Deutschland nach vorn
Bertelsmann aktiv: Europa militarisiert, die Bundesrepublik optimiert
von Anja Schwertfeger
Der diesjährige Bundeskongress Internationalismus (BUKO 30), der vom 6.-9. April in Leipzig stattfand, hat die Bertelsmannisierung zu einem seiner Schwerpunktthemen gemacht. Unter dem Titel »Ökonomisierung und Privatisierung – Bertelsmann in neoliberaler Mission« wurden die derzeit von Bertelsmann-Einrichtungen, wie dem »Centrum für Hochschulentwicklung« (CHE) in Gütersloh, initiierten Umstrukturierungen in Schulen, Hochschulen und Kliniken sowie die Einflussnahme auf die Konzeptionen europäischer Außenpolitik analysiert. In der Diskussion um Widerstandsperspektiven standen nicht allein politische Kampagnen, sondern auch die kollektive Deutung der Arbeits- und Lebenserfahrungen in den zur Zeit auftretenden Konflikten im Vordergrund.
Die europäische Militarisierung wurde auf dem BUKO von drei verschiedenen Seiten beleuchtet.
Jörn Hagenloch vom »Medienkombinat Berlin«, hat die starke Einflussnahme des »Centrums für angewandte Politikforschung« (CAP) in diesem Prozess dargestellt (vgl. den Beitrag in diesem Heft). Detlef Hartmann von der Kölner Initiative »bundeswehr-wegtreten.tk« legte in seinem Beitrag den Schwerpunkt auf die kolonialistischen Dimensionen des europäischen Supermachtbestrebens: Kriege würden geführt, um die sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen der Bevölkerung untereinander zunächst zu zerstören, und sodann der Bevölkerung die Strukturen aufzuzwingen, die einen kapitalistischen Handel erst ermöglichen – jene »schöpferische Zerstörung«, wie Schumpeter die »Eröffnung neuer, fremder oder einheimischer Märkte« genannt hat.
Die »anti-b AG Militarisierung« erläuterte anhand der von Bertelsmann genutzten Sprachcodes, nach welchen Prinzipien die Akzeptanz von Krieg und innerer Mobilmachung geschaffen wird, z.B. die Aufhebung der Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheitspolitik durch den Diskurs des »Sicherheitspolitischen Paradigmenwechsels«.
Krieg nach außen bedeutet auch immer Krieg nach innen, so die auf dem Kongress vertretene These. In diesem Sinne nimmt die Bertelsmannstiftung Einfluss insbesondere auf die öffentlichen Dienste in Deutschland. Erklärtes Ziel ist, den Menschen und die Institutionen effizienter zu gestalten. Die »AG du bist bertelsmann Bremen/Hamburg« legte hierzu dar, wie die derzeitige Ökonomisierung und auch Privatisierung öffentlicher Einrichtungen und Institutionen innerhalb der Bundesrepublik einzuordnen ist. Sie diene dazu, auch in den bislang vom Staat durchgeführten Aufgaben das Prinzip des Leistungswettbewerbs einzuführen. In der Konsequenz bedeute dies mehr Leistungsdruck, mehr Arbeit, mehr Stress – also eine klassische Rationalisierungsoffensive, nun aber nicht mehr auf der Ebene von Einzelbetrieben, sondern als systematisch gesamtgesellschaftlicher Ansatz. Nach der Privatisierung von Bus- und Bahnverkehr, Energie- und Wasserversorgung, Telekommunikation und Post steht nun die Ökonomisierung der Kindergärten, Schulen, Hochschulen, Kliniken, Sozialsysteme und der Kommunalverwaltungen an. Flankiert werden solche Maßnahmen durch die Etablierung sogenannter Bürgerstiftungen, die die bisherigen Aufgaben des Staates, besonders auf kommunaler Ebene, in Eigenverantwortung, durch freiwillige Spenden finanziert, neu und natürlich »besser« organisieren sollen.
In der Umstrukturierung der Krankenhäuser erhält die Bertelsmannstiftung durch ihre direkten Kooperationen mit den Gesundheitsministerien, durch diverse regelmäßig erscheinende Publikationen und die Verleihung des Deutschen Präventionspreises einen erheblichen Einfluss. Die Stiftung finanziert verschiedene Institute, wie z.B. das »Institut für Krankenhausmanagement« (IKM) an der Universität Münster und das »Centrum für Krankenhausmanagement« (CKM). Krankenhäuser werden ökonomisiert und in steigender Zahl privatisiert, um auch diesen Bereich Gewinn orientiert auszurichten. Unter der Parole »Steigerung der Eigenverantwortung« werden die Krankheitskosten immer stärker auf die Kranken umverteilt.
