Bundesregierung plant Euro-SDI
von Wolfgang Zellner
Vor einem Jahr forderten der CSU Vorsitzende Strauß und der Vorsitzende der CDU/ CSU Fraktion, Dregger, fast zeitgleich und mit den selben Worten eine „europäische strategische Verteidigungsinitiative“ (Strauß) zur „Ergänzung des SDI-Programms“.1 Die Bundesregierung hielt sich zu diesem Zeitpunkt noch bedeckt und reagierte auf entsprechende Fragen im Parlament ausweichend.2 Ab Jahresanfang 1986 ist dies anders.
In zwei großen Artikeln propagierte Minister Wörner den Einstieg in die Euro-Raketenabwehr: „A missile defense for NATO Europe“, veröffentlicht in der Winterausgabe der renommierten US Zeitschrift „Strategic Review“ sollte die bundesdeutsche Raketenabwehrbereitschaft jenseits des Atlantiks signalisieren; „Europa braucht Raketenabwehr“, veröffentlicht in der „Zeit“ am 28.2.86, besorgte denselben Zweck beim hiesigen Publikum.
Im Januar 1986 veröffentlichte die Konrad Adenauer Stiftung eine Raketenabwehrstudie 3, in der Wörners Argumentation vorgezeichnet wird. Nach Aussagen des Staatssekretärs im Verteidigungsministerium, Würzbach, ist auf der Hardthöhe eben eine Auftragsstudie zur Raketenabwehr abgeliefert worden, die im vergangenen Jahr in den USA bestellt worden war.4 Die NATO Advisory Group for Aerospace Research and Development (AGARD) arbeitet an einer geheimen Raketenabwehrstudie unter dem Titel AAS 20, die bis Mitte 86 abgeliefert werden soll.5
Wörner vermeidet es sorgfältig, von einer „Europäischen Verteidigungsinitiative„ zu sprechen, er bevorzugt den Begriff „erweiterte Luftverteidigung“. Dazu erläutert die Studie der KAS: „Dies sicherlich nicht nur aus sachlichen, sondern auch und vor allem aus bündnis- und innenpolitischen Erwägungen.“6
EVI und das amerikanische ATM-Programm
ATM (Anti Tactical Missile) bedeutet im amerikanischen Sprachgebrauch Abwehr gegen alle Flugkörper unterhalb der Schwelle der strategischen Flugkörper, d. h. gegen bemannte Flugzeuge, unbemannte Flugkörper mit aerodynamischer Flugbahn (Cruise Missiles) sowie alle Arten von ballistischen Flugkörpern wie den Mittelstreckenraketen. Der Begriff ATBM (Anti Tactical Ballistical Missile) bezieht sich auf die Abwehr ballistischer Flugkörper. Weil ATM der umfassendere Begriff ist und weil die einschlägigen amerikanischen Programme mit „ATM“ bezeichnet werden, wird im folgenden dieser Begriff benutzt. Wie zu zeigen sein wird, bezeichnet er denselben Sachverhalt wie die von Wörner so sorgfältig gemiedene „Europäische Verteidigungsinitiative“.
Über ATM wurde im amerikanischen Kongreß seit 1980 diskutiert 7, 1982 wurde ein ATM-Projektbüro eingerichtet 8, ab dem Haushaltsjahr 1982 finden sich für ATM regelmäßig Etatansätze, die sich inklusive des Haushaltsjahres 1986 auf 124,4 Mio $ addierend.9 Diese Summe bezieht sich ausschließlich auf F & E, nicht auf Produktion. Die relative geringe Höhe dieser Summe sollte nicht vorschnell beruhigen, denn zum einen verdoppelten sich die Ansätze in den vergangenen drei Jahren regelmäßig (von 17,2 Mio. über 32,2 Mio. auf 62,7 Mio $ in den Jahren 84, 85, 86), zum anderen bezeichnet diese Etatsumme den Einstieg in das ATM-Programm und bezieht sich vor allem auf die Umrüstung bereits in der Produktion befindlicher Systeme, deren Entwicklung schon Milliarden Dollar gekostet hat.
