Bundeswehr
von Jürgen Nieth
Soldaten stärker gefährdet
Das Verteidigungsministerium rechnet in 2005 mit einer
deutlich höheren Gefährdung der in Afghanistan eingesetzten deutschen Soldaten.
Grund sei eine Ankündigung der Briten und US-Amerikaner, den Kampf gegen die
Drogenbarone zu verschärfen, berichtet »Der Spiegel« (Nr. 2-2005, S. 14). Der
Bundesnachrichtendienst habe die Militärs gewarnt, wenn die Einnahmequellen der
Warlords versiegten, berge das vermehrte Gefahren für die deutschen Camps in
Kunduz und Faisabad. Verteidigungsminister Struck habe deshalb die
Sicherheitsstrukturen verstärken lassen und wolle mit den anderen Parlamentsfraktionen
jetzt einen „robusteren Einsatz“ besprechen. Dabei werde geprüft, ob die
bisher auf 2.250 Soldaten begrenzte Truppenstärke erhöht und Spezialkräfte zur
großräumigen Sicherheit der Lager entsandt werden müssten.
Im Bundestagsmandat zur Teilnahme an der ISAF-Mission am Hindukusch ist die
Drogenbekämpfung ausdrücklich ausgeschlossen. Bereits im September hatten
Bundeswehgeneräle auf die Gefahren durch die Drogenmaffia aufmerksam gemacht
und sich in einem Brief an den Verteidigungsminister gegen eine Verlegung
deutscher Soldaten nach Faisabad gewandt, da die Provinz zu den bedeutendsten
Mohnanbaugebieten gehört (siehe W&F 4-2004, S. 4).
Nach einem Bericht der UN-Organisation gegen Drogen und Verbrechen (UNODC) hat
die Opiumproduktion in Afghanistan neue Rekordhöhen erklommen. Die Anbaufläche
für Schlafmohn sei von 2003 bis 2004 um 64 Prozent ausgeweitet worden.
Afghanistan liefert heute 87 Prozent des weltweit verarbeiteten Opiums (TAZ
19.11.04).
Bundeswehr nach Afrika
Für Verteidigungsminister Struck gehört Afrika zu den
kommenden Einsatzgebieten der Bundeswehr. Die »tageszeitung« (27.12.04) zitiert
ihn mit den Worten:„Es gibt in Afrika große Instabilität durch Armut, Aids
und Stammeskämpfe… Es ist nicht auszuschließen, dass ein Staat, von dem
wir es heute noch nicht wissen, morgen plötzlich im Foccus steht.“ 7.000
deutsche Soldaten seien derzeit im Auslandseinsatz, bis zu 10.000 könne die
Bundeswehr bereitstellen. Dabei gehe es vor allem darum, die Afrikanische Union
mit Transport- und Logistikhilfe zu unterstützen. Die EU habe eine besondere
Verantwortung für Afrika.
Struck wies der TAZ zufolge den Vorwurf zurück, die rot-grüne Regierung
betreibe mit der Bundeswehr Außenpolitik, die Kriseneinsätze würden nicht
benutzt, um damit den deutschen Einfluss zu stärken.
Neue Abwehrraketen für die Bundeswehr
Die Bundesrepublik will sich an der Entwicklung eines neuen
Raketenabwehrsystems beteiligen. Beteiligt sind die amerikanische Firma
Lockheed Martin mit 58 Prozent, der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern EADS
mit 25 und die italienische Alenia Marconi mit 17 Prozent. Laut
SPD-Verteidigungsexperte Barteils liegt allein der deutsche Beitrag zu den
Entwicklungskosten des »Medium Extended Air Defense System« (Meads) bei 1,1 Milliarden
Euro (Freitag 22.10.04). Die Beschaffungskosten für das System schätzt die
Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) auf 10 bis 12
Milliarden Euro.
Meads soll Flugzeuge, Helikopter, Marschflugkörper, vor allem aber Raketen mit
einer Reichweite bis zu 1.000 km abwehren. Das ist ein Radius, indem
Deutschland von Verbündeten umgeben ist. Der Verteidigungsausschuss begründet
deshalb die Notwendigkeit der Anschaffung vor allem mit dem Schutz von Soldaten
in Auslandseinsätzen sowie vor Terroranschlägen. Bernd Kubbig (HSFK) hält dem
entgegen, dass erstere vor allem anderen Gefahren ausgesetzt seien (von
Kleinwaffen bis Artillerie) und Terroranschläge kämen ohne die Vorwarnung, die
Meads brauche (FR 19.01.05).
Als nicht finanzierbar bezeichnet der Ex-Luftwaffengeneral Hermann Hagena das geplante Raketenabwehrsystem (FR 20.01.05). Er weist die in einer Studie des Verteidigungsministeriums veranschlagten Beschaffungskosten in Höhe von zwei bis drei Milliarden zurück und hält selbst die Schätzungen der HSFK für zu niedrig. Hagena betont, dass auch in Teilen des Bundesverteidigungsministeriums die Kosten noch „pessimistischer betrachtet“ würden als von der HSFK. Er zitiert aus einem Bericht an den Verteidigungsausschuss von 2001: „Die erweiterte Luftverteidigung (PAC-3 und Meads) dürfte wegen der in diesem Bereich aufgetretenen sprunghaften Preissteigerungen beim PAC-3 Flugkörper (von dem im Rahmen von Meads 300 angeschafft werden sollen, J.N.) nicht zu realisieren sein.“
EU-Kampftruppen
Deutschland und Österreich haben sich darauf geeinigt, der
EU gemeinsam mit Tschechien eine »battlegroup« zur Verfügung zu stellen (FR
23.11.04). Es wird davon ausgegangen, dass Deutschland die Führung dieser etwa
1.500 Soldaten umfassenden Einheit übernimmt. Damit ist die Bundeswehr an vier
der bislang dreizehn von den EU-Mitgliedstaaten zugesagten Kampfeinheiten
beteiligt.
Das EU-Konzept hochtrainierter Kampfeinheiten für den schnellen Einsatz in
Krisen- und Kriegsgebieten soll ab 2007 die EU in die Lage versetzen, an zwei
Orten gleichzeitig militärisch einzugreifen. Der Einsatzradius der Truppen wird
mit 6.000 km angegeben und damit weit nach Afrika und Asien hineinreichen.
Gericht bestätigt Wehrpflicht
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die Wehrpflicht trotz deutlich gesunkener Einberufungszahlen bestätigt. Die Richter hoben damit ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln auf, nachdem die Wehrpflicht inzwischen „willkürlich“ angewendet werde und deswegen rechtswidrig sei. Allerdings nannten die Richter die konkrete Einberufung zum Januar 2004 „objektiv rechtswidrig“, weil eine große Zahl von Wehrpflichtigen damals „ohne eine gesetzliche Grundlage“ nicht herangezogen worden sei. Diese wurde erst im September 2004 geschaffen (FR 20.01.2005).
Für das Gericht erfordert eine verfassungsgemäße Wehrpflicht, die „weitgehende Ausschöpfung“ der Zahl der Wehrpflichtigen, die aufgrund der gerade geltenden Gesetzesregelungen einberufen werden können. Prozentual wollten sich die Richter nicht darauf festlegen, was denn eine „weitgehende Ausschöpfung“ sei. Ist auch schwierig, wenn man sieht, dass 2006 bei einer Jahrgangsstärke von 454.000 nur etwa 57.000 für den Dienst in der Bundeswehr herangezogen werden.