W&F 2013/2

»Agent Orange«-Opfer

Ethnopsychoanalytische Betrachtung der Nachkriegsfolgen in Vietnam

von Natalie Wagner

Vietnam erzählt bei der Betrachtung von Kriegsfolgen eine ganz eigene Geschichte. Was den Vietnamkrieg (1964-1975) von anderen Kriegen unterscheidet, ist der gezielt massive Einsatz von Chemiewaffen. »Agent Orange« – eine neue Kriegswaffe, eingesetzt zur Zerstörung des Dschungels und der Ernte sowie zur Schwächung des Feindes – ist bis heute ein politisches, medizinisches und öffentliches Thema; noch immer führt sein Einsatz bei der Bevölkerung zu Behinderungen in erheblichem Ausmaß.

Vietnam gilt mit einer Gesamtbevölkerung von ca. 87 Millionen Menschen, einem BIP von 104,6 Milliarden US-Dollar (Stand 2010) und einem Wirtschaftswachstum von 6,78% heute als stabiles »Middle Income Country«. Das Land ist jedoch noch immer auf die internationale Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit angewiesen. Der Krieg verursachte nicht nur wirtschaftliche Rückständigkeit und Armut, besonders dauerhaft sind die individuellen, gesundheitlichen und ökologischen Folgen aufgrund des Einsatzes von Agent Orange.

»Agent Orange«, ein künstlich hergestelltes Herbizid, beschreibt die Zusammensetzung aus 2,4–Dichlorphenoxyessigsäure und 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure. Bei der Synthese dieses Chemikals entsteht das giftige Nebenprodukt Dioxin in Form von 2,3,7,8-Tetrachlord[i]benzoparadioxin, kurz TCDD. TCDD gilt als ein Ultragift, das sowohl zu sichtbaren als auch zu weniger sichtbaren Folgen führen kann. Durch die fettlösliche Eigenschaft und eine Halbwertszeit von durchschnittlich zehn Jahren wird Dioxin langfristig in Zellen angelagert. TCDD hat speziell in Bezug auf den menschlichen Organismus die Wirkung eines Krebspromoters und eine eigenständige humankanzerogene Wirkung. Weiterhin kann es durch seine neurotoxische Wirkung Schäden im zentralen Nervensystem und durch eine mutagene Wirkung jegliche Art von Chromosomenveränderung – von körperlicher Fehlbildung bis hin zu geistiger Behinderung – hervorrufen. Die mutagene Wirkung kann x-chromosomal vererbt werden, sodass die Folgegenerationen ebenfalls von einer Dioxinvergiftung betroffen sein können. Zusätzlich stellt die Anlagerung von TCDD in der Muttermilch eine weitere Kontaminationsgefahr für Folgegenerationen dar.

Der Einfluss der Chemikalie auf Organismen ist von der Höhe, Dauer und Häufigkeit der Exposition, vom Alter und Zustand der körpereigenen Enzyme und der individuellen Krankheitsgeschichte abhängig. Laut WHO liegt ein tolerierbarer Dioxinwert bei 0,1-0,4 mg Aufnahme pro Tag (Berendt 2009, S.28). Eine erhöhte Aufnahme kann zu erheblichen gesundheitlichen Folgen führen:

