Die 68er und die Gewaltfrage
von Wolfgang Sternstein
Im Zuge der aufgeregten, von durchsichtigen politischen Interessen geleiteten öffentlichen Debatte über die Vergangenheit grüner Bundesminister ist das Jahr 68 und seine Folgen erneut ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Dabei fällt das Urteil über die StudentInnenrevolte, für die das Jahr 68 als Chiffre steht, noch immer – je nach politischem Standort – höchst unterschiedlich aus. Das liegt nicht zuletzt an den sehr verschiedenen Vorstellungen, die die Urteilenden mit dem Symboljahr 68 verbinden. Die einen assoziieren mit ihm Krawall auf den Straßen, demonstrierende Studierende, die Ho Tschi Minh-, Guevara-, Lenin-, Luxemburg- und Liebknecht-Portraits im Laufschritt durch die Straßen trugen und »Amis raus aus Vietnam« skandierten. Sie erinnern sich an Sitzblockaden, um die Auslieferung der Bildzeitung zu verhindern, an umgestürzte und brennende Lieferwagen und die Parole »Enteignet Springer«, an Steine und Brandflaschen werfende Demonstranten, kurzum, an einen Aufruhr, der geradewegs in den Terror der Rote Armee Fraktion (RAF) und der Revolutionären Zellen (RZ) hineinzuführen schien. Die anderen assoziieren mit 68 den Aufstand der Jugend gegen die verkrusteten, autoritären Strukturen der bundesdeutschen Gesellschaft, den Kampf gegen Notstandsgesetze und Vietnamkrieg, gegen Kapitalismus und Imperialismus. Für sie bedeutet 68 ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Demokratisierung, Liberalisierung und Modernisierung der Republik.
Welches dieser so unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Bilder trifft die Wirklichkeit oder sind womöglich beide falsch, zumindest einseitig? Haben das Jahr 68 und seine Folgen eher zur Demokratisierung der Bundesrepublik beigetragen oder eher zur Aufrüstung der staatlichen Machtapparate, insbesondere der Polizei, des Verfassungsschutzes und des Bundeskriminalamts, zu Gesinnungsschnüffelei und Berufsverboten sowie zur Demontage von Grundrechten im Zuge der Terrorismusbekämpfung? Um diese Frage beantworten zu können, erscheint es mir unumgänglich, einen Blick auf die Vorgeschichte des Jahres 68 zu werfen.
Meines Erachtens bestimmen zwei Traditionslinien die Ereignisse jener Zeit, die vom Juni 1967 bis zum Oktober 1969 reicht: Die Traditionslinie der gewaltfreien und die der gewaltsamen Emanzipationsbewegungen in den Ländern der Dritten Welt. Die erstere wird repräsentiert durch den Unabhängigkeitskampf Indiens unter Führung von M.K. Gandhi, die letztere durch den Unabhängigkeitskampf Chinas unter Führung Mao Zedongs.
Werfen wir zunächst einen Blick auf das von Gandhi in Südafrika im Kampf gegen die Entrechtung der indischen Minderheit entwickelte Konzept der gewaltfreien Aktion als einer Methode der Konfliktlösung. Gandhi bricht radikal mit der machiavellistischen bzw. jesuitischen Maxime: Der Zweck heiligt die Mittel, und wenn er sie schon nicht heiligt, so rechtfertigt oder entschuldigt er sie zumindest. Positiv formuliert: Zweck und Mittel, Weg und Ziel müssen übereinstimmen, soll der Zweck erfüllt, das Ziel erreicht werden. Daraus folgt: Die Demokratie kann letztlich nur durch demokratische, der Frieden nur durch friedliche und eine gewaltfreie Gesellschaft nur durch gewaltfreie Mittel erkämpft oder verteidigt werden. Sollte sich diese Prämisse als richtig erweisen – Gandhi war aufgrund seiner zahlreichen »Experimente mit der Wahrheit« von ihrer Richtigkeit überzeugt – so ergibt sich daraus eine radikale Absage an die revolutionäre Gewalt als Mittel zur Überwindung personaler und struktureller Gewaltverhältnisse. Desgleichen ist jeder Versuch, Gewalt durch die Androhung von Gegengewalt in Schranken zu halten oder sie durch den Einsatz von Gegengewalt zu überwinden, langfristig betrachtet, zum Scheitern verurteilt. Er führt nur zur Vermehrung und Verewigung der Gewalt.
