W&F 1998/2

Conversion

Challenges for Enterprices and Regions in East and West

von Heidrun Weßels

Der Konversionskongreß, der vom 27.- 29. März 1998 in Kiel mit beachtlicher internationaler Beteiligung stattfand, wurde von TeilnehmerInnen aus Rußland, Polen, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Schweden, der Schweiz und Deutschland besucht, die sich praktisch oder theoretisch mit dem Thema Konversion beschäftigen.

Der Kongreß wurde am Freitag durch Prof. Dr. Klaus Potthoff (SCHIFF, Kiel) eröffnet. Klaus Potthoff betonte in seiner einleitenden Rede, daß das Ziel dieses internationalen Kongresses zum einen der Erfahrungsaustausch zwischen Wissenschaft und Praxis und zum anderen die Unterstützung des Ausbaus kooperativer Strukturen zur Gestaltung erfolgreicher Konversionsprozesse sei. Dr. Herbert Wulf (BICC, Bonn) setzte sich in seinem Beitrag mit der Bedeutung von Abrüstung und Konversion hinsichtlich friedenspolitischer und sozialintegrativer Prozesse auseinander. Violette Hyzy (CUB, Brest) gab einen Überblick über die Konversionsbemühungen in europäischen Hafenstädten. Dr. Martin Grundmann (IMU, Berlin) hob die Bedeutung des Kooperationsaspektes sowohl der betrieblichen Akteure untereinander als auch aller beteiligten regionalen Akteure hervor. Abschließend referierte der Wirtschaftsminister des Landes Schleswig-Holstein, Peer Steinbrück, aus wirtschaftspolitischer Sicht über die Bemühungen des Landes, den Konversionsprozeß zu unterstützen. Die Eröffnungsveranstaltung endete mit einer lebhaften Diskussion über Fragen des weiteren regionalen Umgangs mit zukünftig möglichen Abrüstungsschritten und innovativen Konversionsstrategien für die Entwicklung strukturschwacher Regionen.

Die Themenbereiche der Eröffnungsveranstaltung wurden am Samstag in drei Arbeitsgruppen wieder aufgenommen und mit den Schwerpunkten »Regionale Aspekte von Konversion«, »Innovative Strategien für betriebliche Konversion« und »Technologische Innovationen und Personal- und Organisationsentwicklung« diskutiert. Der internationale Kongreß wurde von den TeilnehmerInnen aus betroffenen Regionen und Betrieben zum intensiven Erfahrungsaustausch genutzt. Eine der zentralen Fragen war, wie die notwendigen Umstrukturierungen in Betrieben und Regionen gestaltet werden können, insbesondere, welche Faktoren diese Prozesse unterstützen und wie Fehlentwicklungen vermieden werden können.

In der ersten Arbeitsgruppe mit dem Titel »Regionale Aspekte von Konversion« berichtete Dr. Elena Denezhkina (CREES, University of Birmingham) über mehrere Fallstudien zur Konversion in Betrieben Rußlands. Sie hob hervor, daß es keine Konversionsstrategie der Zentralregierung gibt und daß die Unternehmen mit ihren Problemen allein gelassen werden.

Durchaus ähnlich ist die Situation in der Slowakei und Ungarn. Dr. Yudit Kiss berichtete über Chancen und Risiken von Konversionsbemühungen in Unternehmen der Rüstungsindustrie dieser beiden Länder. Nur etwa ein Drittel der Unternehmen konnten erfolgreich auf zivile Produktion umzustellen. Nicht zuletzt deshalb, weil es in diesen Fällen gelang, den Konversionsprozeß in einen regionalen Entwicklungsprozeß zu integrieren.

Stanislaw Glowacki (Metalworker's Secretariat, Polen) beschrieb die Situation in Polen. Er vertrat die Ansicht, daß nur die Unternehmen der Rüstungsindustrie, die ihre Manager austauschten, eine Chance haben zu überleben. Wichtig waren für diesen Prozeß auch Joint Ventures mit westlichen Unternehmen. Privatisiert wurden Unternehmen im Rüstungsbereich gar nicht oder nur formal, indem die Betriebe in eine staatliche Holding überführt wurden. Inzwischen hat die Regierung eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Strategien für weitere Konversionsmaßnahmen entwickeln und umsetzen sollen.