  • Krebserkrankungen: (Non-) Hodgins-Lymphome, Melanome, Leukämie, Lymphdrüsen-, Lungen-, Prostata-, Darm- und Knochenmarkkrebs;
  • neurotoxische Auswirkungen: Schwächung des Immunsystems, Lähmungen, spastische Erscheinungen, Hirnschäden;
  • Auswirkungen auf das endokrine System und den Insulinhaushalt: Wachstumsstörungen, Enzymfehlfunktionen, Hauterkrankungen, Diabetes, Unfruchtbarkeit, Frühgeburten;
  • Chromosomenveränderungen: u.a. Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, Strukturasymmetrie des Gesichts, fehlende Organe oder Glieder, Fehlstellungen der Glieder, Polydaktylie, Kleinwüchsigkeit, Deformationen des Hirns und Rückenmarks, Anencephalie, Spina Bifida, Grebbes-Syndrom, Hydrocephalie;
  • Auswirkungen während einer Schwangerschaft: Fehlgeburten, Frühgeburten, intrauterine Wachstumsrückbildungen;
  • mittelfristige psychische Erscheinungen: Schockzustände, psychonervale Beeinträchtigungen, Schwindelanfälle, Reizbarkeit, Vergesslichkeit, Niedergeschlagenheit, posttraumatische Belastungsstörung in Verbindung mit toxischer Enzephalopathie, Schlaflosigkeit, vermehrte Erregbarkeit, sexuelle Störungen, Befindlichkeitsstörungen, Ängste und Selbstmordgedanken;
  • langfristige psychische Erscheinungen: Neurasthenie;
  • Letalität (Fabig 2007, S.52; Fabig/Otte 2007, S.194 f.; Gallo 2007, S.235 f.; Kühner 2009, S.2 f.).

Es existieren über 300 veröffentlichte Studien, die einen Zusammenhang von Dioxin und Erkrankung bestätigen. Auch wenn sich die Studien uneinig darüber sind, von welchem Dioxinwert eine bestimmte Krankheitsgefahr ausgeht, ist dennoch festzuhalten, dass jeder erhöhte Dioxinwert auch ein erhöhtes Risiko darstellt (Nguyen Van Tuan 2006, S.80 f./114).

Operation »Ranch Hand«

»Agent Orange« wurde während des Zweiten Weltkrieges erstmals an der University of Chicago hergestellt und diente als Unkrautvernichtungsmittel. Der erste Einsatz von Pflanzenvernichtungsmitteln als Kriegswaffe (1948 in Malaysia) galt als Grundlage für die Verwendung von »Agent Orange« und anderen Herbiziden im Vietnamkrieg. Der »Agent Orange«-Einsatz begann 1961. Vietnam war zu dieser Zeit am 17. Breitengrad in einen kommunistisch geführten Norden und einen antikommunistisch geführten Süden aufgeteilt. In amerikanischer und südvietnamesischer Kooperation wurde ein militärisches Entwicklungs- und Testzentrum zur Verhinderung eines kommunistischen Aufstandes durch die Guerillagruppen der »Nationalen Front für die Befreiung Südvietnams« (Viet Cong) errichtet. Für die ersten Testreihen von Herbizideinsätzen trafen bereits Ende 1961 die ersten Fässer mit Chemikalien per Schiff in Südvietnam ein. Kurz darauf kam es in südvietnamesischer und amerikanischer Übereinstimmung Anfang 1962 zur Genehmigung der so genannten Operation »Ranch Hand«. Mithilfe von Transportflugzeugen wurden verschiedene Herbizide auf jenen Landesflächen gleichmäßig verteilt, in denen man die kommunistischen Gruppen vermutete. Im Laufe der Operation stieg die Zahl der Sprühungen an (Griffiths 2003, S.64 f.).1 Einige Landflächen wurden mehrmals pro Tag besprüht, sodass es zu gravierender Kontamination einzelner Landflächen, den »Hot Spots«, kam.

Trotz erster Studien im Jahre 1966, die genetische Fehlbildungen aufgrund einer Dioxinkontamination feststellten, fand die Operation »Ranch Hand« Ende der 1960er Jahre ihren Höhepunkt. Erst im Mai 1970 wurde das Versprühen von »Agent Orange« eingestellt, und 1971 erfolgte der Abbruch der Operation »Ranch Hand«. Insgesamt wurden 14 verschiedene Herbizide verwendet, »Agent Orange« machte allerdings aufgrund seines schnellen und hohen Wirkungsgrades 65% der gesamten Operationseinsätze aus. Daher wird der Begriff »Agent Orange« oftmals stellvertretend für die Gesamtheit der eingesetzten Herbizide verwendet (Stellman u.a. 2003, S.682).

