Die EU und Ostasien
Zum Stellenwert der Sicherheitspolitik
von Dirk Nabers und Günter Schucher
Die EU betreibt eine zunehmend aktivere Außenpolitik. Die Beziehungen zu Ostasien bleiben dabei allerdings weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Die Institutionalisierung der politischen Beziehungen zwischen Asien und Europa hat zwar eine lange Geschichte, ist aber bis heute nicht über das Stadium des regelmäßigen Dialogs hinaus gekommen.
Entsprechend gering ist bisher der Nutzen für die Beziehungen einzelner asiatischer und europäischer Staaten untereinander gewesen. Dies änderte sich auch nicht, als am 1. März 1996 25 Staats- und Regierungschefs aus der EU und Ostasien zum ersten Gipfel des seither »Asia-Europe Meeting« (ASEM) genannten Forums zusammenkamen. In der Folge wurden zwar mannigfaltige Themen diskutiert, doch das Treffen hat bisher die Konsultationsphase nicht hinter sich gelassen. Wo ASEM in der deutschen Prioritätenliste rangiert, zeigt sich auch daran, dass die Bundesregierung nicht bereit war, am 4. Treffen der Staats- und Regierungschefs in Kopenhagen teilzunehmen, weil das Treffen am Tag der Bundestagswahlen (22. September 2002) stattfand.
Ähnlich steht es mit der Rolle der EU in den sicherheitspolitischen Brennpunkten der Region: auf der koreanischen Halbinsel und in der Taiwan-Straße. Auch hier spielen die Europäer die Rolle eines externen Beobachters, der kaum in der Lage ist, die Agenda der Hauptbeteiligten – vor allem der USA und Chinas – zu beeinflussen. Allein bei der Befriedung der indonesischen Bürgerkriegsregion Aceh spielte die EU im Rahmen einer Beobachtermission eine aktive Rolle, die bereits als Leitbild für künftige friedenserhaltende Maßnahmen außerhalb Europas diskutiert wird.
Wie sich die sicherheitspolitische Rolle der EU in den genannten Problemfeldern im Einzelnen darstellt und sich in die Programmatik der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) einfügt, soll im Folgenden analysiert werden. Dazu wird der Blick zunächst auf die programmatischen Grundlagen der EU-Außenpolitik gegenüber Ostasien gerichtet. In einem zweiten Schritt wird nach den Gründen für die geringen Fortschritte von ASEM im sicherheitspolitischen Bereich gefragt, um schließlich die Rolle der EU in den Beziehungen der VR China mit Taiwan, auf der koreanischen Halbinsel und in Aceh zu beleuchten. Am Ende des Beitrags werden die Ergebnisse in den Gesamtzusammenhang der ESVP gestellt.
Programmatik: Kein Sicherheitskonzept für Ostasien
Die politischen Beziehungen der EU zu Asien haben sich erst nach dem Ende des Kalten Krieges in den 1990er Jahren entwickelt. Bis dahin war die EU vor allem mit ihrem eigenen Integrationsprozess befasst. Außenpolitische Beziehungen erfolgten auf der bilateralen Ebene von Land zu Land und blieben daher in hohem Maße inkongruent. Das galt auch für Ostasien, dessen strategische Bedeutung sich aufgrund der hohen Wirtschaftsdynamik seit Mitte der 1980er Jahre kontinuierlich vergrößerte. Erst mit dem Vertrag von Maastricht (Dezember 1991) wurde begonnen, die bisherige Besuchsdiplomatie zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik weiter zu entwickeln.
Der erste Dialog auf Gipfelebene begann 1991 mit Japan. Später wurden ähnliche Gipfelkontakte zu China, kürzlich auch zu Südkorea sowie im Rahmen des ASEM-Prozesses zu ganz Ostasien aufgenommen. 1994 verabschiedete die EU ihre erste offizielle Asien-Strategie, Konzeptpapiere zur Stärkung der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen mit einzelnen Ländern und Subregionen wurden seit 1993 präsentiert: Korea (1993), China (1995), Japan (1995) und Südostasien (1996). Seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre wird dieses Rahmenwerk durch die Einbeziehung weiterer Länder komplettiert und die bestehenden Konzepte werden regelmäßig den Veränderungen in Asien, Europa und zwischen beiden Regionen angepasst.1 Dabei nehmen die eher beschreibenden Teile an Umfang ab und die politisch-strategischen zu. Einen Überblick über die sicherheitsrelevanten Aspekte dieser Konzepte gibt Tabelle 1.
