W&F 2014/1

Burden-Sharing

Wie und weshalb die EU die türkische Flüchtlingspolitik unterstützt

von Michelle Kerndl-Özcan

Die Europäische Union hat ihre Unterstützung der türkischen Flüchtlingspolitik und des Aufbaus eines funktionierenden Asylsystems in der Türkei im letzten Jahrzehnt sukzessive erweitert. Dabei leistet sie insbesondere finanzielle und technische Hilfe, während sie sich kaum an UNHCR-Umsiedlungsprogrammen aus der Türkei beteiligt. Dieser Beitrag hinterfragt die Motivationen dieses Engagements und setzt das geleistete Burden-Sharing in Zusammenhang mit den breiteren Zielen der europäischen Asyl- und Flüchtlingspolitik.

In den letzten Jahren hat sich eine entscheidende Veränderung der Migrationsrouten in die Europäische Union vollzogen. Während noch vor zehn Jahren die meisten Flüchtlinge über die Mittelmeeranrainerstaaten Italien und Spanien in die EU gelangten, fanden 2010 über 80% aller irregulären Eintritte in der türkisch-griechischen Grenzregion Evros statt (vgl. McDonough/Tsourdi 2012, S.1). Das türkische Asylsystem wird von einer richtungsweisenden Besonderheit bestimmt: Es wird nur Flüchtlingen Asyl gewährt, die aufgrund von Geschehnissen in Europa geflohen sind. Nicht-europäische Flüchtlinge, die vom Hohen Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) und den zuständigen türkischen Behörden als politische Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt wurden, dürfen nur so lange in der Türkei bleiben, bis sie durch das UNHCR in einen Drittstaat umgesiedelt werden (vgl. Tokuzlu 2010, S.11). Aufgrund langer Wartezeiten bis zu einer Umsiedlung, einer strikten Residenzpflicht und schlechten Lebensbedingungen während des Aufenthalts (siehe hierzu Kaya 2009, S.5f.) sind die meisten Flüchtlinge in der Türkei »irregulär«. So wurden alleine im Jahr 2009 146.337 irreguläre Migrant_innen an der türkisch-griechischen Grenze festgenommen, während sich im selben Jahr lediglich 7.834 beim UNHCR um politisches Asyl bewarben (Edsbäcker 2011, S.22f.). Die Statistik verdeutlicht weiter, dass die allermeisten Flüchtlinge die Türkei lediglich als Transitstaat auf ihrer Flucht in die EU nutzen.

Parallel zum schrittweisen Abbau der Innengrenzen im Raum der EU gewann die Sicherung der Außengrenzen zunehmend an Bedeutung. So stilisieren die bisherigen Ansätze zur gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik, wie die Schengener Abkommen sowie die Verträge von Maastricht und Amsterdam, Flüchtlinge in erster Linie als Sicherheitsbedrohung und fokussieren auf Maßnahmen zur Kontrolle der irregulären Migration in das Gebiet der EU. Diese reichen von restriktiven Visabestimmungen und Sanktionen gegen Transportunternehmen über militärische Kontrollen der EU-Außengrenzen bis hin zur Kooperation mit Drittstaaten wie der Türkei (vgl. Hurwitz 2009, S.1f.).

Finanzielles und technisches Burden-Sharing

Der Politikwissenschaftler James Milner definiert internationales Burden-Sharing bzw. Lastenausgleich als einen Mechanismus, mittels dem die vielseitigen Kosten der staatlichen Aufnahme von Flüchtlingen in einer gerechteren Weise zwischen Staaten verteilt werden (Milner 2005, S.56). Oft wird zwischen finanziellem, technischem und physischem Burden-Sharing unterschieden (vgl. bspw. Hurwitz 2009, S.146).

Finanzielles Burden-Sharing der Türkei durch die EU findet auf drei Ebenen statt:

  • Erstens spielt die EU eine entscheidende Rolle in der Bereitstellung finanzieller Mittel für das UNHCR Türkei, dessen Budget 2012 32,3 Mio. US$ betrug (UNHCR 2013).
  • Zweitens erhält die Türkei Unterstützung aus dem regionalen EU-Programm AENEAS, welches Drittstaaten finanzielle und technische Hilfe in den Bereichen Migration und Asyl gewährt (vgl. Europäische Kommission 2008, S.62).
  • Schließlich erhält die Türkei als EU-Beitrittskandidatin seit 2001 Unterstützung im Rahmen der »Pre-Accession Financial Assistance Programs« der EU, welche 2007 durch das »Instrument for Pre-Accession Assistance« ersetzt wurden.

