W&F 2001/1

Bonner Notizen

von Jürgen Nieth

EU-Truppe ohne Dänemark

Für die neue »Eingreiftruppe« der EU wird das NATO- und EU-Mitglied Dänemark keinen einzigen Soldaten abstellen. Die dänische Regierung vertritt die Auffassung, dass beim Einsatz dieser Truppe „eine klare Trennung von (erlaubten) zivilen und (verbotenen) militärischen Aufgaben nicht möglich sei und man daher allen derartigen Missionen fern bleiben müsse.“ (FR 22.11.00)

Demgegenüber wollen sich die ehemals neutralen Staaten Finnland und Schweden mit 2.000 bzw. 1.500 Soldaten beteiligen. Schweden mit der Einschränkung, nur dann mitzumachen, wenn dem Einsatz ein klares UN-Mandat zu Grunde liegt.

Deutschland stellt bei der geplanten 100.000 Personen starken EU-Truppe mit 18.000 Soldaten das größte Kontingent, gefolgt von Großbritannien mit 12.500 und Frankreich mit 12.000. Italien und Spanien stellen je 6.000 Soldaten, die Niederlande 5.000, Griechenland 3.500, Österreich 2.000, Belgien, Irland und Portugal je 1.000 und Luxemburg 100. Von den 15 Nichtmitgliedern der EU(die dreizehn Beitrittskandidaten plus Norwegen und Island), die sich an der »Einreiftruppe« beteiligen wollen, stellt die Türkei mit 4-5.000 Soldaten das größte Kontingent.

Deutsche Waffen in alle Welt

Der deutsche Export von Kriegswaffen stieg 1999 im Vergleich zum Vorjahr um 113 Prozent auf 2,8 Milliarden DM. Das ist der höchste Wert seit 1991, als die Bestände der Nationalen Volksarmee der DDR veräußert wurden. Hauptabnehmerländer der Waffen waren 1999 Israel und die Türkei.

Nach einem Bericht der Welt am Sonntag (29.10.00) sind mit sogenannten Dual-use-Gütern auch zahlreiche Länder beliefert worden, in denen es nach Einschätzung der Bundesregierung keine demokratischen Verhältnisse gibt. Dazu gehöre der Iran (Warenwert 103 Mio. DM), der Irak (248 Mio. DM), Libyen (17 Mio. DM) und China (231 Mio. DM).

Mit deutschen Gütern, die auch zu Folterzwecken missbraucht werden können (z.B. Elektroschlagstöcke, Elektroschockgeräte), können zukünftig u.a. die Sicherheitskräfte in Argentinien, Botswana, Namibia, Polen, Südkorea, Tschechien und Ungarn operieren.

Bundeskanzler Schröder und Verteidigungsminister Scharping betonten auf einer gemeinsamen Tagung mit Unternehmen der deutschen Heerestechnik- und Marineschiffbau-Industrie am 29. Oktober das gemeinsame Ziel, die Spitzenstellung dieser Unternehmen in Europa zu erhalten und die europäische Zusammenarbeit auf diesem Sektor zu stärken. Dazu soll es eine „strategische Allianz“ zwischen den einschlägigen deutschen Firmen geben (FR. 30.10.00).

US-Armee gibt Misshandlungen zu

Einem Bericht der US-Armee zufolge kam es im Kosovo vor allem von Seiten der 82. US-Luftlandedivision wiederholt zu Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung. Der Bericht war in Auftrag gegeben worden, nachdem ein US-Soldat der Kfor-Truppe ein elfjähriges Mädchen vergewaltigt und ermordet hatte. Andere Soldaten haben sich offensichtlich einen Spaß daraus gemacht, Albaner mit vorgehaltener Waffe zu bedrohen, zu schlagen und zu beleidigen.

Der in gereinigter Form freigegebene Bericht spricht von Einzelfällen, aber auch von einer äußerst feindseligen Haltung gegenüber den Kosovo-Albanern. Er deutet an, dass es in neun Fällen nicht einmal zu einem Militärgerichtsverfahren gekommen sei, was am „negativen Befehlsklima“ gelegen habe.

Die US-Einheit ist für den Kampf Mann gegen Mann gedrillt, aber in keiner Weise auf Aufgaben vorbereitet wie die im Kosovo. Die Frankfurter Rundschau zieht das Fazit (20.09.00), „dass die – zurückhaltend so zu nennenden – Übergriffe im System liegen, genauer: am politischen Versagen.“ Das die USA eine für diese Rolle denkbar ungeeignete Truppe geschickt hätten, entschuldige nichts, werfe aber die Frage auf, „welche Kriegsziele es eigentlich gegeben hat.“

Tödliche Gummigeschosse

Die hohe Zahl der tödlich verletzten Palästinenser durch den Einsatz israelischer Gummigeschosse hat die FAZ (19.10.00) veranlasst, sich näher mit der eingesetzten Munition zu befassen. Sie weist darauf hin, dass die israelische Munition im Gegensatz zu der in anderen westlichen Staaten (z.B. USA und GB) eingesetzten nicht nur aus Gummi besteht. Es handele sich vielmehr um konventionelle Stahlkugeln mit einem dünnen Hartgummimantel. Nach Angaben der israelischen Menschenrechtsgruppe B'Tselem sollen in den vergangenen Jahren mehr als Tausend Palästinenser mit solchen Kugeln erschossen und mehr als 5.000 verletzt worden sein. Die FAZ weist darauf hin, dass der Einsatz dieser Geschosse nach dem israelisch-palästinensischen Abkommen von Oslo (1993) nur in Ausnahmefällen „und auch dann nicht auf eine Distanz von weniger als vierzig Metern, keinesfalls gegen Kinder und auch nicht bei Nacht eingesetzt werden (erlaubt ist). Die Schützen dürfen zudem nur auf die Beine zielen.“

Denkmal für SS in Lettland

In Lettland ist am 5. November ein Denkmal für die lettischen Mitglieder der Waffen-SS enthüllt worden. Unter den rund 1.000 Menschen, die an der »Feierstunde« teilnahmen, waren nach Angaben lettischer Medien auch der Verteidigungsminister, Girts Kristovkis, und der Oberkommandierende der lettischen Armee, Gundars Abols. Im Zeiten Weltkrieg waren rund 146.000 Letten in der Waffen-SS, der sogenannten Lettischen Legion. Seit dem Zerfall der Sowjetunion kommt es zu jährlichen Aufmärschen der noch lebenden lettischen Waffen-SS-Mitglieder in Riga (taz 07.11.00)

Das Letzte

Bundeswehr und Ökologie

Im Titel »Transporte der Bundeswehr« im Kapitel 1402 des Militärhaushaltes wird festgehalten, dass die Bundeswehr vermehrt auf zivile Transportdienste zurückgreifen will. Wer damit rechnet, dass die Armeeführung hierbei an die Bundesbahn denkt, irrt. Da europaweit auf dem Verkehrssektor ein Trend von der Schiene zur Straße festzustellen sei, gewännen „auch für die Bundeswehr (…) Straßentransporte an Bedeutung, da sie im Vergleich zur Bahn häufig kostengünstiger sind und schneller ihr Ziel erreichen“ schreibt das BMVg. So ist das mit dem erklärten Ziel der rot-grünen Bundesregierung, den Güterverkehr vermehrt auf die Schiene zu bringen: Wenn es konkret wird, kommt Ökologie unter ferner liefen.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2001/1 Von SDI zu NMD, Seite