Tabelle 1: Sicherheitsrelevante Inhalte der EU-Konzepte zu Asien und der Europäischen Sicherheitsstrategie | ||
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Jahr | Policy Paper | Sicherheitsrelevante Inhalte |
1994 | „Towards a New Asia Strategy“ COM (94) 314 13. Juli 1994 |
Stärkung der wirtschaftlichen Präsenz in Asien, Beitrag zur Stabilität in Asien, Förderung der ökonomischen Entwicklung, Beitrag zur Entwicklung und Konsolidierung von Demokratie, Rechtstaatlichkeit sowie Menschen- und Freiheitsrechten. Prioritäten u.a.: Weitere Stärkung der bilateralen Beziehungen, Hebung des Profils von Europa in Asien Politischer Dialog als Charakteristikum des neuen »Politischen Ansatzes« |
2001 | „Europe and Asia: A Strategic Framework for Enhanced Partnerships“ COM (2001) 469 4. August 2001 |
Stärkung der politischen und wirtschaftlichen Präsenz der EU in Asien entsprechend dem wachsenden globalen Gewicht der EU, u.a.: Beitrag zu Frieden und Sicherheit in der Region und Global, Beitrag zum Schutz von Menschenrechten und zur Verbreitung von Demokratie, Good Governance und Rechtstaatlichkeit, Aufbau globaler Partnerschaften und Allianzen mit asiatischen Ländern und Stärkung der Wahrnehmung Europas in Asien Spannungsherde und Konfliktpunkte: Aceh, Mindanao, Taiwan-Straße, Südchinesisches Meer, Koreanische Halbinsel |
2003 | „A Secure Europe in a Better World“, European Security Strategy, 12. Dezember 2003 |
Übernahme von Verantwortung für die globale Sicherheit. Drei strategische Ziele: Bekämpfung der Bedrohungen (Terrorismus, Proliferation, Regionale Konflikte, u.a. Koreanische Halbinsel), Sicherheit in der Nachbarschaft, multilaterale internationale Ordnung Asien: Entwicklung strategischer Partnerschaften mit Japan, China, Indien |
Die erste Asienstrategie von 1994 nahm ausdrücklich Bezug auf das wachsende Gewicht Asiens in der Weltwirtschaft und legte entsprechend das Schwergewicht auf wirtschaftliche Aspekte. Die EU entwickelte zugleich einen »neuen politischen Ansatz« als Bestandteil einer künftigen gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Europa sollte in die Lage versetzt werden, seine Interessen und Werte zu schützen und eine konstruktive Rolle in der Weltpolitik zu spielen. Als angemessenes Mittel zur Umsetzung wurde der »politische Dialog« festgelegt.
Mit der neuen Strategie von 2001 nahm die EU unter Bezugnahme auf den Erweiterungsprozess für sich eine größere internationale Rolle in Anspruch und proklamierte entsprechend das Ziel, diese auch in Asien ausüben zu wollen. Wirtschaftliche Ziele wurden daher durch (sicherheits-)politische ergänzt. Europa soll in Asien nicht nur präsenter sein und eine aktivere Rolle spielen, es soll vor allem auch stärker als Akteur wahrgenommen werden. Verweisen konnte man nicht nur auf die Ausweitung der politischen Dialoge, sondern auch auf konkrete Beiträge zur Schaffung von Frieden und Sicherheit wie in Kambodscha, Osttimor und Afghanistan sowie zur Korean Energy Development Organization (KEDO).
Im Rahmen der Europäischen Sicherheitsstrategie (ESS), die 2003 im Anschluss an das europäische Debakel im Irakkrieg formuliert wurde, kommt Asien nur am Rande vor; konkret erwähnt wird einzig der Konflikt auf der Koreanischen Halbinsel. Um global eine größere Rolle zu spielen, will die EU u.a. auf die Partner setzen, die für sie wichtig sind, und in Asien mit Japan, China und Indien strategische Partnerschaften entwickeln. Dies ist ein deutlicher Verweis auf die wachsende Bedeutung Asiens, was die EU-Kommissarin für externe Beziehungen Ferrero-Waldner ausdrücklich bestätigte: „We want to have a more coherent, effective and visible impact on world affairs… That will also mean working more closely politically with our Asian dialogue partners“ (Ferrero-Waldner 2007).