Das Gros der EU-Unterstützung fließt dabei an Projekte zum Aufbau eines Asylinformationssystems sowie zur Ausbildung von Grenzschutzbehörden (vgl. Delegation of the European Union to Turkey 2007, S.18).

Im Rahmen des technischen Burden-Sharing engagiert sich die EU vorrangig in zwei Bereichen:

  • Da ist zum einen die Kooperation mit der europäischen Grenzschutzagentur Frontex. Seit der Gründung 2004 wurde die Zusammenarbeit von Frontex und den türkischen Behörden an der türkisch-griechischen Land- und Seegrenze sukzessive ausgebaut. Am 28.1.2013 unterzeichneten beide Seiten eine gemeinsame Vereinbarung zur weiteren Vertiefung der Kooperation (vgl. Frontex 2013).
  • Zum anderen gibt es so genannte Twinning-Projekte zur Unterstützung von Beitrittskandidaten. Exemplarisch sei ein Projekt von 2007 genannt, welches die EU mit 15 Mio. Euro unterstützte. Hier wurden unter anderem zwei Abschiebelager für irreguläre Migrant_innen errichtet (Europäische Kommission 2007). Es folgten mehrere Twinning-Projekte zur Einrichtung eines Asylinformationssystems, zur Beratung der Legislative sowie zum Ausbau von Institutionen zur Bekämpfung irregulärer Migration.

Die ausgeprägte finanzielle und technische Unterstützung der Türkei durch die EU dient dabei in erster Linie als Instrument zur Verfolgung des sicherheitspolitisch definierten Ziels, die Zahl der Flüchtlinge zu minimieren. Dieses Ziel soll durch den Abschluss eines Rückübernahmeabkommens sowie eine stärkere Grenzsicherheit erreicht werden.

Die Bedeutung eines Rückübernahmeabkommens

Laut Rat der EU sollen Rückübernahmeabkommen bevorzugt mit Staaten angestrebt werden, durch die viele Flüchtlinge in die EU migrieren und die in geografischer Nähe der EU liegen (Tokuzlu 2010, S.7). Da die Türkei beide Kriterien erfüllt, wurde der Abschluss eines Abkommens von der EU seit langem mit hoher Priorität betrieben. Seit 2005 fanden Verhandlungen statt, auf deren Grundlage türkische Staatsbürger_innen sowie irreguläre Migrant_innen, die über die Türkei in die EU einreisen, in einem Schnellverfahren in die Türkei zurückgeführt werden können. Im Gegenzug verspricht die EU türkischen Staatsbürger_innen schrittweise Visaerleichterungen. Die türkische Regierung weigerte sich lange, der EU-Forderung nach Aufnahme von Drittstaatsangehörigen nachzukommen, da sie befürchtet, dass ein solches Abkommen die drastisch gestiegene Zahl an internationalen Flüchtlingen in der Türkei weiter erhöhen und die Türkei eine Art »Pufferzone« oder gar ein »dumping ground« für in der EU unerwünschte Flüchtlinge werden könnte (Kirisci 2012, S.75). Die EU war und ist bemüht, derartige Zweifel durch intensives Engagement im Burden-Sharing auszugleichen.

Nach erheblichem Druck der EU wurde im Juni 2012 ein bilaterales Rückübernahmeabkommen paraphiert, welches am 16.12.2013 durch EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström sowie den türkischen Innenminister Muammer Güler unterzeichnet wurde. Allerdings hängt die Umsetzung des Abkommens noch von der Ratifizierung des Rates der EU, des Europäischen Parlaments sowie des türkischen Parlaments ab. Der Inhalt des Abkommens berücksichtigt die Bedenken der Türkei: Während diese eingewilligt hat, eigene Staatsbürger_innen aufzunehmen, sollen Angehörige von Drittstaaten erst drei Jahre nach Ratifizierung in die Türkei zurückgeschoben werden können (vgl. Europäische Kommission 2013).