Nach Aussagen von Pentagon-Vertretern vor dem Kongreß besteht das „Programm aus einem kurzfristigen wie einem langfristigen Zugang und wird in zwei Phasen durchgeführt werden“.10 Kurzfristig sollen die vorhandenen Luftabwehrraketen PATRIOT und HAWK zur Raketenabwehr umgerüstet werden. Über die längerfristige Option schreibt Jonathan Stein in „Arms Control Today“: „Exotischere Pläne für ATBMs mit weitaus größerer Kapazität als die Luftverteidigungssysteme mit begrenzter Fähigkeit gegen taktische Raketen beziehen sich wesentlich auf die SDI-Forschung. Die Strategie Defense Initiative Organization (SDIO) glaubt, daß eine Vielzahl von Systemdemonstrationen mit ATBM-Anwendbarkeit bis 1990 oder kurz danach fertig sein kann. Dies schließt weltraum- und bodengestützte Laser und Sensoren, ein Experiment mit einem luftgestützten optischen System, das einen fortgeschrittenen Infrarotsensor zur Sprengkopfverfolgung und Täuschkörperunterscheidung benutzt, ebenso ein wie innerhalb der Atmosphäre arbeitende Hochgeschwindigkeits-Kinetische-Energie-Waffen.“11
Die laufende erste Programmstufe von „ATM“ sieht vor, daß der Patriot-Rakete die Fähigkeit verliehen wird, sowjetische Flugkörper vom Typ SS 21 und SS 23 (Reichweite 120 bzw. 500 km) abzufangen, während das Hawk ATM-Programm auf eine Abfangfähigkeit gegen sowjetische Cruise Missiles zielte.12 Die allererste Stufe ist dabei die sog. „Selbstverteidigungsfähigkeit“, d. h. Patriot sollen auf sie zielende SS 21/ SS 23 Angriffe abwehren können. Diese Abwehrfähigkeit soll dann sukzessive vergrößert werden. Würzbach geht davon aus, daß der Beginn der Einsatzbereitschaft der Patriot ATM noch in diesem Jahrzehnt erreichbar ist. Die Bundesregierung werde dann auch die Umrüstung der von der Bundesluftwaffe zu kaufenden Patriot-Systemen auf ATM Fähigkeit „positiv prüfen“.(12a) Nach Aussagen von US-General Wagner „zeigen vorläufige Studien jedoch, daß die Patriot mit größeren Veränderungen nachgerüstet werden kann, so daß sie eine signifikante Fähigkeit gegen die SS 22 (Reichweite ca.1000 km, d. V.) und die Advanced Cruise Missile Bedrohung erhält.13
Staatssekretär Würzbach erläuterte am 20. März im Bundestag, daß sich der Begriff „erweiterte Luftverteidigung„ von Wörner auf die Abwehr der SS 20, der SS 21/ 23 sowie von Cruise Missiles bezieht. Damit ist klar, daß die Begriffe „erweiterte Luftverteidigung“, „Europäische Verteidigungsinitiative“ und „ATM“ als synonym gebraucht werden können. Sie bezeichnen alle dasselbe: Abwehr gegen alle Flugkörper unterhalb der Schwelle der strategischen Flugkörper. Wörner und Würzbach versuchen zwar noch, diesen Tatbestand dadurch zu verbergen, daß sie behaupten, „erweiterte Luftverteidigung„ sei „konventionell„, weil mit konventionellen Waffen bestückte Raketen der UdSSR abgewehrt werden sollten; aber auch Wörner weiß: „Es ist nicht möglich, die „Qualität“ des Gefechtskopfes eines aufliegenden Flugkörpers zu identifizieren, das heißt zu erkennen, ob er einen nuklearen oder konventionellen Gefechtskopf trägt. Dies bedeutet nichts anderes, als daß der NATO in der Praxis mit dem Aufbau einer Flugkörperabwehr gegen konventionelle Ziele auch eine Verteidigungsfähigkeit gegen nukleare Systeme zuwachsen würde.“ (Zeit, 28.2.86)
Dieses Geständnis Wörners bedeutet aber nichts anderes, als daß der Minister mit dem Begriff „erweiterte Luftabwehr„ und der Betonung von „konventionell“ bei der Bevölkerung positive Assoziationen („Schutz“) wecken und negative Assoziationen („Atomwaffen“) verdrängen will; kurz: Es handelt sich um eine Verkaufslüge für EVI/ATM oder wie schon oben aus der KAS-Studie zitiert, um „innenpolitische Erwägungen“.
