Mitteilungen der Herausgeber*innen
Herbstakademie des BdWi
Unter dem Titel »Digitalisierung und Demokratie – Herausforderungen nicht nur für Hochschulpolitik« richten BdWi, FIB, fzs, ÖH und RLS eine Herbstakademie aus. Diese wird in der Jugendherberge Regensburg vom 14.-17. September 2023 stattfinden. Längst ist die Digitalisierung der Arbeits- und Lebenswelt kein »Neuland« mehr, dennoch stellt der wissenschaftlich-technische Fortschritt uns immer wieder vor neue Herausforderungen, die auch Fragen von gesellschaftspolitischer Bedeutung umfassen. Auch im Hochschulbereich gibt es dringenden Bedarf, sich mit den möglichen Folgen des technologischen Wandels kritisch auseinanderzusetzen. Ziel der Tagung soll es sein, aktuelle Entwicklungen zu analysieren und gemeinsam Strategien zur Weiterentwicklung einer demokratischen Hochschule zu entwickeln, die dazu beitragen kann, die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung sozial gerecht zu bewältigen. Im Interesse einer höheren Planungssicherheit bittet der BdWi um frühzeitige Anmeldung. Die Programmplanung wird noch laufend weiterentwickelt. (Aktualisierte Informationen: bdwi.de/termine).
Friedensakademie Rheinland-Pfalz meets AFK
Ab dem 1. Januar 2024 wird die Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung e.V. (AFK) an der Friedensakademie Rheinland-Pfalz angesiedelt sein. Die AFK freut sich, nach einer langjährigen erfolgreichen Partnerschaft mit der Hochschule Rhein-Waal in Kleve nun einen neuen Standort für die Geschäftsstelle bei der Friedensakademie Rheinland-Pfalz an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau gefunden zu haben. Zusammen mit der Verlegung nach Landau kommt auch ein Wechsel in der Geschäftsführung. Die Stelle ist aktuell ausgeschrieben, Bewerbungsschluss ist der 20.8.2023 (Ausschreibung und Informationen: rptu.de/friedensakademie).
Antrittsvorlesungen ZfK Marburg
Die beiden im Jahr 2021 neu ans Zentrum für Konfliktforschung in Marburg berufenen Professoren Felix Anderl und Miquel Pellicer Gallardo haben Anfang Juli ihre öffentlichen Antrittsvorlesungen gehalten. Felix Anderl, berufen auf die Qualifikationsprofessur für Konfliktforschung, führte in sein Forschungsprogramm zu ländlichen Konflikten ein. Sein Vortrag »Contested Countryside: The International Politics of Rural Transformation« umriss seine Agenda, verschiedene Formen ländlicher Rebellionen als Ausdruck von Konflikten über die Zukunft des ländlichen Raums zu analysieren. Miquel Pellicer, berufen auf die Professur für »Poverty and Inequality«, führte an den Beispielen Südafrikas, Irlands und Deutschlands in Methoden und Ansätze der Ungleichheitsforschung ein und stellte seine Forschung zur Frage dar, unter welchen Bedingungen Ungleichheiten angeprangert und vom jeweiligen politischen System adressiert werden (uni-marburg.de/konfliktforschung).
Friedenswissen praktisch – Neu bei »Peace Science Digest«
Zum Zusammenhang von Konfliktnarrativen und sozialen Identitäten. PSD, Mai 2023.
Die Zerstörungskraft des Krieges liegt auf der Hand. Neben objektiven physischen Auswirkungen des Krieges gibt es jedoch auch wichtige subjektive Elemente, die damit zusammenhängen, wie der Krieg erlebt, interpretiert und erinnert wird. Es gibt ein menschliches Bedürfnis, dem Krieg einen Sinn zu geben, ihn in einer einigermaßen kohärenten Erzählung wiederzugeben. Solche Erzählungen bilden Identitäten, sorgen für eine „Kontinuität zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ und prägen künftige Handlungen. Bei einer Stichprobe von 200 syrischen Befragten ergab die hier vorgestellte Forschung:
- Die meisten Befragten identifizierten sich überwiegend mit der Identitätskategorie »Syrer*in« und nicht mit spezifischeren ethnischen oder sektiererischen Identitäten. Die Erzählungen der meisten Befragten über den bewaffneten Konflikt in Syrien und ihre Visionen für die Zukunft folgten eher einer »zivilen« als einer »ethnischen« Logik.
- Die Interpretationen der Befragten über den bewaffneten Konflikt in Syrien korrelierten mit ihren Vorstellungen über die »In-Group«, der sie sich in Zukunft zugehörig fühlen, d. h. ob diese »In-Group« im weitesten Sinne inklusiv und pluralistisch ist oder eng durch eine ethnische oder sektiererische Identität definiert wird.
- Syrer*innen scheinen im Alltag ihre eigenen Interpretationen des bewaffneten Konflikts und des zukünftigen »Syrisch-Seins« zu artikulieren, anstatt die von oben und durch die staatlichen Medien verbreiteten Narrative wiederzugeben, die die ethnische/sektiererische Spaltung betonen.
Schlüsselerkenntnis für die Praxis
- Diese Forschung unterstreicht die Fähigkeit »normaler« Menschen, ihre eigenen Narrative über den Konflikt und die kollektive Identität zu artikulieren, die den vorherrschenden Narrativen zuwiderlaufen können – mit dem Potenzial, die Grenzen der Gemeinschaft zu erweitern und dadurch auch eine Zukunft zu entwerfen, die den Konflikt weg von der Logik ethnisierender Gewalt führt.