Nach Auswertung und Korrektur US-amerikanischer Aufzeichnungen zur Operation »Ranch Hand« ergibt sich folgendes Bild:

  • 4,8 Millionen Menschen kamen während der Operation »Ranch Hand« direkt mit »Agent Orange« in Kontakt.
  • 17 Millionen SüdvietnamesInnen und eine Millionen NordvietnamesInnen waren insgesamt den Herbiziden ausgesetzt.
  • Die Durchschnittskonzentration des Dioxins der einzelnen Substanzen lag bei 13 mg.
  • Im Rahmen von über 19.900 Flugeinsätzen wurden 44 Mio. Liter »Agent Orange«, 20 Mio. Liter »Agent White«, 8 Mio. Liter »Agent Blue«, 1,9 Mio. Liter »Agent Purple«, 464.164 Liter »Agent Pink« und 31.026 Liter »Agent Green« versprüht.
  • 2.631.297 Hektar wurden mit Herbiziden besprüht (bis zu 27 Kilogramm Dioxin/Hektar).
  • Von 60% bewaldetem Land wurden 44% zerstört: 3,3 Millionen Hektar Land, 50% Oberfläche der nordöstlichen Mekongregion, zwei Millionen Hektar tropischer Wald, 40% der Mangrovenwälder und 43% der Ackerfläche.
  • Es kam zur Störung des Nährstoffgleichgewichts und der Bewässerungssysteme, zur Verminderung von Biodisponibilität, zu Veränderungen von Mikro- und Makroklimata und zur Begünstigung unerwünschter Arteninvasionen.
  • Im Jahr 2003 lag der Dioxingehalt in tierischen Nahrungsmitteln (Hot-Spot-Gebiet Bien Hoa) bei 0,03-331 mg (Fabig 2007, S.47; Stellman u.a. 2003, S.682 f.; Vo Quy 2007, S.218 f./212 f.).

»Agent Orange«-Opfer heute – der vietnamesische Blick auf Mensch und Gesellschaft

Die Dramatik des »Agent Orange«-Einsatzes liegt nicht nur in den direkt verursachten Folgen, sondern in den lang anhaltenden, weder kontrollierbaren noch unmittelbar nachweisbaren Folgen für die Nachkommen der zweiten und dritten Generation. Diese bezeichnen sich selbst als »Agent Orange«-Opfer.

Man geht von 800.000 bis drei Millionen »Agent Orange«-Opfern in ganz Vietnam aus. Diese hohe Differenz liegt in der fehlenden einheitlichen Definition von »Agent Orange«-Opfern, der hohen Dunkelziffer und fehlender Zahlen zu den Menschen, die bereits (unwissend) aufgrund von »Agent Orange« verstorben sind. Durchschnittlich ist jede achte Familie von »Agent Orange« betroffen. 70% der »Agent Orange«-Opfer leben unterhalb der Armutsgrenze und 40% in extremer Armut. 90% der Betroffenen sind arbeitslos und 85% der Familien haben mehr als ein beeinträchtigtes Kind (Beckmann/Giesler 2000, S.102; Kühner 2009, S.1 f.; Le Thi Nham Tuyet/Johansson 2001, S.156; Ninh Do Thi Hai 2002, S.199).

In Anlehnung an Friedmanns Aufteilung in Primär-, Sekundär- und Tertiäropfer (2004, S.13) gehören die ehemaligen Soldaten, die Zivilbevölkerung und die Nachfolgegenerationen zu den Betroffenen des »Agent Orange«-Einsatzes. Für diese drei Gruppen sind die sozialen Folgen sehr unterschiedlich und hängen von dem Zusammenspiel der Mikro-, Meso- und Makroebene ab. »Agent Orange«-Opfer werden in der vietnamesischen Kultur in erster Linie einer von zwei Gruppen zugeordnet: Kriegsveteranen oder Menschen mit Behinderung. Die Bewertungsstrukturen beruhen auf diachronisch-kulturellen und gesellschaftlichen Glaubens- und Verhaltenslehren und führen zu unterschiedlichen Reaktionsmöglichkeiten mit einer soziokulturellen Logik. Die Logik, geprägt von Konfuzianismus, Buddhismus, Ahnenkult, Daoismus, Kommunismus und Synkretismus, bedingt also die individuelle Bewertung und den tatsächlichen Umgang mit den Themen Krieg, Krankheit und Behinderung.