Im Gegensatz dazu ist die gewaltfreie Aktion für Gandhi eine universale Methode der Konfliktlösung. Sie kann, vorausgesetzt es handelt sich wirklich um Gewaltfreiheit, bei Konflikten auf allen gesellschaftlichen Ebenen, angefangen bei persönlichen Konflikten, wie sie jeder von uns kennt, über Gruppenkonflikte bis zu regionalen, nationalen und internationalen Konflikten mit Aussicht auf Erfolg angewandt werden. Desgleichen kann sie bei Konflikten unterschiedlichster Art eingesetzt werden, wie Gandhi durch seine zahlreichen Kampagnen demonstrierte, so zum Beispiel im Kampf gegen Ausbeutung (Textilarbeiter in Ahmedabad, Indigobauern in Tschamparan), gegen Diskriminierung (rassistische Diskriminierung der Inder in Südafrika, religiöse und soziale Diskriminierung der Unberührbaren und der Frauen in Indien) und last not least gegen politische Unterjochung, wirtschaftliche Ausbeutung und kulturelle Entfremdung durch das britische Kolonialregime.
In all diesen Emanzipationskämpfen setzt Gandhi auf eine Strategie der Eskalation gewaltfreier, direkter Aktionen als Mittel zur Dramatisierung des Unrechtszustandes, den es zu beseitigen gilt. Er greift dabei auf das von den euro-amerikanischen Emanzipationsbewegungen entwickelte methodische Instrumentarium zurück: Organisation der Betroffenen, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Petitionen, Versammlungen, Protestmärsche, Mahnwachen, Streiks, Boykotte und andere Formen der Nichtzusammenarbeit, ziviler Ungehorsam und – als äußerstes aber auch wirksamstes Mittel – das Fasten bis zum Tode.
Gandhi lehnt Gewalt als Mittel der Konfliktaustragung aber nicht nur aufgrund religiöser und ethischer Motive, sondern ebensosehr aufgrund pragmatischer und taktischer Überlegungen ab. Wenn die Zweck-Mittel-Relation gilt, dann ist Gewalt als Mittel zur Überwindung von Gewalt schlicht untauglich. Weiterhin werden durch den bewussten Verzicht auf Gegengewalt zwei taktische Ziele erreicht: Die Eskalation von Gewalt und Gegengewalt wird effektiv verhindert und für die Öffentlichkeit wird sichtbar, von wem die Gewalt ausgeht. Auf diese Weise wird öffentliche Sympathie für die Sache der Gewaltfreien mobilisiert. Selbst in einem Staat mit Medienzensur wirkt der bewusste und überlegte Gewaltverzicht auf die unmittelbar Beteiligten, vielleicht sogar stärker als in der manipulierten, veröffentlichten Meinung einer mit Informationsmüll zugeschütteten Gesellschaft.
Was die religiösen und ethischen Motive für Gandhis Strategie der gewaltfreien Aktion anbelangt, so definiert er Gewaltfreiheit nicht nur negativ als Gewaltverzicht, sondern positiv als eine schöpferische, aufbauende und heilende Kraft, die die Gewalt überwindet. Diese Kraft nennt er Satjagraha, was so viel heißt wie Festhalten an der Wahrheit, Kraft der Wahrheit, Kraft der Liebe oder der Seele. Martin Arnold hat dafür im Anlehnung an Albert Schweitzer den Begriff »Gütekraft« vorgeschlagen.1 Gewaltfreiheit in diesem Sinn besteht in der Fähigkeit, Gewalt hinzunehmen ohne zurückzuschlagen, aber auch ohne zurückzuweichen, um sie auf diese Weise zu überwinden. Die Kette der Gewalttaten, die sich in Aktion und Reaktion, Angriff und Verteidigung durch die Geschichte hinzieht, gelangt auf diese Weise an ein Ende. Wie ich an anderer Stelle zu zeigen versuchte, verbindet Gandhis Strategie der gewaltfreien Aktion die positiven Aspekte des Bellizismus und des Pazifismus und vermeidet ihre negativen.2Ich muss es bei dieser stark vereinfachten und deshalb zu mancherlei Missverständnissen Anlass gebenden Darstellung von Gandhis Theorie und Praxis der gewaltfreien Aktion bewenden lassen und verweise auf die einschlägige Literatur.3Von Gandhi führt eine direkte Linie zu Martin Luther King und zur amerikanischen Bürgerrechtsbewegung.4 King übernahm nicht nur Gandhis Methoden und passte sie den amerikanischen Verhältnissen an, er machte sich auch die ihnen zugrundeliegende