Bisher hatte die Türkei lediglich ein Rückübernahmeabkommen mit dem EU-Mitgliedstaat Griechenland abgeschlossen. Durch das Abkommen erhofften sich griechische Entscheidungsträger sowohl weniger Flüchtlinge im eigenen Land durch Abschiebungen in die Türkei als auch die Abschreckung von Flüchtlingen vor irregulären Übertritten der türkisch-griechischen Land- und Seegrenzen. Allerdings führte die Implementierung des Abkommens seit 2001 nicht zu den angestrebten Ergebnissen. Von 65.300 Flüchtlingen, die Griechenland zwischen 2002 und 2010 in die Türkei zurückschieben wollte, nahm die Türkei lediglich 2.425 Menschen auf (Icduygu 2011, S.7). Gründe für die beschränkte Umsetzung sind – neben den traditionell angespannten bilateralen Beziehungen – Schwächen des finanziellen Lastenteilungsmechanismus sowie das Fehlen einer gemeinsamen Datenbank, auf deren Grundlage nachgewiesen werden könnte, welche Flüchtlinge über die Türkei eingereist sind (vgl. Cramer-Hadjidinos 2011, S.66). Die Schlussfolgerung liegt nahe, dass die intensiven Bemühungen der EU zum Aufbau eines türkischen Asylinformationssystems, welches schließlich in die europäische Datenbank »Schengen Informationssystem« (SIS) integriert werden könnte, aus den Negativerfahrungen des türkisch-griechischen Rückübernahmeabkommens resultieren.

Daneben fordert die EU die Aufhebung des oben erwähnten geografischen Vorbehalts. Die EU-Asylverfahrensrichtlinie konstatiert, dass Flüchtlinge nur in einen Drittstaat abgeschoben werden können, in dem die Möglichkeit besteht, als politischer Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt zu werden. Die Türkei gilt daher nicht als sicherer Drittstaat. Obgleich das türkische Asylsystem weitere menschen- und flüchtlingsrechtspolitische Defizite aufweist, ist davon auszugehen, dass die Türkei nach der Aufhebung des geografischen Vorbehalts als sicherer Drittstaat anerkannt würde (vgl. Tokuzlu 2010, S.15). Folglich macht das jüngst unterzeichnete Rückübernahmeabkommen die Einführung von Visaerleichterung für türkische Staatsangehörige abhängig von der Einrichtung eines Asylsystems nach »internationalen Standards« – sprich: der Aufhebung des Vorbehalts (vgl. Europäische Kommission 2013).

Am geografischen Vorbehalt hält die Türkei vor allem aus ökonomischen Gründen fest. Türkische Entscheidungsträger befürchten im Falle einer Aufhebung einen weiteren Anstieg der Flüchtlingszahlen in der Türkei, was erhebliche Kosten verursachen könnte. Deswegen verweisen türkische Entscheidungsträger bei allen Verhandlungen um einen EU-Beitritt oder die vollständige Implementierung des Rückübernahmeabkommens – beiden müsste die Aufhebung des geografischen Vorbehalts vorausgehen – immer wieder auf die Notwendigkeit eines weitreichenden Burden-Sharing (vgl. Kaya 2009, S.15).

In diesem Zusammenhang spielt die türkische Perspektive auf eine EU-Mitgliedschaft eine entscheidende Rolle. Im Falle einer Mitgliedschaft bewertet die Türkei die Kosten der Aufhebung des Vorbehalts als gering, da sie dann von innereuropäischen Lastenausgleichsmechanismen profitieren würde (vgl. Cramer-Hadjidimos 2011, S.66). Türkische Entscheidungsträger sind sich bewusst, dass auch Ungarn, Lettland und Malta den zuvor geltenden geografischen Vorbehalt im Laufe der Beitrittsverhandlungen aufheben mussten (vgl. Kirisci 2012, S.74). So zeigte sich die Türkei nach der Erhebung zur Beitrittskandidatin, als die Hoffnungen auf eine baldige Mitgliedschaft noch hoch waren, zunächste zu einer umfassenden Reform bereit. Als die Aussicht auf eine Mitgliedschaft im Laufe der langwierigen Beitrittsverhandlungen weiter in die Ferne rückte, konstatierte sie allerdings, sie würde den Vorbehalt erst nach einem offiziellen Mitgliedschaftsversprechen durch die EU aufheben. Die EU hingegen verlangt die Aufhebung als Vorbedingung für die Mitgliedschaftsperspektive und Visaerleichterungen. So ist die Aufhebung des geografischen Vorbehalts zu einem Druckmittel für beide Seiten geworden (vgl. Kaya 2009, S.23).