Im konfuzianischen Sinne sind (Fehl-) Entwicklungen der Persönlichkeit Probleme der Ethik und Moral. Dabei wird die Moral als Selbstkultivierung und Sittenorientierung verstanden. So verurteilt der Konfuzianismus verhaltensauffällige Kinder als »fehlorientiert« oder »noch nicht entfaltet« (Hee-Tae Chae 2004, S.218). Trotz der hohen Stellung innerer Werte werden körperliche Behinderungen mit Ambivalenz betrachtet, was mit dem Wunsch nach Konformität, dem Schamprinzip und dem Wahren des äußeren Gesichtes erklärt werden kann. Weiterhin existiert die Vorstellung, dass Moral, Begabung und Leistungsbereitschaft eine Behinderung ausgleichen können. Diese Idee der ausgleichenden Balance steigert den sozialen Druck auf Menschen mit Behinderung (Linck 1995, S.98 f./181). Daneben sind es oft die Mütter, die eine große psychische und physische Belastung empfinden. Nach einer Studie von Le Thi Nham Tuyet/Johansson (2001) fühlen sie sich oft minderwertig, da sie der Familie keine gesunden Nachkommen schenken können.

Die buddhistische Vorstellung von Karma und Wiedergeburt sieht eine Behinderung entweder als selbstverschuldete Strafe oder Rache für eine vorherige Existenz oder als Herausforderung für die jetzige Existenz. Karma impliziert stets eine Ursache-Wirkung-Relation und soll den Menschen zu guten Taten bewegen. Im Buddhismus ist der Mensch einerseits autonom, zeitgleich aber auch, aufgrund des Glaubens an ein Kollektiv-Karma, von der Gemeinschaft abhängig. Verknüpft mit dem Glauben an Geisterwesen und dem Ahnenkult ist der Mensch gewillt, seine eigene aktuelle Situation und die der eigenen Familie unmittelbar und positiv zu beeinflussen.

Im Sinne des Daoismus wird eine geistige oder körperliche Auffälligkeit als Unausgeglichenheit der dynamischen Wechselbeziehung von Yin und Yang beurteilt. Behinderungen, Krankheiten oder Auffälligkeiten gelten als mangelnde Harmonie mit sich und der Umwelt. Um einen harmonischen Ausgleich zu erzeugen, sollte die Umwelt nicht abwarten, bis sich die Abweichung anpasst, sondern muss sich im Sinne des Dao, d.h. der Wandelbarkeit des Universums, gemeinsam mit der Abweichung zu einem fließenden, gleichgesinnten Ganzen entwickeln. Leid und Krankheit sind im Daoismus frei von Bewertung und stehen in einem komplementär-harmonischen Verhältnis mit Gesundheit.

Die politischen Strukturen des Kommunismus können ebenfalls die Sicht auf Menschen mit Behinderung beeinflussen. Im kommunistischen Menschenbild, geprägt von der Idee der Gemeinschaft und der Arbeit als Beitrag für das Zusammenleben, wird die psychische Dimension des Menschen vernachlässigt. Von jedem Mitglied der Gesellschaft wird dieselbe Leistung erwartet. Zusätzlich passt das Bild von Menschen mit Behinderung oder der »Agent Orange«-Opfer nicht in die von der damaligen Wirtschaftsreform (Doi Moi) ausgehende positive Darstellung Vietnams.

Vereinfacht lassen sich vor diesem Hintergrund zwei Wege erkennen, eine Behinderung zu sehen. Einer gründet auf Mitleid bzw. Ehrerbietung, der andere beruht auf Emotionen wie Angst oder Scham. Mitleid und das Streben nach Barmherzigkeit stellen für die »Agent Orange«-Opfer eine wichtige Attitüde dar und ermöglichen soziale Reaktionen der Akzeptanz und Integration. Angst hingegen, gepaart mit Scham, Schicksalsglaube, Armut und Unkenntnis, führen zu Rückzug und Isolation. Der unbewusste gesellschaftlicheDruck zu Konformität und die fehlende Trennung zwischen Person und Behinderung können dazu führen, dass »Agent Orange«-Opfer entweder weggegeben oder versteckt werden.