Als militärischen Zweck der „erweiterten Luftabwehr“ bezeichnete Wörner in seinem „Zeit“-Artikel die Verteidigung „militärischer Punktziele“. Um welche Militärziele es dabei geht, sagte der damalige Pentagon-Staatssekretär James Wade schon im Jahre 1980(!) vor dem Senate Armed Services Committee: „Wir prüfen die Frage einer aktiven Verteidigung für die atomaren Mittelstreckenwaffen sehr sorgfältig (...) Es ist aus gutem Grunde klar, daß ein solches Vorgehen Verdienste haben könnte (...)“14 Der US-Staatssekretär ging damit wenige Monate nach dem NATO-„Doppel“-Beschluß selbstverständlich davon aus, daß Pershing II und Cruise Missiles stationiert würden. Ebenfalls in einem Hearing vor dem Senate Armed Services Committee im Jahre 1983 bestätigte US-General Merryman, daß die Aufgabe von ATM darin liege, Pershing II zu schützen.15 Die Geschichte von ATM beweist damit, daß es immer das Ziel der US-Regierung gewesen war, Pershing II und Cruise Missiles zu stationieren und daß eine Verhandlungs- und Abrüstungslösung nie gewollt war und alles getan wurde, um sie zu torpedieren. Pershing II und Cruise Missiles sollten jene „Eskalationsdominanz„ oder Überlegenheit wieder herstellen helfen, die durch das Gleichziehen der UdSSR auf der nuklearstrategischen Ebene in den 70er Jahren nicht mehr gegeben war. Diese zentrale Stellung der Pershing II und Marschflugkörper in der globalen Zielstellung der US-Regierung, strategische Überlegenheit zu erlangen, würde daher mit der Realisierung des ATM-Programms fortgesetzt und befestigt.
Bisher wurde der Begriff ATM lediglich im Sinne aktiver Verteidigung, d.h. des Abfangens gegnerischer Raketen nach ihrem Start in der Luft, benutzt. Er umfaßt aber zusätzlich ein Counterstrike-Element, d. h. die Zerstörung der gegnerischen Raketen und Stellungen vor dem Start mittels eigener treffischerar Raketen. US-General Wickham hat dazu ausgeführt: „Die Army hat ein Counterforce-Programm entwickelt, (...), wobei die JTACMS A(rmy) als Trägerrakete benutzt wird (...) Zusammengefaßt scheinen Luftverteidigung und Deep Attack Techniken viel zur Lösung der Abwehr taktischer Raketen beizutragen.“16 Denselben Gedankengang wiederholte Wörner in „Strategic Review“: „Grundsätzlich kann eine Verteidigung gegen sowjetische Raketen auf mehreren Wegen erreicht werden: Durch passive Maßnahmen (...) Durch die Zerstörung sowjetischer Raketen vor ihrem Start. Durch das Abfangen der ankommenden Raketen, bevor sie ihre Ziele erreichen. Diese möglichen Maßnahmen schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich eher und verstärken sich gegenseitig.“17 In Wörners „Zeit“-Aufsatz, bestimmt für das sensiblere bundesdeutsche Publikum, war von Counterstrike nichts zu lesen. Das Counterstrike Element von ATM ist nichts anderes als ein zentraler Bestandteil von FoFa, dem Rogers Plan. Die ESECS Studie in Zusammenarbeit mit dem NATO Oberkommando erstellt zeigt, wie man sich das praktisch vorzustellen hat. Dort wird vorgeschlagen, zur Zerstörung zentraler sowjetischer Militärziele ca. 800 Pershing II oder IA mit konventionellem Sprengkopf sowie weitere 1800 verbesserte LANGE ebenfalls mit konventionellem Sprengkopf einzusetzen.17a
Damit ist grundsätzlich EVI derselbe Zusammenhang gegeben wie bei SDI: Ein „befriedigendes„ Abfangergebnis ist nur dann zu erreichen, wenn ein großer Teil der sowjetischen Raketen schon vor dem Start am Boden zerstört wird. Das ist exakt dasselbe, was auf strategischer Ebene als Erstschlagsszenario bezeichnet ist. Am Counterstrike Element zeigt sich der aggressive Charakter von ATM/ EVI am klarsten.
