W&F 1998/4

Bonner Notizen 4/98

von Jürgen Nieth

Bundeswehr verkleinern

Eine drastische Verkleinerung der Bundeswehr hat der »Wissenschaftliche Dienst« – eine Art Denkfabrik des Bundestages – vorgeschlagen. In einem vertraulichen »Diskussionsbeitrag« für die geplante Wehrstrukturkommission werden nach einem Bericht des Spiegels (16.11.98) zugleich die Wehrpflicht und die Aufteilung der Bundeswehr in Krisenreaktions- und Hauptverteidigungskräfte zur Landesverteidigung in Frage gestellt. Deutschland könne auf die Option Landesverteidigung verzichten, da es nach der NATO-Osterweiterung nur noch von Bündnispartnern umgeben sei. Für die Verteidigung im Rahmen der NATO oder für Kriseneinsätze wie in Bosnien reiche ein hochmodern ausgerüstetes Heereskontingent „in der Größe eines verstärkten Korps“ – flankiert von „vertretbaren“, d.h. reduzierten, „Beiträgen“ der Marine.

Die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Angelika Beer, hatte bereits im Oktober (Kieler Nachrichten 22.10.98) die Erwartung geäußert, daß die Wehrstrukturkommission eine deutliche Verringerung der Bundeswehrstärke von bisher 340.000 Mann beschließen werde. Beer nannte als künftige Stärke die Zahl 200.000.

Zwei Millionen getötete Kinder

Zwei Millionen Kinder sind seit 1987 in Kriegen getötet worden. Sechs Millionen wurden schwer verletzt, oft mit bleibenden Folgen. 300.000 Kinder werden derzeit in Streitkräften oder von Rebellen für militärische Einsätze mißbraucht. Dies geht aus dem ersten Jahresbericht des UN-Beauftragten für Kinder und bewaffnete Konflikte, Olara Otunnu, hervor (TAZ 23.10.98).

Zunahme bei Rüstungsexporten

Um 12 Prozent zugenommen haben 1997 die Rüstungsexporte. Nach dem Jahresbericht »Military Balance« des Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) stiegen die Rüstungsexporte 1997 auf einen Gesamtumfang von 46 Milliarden Dollar. 1995 lagen die Rüstungsexporte noch bei 34 Milliarden Dollar. Damit ergibt sich für die Jahre 1995 bis 1997 sogar ein Anstieg von 36 Prozent.

Der Zuwachs liegt dem Bericht zufolge vor allem an einer stärkeren Nachfrage durch Staaten des Nahen Ostens und Ostasiens. Saudi-Arabien und Taiwan waren 1997 die größten Rüstungsimporteure (sie zeichneten für 39 Prozent der gesamten Nachfrage auf dem Weltrüstungsmarkt verantwortlich). Die größten Exporteure waren die USA (45 Prozent) und Großbritannien (18,5 Prozent), gefolgt von Frankreich, Rußland und Israel. Auch die deutschen Rüstungsexporte stiegen um 9,6 Prozent (FAZ 23.10.98)

Um die Rüstungsexporte Israels ist derweil ein neuer Streit mit den USA entbrannt. Die USA werfen Isarel vor, heimlich die gemeinsam entwickelte Technologie auf dem Weltmarkt anzubieten, sowie sich „aggressiver Methoden“ zu bedienen beim Ausspähen amerikanischer Rüstungsgeheimnisse. Nach einer Studie der amerikanischen Rüstungskontrollbehörde verkaufte Israel zwischen 1984 und 1994 jährlich Waffen im Wert von 500 Millionen Dollar an China, modernisierte chinesische Panzer genauso wie das Kampfflugzeug F10. China erwarb u.a. das Frühwarnsystem Phalcon (das jetzt als Gegenstück zur AWACS eingesetzt wird) sowie die Lizenz zum Bau der Luft-Luft-Rakete Python 3. Die USA verdächtigen nun Israel, auch die Technologie der Marschflugkörper (Cruise Missiles) verkauft zu haben, und sie befürchten, daß China wiederum einen Teil der erworbenen Technologie weiterverkauft an den Iran, Pakistan und Nordkorea (FAZ 27.10.98).

DASA baut in Südkorea

Die Daimler-Benz Aerospace hat mit der südkoreanischen Hyundai Space and Aircraft die gemeinsame Entwicklung eines leichten Kampfflugzeuges vereinbart. An dem Projekt sollen noch andere Firmen aus allen Teilen der Welt beteiligt werden. Das »Mako« genannte Flugzeug soll ab 2.008 ausgeliefert werden, und es wird mit einer Stückzahl von 3.000 gerechnet. Es soll teilweise in Südkorea produziert werden. Peter Wezeman (SIPRI) erklärt dazu, daß der Zugang der Südkoreaner zu neuen Techniken sich mit diesem Gemeinschaftsprojekt nicht wesentlich erweitern werde, da die Südkoreaner schon „die kampfstärkeren US-amerikanischen F 16 Fighter in Lizenz“ produzieren, sie würden durch die Produktion aber „unabhängiger vom Ausland“ (TAZ 27.10.98).

Pfefferspray statt Gummiknüppel

Die österreichische Polizei darf demnächst den Gummiknüppel gegen Pfefferspray vertauschen. Wie die FAZ (23.10.98) berichtet, ist das österreichische Innenministerium nach einem Versuchslauf mit der „Waffe aus der Dose“ – die aus der Paprikapflanze gewonnen wird – sehr zufrieden, so daß die Beamten ab 1999 „den beim Sitzen unpraktischen“ Knüppel entsorgen dürfen. Ausnahme: Bei Einsätzen gegen Demonstranten soll der Gummiknüppel weiter verwendet werden.

Portugal schafft Wehrpflicht ab

Innerhalb der nächsten vier Jahre sollen die portugiesischen Streitkräfte in eine Berufsarmee umgewandelt werden. Das sehen Pläne der Regierung vor, die noch vom Parlament abgesegnet werden müssen (TAZ 12.11.98). Das spanische Parlament hat bereits in seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause das endgültige Aus der zwangsweisen Rekrutierung beschlossen und als spätesten Termin für ein Ende der Wehrpflichtarmee den 31.12. 2002 festgelegt. Deutschland zählt damit zu einer ein-Drittel-Minderheit in der NATO, da es auch in den NATO-Staaten USA, Kanada, Island, Großbritannien, Frankreich, Holland, Belgien und Luxemburg keine Wehrpflicht gibt.

Das Letzte

Sicher ist sicher:

Der albanische Verteidigungsminister, Luan Hajdaraga, ist nach einer Meldung der Frankfurter Rundschau (23.10.98) in die USA gereist, um seine »Green Card« zu erneuern. Hajdaraga hatte die Karte, die Ausländern eine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung in den USA garantiert, vor zwei Jahren bei einer Green-CardLotterie gewonnen.

Die albanische Presse hat die Reise scharf kritisiert und die Frage aufgeworfen, was man von einem Minister erwarten kann, der an der Ausreise offensichtlich mehr interessiert ist, als an der Verteidigung seines Landes. Für viele Albaner ist der Minister dagegen Vorbild: In diesem Jahr haben mehr Albaner an der Green-Card-Lotterie – bei der die Einwanderungs- und Arbeitserlaubnis verlost wird – teilgenommen als je zuvor.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1998/4 Türkei, Seite