Bundeswehr und Rechtsextremismus
Tagung des Zentrums Innere Führung
von Werner Brill und Tobias Pflüger
Vom 19.- 21.10.1998 führte das »Zentrum Innere Führung« der Bundeswehr zusammen mit den Landeszentralen und der Bundeszentrale für politische Bildung in Saarbrücken eine Tagung zum Thema »Bundeswehr und Rechtsextremismus« durch. Zugelassen wurden diesmal auch freie Träger aus der politischen Bildungsarbeit. In den Referaten und Diskussionen ging es um den Zustand der politischen Bildung in der Bundeswehr und um Erklärungsmuster für rechte Vorfälle bei der Bundeswehr. Referenten waren neben Offizieren des »Zentrums Innere Führung« auch Prof. Dr. Wolfram Wette und Prof. Dr. Wolfgang Gessenharter. Es entstand der Eindruck, dass ein größerer Teil der anwesenden Vertreter der Bundeswehr das Thema Rechtsextremismus sehr ernst nimmt und es »anpacken« will. Offensichtlich – das wurde in den Pausengesprächen deutlich – stellen diese Bundeswehroffiziere aber damit wohl noch eine Minderheit innerhalb der Bundeswehr dar.
Problembereich Nr. 1 in den Diskussionen war – wie nicht anders zu erwarten – das Traditionsverständnis der Bundeswehr. Offensichtlich hatte die Anwesenheit der beiden historisch und militärpolitisch kompetenten Professoren auf die Bundeswehroffiziere »dämpfende« Wirkung, sodass der Eindruck einer nur »halbechten« Diskussion entstehen konnte. Hinzu kam, dass das übliche Militärspielchen »Ober sticht Unter« allgegenwärtig war. Die untergebenen Offiziere äußerten sich kaum, dominant war der oberste Bundeswehroffizier.
Spannend wurde es trotzdem mehrfach: zum Beispiel, als das Verhältnis Bundeswehr-Wehrmacht diskutiert wurde. Wolfram Wette hatte zuvor eindrücklich und sehr schlüssig die Geschichte und das gezielte Erzeugen der »Legende der sauberen Wehrmacht« geschildert. Die Bundeswehroffiziere suchten demgegenüber verzweifelt nach positiven militärischen Traditionen innerhalb der Wehrmacht. Sie wollten (und konnten?) sich nicht damit abfinden, dass die Wehrmacht keine positiven Traditionen liefern kann. Deutlich wurde, dass – bei Militärs immanent logisch – vor allem der Bezug zur militärischen Geschichte gesucht wurde. Zivile oder gar militärkritische Traditionen spielten keine Rolle. Es wurde angesprochen, dass Heeresinspekteur Helmut Willmann einen Typus von Soldat fordere und fördere, der kampforientiert und sportlich sein solle, politische Bildung sei in diesem Soldatenbild zweitrangig. Der oberste Bundeswehroffizier gab ein flammendes Plädoyer für Herrn Willmann ab und die untergebenen Bundeswehroffiziere nickten zustimmend.
Spannend wurde es auch, als die bayrische Vertreterin der Landeszentrale für politische Bildung bei der abschließenden Diskussion über konkrete Zusammenarbeit der Landeszentralen für politische Bildung mit der Bundeswehr als Eingangsvoraussetzung zur Anwesenheit bei der Tagung ein Bekenntnis zur Bundeswehr verlangte. Da dieses Bekenntnis nicht durchgängig zu bekommen war, drehte sich die anschließende Diskussion vor allem darum, ob BundeswehrkritikerInnen oder BundeswehrgegnerInnen zu solchen Seminaren grundsätzlich zugelassen werden sollten. Ergebnis: In Zukunft will man/frau unter sich (»Zentrum Innere Führung« der Bundeswehr und Landeszentralen bzw. Bundeszentrale für politische Bildung) bleiben, eine »passive« Anwesenheit von KritikerInnen wurde nur noch diesmal geduldet.
Ein interessantes Detail am Rande, das leider erst nach der Tagung bekannt wurde: Vertreter der Niedersächsischen Landeszentrale, die dagegen waren, KrititkerInnen der Bundeswehr zukünftig einzuladen, haben offensichtlich keine Berührungsängste mit rechten Kreisen. So berichteten die Hannoversche Allgemeine Zeitung (11.11.1998) und die Antifaschistischen Nachrichten (Nr. 24/1998) über eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Landeszentrale mit rechten Kreisen, die gegen die Wehrmachtsausstellung Stimmung machten.
Einige Schlussfolgerungen
- Grundlegende Defizite sehen wir in zwei Bereichen:
1. Der Stand der historischen Forschung zum Thema Wehrmacht wird offensichtlich in der Bundeswehr bis heute nicht wahrgenommen.
2. Die neue Bundesregierung und die Bundeswehr wollen die Diskussion um die Zukunft der Bundeswehr offensichtlich vor allem innerhalb der Bundeswehr führen. An eine offene gesellschaftliche Diskussion und vor allem an eine Auseinandersetzung mit KritikerInnen bzw. GegnerInnen der Bundeswehr ist kaum gedacht. - Die Bundeswehr muss in der Lage sein, sich mit KritikerInnen und GegnerInnen der Bundeswehr ernsthaft auseinanderzusetzen. Das sollte im demokratischen Diskurs eine Selbstverständlichkeit sein. Das Einfordern von Bekenntnissen zur Bundeswehr als Voraussetzung für Diskussionen zeigt nur, wie unsouverän die BefürworterInnen der Bundeswehr z.T. geworden sind.
- Das Seminar zeigte, dass eine Diskussion zwischen aufgeschlossenen Bundeswehroffizieren und Friedensforschung / Friedensbewegung notwendig und richtig ist. Dabei kommt es aber auf die Diskussion von Fakten an, auf sachorientierte Auseinandersetzungen. Diskussionen nach dem Motto „Wir wollen doch alle den Frieden“ und „Jeder geht seinen Weg und wir achten uns gegenseitig“ erbringen nichts.
- Auch ein gemeinsames Agieren von Bundeswehr und KritikerInnen bzw. GegnerInnen der Bundeswehr beim Themenbereich Bundeswehr und Rechtsextremismus scheint uns möglich. In solchen Debatten muss die Bundeswehr aber auch den Mut aufbringen und bereit sein, Beiträge (auch innerhalb von Kasernen!) zuzulassen, die sich mit militärimmanenten und strukturellen Gründen des Rechtsextremismus in der Bundeswehr befassen.
Werner Brill und Tobias Pflüger