Insgesamt bleibt die EU-Strategie gegenüber Asien weiterhin stark beeinflusst vom wirtschaftlichen Wert der Region. Insofern stehen auch die wirtschaftlich dynamischen Länder in Ostasien sowie die südostasiatische Staatengemeinschaft ASEAN im Fokus. Sicherheitsrelevante Fragen spielen nur eine marginale Rolle, kommerzielle und politische Überlegungen sind weit wichtiger. Ein umfassendes kohärentes Sicherheitskonzept für die gesamte Region, das der proklamierten globalen Rolle der EU gerecht wird, alle in den einzelnen Konzepten durchaus benannten Krisenpunkte wie z.B. die Taiwanstraße einschließt und die Beziehungen zu den Kooperationspartnern USA und Japan klar definiert, fehlt völlig (van der Putten 2007). Die EU setzt auch weiterhin auf die Stärkung der ökonomischen Präsenz, den Ausbau bilateraler Beziehungen und auf politischen Dialog. Das sicherheitspolitische Engagement beschränkt sich dabei auf Stellungnahmen. Es bleibt unklar, was die strategischen Partnerschaften letztlich charakterisiert, zumal die Dialoge selten als intensive Diskussionsforen von Sicherheitsfragen genutzt werden.
Institutionalisierung des multilateralen Dialogs: Das Asia-Europe Meeting (ASEM)
Ein Beispiel für den wenig institutionalisierten Dialogprozess zwischen Asien und Europa ist das am 1. und 2. März 1996 in Bangkok erstmals abgehaltene Asia-Europe Meeting (ASEM).2 Drei Themenbereiche wurden bei der Gründung des Forums für künftige Treffen als vordringlich eingestuft: a) politischer Dialog, b) wirtschaftliche Zusammenarbeit und c) Zusammenarbeit in anderen Bereichen, darunter Wissenschaft und Technologie, Umwelt, Entwicklungszusammenarbeit und Kultur. In den ersten Jahren waren die Diskussionen stark auf wirtschafts- und kulturpolitische Themen gerichtet. So stand die Finanz- und Wirtschaftskrise in Südostasien im Vordergrund der Gespräche von ASEM 2 in London 1998. Erstmals wurde im Rahmen von ASEM 3 im Jahr 2000 in Seoul eine sicherheitspolitisch relevante Deklaration verabschiedet, die »Seoul Declaration for Peace on the Korean Peninsula«, in der es jedoch an konkreten Vorschlägen zur Verbesserung des Klimas zwischen beiden koreanischen Staaten mangelt.
Erst seit den Anschlägen auf New York und Washington vom 11. September 2001 spielen innerhalb von ASEM auch politische und sicherheitspolitische Aspekte eine Rolle. So stand neben der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus abermals Nordkorea auf der Agenda des vierten Asia-Europe-Meetings in Kopenhagen 2002. Es wurde eine gemeinsame Erklärung verabschiedet, in der die Mitglieder des Forums ihre Unterstützung für den Friedensprozess auf der koreanischen Halbinsel festschrieben. Auch dem Normalisierungsprozess zwischen Nordkorea und Japan wurde volle Unterstützung zugesichert. Künftig müsse Nordkorea durch alle ASEM-Mitgliedsstaaten aktiv in wirtschaftliche und politische Initiativen eingebunden werden, so das Schlusskommuniqué der Konferenz (Japan aktuell 4/2002, Ü 47). In der Folge von ASEM 4 wurde in Berlin eine ASEM-Konferenz zum internationalen Terrorismus durchgeführt. Erklärtes Ziel war es, wissenschaftliche Erkenntnisse zum Terrorismus direkt für die Diskussionen innerhalb von ASEM nutzbar zu machen.
Auch auf den Folgetreffen 2004 in Vietnam und 2006 in Finnland standen sicherheitspolitische Themen auf der Tagesordnung. In keinem Falle wurden jedoch konkrete Handlungsleitlinien für die ASEM-Staaten festgelegt. Dem Forum fehlt es an Handlungsbefugnissen; es besitzt bisher kein ständiges Sekretariat, das die Treffen auf Arbeitsebene koordinierend vorbereiten könnte. Es ist nur schwer vorstellbar, dass informelle Zusammenarbeit auf Dauer ein funktionales Äquivalent zu formaler Kooperation sein kann, wenn es um Themen wie Marktzugang, Investitionsschutz oder Terrorismus geht (Loewen/Nabers 2005).
In der Rede des deutschen Staatssekretärs Silberberg im Rahmen der Veranstaltungsreihe »EU-Countdown: In 100 Tagen zur EU-Ratspräsidentschaft« am 4. Oktober 2006 kam Ostasien nicht vor, während den Beziehungen mit Russland, Zentralasien, dem Nahen Osten und Afrika erhöhte Bedeutung zugemessen wurden (Auswärtiges Amt 2006). Dies muss angesichts des wirtschaftlichen Potenzials der Region und seiner bestehenden sicherheitspolitischen Herausforderungen als verpasste Chance angesehen werden.