Kriegsveteranen leben heutzutage oft in Isolation, Armut und einer Zweiklassengesellschaft. Gesellschaftliches Ansehen bekommt nur der Veteran, bei dem die Spuren des Krieges deutlich zu sehen sind und der für die kommunistische Regierung im Norden gekämpft hat. Südvietnamesische Veteranen werden verächtlich »Marionetten-Soldaten« genannt und haben gesellschaftlich eine schwere Stellung. Viele der »Agent Orange«-Opfer sind auf Almosen angewiesen. Je sichtbarer die Behinderung, desto mehr Almosen bekommt man, was oftmals gezielt zur weiteren körperlichen Verstümmlung führt.

1998 entstanden erstmals auf politischer Ebene gesetzliche Richtlinien, die langfristige Hilfen für »Agent Orange«-Opfer (u.a. medizinische Behandlung, berufliche Ausbildungsmöglichkeiten) gewährleisten sollen. Im Grundrechtskatalog von 1992 und im »National Plan of Action for the Vietnamese Children« werden Sozialhilfe und berufliche Eingliederung für Kriegsveteranen, Dioxin-betroffene Kinder und Menschen mit Behinderung gesichert (Ninh Do Thi Hai 2002, S.196). So gibt es beispielsweise seit dem Jahr 2000 eine monatliche Rente für Kriegsveteranen (ca. 10-20 US-Dollar) und eine Verminderung oder Befreiung der Schulgebühren für Kinder mit Behinderung. Weiter wurden – entsprechend des von der Weltgesundheitsorganisation entwickelten Konzeptes der »Community-Based Rehabilitation« – nach und nach in jeder Provinz Rehabilitationszentren für »Agent Orange«-Opfer aufgebaut sowie Nichtregierungs- und zwischenstaatliche Organistionen etabliert. Zu den wichtigsten dort tätigen Organisationen gehören MOLISA, VAVA, die GIZ, OGCDC und die ILO.2 Sie befassen sich u.a. mit juristischem Vorgehen gegen involvierte Chemieunternehmen und aktivieren die (Weiter-) Bildungs- und Gesundheitsebene.

Fazit

Die Auswirkungen und Folgen des Vietnamkrieges auf Umwelt und Mensch wurden 1970 mit dem Begriff des »Ecocide« beschrieben. »Ecocide« beschreibt in bewusster Anlehnung an den Begriff des Genozids die gezielte und permanente Zerstörung der menschlichen Umwelt. Explosive Munitionen, der Einsatz von Napalm und Minen, die mechanische Zerstörung der Felder und der gezielte Einsatz von Herbiziden gelten entsprechend als Akte gegen die Menschlichkeit.3 Das geschädigte Ökosystem ist nicht mehr in der Lage, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Auch wenn im Juli 2010 US-Außenministerin Hillary Clinton Hilfe bei der Beseitigung der giftigen Hinterlassenschaften des US-Militärs im Vietnamkrieg zusicherte, stehen die ökologischen Aufbauprogramme aufgrund der hohen Kosten in ständiger Gefahr, gestoppt zu werden.

Es ist zu betonen, dass die Vernichtung des Ökosystems zwar in vielen Kriegen eine eingesetzte Strategie war, dennoch hat der Einsatz von Herbiziden im Vietnamkrieg eine unvergleichliche Zerstörung hervorgerufen. Der Krieg, der Einsatz von Herbiziden und besonders der Einsatz von „»Agent Orange« haben im enormen Ausmaß der Umwelt, aber in noch gravierenderer Weise der Zivilbevölkerung geschadet. Sensibilität, die Schaffung eines Bewusstseins und Aufklärung sind sowohl nationale als auch internationale Ziele für eine angemessene Betrachtung und einen angemessenen Umgang mit den Folgen des »Agent Orange«-Einsatzes.

Literatur

Beckmann, Tho/Giesler, Renate (2000): Das Beispiel Vietnam: Agent-Orange und die Folgen. Zeitschrift »Behinderung und Dritte Welt« 11 (3), S.102-104.

