W&F 1990/1

Aufruf: Bundesrepublik ohne Armee

Aufruf für eine zivile Bundesrepublik Deutschland, eine Bundesrepublik ohne Armee (BoA)

von BoA

In vielen Initiativen der Friedensbewegung wird gegenwärtig das weitreichende Projekt einer Bundesrepublik ohne Armee (BoA) diskutiert und an einigen Orten bereits konkret vorbereitet. Unser Aufruf für eine zivile Bundesrepublik Deutschland soll diese Bemühungen ermutigen und das Anliegen überall bekanntmachen, damit sich viele und immer mehr Bürgerinnen und Bürger an seiner Verwirklichung beteiligen.
Seit Jahren hat die Friedensbewegung und haben mit ihr einsichtige PublizistInnen und PolitikerInnen festgestellt: jede Form eines Krieges der hochgerüsteten Blöcke in Europa ist beiderseits so sinnlos wie tödlich. Die dramatische Ereignisse der letzten Monate haben nunmehr den letzten Rest einer politischen Rechtfertigung für die Szenarien der Unvernunft beseitigt. Wenigstens eine europäische Welt ohne Rüstung und Militär ist eine realistische Perspektive geworden. Sie bietet erstmals tatsächliche Sicherheit vor einer Kriegsgefahr, die in jeder – auch der reduzierten und kontrollierten – Rüstung enthalten ist. Die Bundesrepublik Deutschland braucht ebensowenig eine Bundeswehr, wie die Deutsche Demokratische Republik eine Nationale Volksarmee.

Für beide deutsche Staaten eröffnet sich heute die historische Chance, vollständig abzurüsten. Dadurch können sie beide für sich und ihre Nachbarn unter Beweis stellen, daß wir Deutschen aus der Geschichte gelernt haben. Die Bundesrepublik kann hier und heute ohne jedes Risiko für die Sicherheit der Bevölkerung einseitig auf bewaffnete Streitkräfte – die Bundeswehr – verzichten. Sie leistete damit auch ihren besten und sichtbarsten Beitrag zur Entmilitarisierung und Demokratisierung der Deutschen Demokratischen Republik. Eine zivile Bundesrepublik und eine ihr folgende zivile Deutsche Demokratische Republik würden jenseits aller Zweifel beweisen, daß von den Deutschen keine Bedrohung ihrer Nachbarn mehr ausgehen kann. Nicht nur partielle Rüstung und Truppenverminderung, sondern die vollständige Auflösung der Bundeswehr – und parallel dazu der Nationalen Volksarmee – muß unsere konkrete politische Antwort sein auf die Erkämpfung der Demokratie durch das Volk der DDR.

Wir rufen die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik auf, mit denselben Energien, die sie noch vor kurzem in der großen Friedensbewegung der achtziger Jahre entfaltet hatten, mit derselben Phantasie und Kreativität alle verfügbaren demokratischen und gewaltfreien Mittel zu mobilisieren, um die politischen Repräsentanten zu der historischen Entscheidung einer ersatzlosen Auflösung der Bundeswehr zu drängen. Die dadurch freikommenden Mittel werden zur sozialen Sicherheit, zum Umweltschutz, zur Hilfe für osteuropäische Länder, vor allem aber auch der armen und ausgebeuteten Völker der sogenannten Dritten und Vierten Welt und nicht zuletzt in der DDR dringend gebraucht.

Der Bundespräsident könnte selbst einen wichtigen ersten, wenn auch zunächst nur symbolischen Schritt in Richtung auf eine zivile Bundesrepublik Deutschland machen: wir bitten ihn, das bisherige militärische Zeremoniell bei Staatsempfängen durch zivile Formen der Begrüßung seiner, unserer Gäste zu ersetzen.

Komitee für Grundrechte und Demokratie, An der Gasse 1, 6121 Sensbachtal

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1990/1 1990-1, Seite