Aus dem Herausgeberkreis
von W&F-Herausgeberkreis
Freiheit 2.0 / BigBrotherAwards 2017
FIfF-Kommunikation 3/2017
Im September und Oktober 2016 realisierte der Künstler Florian Mehnert in Weil am Rhein, Basel und Huningue das Kunstprojekt »FREIHEIT 2.0«, das sich mit den Wechselwirkungen zwischen digitaler und analoger Welt auseinandersetzte. Begleitet wurde die Kunstinstallation durch die BIG DATA KOLLOQUIEN mit Referent*innen aus Medientheorie, Informatik, Datenschutz, Wirtschaft und Philosophie. Die Referate bilden einen der beiden Schwerpunkte in der aktuellen Ausgabe der FIfF-Kommunikation.
In einem zweiten Schwerpunkt berichten wir von den BigBrotherAwards, die auch in diesem Jahr wieder in Bielefeld verliehen wurden. Die Themen der diesjährigen Veranstaltung gingen dabei über den Bruch des Datenschutzes in der Informationstechnologie hinaus: Wie der Award für die Türkisch-Islamische DITIB zeigt, ist man auch in der »analogen« Religionsausübung nicht vor Bespitzelung sicher. Ebenfalls wurde die massive Gefährdung der IT-Sicherheit durch digitale Aufrüstung der Bundeswehr mit einem BigBrotherAward »honoriert«.
In seinem Beitrag »Hackerangriff auf die Wahlfreiheit« begrüßt außerhalb der Schwerpunkte Rainer W. Gerling, dass es in Deutschland auch auf absehbare Zeit keine politischen Wahlen im Internet geben wird. Lähmenden Pessimismus stellt Dagmar Boedicker in einem Essay fest und fragt nach den Gründen für den Zerfall der Europäischen Union als Zukunftsprojekt.
Zu den weiteren Themen in der FIfF-Kommunikation 3/2017 zählen mehrere Stellungnahmen, die das FIfF abgab. Eine Stellungnahme betraf den Erpressungstrojaner WannaCry, der ein besonders eindringliches Beispiel darstellt, wie das Treiben von Geheimdiensten und so genannten Sicherheitsbehörden unsere Infrastruktur gefährdet. Eine Stellungnahme wurde zum Staatstrojaner abgegeben, der mit parlamentarischen Winkelzügen im Schatten öffentlicher Berichterstattung durch den Bundestag geschleust wurde und das staatliche Hacking zum Alltagsinstrument der Behörden erhebt. Ebenso gab es eine Stellungnahme zum Berliner Bahnhof Südkreuz, an dem seit 1. August 2017 großflächige Videoüberwachung mit biometrischer Gesichtserkennung und später auch Verhaltenserkennung erprobt werden sollen, dies unter sowohl grundrechtlich als auch methodisch zweifelhaften Rahmenbedingungen.
Inhaltliche Anfragen richten Sie bitte an die Redaktion redaktion@fiff.de, ein Rezensionsexemplar senden wir Ihnen auf Anfrage an fiff@fiff.de gerne zu. Auf unserer Webseite fiff.de/fk finden Sie weitere Informationen zur aktuellen Ausgabe und zu vorangegangenen Heften.
Zum Tod von Peter Krahulec
Prof. Dr. Peter Krahulec starb am 27.7.2017 im Alter von 74 Jahren. Peter war von 1992 bis 1996 Vorsitzender des W&F-Vorstandes, insgesamt von 1992 bis 2002 im Vorstand. Dies war eine – insbesondere ökonomisch – sehr schwierige Zeit für unsere Zeitschrift. Zur Rettung von W&F wurden z.B. eine intensivere Kooperation mit den Ärzten zur Verhütung eines Atomkrieges (IPPNW) oder das Erscheinen in einem Verlag erwogen. Peter moderierte diese Probleme mit seiner engagierten, ruhigen Art.
Peter war neben seinem eigentlichen beruflichen Aufgabengebiet – Erziehungswissenschaften und Geschichte der Sozialen Arbeit – unermüdlich als Friedenspädagoge und Friedensbewegter aktiv. Er war u.a. Mitinitiator der Ostermarschbewegung in Fulda, kritisierte den Konfrontationskurs gegenüber der Sowjetunion und insbesondere den so genannten NATO-Doppelbeschluss, mit dem neue Atomraketen in Deutschland und Europa stationiert werden sollten (Pershing II und Marschflugkörper), die Teil der Strategie zur »Enthauptung« der Sowjetunion waren. Er kämpfte grundsätzlich gegen ein Konzept von »Sicherheit« bei dem die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion sich gegenseitig die Vernichtung androhten (mutual assured destruction = MAD).
Peter hatte entscheidenden Anteil daran, dass die militärischen Überlegungen zum »Fulda Gap« bekannt wurden. Östlich von Fulda ragte das Gebiet der Warschauer Vertragsorganisation am weitesten in den Westen hinein; westliche Militärstrategen gingen davon aus, dass die feindlichen Panzer die Grenze Richtung Fulda in kurzer Zeit durchbrechen könnten. Deshalb wurden im Rahmen des »General Defense Plan« der US-Armee u.a. auch der Einsatz taktischer Atomwaffen in Erwägung gezogen. Danach wären im »Ernstfall« allein im Bereich um Fulda weit über hundert Atomwaffen gezündet worden. Mit seinen „organisierten Grenzlandfahrten“ informierte er über dieses potentielle Kriegsgebiet und trug damit zur „friedenspädagogischen Alphabetisierung“ bei.
Neben seiner Vorstandstätigkeit bei W&F war Peter im Laufe seines Lebens u.a. auch 25 Jahre wissenschaftlicher Beirat der Informationsstelle Wissenschaft und Frieden, Leiter der Arbeitsstelle Angewandte Friedenspädagogik in Fulda, Sprecher des bundesweiten Arbeitskreises Frieden in Forschung und Lehre, Mitglied im Dachverband der Arbeitsgemeinschaft Friedens- und Konfliktforschung, Vorstandsmitglied im Studienkreis Deutscher Widerstand. Ihm war besonders wichtig zu betonen, dass die Friedensaktivist*innen gegen Militarismus, Aufrüstung und die Vorbereitung von Kriegen im Osten wie im Westen waren („Abrüstung in Ost und West“), nicht aber gegen die Vereinigten Staaten oder die Sowjetunion.
Peter war ein ungemein warmherziger, der Sache des Friedens und seinen Mitengagierten zugewandter Freund, Kollege und Mensch. Vorschnelle Urteile waren seine Sache nicht. Die Mehrdimensionalität von Konflikten und von Perspektiven war ihm essenziell wichtig. Peter Krahulec wird uns sehr fehlen.
PD Dr. Johannes M. Becker (W&F-Vorstandsmitglied seit 1999, W&F-Vorsitzender 2009 bis 2015)
Prof. Dr. Gert Sommer (W&F-Vorstandsmitglied 1991 bis 2014)