W&F 2013/2

Den Frieden fördern – aber wie?

Jahrestagung der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung, 7.-9. März 2013, Bonn

von Dorothée Lepperhoff

Die Frage, wie Frieden gefördert werden kann, beschäftigte rund 80 Akteure der Friedensförderung aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik auf der Jahrestagung 2013 der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung, die in Kooperation mit der Evangelischen Akademie Rheinland durchgeführt wurde. Dabei wurden in unterschiedlichen Formaten Werte und Prinzipien einer Friedenslogik vorgestellt, erarbeitet und diskutiert.

Das Thema knüpfte an die letztjährige Jahrestagung an, bei der ein zivilgesellschaftlicher Gegenentwurf zur vorherrschenden Sicherheitslogik entwickelt wurde. So entstand die Forderung nach einer Handlungslogik, die sich nicht an individueller nationaler Sicherheit orientiert, sondern durch deren Brille Konflikte in ihrer Komplexität frühzeitig erkannt werden können – Voraussetzung, um ihnen durch gezielte, dem Kontext angemessene zivile Konfliktprävention und Konflikttransformation entgegenwirken zu können. Friedenslogik beinhaltet, einen gewaltfreien Dialog zwischen allen Konfliktparteien herzustellen und die Bedürfnisse von allen Beteiligten in der Lösungsfindung zu berücksichtigen.

So wie kein Konflikt dem anderen in seiner Vielschichtigkeit und Dynamik gleicht, kann es auch keinen Musteransatz zu seiner Bearbeitung geben. Doch welchen grundlegenden handlungsleitenden Prinzipien sollte eine Friedenslogik folgen? Welche Rolle spielt die Zivilgesellschaft auf nationaler und internationaler Ebene in der Friedensförderung?

Im Eröffnungsvortrag sprach Dr. Christine Schweitzer, Geschäftsführerin des Bundes für Soziale Verteidigung, das Potenzial der Zivilgesellschaft an, die, so sehr man ihr Handeln, ihre Interessen und ihre Wirkung kritisch hinterfragen sollte, einen starken und notwendigen Gegenpol zu staatlich-militärischen Agenden bietet. Sie kann zivile Alternativen zu militärischer Konfliktbearbeitung entwickeln sowie durch Protest und Widerstand gesellschaftliches Engagement fördern und die Friedensbewegung wieder aufleben lassen. Die aufgrund von Widersprüchlichkeit – z.B. zwischen Realität und Prinzipien – oftmals in der Gesellschaft bestehenden kognitiven Dissonanzen können produktiv genutzt werden, um Sichtweisen zu ändern und das öffentliche Bewusstsein von einer primär subjektiven Sicherheitsorientierung zu einer umfassenden Konflikt- und somit Friedensorientierung zu wenden. Dabei sollte die Zivilgesellschaft allerdings darauf bedacht sein, den eigenen Werten und Vorstellungen keine unabdingbare Allgemeingültigkeit zuzuschreiben, sondern sich selbst offen der aktuellen Entwicklungen und Rahmenbedingungen anzunehmen.

Zivilgesellschaft ist in ihrer Ausrichtung nicht homogen und verfolgt selbst in der Friedensarbeit unterschiedliche Zielsetzungen, was durch die anschließend beim Kamingespräch vorgestellten Friedensvisionen deutlich wurde. Dr. Ute Scheub, taz-Journalistin und Frauenrechtlerin, sah uneingeschränkte Geschlechtergleichstellung nicht nur als Vision, sondern als den Schlüssel für Frieden. Gleichberechtigte Gesellschaften sind nach ihren Erkenntnissen nach innen und nach außen friedfertiger und glücklicher. Dr. Mathias John von Amnesty International plädierte ähnlich für Gerechtigkeit, nämlich für eine globale Verwirklichung und Wahrung der Menschenrechte, auch als Mittel der Konfliktprävention. Für diese Zielsetzung sind, neben öffentlichem Druck zur Umsetzung der Menschenrechte, besonders verbindliche Menschenrechtsklauseln für Wirtschaftsunternehmen, allen voran für die Rüstungsindustrie, unentbehrlich. Prof. Dr. Susanne Buckley-Zistel, Zentrum für Konfliktforschung Marburg, dagegen wies auf die Grenzen der westlichen Friedensvisionen hin und riet, den Export westlicher Konzepte, wie z.B. des (liberalen) Friedens, selbstreflexiv zu hinterfragen. Gerade hier läge die Verantwortung der »Mächtigeren«, Demokratisierung nicht als geradliniges Patentkonzept zu sehen, sondern deren Einsatz kultur- und kontextsensibel abzuwägen, anzupassen und nicht unkontrolliert von außen aufzuzwingen.