Daniel Gravot (CUB, Brest) berichtete über Konversionsanstrengungen der Region Brest, die in hohem Maße von Rüstungsproduktion abhängt. Der Konversionsprozeß in den Großbetrieben DCN und Thomson läuft an und wird durch eine regionale Wirtschaftspolitik begleitet, die ihr besonderes Augenmerk auf kleine und mittlere Unternehmen richtet.

Hervé Cadiou (Université de la Paix, Brest) ging insbesondere auf die besondere Situation der staatlichen Marinewerft DCN und die von DCN und Thomson abhängigen Subunternehmen ein. Konversion sei in staatlichen Betrieben deutlich schwieriger als in der privaten Industrie. Auch er betonte den besonderen Stellenwert einer regionalen Politik für den Konversionsprozeß.

Eberhard Petri (IG Metall, Nürnberg) beschrieb die erfolgreichen Aktivitäten des Wirtschaftsforums in der Region Nürnberg, das durch einen Mix von Leitbildentwicklung, Aufbau von Netzen, gezielter Unterstützung betrieblicher Projekte und Qualifizierungsmaßnahmen zur Gestaltung des Strukturwandels in der Region beiträgt.

Klaus Potthoff stellte die Ergebnisse der Zusammenarbeit des SCHIFF mit betrieblichen und regionalen Akteuren im Rahmen des EU- Programms »Konver« vor. Er hob darauf ab, daß betriebliche Konversion der Unterstützung externer Akteure bedarf und daß WissenschaftlerInnen eine wichtige Rolle in diesem Prozeß übernehmen können, wenn sie neben den klassischen Aufgaben auch die Moderation und Koordination betrieblicher und regionaler Prozesse übernehmen. Er beschrieb schließlich die geplante Fortsetzung dieser Koordinations- und Moderationsaufgaben im Rahmen des Projektes »Komo«.

In den lebhaften Diskussionen wurde immer wieder die bedeutende Rolle der Region, aber auch einzelner Akteure innerhalb und außerhalb von Betrieben für erfolgreiche Konversion hervorgehoben.

In der zweiten Arbeitsgruppe, in der es um innovative Strategien für betriebliche Konversion ging, wurden theoretische Aspekte, drei Unternehmensberichte und Beispiele für Liegenschaftskonversion diskutiert: Jordi Campàs Velasco (LEREP, Toulouse) und Dr. Jonathan M. Feldman (Dep. of Technology and Social Change, Linköping) hoben hervor, daß nicht nur unternehmensnahe Akteure bei Konversionsbemühungen von Bedeutung sind, sondern auch die Charakteristika des militärischen Sektors, der Regionen und der Länder ausschlaggebend sind. Als Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen kristallisierten sich folgende Konversionsbarrieren heraus: die schlechte zivile Marktanpassung, technologische Hemmnisse, Behinderungen durch militärische Organisationsstrukturen und die militärische Unternehmenskultur.

Aufgrund praxisnaher Erfahrungen erklärten Dr. Jonathan M. Feldman, am Beispiel von McDonnell Douglas, und Alain de Bouard am Beispiel von Thomson-CSF, daß eine zivile Unternehmenskultur in den Unternehmen nur zu erreichen ist, wenn der Einstieg in zivile Märkte durch konsequente Qualifizierung der Beschäftigten und des Managements vorbereitet wird, ein verbessertes Produktmarketing eingeführt, die oben genannten Konversionsbarrieren überwunden und zivile Netzwerke initiiert werden. Für die zivile Orientierung im Unternehmen ist eine Abwendung von der militärischen Technikorientierung notwendig, um die Kosten für Forschung und Entwicklung und in der Produktion zu senken. Roman V. Korolev (Marketing- und Sales Manager auf der Schiffswerft »Zvyozdochka«, Severodvinsk/ Rußland) beschrieb, daß die fundamentalen ökonomischen und industriellen Strukturen in Rußland zusammengebrochen seien und es keine staatlichen Vorgaben zu Umstrukturierungen gebe.