Die »AG Hochschulprivatisierung« des BUKO 30 diskutierte die Rolle des »Centrums für Hochschulentwicklung« (CHE) in der Transformation der Hochschulen zu stromlinienförmigen Qualifizierungsunternehmen: Nicht die gesellschaftlichen Bildungsziele seien tonangebend für die Lehrinhalte an den Hochschulen, sondern das betriebswirtschaftliche Denken. Elitebildung gehört ebenso dazu wie Studiengebühren, Kennziffernsysteme, Qualitätsmanagement, Evaluationen und Hochschulrankings.
Die Schule in Public Private Partnership (PPP) ist eine weitere Variante der verbetriebswirtschaftlichten Bildungslandschaft. Horst Bethge von der GEW und der »AG Bildungspolitik der Linkspartei.PDS« zeigte anhand einer Vielzahl von Beispielen, wie Unternehmen, voran Bertelsmann, das Konstrukt PPP nutzen, um ihren Einfluss auf die allgemeine Schulbildung auszudehnen. Auch die Schulen strukturieren sich mit Hilfe ähnlicher Steuerungsinstrumente wie in den Hochschulen neu. Hier wie dort sind Hierarchisierung, Rationalisierungen, Stellenabbau, sogenanntes Qualitätsmanagement und Selbstoptimierung treibende Kräfte. Die Bildung wird zur Ware. Schüler, Studierende und Lohnabhängige kaufen (Weiter-)Bildung, um ihren Wert als Arbeitskraftunternehmer auf dem Markt zu steigern und verlieren damit letztlich ein großen Teil der Selbstbestimmung über das eigene Leben.
Die Ökonomisierung der Öffentlichen Dienste berührt aber nicht nur die Rechts- und Finanzierungsform der Institutionen, sondern auch die Rationalisierung von Arbeitsabläufen und die Einführung moderner, undemokratischerer Organisations- und Entscheidungsstrukturen. Durchgesetzt wird diese Rationalisierungswelle mit Hilfe allgemeiner Prekarisierung – unterstützt von stabiler Arbeitslosigkeit, mangelhafter Grundversorgung und der Sachzwanglogik der leeren Kassen. Dazu kommen Lohnsenkungen und Arbeitsverdichtung, die unter anderem mit Stellenabbau, betrieblicher Umstrukturierung und der Selbstaktivierung überhöhter Arbeitsmotivation erfolgt. Gängiges Prinzip bei allen »Reformen« und Umstrukturierungen ist der Appell an jede/n einzelne/n, mehr Verantwortung zu übernehmen, damit das Effizienzdenken in Fleisch und Blut übergeht und zu dem prioritären Handlungsmotiv schlechthin wird. Die Selbstoptimierung, im Bertelsmannjargon auch Selbstaktivierung genannt, soll habituell in alle Lebensbereiche übernommen werden. Ganz nebenbei erschließen sich mit der Übernahme der Öffentlichen Dienste für Bertelsmann und andere private Unternehmen neue Märkte. Deshalb spricht man hier auch von der »Ausweitung der Märkte nach innen«. Generell ist neben der Legitimation der Bertelsmannstiftung deshalb auch die Frage zu stellen, weshalb sie gesellschaftlich als »gemeinnützig« anerkannt bleiben soll.
Auch wenn es schwierig scheint, einer Akteurin wie der Bertelsmannstiftung Widerstand entgegenzusetzen, bleibt es trotzdem wichtig, sich nicht von den gefälligen Worten der Stiftung verwirren zu lassen, sondern das eigene Unbehagen auf der Arbeit, in der Schule oder im Krankenhaus ernst zu nehmen, sich Widersprüche deutlich machen und, wer erfolgreich sein möchte, kollektiv über konkrete Missstände zu diskutieren und in dem damit geschaffenen Rahmen, Handlungsmöglichkeiten in Angriff zu nehmen.
Anja Schwertfeger arbeitet in der AG »du bist bertelsmann« (Bremen/Hamburg) mit