W&F 2002/2

Bonner Notizen

von Jürgen Nieth

Mini-A-Bomben für »begrenzte Konflikte«

Wie aus einem Geheimbericht des US-Verteidigungsministeriums – der am 09.03.02 der Presse zugespielt wurde – hervorgeht, will die Bush-Regierung neuartige Mini-Atombomben entwickeln, die in »begrenzten Konflikten« auch gegen Nicht-Atomstaaten eingesetzt werden können. Als mögliche Ziele werden diesem Bericht zufolge Irak, Iran, Libyen, Syrien, Nordkorea und auch China (wegen Taiwan) genannt. Das ist eine dramatische Veränderung der bisherigen Atomwaffenpolitik der USA, die zwar auch an einer atomaren Erstschlagsoption festhielt, aber den Einsatz von Atomwaffen nur gegen andere Atommächte oder gegen mit Atommächten verbündete Staaten vorsah.

Die Ausdehnung der Planungsdoktrin für Atomkriege wird auch in den geschilderten Einsatzkriterien deutlich. Danach könnten US-Atomwaffen eingesetzt werden

  • als Vergeltung bei Angriffen mit atomaren, biologischen oder chemischen Waffen,
  • gegen Ziele, die konventionellen Waffen standhalten,
  • bei „überraschenden militärischen Entwicklungen“.

Trotz heftiger Proteste der als mögliche Ziele bezeichneten Länder sind die »Dementis« aus der US-Regierung eher eine Bestätigung des Geheimberichts. Das Pentagon hält „eine Kombination aus offensiven und defensiven sowie nuklearen und nichtnuklearen Fähigkeiten (für) unentbehrlich, um die Abschreckungserfordernisse des 21. Jahrhunderts zu erfüllen.“ (FR 11.03.02) Außenminister Powell spricht von „militärischen Vorsichtsmaßnahmen“ und US-Vizepräsident Cheney meint lediglich: „Die Vorstellung, dass wir einen atomaren Erstschlag gegen sieben Länder vorbereiten, würde ich als etwas übertrieben bezeichnen.“ (FR 12.03.02)

Opfer Terrorangst

Die Terroranschläge vom 11. September wurden nach einem Menschenrechtsbericht weltweit als Vorwand genutzt, um gegen Verteidiger von Menschenrechten vorzugehen oder sogar jede Form von Opposition auszuschalten. Das geht aus dem gemeinsamen Jahresbericht der Ligen für Menschenrechte (Paris) und der Internationalen Organisation gegen Folter (Genf) hervor. Der Bericht hält fest, dass „diejenigen, die sich für Menschenrechte einsetzen, (…) in mehr als 80 Ländern (…) verfolgt und belästigt, festgenommen oder sogar hingerichtet“ werden. Weiter heißt es, nach dem 11.09. versuchten zahlreiche Behörden die Verteidiger der Menschenrechte direkt oder indirekt mit terroristischen Bewegungen in Verbindung zu bringen. Hinzu komme, dass neue »Anti-Terror-Gesetze« Freiheiten einschränkten. (siehe auch taz 12.03.02)

Kriegsdrohungen auf der »Sicherheitskonferenz«

Jahrzehnte war es die »Münchner Wehrkundetagung«, jetzt heißt sie »Sicherheitskonferenz«. Der Titel wurde ziviler, die Töne kriegerischer. „Wir sind im Krieg“, postulierte der stellv. US-Verteidigungsminister Wolfowitz, und „machen Sie sich keine Sorgen, der Feldzug geht weiter.“ Selbstverteidigung erfordere eben nicht nur Vorbeugung, sondern manchmal auch einen Erstschlag: „Die beste Verteidigung ist der Angriff.“ Und damit auch klar wird, gegen wen der nächste Krieg geplant ist, skizzierte der Vietnam-Veteran McCain auf der Tagung die konkrete militärische Strategie für einen Feldzug gegen den Irak mit überlegenen Luftangriffen, Spezialstreitkräften am Boden und Fußtruppen aus Aufständischen, die in den irakischen Flugverbotszonen Schutz vor Saddam Husseins Armee gefunden haben.

Stieß die amerikanische Kriegsbegeisterung bei den Europäern auch auf wenig Gegenliebe, zumindest in der Politik der Hochrüstung wollen sie folgen. So forderte NATO-Generalsekretär Robertson die Europäer auf, ihre „technologischen Lücken“ zu schließen, Europa sei „militärisch noch unterentwickelt.“ Während die US-Regierung in diesem Jahr den Rekord-Militärhaushalt von 379 Milliarden Dollar verabschiedete (Bush will diesen in den nächsten fünf Jahren sogar auf 451 Milliarden Dollar steigern), investierten die europäischen NATO-Staaten lediglich rund 140 Milliarden Dollar jährlich in die Verteidigung. Verteidigungsminister Scharping fiel da nichts Besseres ein, als eine „europäische Vereinbarung über den Mindestumfang der Verteidigungsausgaben“ vorzuschlagen. (taz 04.02.02)

Missbrauch von Flüchtlingskindern

Mitarbeiter internationaler Hilfswerke haben in afrikanischen Flüchtlingslagern offenbar Kinder sexuell missbraucht. Das geht aus einem Bericht des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge und der britischen Organisation Save the Children hervor. Vor allem Mädchen zwischen 13 und 18 Jahren wurden in Flüchtlingslagern Guineas, Liberias und Sierra Leones zu sexuellen Handlungen gezwungen. 67 Personen wurden namentlich erfasst, die Sex als Gegenleistung für Lebensmittel, Medikamente oder materielle Vergünstigungen verlangt hätten.

Dem Bericht zufolge beteiligten sich UN-Blauhelm-Soldaten an der sexuellen Ausbeutung von Kindern. Um zahlreiche Militärunterkünfte herum hat sich danach eine rege Prostitution entwickelt. Die Soldaten zahlten für Sex mit Minderjährigen zwischen 5 und 300 Dollar.

Das UNHCR hat Untersuchungsbeamte und unabhängige Experten in die entsprechenden Lager gesandt, um die Vorfälle zu untersuchen. Um sexuellen Missbrauch künftig zu verhindern, schlägt das UNHCR vor, die Präsenz internationaler Beamter in den Lagern zu erhöhen, mehr Frauen einzustellen und den Beschwerdemechanismus zu verbessern, so dass Klagen direkt an das UNHCR gerichtet werden können. (siehe auch FAZ 01.03.02)

Das Letzte

Kollateralschaden?

In den neunziger Jahren ist Afghanistan zum weltgrößten Opiumproduzenten aufgestiegen. Nach UN-Angaben stieg der Opiumanbau seit 1986 um jährlich 23 Prozent bis auf 4.600 Tonnen im Jahr 2000. Dann kamen die Taliban und den meisten Bauern wurde der Anbau verboten, die meisten Felder wurden zerstört.

Doch diese Zeit ist jetzt vorbei. Eine UNDCP-Prognose von Anfang März, die auf Untersuchungen in 208 Dörfern aus fünf afghanischen Provinzen basiert, sagt für dieses Jahr eine Opiumproduktion von 1.900 bis 2.700 Tonnen voraus, geerntet auf 45 bis 65.000 Hektar. Das entspricht etwa dem Stand von Mitte der neunziger Jahre.

Sieht man gleichzeitig die Militäraktionen und -hilfe der USA gegen den Drogenanbau in lateinamerikanischen Staaten, stellt sich die Frage: Ist die Mohnblüte in Afghanistan nur ein Kollateralschaden oder geht es auch hier um Weltmarktkontrolle?

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2002/2 Frauen und Krieg, Seite