W&F 2024/3

Dialog zwischen Friedensforscher*­innen und Praktiker*innen

8. Jahrestagung, NeFKÖ, Klagenfurt, 25.-27.4.2024

Im April 2024 fand die 8. Jahrestagung des noch jungen »Netzwerks Friedensforschung und Konfliktbearbeitung in Österreich« (NeFKÖ) statt. Dies nehmen wir zum Anlass, um kurz auf den Kontext des Netzwerks sowie die Inhalte der Tagung einzugehen. Die dieses Jahr an der Universität Klagenfurt in Kooperation mit dem dortigen »Zentrum für Friedensforschung und Friedensbildung« veranstaltete Tagung widmete sich dem Leitthema »Weiterentwicklung der Friedens- und Konfliktforschung in Österreich«. Darüber wurde während der drei Konferenztage von Friedensforscher*innen, Praktiker*innen und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft angeregt diskutiert.

Zum Kontext: Friedensforschung und Konfliktbearbeitung in Österreich

Um zu verstehen, worüber unter der Überschrift »Weiterentwicklung« diskutiert wurde, lohnt sich ein Blick auf die jahrzehntelange Traditionslinie der Friedensforschung und Konfliktbearbeitung in Österreich. Während der Entstehung der Forschungsdisziplin in Österreich in den frühen 1980er Jahren stützten sich ihre Gründer – die meisten von ihnen Männer – politisch maßgeblich auf das 1955 verabschiedete Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität. Maßgeblicher Bezugspunkt war zudem die unter Bundeskanzler Bruno Kreisky entwickelte und darauf aufbauende Idee einer aktiven Neutralitätspolitik, welche insbesondere Wien als Standort internationaler Organisationen wie den Vereinten Nationen oder der heutigen »Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa« (OSZE) etablierte. Zugleich brachte sich Österreich in internationale Bemühungen um Frieden ein. Durch die zeitgleiche Entwicklung und weitere Ausdifferenzierung von Mehrebenen-Ansätzen in der internationalen Konfliktbearbeitung erfuhren auch Wissenschaft, Forschung und Bildung sowie friedenspolitische Bemühungen der Zivilgesellschaft zunehmende Aufmerksamkeit.

Nach dem Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung auf der Friedensburg Schlaining etablierten sich in unterschiedlichen Ausprägungen Standorte in Wien, Graz, Klagenfurt, Salzburg und Innsbruck. Darüber hinaus entwickelte sich auf zivilgesellschaftlicher Ebene ein heterogenes Spektrum an Organisationen und Einzelpersonen, die sich friedenspolitisch engagieren. Dabei führte diese Heterogenität zu einem relativ hohen Maß an parallelen Entwicklungen mit begrenzter Abstimmung nach innen und ohne maßgebliche gemeinsame Vertretung nach außen.

Die NeFKÖ-Jahrestagung

Um einen Raum für Austausch und Dialog der heterogenen Szene nicht nur der Forschenden und Lehrenden, sondern auch der Praktiker*innen im Bereich der Konfliktbearbeitung in Österreich zu schaffen, wurde 2016 das »Netzwerk für Friedensforschung und Konfliktbearbeitung in Österreich« (NeFKÖ) ins Leben gerufen. Das offene Netzwerk ist über eine Mailingliste und eine jährliche Netzwerktagung an wechselnden Standorten miteinander verbunden. Bei der diesjährigen Tagung trafen sich Teilnehmer*innen von 18 verschiedenen Institutionen der Friedensforschung und Konfliktbearbeitung in Österreich und Deutschland. Die wachsende Zahl an Teilnehmenden im Vergleich zu den Vorjahren unterstreicht die fortschreitende Institutionalisierung der Friedensforschung und Konfliktbearbeitung sowie deren zunehmende gesellschaftspolitische Wahrnehmung in Zeiten wachsender kommunaler, nationaler, wie internationaler Polarisierung.

Unter der Leitfrage Wie dem Krieg widersprechen?“ startete die Tagung in der gleichnamigen Ausstellung der Stadtgalerie Klagenfurt zu Leben und Werk von Käthe Kollwitz und Ernst Barlach mit einer interaktiven Podiumsdiskussion. Hierfür wurde bewusst ein Ort im öffentlichen Raum gewählt, um einem Kernanliegen des Netzwerks, der Förderung von Dialog nach innen und außen, gerecht zu werden. Eine Führung durch die Ausstellung machte die Folgen und Auswirkungen von Kriegen und Konflikten der Vergangenheit bis in die Gegenwart hinein durch die ausgestellten Werke sicht- und spürbar.