In Bezug auf Liegenschaftskonversion wurden große Unterschiede bei der Integration von ehemals militärischen Liegenschaften zwischen den OME und den westeuropäischen Ländern konstatiert. Dr. Hartmut Küchle (BICC, Bonn) und Jussi S. Jauhiainen (FB Geographie, Universität des Saarlandes) betonten, daß auch bei der Liegenschaftskonversion die aktive Mitarbeit von allen regionalen Akteuren von Bedeutung ist.

Die dritte Arbeitsgruppe diskutierte über die Zusammenhänge und Bedingungen technologischer Innovationen und betrieblicher Organisationsentwicklung. Ausgehend von der Hypothese, daß der Erfolg technologischer Innovationen mit der parallel verlaufenden Umstrukturierung betrieblicher Organisationsstrukturen und der Qualifizierung der Beschäftigten zusammenhängt, referierte Margitta Matthies (SCHIFF, Kiel) zu den spezifischen funktionalen und organisationalen Bedingungen rüstungsproduzierender Unternehmen und veranschaulichte Handlungsmöglichkeiten auf diesen betrieblichen Ebenen. Dr. Ernst Buder (MDC, Berlin) berichtete über Konversionserfahrungen mit biologischen und toxischen Waffen sowohl in amerikanischen als auch in russischen Unternehmen. Die positiven Beispiele aus den USA belegen, daß es aufgrund des spezifischen dual-use-Charakters für Unternehmen, die biologische und toxische Waffen produzieren, einfacher ist zu konvertieren als für Unternehmen, die im nuklearen und/oder chemischen Bereich tätig sind.

Sylvain Delaitre (Thomson-CSF, Brest) brachte seine praktischen Erfahrungen aus gewerkschaftlicher Sicht über die Gestaltung des Konversions- bzw. Diversifikationsprozeß bei Thomson-CSF ein. Erst nach langjährigen Diskussionen stimmte die Unternehmensleitung einer Potentialanalyse über zivile Alternativen zu, die schließlich zu einem zivilen Standbein bei gleichzeitiger Umstrukturierung des Konzerns führte. Anschließend erläuterte Dr. Hans-Uwe Messerschmidt (KI, Kiel) die Bedeutung von überbetrieblichen Kooperationen und strategischen Allianzen – insbesondere für KMU – für die erfolgreiche Umsetzung zukunftsträchtiger technologischer Innovationen. Abschließend berichtete Dr. Boris Adloff (ttz, Kiel) über seine Erfahrungen mit europäischen und regionalen Förderprogrammen zur Unterstützung von technologischen Innovationen im allgemeinen und der Konversionsförderung im besonderen. Im Ergebnis relativierte sich der Stellenwert der reinen Technologieförderung zugunsten einer Projektförderung, bei der Kommunikationsstrukturen und der Aufbau von Know-how-Netzwerken in der Region unterstützt werden.

In allen Arbeitsgruppen bestand Einigkeit darüber, daß aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen Konversionsmaßnahmen für Rüstungsunternehmen zur ökonomischen Überlebensfrage geworden sind. Weiterhin ist es unter friedenspolitischen Gesichtspunkten notwendig, daß betriebliche Konversionsprozesse gefestigt, deren Nachhaltigkeit gewährleistet und ein Rückfall in alte Strukturen verhindert wird.

Um zu erfolgreichen Konversionsbemühungen in Ost und West zu kommen, muß die Vernetzung von betrieblichen und regionalen Akteuren auch auf internationaler Ebene fortgesetzt werden.

Heidrun Weßels ist Dipl.-Sozialwissenschaftlerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich »Konversion« im Schleswig-Holsteinischen Institut für Friedenswissenschaften (SCHIFF) an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1998/2 Kinder und Krieg, Seite