta der UN. Von „souveräner Gleichheit aller ihrer Mitglieder“ ist dort die Rede. Wenn ihr uns ebenbürtig wäret, meinten die Athener den Meliern gegenüber, könnten wir über manches sprechen. So bieten wir euch Unterwerfung statt Vernichtung. Führt nicht das Gebaren der amerikanischen Supermacht oder der fünf offiziellen Atommächte, die von den anderen fordern, atomwaffenlos zu sein, zum einzig logischen Schluss: Auch heute bestimmen die Großen die Melodie? Souveräne Gleichheit, ein frommer Wunsch?