Ausnahmediplomatin geehrt
Verleihung des Göttinger Friedenspreises, Deutsches Theater Göttingen, 9.3.2024
Mit großem Interesse und Neugierde habe ich die 26. Verleihung des Göttinger Friedenspreises verfolgt. Die Verleihung im Deutschen Theater setzte einen passenden Rahmen für diese besondere Veranstaltung. Gleich eingangs erwähnte Dr. Ekkehard Griep (Vorstandsmitglied der Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (DGVN)), dass in diesem Jahr das Datum mit dem Geburtstag des Stifters Dr. Röhl zusammenfiel (09.03.1955). Besondere Erwähnung fand auch, dass fast alle Eintrittskarten zur diesjährigen Preisverleihung verkauft worden waren. Doch wem gebührte die Ehre? Der Preis wurde in diesem Jahr Prof. Dr. h.c. Angela Kane verliehen, um ihre langjährige Arbeit für Abrüstung und den Frieden zu würdigen.
Zu Beginn der Preisverleihung wurde ein kleiner Einblick in die Arbeit der Stiftung gegeben. Besonders der Einsatz an Schulen (in diesem Fall konkret mit Schüler*innen des Felix-Klein-Gymnasiums) im Sinne des Stifters wurde betont. Im vorgestellten Projekt hatte die Stiftung mit Schüler*innen aus sieben Nationen die Bedeutung der Vereinten Nationen herausgearbeitet. Der begleitende Kommentar mündete in der Aussage, dass Frieden kein Dauerzustand sei, sondern permanenten Einsatz erfordere und die Arbeit in diesem Sinne zu verstehen sei – eine gelungene Überleitung auf das Wirken der Preisträgerin.
Nach der Begrüßung des Publikums durch Dagmar Freudenberg, der neuen Stiftungsvorsitzenden, und dem Grußwort der Oberbürgermeisterin der Stadt Göttingen hielt Jürgen Trittin (MdB und Bundesumweltminister a.D.) die Laudatio auf die Preisträgerin. In den Reden der Vorsitzenden und von Jürgen Trittin wurde auf die aktuellen politischen Konfliktherde, besonders den Ukrainekrieg und die Situation in Gaza/Israel, eingegangen. Trittin betonte im Angesicht gerade der letzten Eskalation für die dringende Notwendigkeit einer Stärkung der Vereinten Nationen.
„Denn es ist modern geworden gegen die Vereinten Nationen und ihren Generalsekretär António Guterres zu polemisieren, weil sie auf die Einhaltung klarer Normen des Völkerrechts pochen. Organisationen der Vereinten Nationen für humanitäre Hilfe wie OCHA und UNWRA werden mit Boykottaufrufen überzogen. Dabei ist die Lage rechtlich einfach: Wer möchte, dass Europa und Deutschland die Finanzierung des Palästinenserhilfswerks UNWRA einstellen, plädiert dafür, dass Israel die Kosten für Humanitäre Hilfe, Gesundheitsvorsorge und Bildung in Gaza und der Westbank übernimmt.“
Zwischen den Beiträgen wurden musikalische und literarische Einlagen vorgetragen, die jeweils eine schöne Untermalung des Verlaufs darstellten. So wurde z.B. das Gedicht von Wilhelm Busch »Bewaffneter Friede« vorgetragen. Die Parabel von Fuchs und Igel beschreibt die Notwendigkeit eines respektvollen Umgangs miteinander. Nur mit gegenseitiger Akzeptanz von Unterschieden kann es ein friedliches Zusammenleben geben.
Die Entscheidung der Jury der Stiftung (Prof. Michael Brzoska, Dr. Ute Finckh-Krämer und Dr. Martina Fischer), Frau Angela Kane für ihr friedenspolitisches Engagement auszuzeichnen, galt der Würdigung ihrer langjährigen, besonderen und hervorgehobenen Arbeit für Abrüstung und Frieden bei den Vereinten Nationen. Außerdem sollte die Verleihung des Göttinger Friedenspreises ein kleiner Beitrag sein, um die besondere Rolle der Vereinten Nationen mit ihrem friedenspolitischen Auftrag hervorzuheben und ihr positive Anerkennung zuteilwerden zu lassen. Frau Freudenberg möchte ich dazu mit einigen Worten zitieren:
„In Zeiten wie diesen, wo die Stimmen für den Frieden und die Abrüstung wieder leiser werden, müssen wir die Menschenrechte, die nach dem Ende des 2. Weltkriegs die treibende Kraft zur Gründung der Vereinten Nationen waren, wieder in den Mittelpunkt rücken […].“
Diesen Gedanken gilt es zu verstärken, da den Vereinten Nationen in der bedrohlichen Zuspitzung der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine und zwischen Israel und Palästina eine besondere Rolle zukommen sollte, die aber weitgehend ungenutzt bleibt.