Berendt, Isabell Franziska (2009): Der Einsatz von Agent Orange während des Vietnamkriegs in den 1960er Jahren. Die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Hamburg.

Fabig, Karl-Rainer (2007): Agent Orange vor Gericht. In: Fabig, Anita/Otte, Kathrin (Hrsg.): Umwelt, Macht und Medizin. Zur Würdigung des Lebenswerks von Karl-Rainer Fabig. Kassel, S.46-57.

Fabig, Anita/Otte, Kathrin (Hrsg.) (2007): Umwelt, Macht und Medizin. Zur Würdigung des Lebenswerks von Karl-Rainer Fabig. Kassel.

Gallo, Werner (2007): Die unmittelbaren Wirkungen des Giftgaskrieges in Vietnam auf Menschen (und Umwelt) und ihre Folgen als Altlast. In: Fabig , Anita/Otte, Kathrin (Hrsg.), op.cit., S.232-241.

Griffiths, Philip Jones (2003): Agent Orange. »Collateral Damage« in Vietnam. London.

Hee-Tae Chae (2004): ER-ZIEHEN DURCH BE-ZIEHEN. Entwurf eines ganzheitlichen Erziehungsmodells auf der Grundlage der Individualpsychologie und der ostasiatischen Philosophie. Dissertation am Fachbereich Erziehungswissenschaft der Philipps-Universität Marburg/Lahn.

Kühner, Stefan (2009): Lange nach dem Krieg … – Agent Orange und die späten Leiden der Opfer. In: Zeitschrift »Behinderung und Dritte Welt« 20 (2), S.16-23.

Le Thi Nham Tuyet/Johansson, Annika (2001): Impact of Chemical Warfare with Agent Orange on Women’s Reproductive Lives in Vietnam. A Pilot Study. In: Reproductive Health Matters 18, S.156-164.

Linck, Gudula (1995): Befähigung anderer Art? Zur Lebenswelt körperlich Behinderter in China. Pfaffenweiler.

Nguyen Van Tuan (2006): Agent Orange, Dioxine et leurs consequences. Ho-Chi-Minh-City.

Ninh Do Thi Hai (2002): Vietnam. Die Sozialpolitik für Behinderte in Vietnam. In: Pitschas, Rainer/Baron von Maydell, Bernd/ Schulte, Bernd (Hrsg.): Teilhabe behinderter Menschen an der Bürgergesellschaft in Asien und Europa. Speyer, S.195-204.

Stellman, Jeane Mager/Stellman, Steven D./Christians, Richard/Weber, Tracy/Tomasallo, Carry (2003): The extent and patterns of usage of Agent Orange and other herbicides in Vietnam. In: Nature 442, S.681-687.

Vo Quy (2007): Ökozid in Vietnam – Erforschung und Wiederherstellung der Umwelt. In: Fabig, Anita/Otte, Kathrin (Hrsg.), op.cit., S.218-231.

Anmerkungen

1) 15.000 Gallonen (1962), 59.000 Gallonen (1963), 175.000 Gallonen (1964), 621.000 Gallonen (1965) und 2,28 Millionen Gallonen (1966). 1 US-Gallone = 3,7 Liter.

2) MOLISA = Ministry of Labour, Invalids and Social Affairs; VAVA = Vietnamese Association of Victims of Agent Orange; GIZ = Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit; OGCDC = Office of Genetic Counseling and Disabled Children; ILO = International Labor Organization.

3) Die Operation »Ranch Hand« verstieß zum damaligen Zeitpunkt gegen die Haager Landkriegsordnung von 1907 und das Genfer Giftgasprotokoll von 1925; aufgrund fehlender Ratifizierung sind weder die USA noch die ehemalige südvietnamesische Regierung völkerrechtlich anklagbar (Berendt 2009, S.16 f.).

Natalie Wagner ist Diplom-Pädagogin mit den Schwerpunkten Sonderpädagogik, Psychologie und Soziologie, und sie beendete ihr Studium im September 2012 an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Momentan leistet sie einen Freiwilligendienst im Auftrag der Deutschen UNESCO-Kommission in China.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2013/2 Kriegsfolgen, Seite 27–30