W&F 1998/1

Bonner Notizen 1/98

von Jürgen Nieth

Neuer Regierungsbunker?

Der Atombunker der Bundesregierung im Ahrtal wird aufgegeben. Dies hat das Bundeskabinett im Dezember beschlossen. Der Atombunker entspreche „nicht mehr dem heutigen Stand der Technik“, und die notwendige Renovierug der Schutzräume würde nach Angabe des Regierungssprechers eine dreistellige Millionensumme verschlingen. Wie die FAZ (10.12.97) berichtet, ist über den Bau eines neuen Atombunkers in der Nähe von Berlin noch keine Entscheidung gefallen.

Jein zum Frauen-Wehrdienst?

In ihrem neuen Grundsatzprogramm will die SPD künftig auf die bisherige generelle Absage an einen Frauen-Wehrdienst verzichten. Nach einer Meldung der Frankfurter Rundschau (06.02.98) will sie diese Frage offenhalten. Gleichzeitig soll das bisherige Nein zu Waffenexporten auf Lieferungen in »Spannungsgebiete« beschränkt werden. Deutsche Militäreinsätze, die im alten Grundsatzprogramm von 1989 nur zur Landesverteidigung akzeptiert wurden, solen nun auf den „Rahmen des Atlantischen Bündnisses“ sowie auf Operationen begrenzt werden, „die von den Vereinten Nationen verantwortet und vom Bundestag beschlossen worden sind.“

Atomteststopp gebilligt

Das Bundeskabinett hat am 10.02.98 den Entwurf des Ratifikationsgesetzes zum Atomteststoppvertrag verabschiedet. Das zeitlich nicht begrenzte Abkommen für ein umfassendes Verbot von Atomversuchen in der Atmosphäre, im Weltall, unter der Erdoberfläche und in den Meeren tritt in Kraft, wenn es von 44 Ländern ratifiziert worden ist.

Antipersonenminen vernichtet

Die Vernichtung der Antipersonenminen der Bundeswehr ist jetzt abgeschlossen. Wie Verteidigungsminister Rühe am 09.02.98 mitteilt, hat die Bundeswehr „in den vergangenen Jahren ca. 1,7 Mio Antipersonenminen durch die Industrie umweltgerecht vernichten lassen. Hierfür wurden aus dem Verteidigungshaushalt 4,2 Mio DM aufgewendet.“

Im Bestand der Bundeswehr bleiben 3.000 Antipersonenminen zur Erprobung von Minenräumgerät und Schutzausrüstung sowie zur Ausbildung von Minenräumpersonal. Die BRD erfüllte damit die Vereinbarungen von Ottawa.

Neue A-Waffen-Strategie der USA

US-Präsident Clinton hat neue Anweisungen für den Einsatz von Atomwaffen gegeben. Demnach sehen die USA in ihren Nuklearwaffen kein Mittel mehr, einen Krieg gegen eine andere Großmacht – wie Rußland – zu gewinnen. Stattdessen betonen sie den defensiven Charakter ihres Arsenals an Fernraketen und Bombern. Wie die Washington Post (07.12.97) berichtet, setzt Clinton mehr auf die abschreckende Wirkung der A-Waffen gegen Angriffe kleiner Staaten mit biologischen und chemischen Waffen.

Auch in der neuen Strategie wird aber laut Washington Post die Option eines atomaren Schlages gegen russische Ziele nicht aufgegeben. Ebenso bleibt die Möglichkeit eines atomaren Erstschlags nach dem Empfang einer Warnung aber vor einem tatsächlichen feindlichen Angriff.

USA verstrahlten sich selbst

Durch die oberirdischen Atombombenversuche der USA in den fünfziger Jahren wurde das Land viel stärker verstrahlt als bisher angenommen. Wie die taz (11.02.98) mit Berufung auf das Bulletin of the Atomic Scientist mitteilt, wurden während der A-Tests in Nevada die „Kinder in den Staaten 15 bis 70 mal höherer Strahlung ausgesetzt, als dem Kongreß in Washigton bisher bekannt war.“ Betroffen waren auch die Gebiete, die weit von den Testgebieten entfernt lagen, da der vorherrschende Westwind den Fallout über das Land verteilte.

In den Gebieten nördlich und östlich von Nevada bekamen Kinder Dosen von bis zu 112 rad (1,12 gray) ab. Das radioaktive Jod, das u.a. für den Anstieg von Schilddrüsenkrebs bei Kindern verantwortlich ist, hatten sie vor allem über die Milch aufgenommen.

Polen wird die NATO teuer

Vorschläge für eine künftig gemeinsame Verteidigungsplanung hat die NATO der polnischen Regierung übergeben. Dabei geht es zuerst einmal „um die Anpassung des militärischen Kommunikationssystems und der Luftraumüberwachung und Luftverteidigung an NATO-Standards sowie um die Modernisierung von fünf Luftwaffenstützpunkten und des Marinehafens Gdingen. Sie sollen in die Lage versetzt werden, jederzeit Truppen der NATO zur Verstärkung aufnehmen zu können“ (FAZ 23.01.98).

In diesem Zusammenhang muß auch der Besuch des NATO-Generalsekretärs Solana in Polen gesehen werden, bei dem es darum ging, den bisher geheimgehaltenen Plan über die Kostenbeteiligung der Polen an der NATO-Osterweiterung, mit der neuen polnischen Regierung abzustimmen.

NATO-Soldaten statt Blauhelme

1993 standen 78.744 Blauhelm-Sodaten unter der Flagge der Vereinten Nationen. 1998 sind es noch 14.879. Wenn jetzt die Einsätze in Angola und Ostslawonien enden, werden es noch weniger.

Nicht, daß die Zahl der Konflikte abgenommen hätte, im Gegenteil. Die Gründe sind zum einen finanzielle: Nach wie vor blockiert der US-Kongreß die Begleichung der Beitragsrückstände. Folge: Die UN stehen bei den Mitgliedsstaaten, die Friedenstruppen stellen, mit 1,5 Milliarden Dolar in der Kreide. Zum anderen setzen die USA stärker auf den Einsatz (von ihr dominierter) NATO-Truppen statt auf multinationale UN-Kontingente. Noch wird dafür zwar die Erlaubnis der UN für den Einsatz eingeholt, beim Verlauf des Einsatzes haben die UN aber nichts mehr zu sagen.

Letzte Meldung

Sie fallen wieder

Zwei weitere Abstürze haben in den letzten Wochen den »Tornado« ins Gerede gebracht. Verglichen mit seinem Vorgänger, dem »Starfighter«, gilt er jedoch für die Militärs nach wie vor als sicher. Zwischen 1960 und 1991 stürzten von den 917 »Starfightern« 269 ab (in 31 Jahren fast 30 Prozent). 110 Piloten kamen dabei ums Leben, was dem »Starfighter« den Ruf des »Witwenmachers« einbrachte.

Von den 357 »Tornados« sind in den 16 Jahren Dienstzeit 26 (acht Prozent) abgestürzt . 20 Insassen starben. Unbestätigt blieb eine Meldung, nach der Verteidigungsminister Rühe angesichts der letzten Abstürze nur noch ledige Piloten einsetzen will, um einen ähnlich schlechten Ruf wie beim »Starfighter« zu vermeiden.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1998/1 Gewaltverhältnisse, Seite