EVI tot?
Das jüngste Treffen der Nuklearen Planungsgruppe der NATO Staaten in Würzburg hat einige Kommentatoren z.B. in der Frankfurter Rundschau zu der Annahme veranlaßt, die „Europäische Verteidigungsinitiative“ sei tot. In der Tat, die Verlautbarungen nach der Tagung waren bemerkenswert: Die Sicherheitsinteressen der europäischen Partner würden bei der SDI-Forschung mitberücksichtigt, erklärten die USA. Verteidigungsminister Wörner sagte, es sei deutlich, „daß das Drängen der Europäer und besonders der Bundesregierung Erfolg gehabt hat.“ Bemerkenswert ist nun nicht die „Ausweitung“ von SDI auf die taktische Raketenabwehr; Wolfgang Zellner zeigt, daß sie schon aus „bündnispolitischen Erwägungen“ längst intendiert war. Bemerkenswert schon eher, mit welcher Dreistigkeit ein Minister mit der Öffentlichkeit umgeht. Aber noch bemerkenswerter die mit der NPG-Tagung vollzogene widerspruchslose Unterordnung der europäischen NATO-Länder unter militär- und irtschaftspolitische Interessen der USA.Ob die Geschäftsinteressen bundesdeutscher Unternehmen, die wie MBB „heiß“ auf ein separates EVI-Geschäft waren, bei dieser Regierung in besten Händen sind, selbst dies ist fraglich auch wenn wir uns deren Ambitionen wahrlich nicht zu eigen machen.
ATM/EVI und SDI
Minister Wörner behauptet: „Im übrigen aber ist das Projekt einer Flugkörperabwehr in Europa unabhängig von SDI.“ (Zeit 28.2.86) Diese Propagandathese widerlegt schon der US-regierungsamtliche Hoff-Report aus dem Jahre 1983. Dort heißt es: Die Stationierung eines Taktischen Raketenabwehrsystems (ATM) ist eine Übergangsoption, die relativ früh erreichbar sein könnte.(...) Die fortgeschrittenen Komponenten könnten, obwohl ursprünglich für ATM-Anwendung entwickelt, später eine Rolle in der kontinentalen Verteidigung der Vereinigten Staaten spielen. Eine solche Option begegnet der drängenden militärischen Notwendigkeit, die alliierten Streitkräfte auf den Operationsfeldern genauso wie unsere eigenen sowohl vor nichtnuklearen wie vor nuklearen Angriffen zu schützen. (...) Der Entschluß einer solchen Option in unser langfristiges F+E-Programm zur Abwehr ballistischer Raketen sollte Ängste bei den Verbündeten verringern (...)“. 18
Damit ist klar gesagt, daß ATM einerseits eine militärisch-technologische Funktion für SDI, andererseits eine unverzichtbare politische Funktion für die Durchsetzung von SDI in NATO-Europa hat. Zum ersten Aspekt äußerte der Direktor der US-Rüstungsforschungsbehörde DARPA, Cooper: „Wenn es uns gelingt, in größerem Maßstab eine Fähigkeit gegen IRBM (ballistische Mittelstreckenraketen, d.V.) herzustellen, ist es sehr wahrscheinlich, daß wir fähig sein werden, eine wesentliche Fähigkeit gegen ICBM und SLBM zu haben, indem wir lediglich dieselbe Technologie auf globale Ebene aufstocken.“19 EVI also als Test und Entwicklungsfeld für SDI. Umgekehrt hat Wörner keine Gelegenheit aus, darauf hinzuweisen, daß aus der „SDI-Forschung Erkenntnisse“ für seine „erweiterte Luftabwehr“ anfallen würden. Damit sind EVI/ATM und SDI schon auf der technischen Ebene untrennbar verbunden.20 Militärisch ist EVI/ATM vor allem über die Schutzfunktion für jene US-Waffen in Europa auf SDI und die zentralstrategische Ebene bezogen, die eine Rolle auf dieser Ebene spielen: Pershing II und Marschflugkörper. Eine Ebene darunter ist das Air Land Battle Ziel der Herstellung einer „integrierten“ (atomar chemisch konventionell) Kriegsführungsfähigkeit ohne ATM nicht einmal auf Pentagon Reißbrettern herstellbar.