- Im gegenwärtigen Krieg im Sudan z.B. würde diese Forschung betonen, dass die sudanesische Zivilgesellschaft sehr aufmerksam das Aufbringen möglicher ethnisierender Narrative durch die Hauptkonfliktakteure beobachten und Strategien entwickeln sollte, wie sie ihnen wirksam begegnen können. Die geschickte Kultivierung einer kollektiven, inklusiven, zivilen und diversen »sudanesischen« Identität während der gewaltfreien Bewegung im Jahr 2019 bietet einen hervorragenden Ansatzpunkt, um sich dem entgegenzustemmen.
Zusammenfassung von Bachleitner, K. (2022): Legacies of war: Syrian narratives of conflict and visions of peace. Cooperation and Conflict 57(1), S. 43-64.
Nuklearwaffenfreie Zonen als »gehorsame Revolution«. PSD, April 2023.
Die globale nukleare Ordnung wird von mächtigen Staaten (meist) aus dem Globalen Norden dominiert, wobei die Atomwaffenstaaten einen übermäßigen Einfluss ausüben. In diesem Kontext untersucht Sizwe Mpofu-Walsh den Beitrag Afrikas zur nuklearen Ordnung. Der Autor argumentiert, dass es nicht nur nützlich, sondern unerlässlich ist, die afrikanische kernwaffenfreie Zone (NWFZ) nicht als peripher, sondern als zentral für die nukleare Ordnung zu verstehen.
- Die afrikanische atomwaffenfreie Zone – als eine Form der »gehorsamen Rebellion« – sei von zentraler Bedeutung für die Herausforderung der globalen nuklearen Ordnung. Als Phänomene des Globalen Südens werden NWFZs durch den »Blick der Großmächte« (auch: »weißer Blick«) weitgehend für unbedeutend gehalten, ein Blick der diese Ergebnisse „aus afrikanischen Staaten systematisch als nebensächlich ausschließt.“
- Die afrikanische atomwaffenfreie Zone fügt sich in die globale nukleare Ordnung als Merkmal des internationalen Atomwaffenrechts ein (eine Form des »Gehorsams«). Die afrikanische atomwaffenfreie Zone lehnt die globale nukleare Ordnung jedoch gleichsam ab, indem sie die Notwendigkeit der Abschaffung von Atomwaffen artikuliert und die afrikanische Handlungsfähigkeit in den Mittelpunkt stellt, so dass die vollständige Dekolonisierung vorangetrieben werden kann (eine Form der »Rebellion«).
Schlüsselerkenntnis für die Praxis
Afrikanische Staaten haben einen anderen Weg gewählt und aktiv verfolgt als die mächtigen Kernwaffenstaaten. Die afrikanischen Staaten haben einen Weg gefunden, sich an Teile der nuklearen Ordnung anzupassen und gleichzeitig nicht nur die nukleare, sondern auch die globale Ordnung herauszufordern.
- Eine besonders nützliche Erkenntnis aus den NWFZ ist die Verbindung zwischen Dekolonisierung und Denuklearisierung. Aufbauend auf dieser Verbindung können Aktivist*innen für die Abschaffung von Atomwaffen darauf abzielen, das Rassismus-Militarismus-Paradigma abzubauen, das die globale nukleare Ordnung aufrechterhält und das auf einer „weitgehend uneingestandenen Doktrin der weißen Vorherrschaft und der Notwendigkeit von Gewalt zu ihrer Aufrechterhaltung“ beruht.
- Akteure wie Wissenschaftler*innen, Praktiker*innen, politische Entscheidungsträger*innen und Aktivist*innen müssen von den »gehorsamen Rebellionen« atomwaffenfreier Zonen lernen und diese nicht als bloße Nebenschauplätze des Ringens der Großmächte um Atomwaffen abtun. Sie müssen dazu auch die Perspektiven und Entscheidungen des Globalen Südens in den Mittelpunkt stellen.
Zusammenfassung von Mpofu-Walsh, Sizwe. (2022): Obedient rebellion: Conceiving the African nuclear weapon-free zone. International Affairs 98(1), S. 145-163.
Essayreihe »Un-Contest« zu Feministischer Außen- und Sicherheitspolitik fortgesetzt
Seit der letzten Ausgabe von W&F sind eine ganze Reihe weiterer Essays erschienen. Die Mehrzahl der Autorinnen fokussiert dabei auf eine Vision einer radikal anders gedachten feministischen Politik: für starke Gemeinschaften (»communities«), inklusive und direkte Partizipation und eine Hinterfragung stabiler Macht- und Herrschaftsnarrative. Alle Aufsätze zeigen, wohin eine feministische Außen- und Sicherheitspolitik (FFP) eigentlich führen müsste: jenseits des Staates und seiner Machtpolitik(en). So schreibt Margherita Sofia Zambelli in ihrem Aufsatz »Shiny Feminism«: „Angesichts der Volatilität unseres derzeitigen globalen Kontextes täten die Befürworter*innen der FFP gut daran, die transformativen Grundlagen zu stärken, damit sie ihr kritisches Potenzial angesichts politischer Veränderungen beibehalten und weiterhin ungleiche Machtverteilungen zwischen und innerhalb von Staaten sowie innerhalb der außenpolitischen Institutionen selbst in Frage stellen kann.“
Mehr unter: warpreventioninitiative.org/peace-science-digest