Die kritische Selbstreflexion der eigenen Arbeit der Plattformmitglieder, »best practice«- und »lessons learnt«-Beispiele sowie der gegenseitige Austausch im weiteren Verlauf der Jahrestagung verdeutlichten, wie ähnlich und doch verschieden friedensförderndes, zivilgesellschaftliches Engagement sein kann, welche Grenzen es erfährt und vor welchen gemeinsamen Herausforderungen es steht. Eine Gefahr birgt die finanzielle Abhängigkeit, die sich nicht nur auf die Partnerorganisation, sondern auch auf die eigene Unabhängigkeit negativ auswirken kann. Sie lässt zu, dass sich zivilgesellschaftliche Organisationen, besorgt um die Kontinuität ihrer Arbeit(splätze), dem Willen ihrer Geldgeber beugen und dabei ursprüngliche Ideale, Neutralität und adaptive Projektplanung zurückstellen. Vor diesem Hintergrund ist die Selbstverpflichtung zu Transparenz und Flexibilität in der Friedensförderung ein relevanter Faktor.

Im Sinne von Gewaltlosigkeit und Dialogbereitschaft sollte man vorleben, was man predigt, ohne zu moralisieren und andere Ansichten grundsätzlich abzulehnen. Denn die Wirkung liegt in der Inklusion von allen – beteiligten und unbeteiligten – Akteuren und Perspektiven. So bleibt eine entschiedene Herausforderung für die zivile Konfliktbearbeitung die Einbeziehung direkter Gewaltakteure und die erfolgreiche Verbindung von Mikro-, Meso- und Makroebene.

Ein besonderer Vorteil der Friedenslogik ist die Konfliktfrühwarnung bzw. Prävention, die aber gerade wegen ihrer Kurzfristigkeit bisher nicht ausreichend etabliert ist. Für »Quick-Response«-Aktivitäten gibt es kein Budget, langfristig angelegte Maßnahmen können nur schwerfällig angepasst werden. Ein Dilemma, das viele Projekte der Entwicklungszusammenarbeit betrifft und, gerade in Hinblick auf Nachhaltigkeit und Effektivität, unbedingt behoben werden muss. Nach wie vor besteht eine Diskrepanz zwischen dem Bedarf und den verfügbaren Instrumenten bzw. ihrer zielorientierten Anwendung. Zwar werden Kontextanalysen inzwischen häufiger und differenzierter eingesetzt, sie haben aber weiterhin zu wenig Einfluss auf die Projektplanung und -durchführung.

Die zukünftigen Herausforderungen der Plattform und ihrer Mitglieder, aber auch ihre Potenziale wurden beim Abschlusspodium mit Prof. Dr. Thania Paffenholz (Graduate Institute of International and Development Studies, Genf), Dr. Désiré Nzisabira (ZFD Uganda der AGEH) und Natascha Zupan (FriEnt) diskutiert. Es ist wichtig, auf Kooperation zu setzen und gegenseitige Konkurrenz auszuschließen; durch ihre Vernetzung können die Plattform-Mitglieder Erfahrungen austauschen. In Zukunft ausbaufähig, aber wesentlich, sei die Vernetzung mit internationalen zivilgesellschaftlichen Akteuren ebenso wie der Dialog zwischen den Plattform-Generationen. Die Vielzahl individueller Lebenserfahrungen, unter anderem mit Friedensprozessen nach einem verheerenden Krieg sowie mit der Demokratisierung nach einem höchst autoritären System, können sich die Deutschen für die internationale Friedensarbeit zu Nutzen machen.

Um mit mehr Nachdruck einen Wandel der Rahmenbedingungen für Friedensarbeit zu fordern und die deutsche Politik von der Notwendigkeit zu überzeugen, sollte die Plattform eine Friedensstrategie entwickeln, die eine gemeinsame, stringente Zielrichtung verfolgt, wenn sie auch nicht der Überzeugung aller Mitglieder bis ins Detail entsprechen mag. Die Konzentration sollte hier auf dem Machbaren liegen. Darüber hinaus sollte die Strategie Optionen anbieten, die über finanzielle Forderungen hinausgehen und strukturelle Veränderungen ansprechen.

Angesichts internationaler Konflikttrends, wie Klimawandel und Migration, sowie globaler Machtverschiebungen steht die Plattform außerdem vor der Frage, wo sie sich und die Zivile Konfliktbearbeitung in Zukunft verorten wird und welche Relevanz der deutschen Entwicklungspolitik in 25 Jahren noch zukommen wird.

Dorothée Lepperhoff

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2013/2 Kriegsfolgen, Seite 55–56