Grenzsicherung im Interesse der EU

Die Türkei befindet sich an einer der sensibelsten Grenzen der EU. Sie liegt zwischen der EU und Staaten wie Irak, Iran oder Syrien, die im sicherheitspolitischen Diskurs der EU zunehmend mit religiösem Fanatismus und islamistischem Terrorismus in Verbindung gebracht werden (vgl. Baklacioglu 2010, S.4f.). So liegt ein wesentlicher Fokus des Burden-Sharing der EU auf Projekten zur Verbesserung der Grenzsicherheit in der Türkei. Ziel dabei ist die effiziente Kontrolle sowohl der Grenzen im Osten und Südosten der Türkei, über welche die meisten Flüchtlinge einreisen, als auch der türkisch-griechischen Grenze, über welche die meisten Flüchtlinge in die EU weiterreisen. Durch die Finanzierung von Projekten zur Stärkung der Grenzschutzeinheit und Grenzpolizei sowie zum Aufbau von Abschiebelagern sollen die Grenzen im Osten und Südosten der Türkei undurchlässiger gemacht werden, während die engere Kooperation mit Frontex in erster Linie der Sicherung der türkisch-griechischen Grenze dient. Dadurch findet eine Transformation der EU-Grenzen in die Türkei statt.

Die EU strebt eine Minimierung der Zahl von irregulären Migrant_innen in der Türkei an. So erhofft sie sich einerseits eine Abnahme der irregulären Grenzübertritte in der türkisch-griechischen Evros-Region sowie andererseits eine gesteigerte Bereitschaft der Türkei zur Aufhebung des Vorbehalts. Als adäquates Mittel werden neben der Unterstützung der türkischen Grenzkontrollen auch Rückübernahmeabkommen der Türkei mit weiteren Drittstaaten angestrebt. Folglich übt die EU Druck auf die Türkei aus, selbst Rückübernahmeabkommen mit häufigen Transit- und Herkunftsstaaten abzuschließen. Bislang hat die Türkei derartige Abkommen mit Griechenland (2001), Syrien (2001), Kirgistan (2003) sowie mit den Schwarzmeeranrainern Rumänien (2004) und Ukraine (2005) ratifiziert, wodurch eine Transformation auch der internationaler Grenzen erfolgt (vgl. Soykan 2010, S.221).

Physisches Burden-Sharing

Physisches Burden-Sharing bezeichnet die Teilnahme am UNHCR-»Resettlement«, durch welches anerkannte Flüchtlinge aus Erstasylstaaten mit hohen Flüchtlingszahlen in Industriestaaten umgesiedelt werden. Im Gegensatz zur hohen Beteiligung an finanziellen und technischen Instrumenten des Burden-Sharing ist das EU-Engagement an Umsiedlungsprogrammen aus der Türkei deutlich geringer. Von 37.418 Flüchtlingen gemäß der Genfer Flüchtingskonvention, die zwischen 1995 und 2010 aus der Türkei umgesiedelt wurden, nahmen europäische Staaten – ohne die skandinavischen Staaten – lediglich 990 Personen auf (siehe Tabelle).