Doch Menschen wie Prof. Angela Kane helfen, dieser Rolle ein Gesicht und Gewicht zu geben, das über sie hinaus strahlt. Geboren 1948 im niedersächsischen Hameln, begann Frau Kane ihren beruflichen Werdegang bei den Vereinten Nationen schon 1977 – nur wenige Jahre nach dem Beitritt Deutschlands und der DDR im Jahr 1973. Zu diesem Zeitpunkt wurden Mitarbeiter*innen gesucht und es bestanden gute Chancen, bei erforderlicher Qualifikation einen Arbeitsplatz zu erhalten. Die in ihrer Dankesrede beschriebenen schwierigen Umstände in den Anfängen (fehlende Räumlichkeiten, Arbeitsplätze und keine vorgegebenen Arbeitsabläufe) waren gut nachvollziehbar.
Indem sie ihre verschiedenen Arbeitsbereiche über die 37 Jahre ihrer Arbeit bei den Vereinten Nationen schilderte, die eng mit dem jeweiligen amtierenden Generalsekretär verbunden waren, wurde sichtbar, wie die Herausforderungen der jeweiligen Konfliktsituationen immer wieder neu eine große Fähigkeit zum diplomatischen Umgang und Fingerspitzengefühl mit anderen kulturellen Prinzipien, mit ungewohnten hierarchischen Strukturen und auch mit Autokraten erforderte. Erstaunlich war und ist, dass es Angela Kane über die Jahrzehnte gelungen ist, keinerlei Eitelkeiten zu entwickeln und bodenständig zu bleiben.
Um nur einige Stationen auf dem Weg von Angela Kane zu benennen: Sie war beteiligt an der Koordination und Durchführung von zahlreichen Friedensmissionen in Mittelamerika und Afrika, sie arbeitete zur Sensibilisierung der Gremien der Vereinten Nationen für das große Problem der systematischen Anwendung der sexualisierten Gewalt gegen Frauen und Kinder. „Als ‚Hohe Repräsentantin für Abrüstung‘ vermittelte sie […]in Verhandlungen mit dem syrischen Assad-Regime ([…] und) legte die Grundlagen dafür, dass die Massenvernichtungswaffen aus Syrien […] abtransportiert und […] vernichtet werden konnten.“ (Pressemitteilung der Stiftung) Nach dem erfolgreichen Abschluss der Arbeiten zur Untersuchung des Chemiewaffeneinsatzes in Syrien widmete sich Angela Kane anderen Aufgaben, wie z.B. den Atomwaffen. Kurz nach der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag von 2015 verabschiedete sich Angela Kane von den Vereinten Nationen.
Diese Arbeit der ehemaligen Diplomatin Angela Kane über viele Jahrzehnte zeugt von einem unermüdlichen friedenspolitischen und bewundernswerten Engagement mit hohem persönlichem Einsatz – eine wahrlich würdige Preisträgerin. Frau Kane kündigte zum Ende ihrer Rede an, dass sie das Preisgeld von 10.000 € der Jugendarbeit der DGVN zur Verfügung spenden wird. Ihrer formulierten Überzeugung nach „wollen [sie] eine friedliche, offene Welt, die Grundwerte wahrt und Menschenrechte schützt. Sie fordern Klimawandel und setzen sich für die nachhaltigen Entwicklungsziele ein, denn wir haben nur diese eine Welt und müssen sie für die nächsten Generationen erhalten. Das ist auch das Grundziel der Vereinten Nationen“.
Hinweis: Sowohl die Laudatio von Jürgen Trittin als auch die wirklich lesenswerte Rede der Preisträgerin Angela Kane können auf der Homepage des Göttinger Friedenspreises eingesehen werden: goettinger-friedenspreis.de
Heidemarie Dann