Haltung zu eigen und verband sie – er war ja Baptistenpfarrer – mit dem jesuanischen Gebot der Nächsten- und Feindesliebe. Die Kampagnen der Bürgerrechtsbewegung, z.B. die »sit ins« in rassengetrennten Bussen und Restaurants, die »go ins« in Parkanlagen, die Weißen vorbehalten waren, den Busboykott von Montgomery oder den Kaufhausboykott von Birmingham im Einzelnen darzustellen erübrigt sich, zumal es dazu eine umfangreiche Literatur gibt.Von King und der Bürgerrechtsbewegung führt die Traditionslinie weiter zur Revolte der amerikanischen Studenten, insbesondere an der kalifornischen Eliteuniversität Berkeley, in den Jahren 1965 und 66 sowie der Widerstandsbewegung gegen den Vietnamkrieg, der sich übrigens auch King vor seiner Ermordung 1968 anschloss. Die Studentenbewegung erweiterte das Repertoire der gewaltfreien Methoden um das »teach in«, das ist die Versammlung interessierter und engagierter Studenten auf dem Campus, um in einem »herrschaftsfreien Diskurs« (Habermas) den Konflikt zu erörtern und gegebenenfalls weitere Aktionen zu beschließen. Die Widerstandsbewegung gegen den Vietnamkrieg erweiterte das Aktionsinstrumentarium durch den Aufruf zur Fahnenflucht und durch symbolische Zerstörungsakte, wie das Verbrennen von Einberufungsbescheiden mit Napalm durch die Brüder Philip und Daniel Berrigan u.a.
Von den USA sprang der Funke der Rebellion schließlich auf den europäischen Kontinent über, namentlich auf Paris, Berlin und Frankfurt. Auf dem langen Weg von Indien über die USA nach Europa wurde das von Gandhi entwickelte gewaltfreie Aktionskonzept allerdings weitgehend entleert und verwässert. Die direkten Aktionsmethoden entarteten zu Ritualen der gezielten Provokation durch »begrenzte Regelverletzungen«. Selbst das »teach in« degenerierte zur reinen Agitationsveranstaltung, wie der Verfasser aus leidvoller Erfahrung weiß. Die Staatsgewalt, deren autoritäre Strukturen die Weimarer Republik und das »Dritte Reich« im Wesentlichen unbeschädigt überdauert hatten, ließ sich dann auch leicht provozieren. So kam es nach den Schüssen auf Rudi Dutschke am 11. April 1968 zu einer verhängnisvollen Gewalteskalation. Zwar wurde in der Szene noch subtil zwischen »Gewalt gegen Sachen«,5 die zu bejahen, und »Gewalt gegen Personen«, die abzulehnen sei, unterschieden, doch mit der »Schlacht am Tegeler Weg« im November 1968 in Berlin überflutete die Welle der Gegengewalt diesen niedrigen Damm der Selbstbeschränkung. Zum ersten Mal wurden bei dieser »Schlacht« Polizisten – im Szenejargon verächtlich »Bullen« genannt – durch Steinwürfe in die Flucht geschlagen, wobei 130 Beamte zum Teil erheblich verletzt wurden. Publikationen der Außerparlamentarischen Opposition (APO) feierten die Schlacht am Tegeler Weg als großen Sieg. Endlich hätten die Demonstranten einmal die Bullen gejagt, statt von ihnen gejagt zu werden. In Wahrheit leitete gerade dieser vermeintliche Triumph den Niedergang der 68er Revolte ein. Die Gemäßigten wandten sich ab, die Radikalen gerieten in die gesellschaftliche Isolation. Da die APO durch das Attentat auf Dutschke keine integrierende Führergestalt mehr besaß, zersplitterte sie in zahlreiche Fraktionen, die sich teilweise erbittert bekämpften. Da gab es – um nur die Hauptgruppen zu nennen – die Jungsozialisten (Jusos) und die Jungdemokraten (Judos), die die kapitalistische Gesellschaft der Bundesrepublik durch »systemüberwindende Reformen« in eine sozialistische überführen wollten, die dogmatische Linke der K-Gruppen sowie die undogmatische Linke der Spontis und Autonomen, die die Konfrontation mit der Polizei suchten und schließlich die Terroristen der Rote Armee Fraktion (RAF) und der Revolutionären Zellen (RZ), die sich als Vorhut der Weltrevolution in den kapitalistischen Metropolen verstanden. Die Methoden der direkten Aktion waren am Ende nicht mehr als leere Hülsen, die nun mit revolutionärem Inhalt gefüllt wurden.
