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W&F 1987/3

Aus der Rede des Nobelpreisträgers für Physik auf der Kundgebung der Friedensbewegung am 13.6 in Bonn

von Klaus von Klitzing

Auch als Nobelpreisträger weiß man nicht alles – insbesondere kennt man nicht die Abhängigkeiten und Randbedingungen, die politische Entscheidungen beeinflussen. Aber als logisch denkender Mensch weiß ich mit Sicherheit, daß das Wettrüsten und das Anhäufen von Zehntausenden von atomaren Sprengköpfen in den Arsenalen der Großmächte und insbesondere die Gefahr einer unkontrollierten Ausbreitung atomarer Waffen nicht mehr dem Konzept der Friedenssicherung durch Abschreckung dient, sondern in wachsendem Maße eine Bedrohung der Menschheit darstellt.

Als Physiker kann ich ungefähr abschätzen, welche Folgen der militärische Einsatz von Atomwaffen haben würde. Und diese Konsequenzen sind so Unfaßbar, daß die meisten Menschen dieses Problem einfach ignorieren. Ich möchte nichts verniedlichen – aber der Unfall von Tschenobyl und die Diskussion um die Sicherheit von Kernkraftwerken sind nahezu bedeutungslos im Vergleich zu den Folgen eines Atomkrieges. Wenn es nicht gelingt, innerhalb einer relativ kurzen Zeit die Atomwaffenarsenale in einer kontrollierten Weise abzubauen und die Weiterverbreitung der Nuklearwaffen wirksam zu unterbinden, so wird es zwangsläufig zu einem Einsatz von Atomwaffen kommen – ob durch menschliches Versagen, durch die Tat eines Verrückten oder als Folge eines ideologischen Sendungsbewußtseins.

Gerade Wissenschaftler haben mehrfach Vorschläge gemacht, wie man auf eine realistische Art und Weise Wege aus dem Wettrüsten finden kann. Beim internationalen Friedenskongreß der Naturwissenschaftler im November letzten Jahres in Hamburg wurden z.B. ausgewogene Vorschläge zur Abrüstung unterbreitet, wobei ein wesentlicher Punkt eine einschneidende Verringerung der Zahl der Atomwaffen war.

Friedenssicherung bedeutet nicht nur die Reduzierung von Waffen, sondern hauptsächlich auch die Abschaffung von Feindbildern. Jeder Einzelne kann versuchen, dazu beizutragen, und ich glaube, die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Grundlagenforschung könnte ein Vorbild sein. Hier wird über politische und ideologische Grenzen hinweg zusammengearbeitet, und der persönliche Kontakt ist der beste Weg zum Abbau von Feindbildern. In gewisser Weise bin ich stolz, daß gerade meine Forschungsarbeiten in das Arbeitsprogramm eines Weltlaboratoriums aufgenommen wurden, welches voraussichtlich in Moskau am Leninsky Prospect. 9 seinen Sitz haben wird. Eine Aufgabe der Weltlaboratorien ist es, durch internationale Zusammenarbeit dem Frieden zu dienen.

Aber das größte Problem zur Zeit ist, daß die meisten westlichen Politiker zu spät gemerkt haben, daß Herr Gorbatschow ernsthaft auf den Friedensnobelpreis hinarbeitet – und darauf sind viele neidisch. Wenn man jemandem den Erfolg neidet, so gibt es zwei Reaktionsmöglichkeiten. Entweder versucht man, den Erfolg zu sabotieren – das wäre ein sehr schlechter Weg – oder man hängt sich an den Erfolg an. Diesen Weg wurde ich empfehlen.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1987/3 Der mühsame Weg zur Abrüstung ..., Seite