Bei der anschließenden Diskussion gab die feministische Friedensaktivistin und Praktikerin Elena Smirnova, aufbauend auf ihren Erfahrungen in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit in Ost- und Südosteuropa sowie der humanitären Hilfe in der Ukraine, Einblicke in die Praxis ihrer Arbeit im Kontext des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Sie betonte insbesondere die Wichtigkeit feministischer Antworten auf die Leitfrage der Diskussion. Diese unterstreichen beispielsweise die Notwendigkeit im Widerspruch gegen Krieg nicht einfach Zustimmung dazu von privilegierten Position aus zu erwarten. Vielmehr muss eine Vielzahl an Standpunkten, besonders auch von bisher marginalisierten Perspektiven, miteinbezogen werden. Im Dialog mit dem Publikum wurde zudem die Notwendigkeit unterstrichen, auch die Klima- und Biodiversitätskrise als friedensrelevante Themen in den Fokus der Debatte zu rücken – ein Umstand, der spätestens mit den enormen Umweltschäden durch die Zerstörung des ukrainischen Kachowka-Staudamms im Juni 2023 die Aufmerksamkeit der Friedensforschung und Konfliktbearbeitung auf sich zog. In der weiteren Debatte mit Claudia Brunner von der Universität Klagenfurt sowie mit Pete Hämmerle vom Österreichischen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes wurden Fragen über Ansprüche wie Gewaltfreiheit in der Praxis der internationalen Friedensarbeit einerseits und die Notwendigkeit zur kritischen Reflexion über eigene Positioniertheit andererseits aufgeworfen.

Kritische Impulse im Fokus

Die Frage nach Möglichkeiten einer kritischen Reflexion eigener Positioniertheit in der Praxis der Friedensforschung und der Konfliktbearbeitung wurde in der Diskussion der Keynote von Fatma Haron vom österreichischen Friedenszentrum am folgenden Tag aufgegriffen. Bezugnehmend auf die Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus wies Haron in ihrem Vortrag auf die kritische Debatte um eine »Obsession mit Migration« in der österreichischen Forschungslandschaft hin. Aufbauend auf ihrer Arbeit im Bereich der kritischen Migrationsforschung bildete ihr Vortrag eine Aufforderung zur Selbstreflexion über kulturell und institutionell verankerte Praktiken von methodologischen Rassismen, die an Universitäten – auch in der Friedensforschung und Konfliktbearbeitung selbst – nach wie vor stark verankert sind. Der folgenden Diskussion diente dies als Ausgangspunkt, um Leerstellen der Friedens- und Konfliktforschung im Bereich der Reflexion eigener Annahmen und Praktiken zu besprechen. Anna-Laura Punkt vom Kollektiv »Wir sind auch Wien« brachte am abschließenden Konferenztag in einem Impulsvortrag zu machtkritischer Reflexivität eine ergänzende Perspektive ein. Während in modern-liberalen theoretischen Ansätzen und dem damit oftmals verbundenen normativen Streben nach Frieden eine »gute Absicht« vorliegen mag, kann die daraus abgeleitete Praxis ohne Reflexion von Macht- und Gewaltverhältnissen, die sich auch in der Produktion von Theorien wiederholen, Schaden verursachen und gewaltvoll sein. Sowohl die Friedens- und Konfliktforschung als auch die Konfliktbearbeitung bedürfen also Perspektiven und Praktiken, die sich unter anderem durch macht- und herrschaftskritische, diskriminierungssensible sowie trauma-informierte Ansätze auszeichnen. Umso wichtiger war es uns als NeFKÖ-Sprecher*innen, diese Themen durch die Keynote und den Impulsvortrag auf der Tagung zentral zu platzieren, bei der es schließlich um die Weiterentwicklung der Friedens- und Konfliktforschung ging. Diese Themen sollen auch bei der 9. NeFKÖ-Jahrestagung im nächsten Jahr als Querschnittsmaterie beibehalten werden. Diese wird vom 23. bis 25. April 2025 an der Universität Graz stattfinden und als inhaltlichen Schwerpunkt das Thema der Klima- und Biodiversitätskrise aufgreifen.

Adham Hamed, Juliana Krohn und Rosemarie Schöffmann1

Anmerkung

1) Die Autor*innen bedanken sich bei Alba Losert und David Scheuing für ihr kritisches Lektorat.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2024/3 Widerstehen – Widersetzen, Seite 54–55