Ich komme damit auf die zweite Traditionslinie der APO, die sich schon bald gegenüber der ersten durchsetzen sollte, zu sprechen. Es handelt sich, wie bereits angedeutet, um den revolutionären Befreiungskampf in den Ländern der Dritten Welt, insbesondere den der Kommunistischen Partei Chinas unter Führung Mao Zedongs.
Die Parallelität der beiden Traditionslinien in ihren Anfängen ist frappant, handelt es sich doch um die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Erde, um eine sich über Jahrzehnte hinziehende Auseinandersetzung unter der Leitung bedeutender Führerpersönlichkeiten, die schließlich nahezu zeitgleich den Sieg errang: In Indien und Pakistan 1947, in China 1949. Aber nicht Gandhis Konzept der gewaltfreien Aktion wurde zum Paradigma der revolutionären Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt, sondern das Konzept des revolutionären Befreiungskrieges. Es fiel, an die spezifischen Verhältnisse der jeweiligen Länder angepasst, in Asien (Nordkorea, Nordvietnam, Kambodscha), Lateinamerika (Kuba, Nicaragua) und Afrika (Algerien, Mosambik, Angola, Simbabwe) auf fruchtbaren Boden.
Es erübrigt sich, auf Maos Konzept des revolutionären Befreiungskrieges, das sich im Wesentlichen auf eine Guerillakriegsstrategie stützt, näher einzugehen, da es als bekannt vorausgesetzt werden kann. In den sechziger und siebziger Jahren übertrug Mao die Strategie der Eroberung der Städte vom Lande aus, mit der er die Macht in China errungen hatte, auf die Weltsituation. Die »Weltstädte« Nordamerika, Europa und Japan sollten von den »Weltdörfern« Asien, Lateinamerika und Afrika aus erobert werden.6Der Sowjetunion hatte Mao in diesem weltrevolutionären Drama ursprünglich die Rolle eines Bundesgenossen zugedacht. Sie verweigerte sich indes mit dem Hinweis auf die unabsehbaren Folgen eines atomaren Weltkriegs. Deshalb wurde sie von Mao zum Feind erklärt und als revisionistisch und sozialfaschistisch verunglimpft. Durch die Grenzkonflikte am Ussuri und Amur eskalierte der Konflikt bis an die Schwelle eines Bruderkrieges zwischen den sozialistischen Staaten.7Die 68er verstanden sich – zumindest was ihre radikalsten Protagonisten Dutschke, Rabehl, Cohn-Bendit und Krahl anbetraf – als Teil dieser weltrevolutionären Bewegung. Mit der Rechtfertigung revolutionärer Gewalt, die ja von der Prämisse ausgeht, es sei möglich, die strukturelle Gewalt der bestehenden Macht- und Besitzverhältnisse durch Gewalt zu überwinden, hatten sie, wie schon die Klassiker des Marxismus, keine Probleme. Gewalt galt ihnen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, als unvermeidlich, sei es im Angriff auf die Machtpositionen der Herrschenden oder, nach dem Sieg der Revolution, zu ihrer Verteidigung, d.h. zur Repression der als konterrevolutionär qualifizierten inneren und äußeren »Feinde«.