Politisch ist ATM/EVI der Versuch, NATO-Europa die Illusion zu vermitteln, im Falle des Baus von SDI Anlagen nicht „abgekoppelt“ zu werden. Die „Zonen ungleicher Sicherheit“, die Wörner noch im April 1984 im Gefolge von SDI befürchtete, sollen dahingehend aufgelöst werden, daß auch NATO-Europa seinen „Schutz“ bekommt. Die politische Funktion von EVI zur Abstützung und Durchsetzung von SDI innerhalb der NATO dürfte zentral sein. Amerikanische Studien gehen für den Fall eines SDI-Systems ohne ATM-Systeme davon aus daß die NATO einem sichtbaren und rascheren Zerfallsprozeß ausgesetzt wäre. Deswegen gilt ATM in einer Reihe von US Studien als zentrale Voraussetzung zur Durchsetzung von SDI in der NATO.21
Abrüstungspolitische Konsequenzen von EVI/ATM
EVI/ATM liegt politisch, militärisch und technisch im Schnittpunkt dreier Fragen: Es soll Pershing II/ Cruise Missiles „schützen“, SDI technisch vorbereiten und politisch durchsetzen, und es ist ein zentraler Bestandteil von FoFa/Rogers Plan.
Auf diesen drei Ebenen liegen auch die abrüstungs- genauer aufrüstungspolitischen Konsequenzen:22
- Nullösung/Abzug aller amerikanischen und sowjetischen Mittelstreckenwaffen aus Europa: Was hier auf politischer Ebene die Weigerung darstellt, die britischen und französischen Atomwaffen miteinzubeziehen, sowie die Forderung an die UdSSR, alle in Asien stationierten SS 20 ebenfalls zu vernichten, stellt auf militärischer Ebene EVI/ATM dar. Beides läuft darauf hinaus, die atomaren Mittelstreckenwaffen zu behalten und ihren Abzug unmöglich zu machen. Wer EVI/ATM will, will auch Pershing und Marschflugkörper behalten.
- Zusammen und ergänzend zum SDI-Rahmenabkommen ist EVI/ATM der Einstieg NATO-Europas in SDI und gleichzeitig die wichtigste Hilfe für die US-Regierung, um SDI innerhalb der NATO und im Kongreß durchzusetzen und politisch abzusichern. Je mehr sich NATO-Europa in der EVI verstrickt, desto tiefer ist es in SDI verwickelt, desto schwieriger wird der Weg zurück.
- Rogers Plan/„konventionelle“ Rüstung: EVI ist dafür ein neuer Schub, ein beschleunigter Einstieg, ein Stimulans fast sämtlicher Kategorien neuester „konventioneller„ Waffen von weitreichenden Raketenträgern für „konventionelle“ Sprengköpfe über „intelligente“ Munition bis zum Aufbau einer auch weltraumgestützten Aufklärungsstruktur.
Zusammengenommen trägt das EVI/ATM-Programm Wesentliches dazu bei, um den bisher erreichten Aufrüstungsstand zu festigen und gegen Abrüstungsvorschläge zu immunisieren; zudem beinhaltet dieses Programm ein eigenständiges Aufrüstungspotential, das geeignet ist, eine qualitativ höhere Stufe der atomaren wie konventionellen Aufrüstung in Europa zu erreichen. Die Realisierung dieses Programms würde politische Perspektiven zu einer 2. Phase der Entspannungspolitik und der schrittweisen Herstellung einer Sicherheitspartnerschaft zwischen West und Ost wesentlich erschweren, wenn nicht durchkreuzen. Deswegen muß die Verhinderung dieses Schlüsselprogramms immer im Bezug zu SDI, Pershing und FoFa ein eigenständiger Schwerpunkt der Bemühungen der Friedensbewegung werden.