Umsiedlungen aus der Türkei nach Herkunftsländern (1995-2010)

Herkunftsland Umsiedlung nach
Kanada USA Ozeanien Sonstiges Europa Skandinavien Andere Gesamt
Afghanistan 192 258 3 17 89   559
Iran 4.841 10.061 2.921 269 3.667 12 21.771
Irak 1.043 10.335 1.788 689 1.732 33 15.620
Afrika 436 326 1 7 55   825
Nordafrika 15       1   16
Asien   34     13   47
Naher/Mittlerer Osten 74 4 10 7 6 1 102
Bosnien und Herzegowina   45   1     46
Gesamt 6.601 21.063 4.723 990 5.563 46 37.418
Mit korrigierten Zahlen nach Kirisci 2012, op.cit., S.72

Auch das zögerliche Engagement der EU-Mitgliedstaaten in Umsiedlungsprogrammen steht in engem Zusammenhang mit der Konstruktion von Flüchtlingen als sicherheitspolitische Herausforderung. Dabei sind Flüchtlinge, die auf irregulärem Weg in die EU gelangen, keineswegs eine größere Sicherheitsbedrohung als Flüchtlinge, die durch Neuansiedlungsprogramme in die EU kommen.

Europäische Entscheidungsträger rechtfertigen ihre geringe Aufnahmebereitschaft damit, dass ein umfassender globaler Ansatz mit ausgeprägtem Engagement in der Region nachhaltiger und somit der Beteiligung an Umsiedlungsprogrammen vorzuziehen sei. So definiert das Stockholmer Programm von 2010 den Kapazitätsaufbau in Drittstaaten und die Verbesserung der Lebensverhältnisse in Herkunftsstaaten als primäre Ziele des EU-Flüchtlingsschutzes. Mit den oben diskutierten finanziellen und technischen Instrumenten soll der Flüchtlingsschutz in Staaten, die in Konfliktregionen liegen, ausgebaut werden, während entwicklungspolitische Projekte Fluchtursachen in Herkunftsstaaten bekämpfen sollen. Die freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen durch Neuansiedlungsprogramme hingegen erwähnt das Stockholmer Programm erst als zweite Priorität (vgl. Europäischer Rat 2010, S.33).

Zweifellos bilden die Bekämpfung der Fluchtursachen und die Unterstützung von Erstasylstaaten wichtige Pfeiler der Politik zum internationalen Flüchtlingsschutz. Allerdings stellt sich die Frage, ob der globale Ansatz der EU die Aufnahme von Flüchtlingen – direkt oder durch Umsiedlungsprogramme – ausschließen muss. Selbst die zuständige EU-Innenkommissarin Malmström stellt gravierende Mängel der EU-Flüchtlingspolitik fest: „Die europäischen Versprechen, Menschen in Not zu helfen, wurden in jüngster Zeit gründlich auf die Probe gestellt, und Europa hat bei dieser Prüfung kollektiv versagt.“ (zitiert aus Kopp 2012, S.26)

Die Art des EU-Engagements im Burden-Sharing leitet die in der EU stattfindende »Versicherheitlichung« von Flüchtlingen in die Türkei weiter. Die türkische Asylpolitik ist traditionell in erster Linie von sicherheitspolitischen Bedenken geprägt, im Rahmen derer insbesondere kurdische Flüchtlinge – parallel zu islamischen Flüchtlingen in der EU – als Sicherheitsbedrohung konstruiert werden (vgl. Kirisci 2012, S.66f.). Durch den Fokus der EU-Unterstützung auf den Ausbau des militärischen Grenzschutzes und den Aufbau einer Datenbank wird Flüchtlingspolitik einmal mehr in einen sicherheitspolitischen Kontext gerückt.

In diesem Zusammenhang konstatiert der Politikwissenschaftler Nurcan Özgür Baklacioglu, Ziel des EU-Engagements im Burden-Sharing und Ziel der asylpolitischen Forderungen im Beitrittsprozess sei der Aufbau einer «Festung Türkei» nach dem Vorbild der «Festung Europa» (vgl. Baklacioglu 2010, S.5). Die Europäisierung der türkischen Asylpolitik führt somit kaum zu einer stärkeren Beachtung von Flüchtlingsrechten in der Türkei, sondern schränkt im Gegenteil die Möglichkeit auf Zutritt zu türkischem Territorium und Asylverfahren ein.

Literatur

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Michelle Kerndl-Özcan erwarb an der Universität Marburg einen Masterabschluss in Friedens- und Konfliktforschung. Die Autorin wohnt in München und Istanbul und ist momentan in Elternzeit.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2014/1 Konfliktdynamik im »Globalen Norden«, Seite 34–37