In den industriellen Metropolen – also auch in der Bundesrepublik – lehnten sie den Einsatz revolutionärer Gewalt jedoch aus taktischen Gründen ab, jedenfalls solange sich in ihnen keine revolutionäre Situation herausgebildet hatte. Dutschkes oft zitierte Parole vom »langen Marsch durch die Institutionen« steht dazu nicht im Widerspruch. Er meinte damit keineswegs den Marsch in die politischen und gesellschaftlichen Machtpositionen der Bundesrepublik, um sie aus den Zentren der Macht heraus zu revolutionieren. Vielmehr dachte er an eine Art Kulturrevolution durch die Verbreitung revolutionären Bewusstseins in den gesellschaftlichen Institutionen Familie, Schule, Hochschule und Betrieb, um eine revolutionäre Massenbewegung ins Leben zu rufen, die im Bündnis mit den Befreiungsbewegungen der Dritten Welt die Weltrevolution zum Siege führt. Der »lange Marsch« ist demzufolge Teil einer revolutionären Doppelstrategie, die sich jeder, und sei es auch nur taktischen, Integration in die bestehenden Machtstrukturen verweigert.8
Die Zeit nach 68 ist in der Bundesrepublik gekennzeichnet durch ein zähes Ringen der Anhänger der gewaltlosen und der gewaltsamen Traditionslinie. Nachdem der Aufschwung der weltrevolutionären Bewegung Ende der siebziger Jahren in die Krise geraten war und die linken Gewaltbefürworter durch den Terror der RAF und der RZ diskreditiert waren, schlug die Stunde der Befürworter der gewaltfreien Aktion. Sie setzten sich nach und nach in den neuen sozialen Bewegungen durch, namentlich in der Bürgerinitiativen-, der Ökologie- und der Friedensbewegung. Am heftigsten tobte und tobt der Kampf bis heute in der Anti-AKW-Bewegung.
Ich kehre damit zur eingangs formulierten Frage zurück: Haben die Gewaltdebatte der 68er zur Demokratisierung und Liberalisierung der Bundesrepublik beigetragen oder eher zu ihrer Entdemokratisierung und Entliberalisierung? Aufgrund der von mir geschilderten Janusköpfigkeit der Bewegung fällt mein Urteil zwiespältig aus. Soweit sie an die gewaltfreie Traditionslinie anknüpften, ist es positiv, soweit sie an die gewaltsame Traditionslinie anknüpften, ist es negativ. Der Kampf zwischen den beiden Linien bestimmt bis zum heutigen Tag das Bild der bundesdeutschen Protest- und Widerstandsszene und er wird es wohl auch in Zukunft tun.
Anmerkungen
1) Arnold, Martin und Knittel, Gudrun (Hg.): Gütekraft erforschen. Sonderheft der Zeitschrift »gewaltfreie aktion«, Vierteljahreshefte für Frieden und Gerechtigkeit, Heft 121.
2) W & F 4/99-1/00, S. 17-21.
3) Sternstein, Wolfgang: Satjagraha – den Feind in einen Freund verwandeln. Gandhis Theorie und Praxis der gewaltfreien Aktion. In: Der Mensch. Kindlers Enzyklopädie, Bd. 9, S. 658-675. Gandhi, M.K.: Die Lehre vom Schwert und andere Aufsätze aus den Jahren 1917-22. Oberwil bei Zug, o. J. Ebert, Theodor: Gewaltfreier Aufstand. Alternative zum Bürgerkrieg. Frankfurt am Main und Hamburg 1970. Jochheim, Gernot: Die gewaltfreie Aktion. Idee und Methoden, Vorbilder und Wirkungen. Hamburg und Zürich 1984.
4) King, Martin Luther: Freiheit! Der Aufbruch der Neger Nordamerikas. München 1968, S. 64 ff.
5) Ich halte diesen Begriff für höchst problematisch und würde ihn gerne durch den der Sachbeschädigung ersetzen, denn die demonstrative Zerstörung einer Sache, beispielsweise einer Waffe oder von Teilen eines Waffensystems, kann unter bestimmten Bedingungen eine gewaltfreie Aktion sein. Ich habe mich an derartigen Aktionen selbst beteiligt.
6) Gäng, Peter und Reiche, Reimut: Modelle der kolonialen Revolution. Beschreibung und Dokumente. Frankfurt am Main 1967. Bechtoldt, Heinrich: Chinas Revolutionsstrategie. Mit der Dritten Welt gegen Russland und Amerika. München 1969.
7) Salisbury, Harrison E.: Krieg zwischen Russland und China. Frankfurt am Main 1970.
8) Kraushaar, Wolfgang: 1968 als Mythos, Chiffre und Zäsur. Hamburg 2000, S. 81 ff.
Dr. Wolfgang Sternstein lebt als Friedens- und Konfliktforscher in Stuttgart. Er ist in der Ökologie-, Anti-AKW- und Friedensbewegung aktiv und saß wegen gewaltfreier Aktionen mehrfach im Gefängnis.