Literatur:
Hans Günter Brauch, Antitactical Missile Defense, Will the European Version of SDI undermine the ABM-Treaty? AFES Papier Nr.1
Institut für Politikwissenschaft, Universität Stuttgart Keplerstr, 17, 7000 Stuttgart
Katrin Fuchs, MdB, Chronik Europäische Verteidigungsinitiative
SDI/EVI
Hans Gunter Brauch, 30 Thesen und 10 Bewertungen zur Strategischen Verteidigungsinitiative (SDI) und zur Europäischen Verteidigungsinitiative (EVI), Forschungsinstitut für Friedenspolitik, Sternberg, Januar 1986
Hans Günter Brauch Militärische Komponenten einer Europäischen Verteidigungslnitiative (EVI), AFES Papier Nr.3, Stuttgart, Februar 1986
Hans Gunter Brauch, Rainer Fischbach, Military Use of Outer Space. A Research Bibliography, AFES Papier Nr.4, Stuttgart, Februar 1986
Diese drei Studien aus der von Hans Gunter Brauch geleiteten AG Friedensforschung und Europäische Sicherheitspolitik an der Univ. Stuttgart bieten eine Menge Informationen zur SDI und EVI-Diskussion. Die erste Arbeit wurde für das von Mechtersheimer geleitete Starnberger Institut erstellt und gibt in thesenartiger Form eine Einschätzung des Verhältnisses USA - Westeuropa zu SDI. Die zweite Studie gibt eine Zusammenstellung von Fakten, die belegen, daß die Idee und die Technologie zu einer Euro-Version von SDI frühzeitig in den USA entwickelt wurde, bevor überhaupt von SDI die Rede war. Besonders hilfreich kann die zum Thema Weltraumrüstung zusammengestellte Bibliographie sein, um im Dschungel der wachsenden SDI-Literatur noch den Überblick zu behalten.
Anmerkungen
2 Deutscher Bundestag, Sitzungsprotokolle 10/63, 4458 C f. vom 4.4.84 Zurück
3 Thomas Enders, Raketenabwehr als Teil einer erweiterten NATO-Luftverteidigung; Sozialwissenschaftliches Forschungsinstitut der Konrad Adenauer Stiftung (KAS); Januar 1986 Zurück
4 Deutscher Bundestag, 10/207, S. 15882 B f., 20.3.86 Zurück
5 Deutscher Bundestag, 10/207, S. 15883 C f., 20.3.86 Zurück
6 Thomas Enders, a.a.O., S. 22 Zurück
7 US-Staatssekretär vor dem Senate Armed Services Committee (SASC) Department of Defense Authorization for Approbriations Fiscal Year 1981, zitiert nach: Flight International, 18. Oktober 1980 S. 1496 Zurück
8 DoD-Sprecher, SASC, DoD Auth FY 84, Teil 4, S. 1882 Zurück
9 Hause Armes Services Committee (HASC), DoD Auth FY 85, Teil 2, S. 634 und: Jonathan Stein, Anti-Tactical Ballistical Missiles, Arms Control Today, October 1985, S. 10 Zurück
10 HASC, DoD Auth FY 85, Teil 2, S.634 Zurück
11 Jonathan Stein, a.a.O., S. 10 Zurück
12 SASC, DoD Auth FY 1986, Teil 4, S. 1789 Zurück
15 SASC DoD Auth FY 84 Teil 4, S. 1909 Zurück
16 SASC DoD Auth FY 86 Teil 2, S. 776/792 Zurück
17 Manfred Wömer, A Missile Defense for NATO Europe, Strategie Review, Winter 1986, S. 17 Zurück
17a European Security Study (ESECS) II. Stärkung der konventionellen Abschreckung in Europa, Baden-Baden 1985, hier v.a. Kap. IV u. V Zurück
18 Fred S. Hoffmann, Ballistical Missile Defense and U.S. National Security, Summary Report, Prepared for the Future Security Strategy Study, October 83, S. 2 Zurück
19 Aerospace Daily, 3. Januar 1985 Zurück
20 M. Wörner, „Zeit“, 28.2.86 Zurück
21 Vgl. David S. Yost, Ballistical Missile Defense and the Atlantic Alliance, International Security, Herbst 1982 Zurück
22 Eine detaillierte Erörterung des Bezugs von EVI/ATM und des ABM-Vertrages ist hier nicht möglich.Zurück
Wolfgang Zellner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bundestagsfraktion der SPD.