Bericht vom European Peace Congress – Osnabrück ‘98
von Tobias Pflüger
Vom 29. bis 31. Mai fand in Osnabrück der »European Peace Congress ‘98« statt. Annähernd 1.000 TeilnehmerInnen – schwerpunktmäßig aus Deutschland, aber auch aus vielen anderen europäischen Ländern – diskutierten in zahlreichen Foren u.a. zu folgenden Themen:
- Asyl für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer
- (Keine) Zukunft der Wehrpflicht
- Staat und Pazifismus
- konkrete Erfahrungen mit Kriegsdienstverweigerung und Krieg an den Beispielen Türkei und Bosnien
- Rüstungsproduktion
- Konversion
- Militarisierung
- Nukleare Bedrohung
- Friedensgestaltung durch Nichtregierungsorganisationen
- Zivile Friedensdienste
- Nationalstaat und Weltregierung etc.
Der Schwerpunkt lag sicher im Bereich der Kriegsdienstverweigerung, die Diskussionen blieben aber nicht auf diese Thematik beschränkt.
Einen Gesamteindruck des »European Peace Congress« abzugeben, ist schwer, da durch die Vielzahl von Foren und Vorträgen zur gleichen Zeit (mit leider auch unterschiedlichen Zeitübergängen) es praktisch nur möglich war, den Kongreß partiell mitzubekommen. Die politischen Grundaussagen sind deshalb am ehesten in der Auswahl der ReferentInnen, aus dem vorgelegten Memorandum und den Beschlüssen des Abschlußplenums zu erkennen.
Bei der Auswahl der ReferentInnen fiel der starke internationale Charakter (Israel-Palästina, Russland, Polen, Türkei, Bosnien, Jugoslawien etc.) auf und bei den Großplenen die Fixierung auf »bekannte Namen«.
Als Vorsitzender des Trägerkreises hat Mohssen Massarat sieben schon laufende handlungsorientierte Projekte aufgelistet, die im Abschlußplenum zum Tragen kamen:
- Das Menschenrecht der Gewissensfreiheit zur Kriegsdienstverweigerung verwirklichen
- Asyl für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure
- Eine europäische Kampagne Ziviler Friedensdienst
- Kampagne »Fünf für Frieden«
- Kampagne für einen Friedenssteuerfonds
- Einrichtung einer internationalen Friedensuniversität
- Zivile Friedensräte auf nationalen, regionalen (EU) und globalen (UN) Ebenen.
Das verabschiedete Memorandum macht den Versuch, die Idee des Pazifismus auf die Ebene der Mitgestaltung der laufenden Politik zu holen. Dabei werden aber auch Vorschläge zur Opposition gegen die herrschende Politik gemacht. Genau an diesem Ansatz krankt das lange Papier: einerseits Teil der laufenden Politik sein zu wollen und andererseits festzustellen, daß diese friedenspolitisch unzureichend ist. Kritik verdient auch der in Osnabrück deutlich werdende Trend, alles aufzunehmen, was gerade in der Friedensbewegung läuft, ohne es im Einzelfall inhaltlich zu prüfen und kritisch zu hinterfragen. Eine intensive Auseinandersetzung mit der laufenden Militarisierung der bundesdeutschen Politik fand nur zum Teil statt. Schwerpunkt bildete die Diskussion von Ideen, wie es anders gemacht werden könnte, ohne sich allerdings ausreichend damit zu befassen, ob in der laufenden Politik überhaupt dafür Platz ist, ob die Friedensprojekte angesichts der gegenwärtigen Personalisierung und Entpolitisierung der Politik überhaupt auf der Tagesordnung stehen oder wie sie dorthin kommen könnten.
Trotzdem hat der Kongreß meiner Ansicht nach einen sehr großen Wert für die Friedensbewegung:
- Außerhalb und während der Arbeitsgruppen und Podiumsdiskussionen ergaben sich viele informelle Gespräche und Treffen, ein Austausch zwischen den Menschen und Gruppen der Friedensbewegung war hervorragend möglich. Im Zeitalter von Telefon- und e-mail-Bekanntschaften war Osnabrück ein Ort, andere FriedensfreundInnen einmal leibhaftig vor sich zu sehen, näheres über ihre Arbeit zu erfahren und mit ihnen weitere Projekte zu planen. Der Austausch beispielsweise der Medienschaffenden der Friedensbewegung war in dieser Form einmalig und sollte unbedingt wiederholt werden.<0>
- Der internationale Charakter des Kongresses ermöglichte es, mal über den deutschen Tellerrand hinaus zu schauen, sich gegenseitig zu informieren und Ideen auszutauschen.
Eine Vordokumentation des »European Peace Congress Osnabrück ‘98« ist im Friedens-Forum 4/98 und in Kurzform auch in der Zivilcourage 4/98 erschienen. Eine ausführliche Kongreßdokumentation wird im Münsteraner Agenda-Verlag erscheinen.