Beim europäisch-asiatischen Außenministertreffen 2007 in Hamburg wurde die EU durch den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier vertreten. Themen, die auf der Tagesordnung standen, bezogen sich auf den möglichst baldigen Abschluss eines europäisch-asiatischen Zollabkommens, die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Regulierung von Finanzdienstleistungen und des geistigen Eigentums, bei der Energie- und Ressourcensicherheit, der Forschung und Entwicklung im Hochtechnologiebereich, des Umweltschutzes, der Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen und der Terrorbekämpfung. Von politischer Seite wurde dabei darauf hingewiesen, dass es zuvorderst darauf ankomme, sich überhaupt zu treffen und über politische Ansichten zu diskutieren3, weniger auf die am Ende veröffentlichten gemeinsamen Deklarationen. Während es weltweit eine Reihe internationaler Institutionen gibt, die verbindliche Handlungsleitlinien erlassen, ist dies somit innerhalb von ASEM auf absehbare Zeit nicht der Fall.
VR China: Wirtschaftsbeziehungen dominant
Die Beziehungen zur Volksrepublik China machen die Dominanz wirtschaftlicher Beziehungen und die nahezu vollständige Abwesenheit von Sicherheitsüberlegungen besonders deutlich. Die EU hat zwar die Situation in der Taiwanstraße als einen der Hauptkonfliktpunkte in Ostasien benannt und mit dem Waffenembargo gegen China ein diplomatisches Instrument in der Hand, verfügt aber dennoch über kein kohärentes Sicherheitskonzept im Umgang mit der Volksrepublik.
Das Embargo über Waffenexporte wurde im Juni 1989 gegen China verhängt, verbunden mit der Aufforderung an die chinesische Regierung, die Repressionen gegen alle Chinesen zu stoppen, die ihre demokratischen Rechte in legitimer Weise einforderten (European Council 1989). Der konkrete Umfang des Embargos ist dabei nicht klar definiert und offen für unterschiedliche Interpretationen, aufgehoben werden kann es aber nur durch einstimmige Entscheidung, die durch die EU-Erweiterung noch schwieriger wurde. Vor allem Bundeskanzler Schröder und Frankreichs Staatspräsident Chirac versuchten diese seit Herbst 2003 herbeizuführen, scheiterten aber schließlich an einer Kombination verschiedener Faktoren, darunter dem Widerspruch der USA und der Nichtberücksichtigung der Taiwanfrage. Vornehmlich hatten sie bilaterale Wirtschaftsinteressen im Blick und vernachlässigten darüber ebenso die transatlantischen Beziehungen wie die globalen und regionalen Sicherheitsaspekte. Als der chinesische Volkskongress dann im März 2005 das Anti-Sezessions-Gesetz gegen Taiwan verabschiedete, war die Aufhebung des Embargos in der EU nicht mehr durchsetzbar.
Ist das Embargo im Prinzip ein Instrument, Chinas Menschenrechts- und Taiwan-Politik zu kritisieren, so hat sich die EU hier selbst geschwächt, als sie sowohl im Europarat in Rom 2003 als auch auf dem EU-China-Gipfel im Dezember 2004 ankündigte, sie werde es in der ersten Hälfte 2005 aufheben. Seitdem drängt China auf die Einhaltung dieser Zusage. Auf der anderen Seite wurde seitens der EU im letzten »policy paper« zu China vom Oktober 2006 die Verbesserung der Beziehungen zwischen China und Taiwan zur Voraussetzung für eine mögliche Aufhebung des Embargos gemacht und damit beide Fragen miteinander verknüpft (Commission 2006). Dennoch fehlt auch weiterhin die klare Einbeziehung der Taiwanfrage in die sicherheitspolitische Agenda der EU. Wie sich die EU im Falle einer Krise in der Taiwanstraße verhalten wird, bleibt demnach offen.
Nordkorea: Unterstützende Rolle der EU
Auch im Hinblick auf eine aktivere Rolle der EU auf der koreanischen Halbinsel bleibt eine Reihe von Fragen unbeantwortet. Nordkorea ist ein gutes Beispiel für die Schwierigkeiten der internationalen Staatengemeinschaft, mit legalen, politischen und militärischen Maßnahmen das Aufkommen einer neuen Nuklearmacht zu unterbinden. Gleichwohl konnte mit der Unterzeichnung eines »Agreed Framework« zwischen den USA und Nordkorea am 21. Oktober 1994 sowie der Schaffung der Organisation für die Energieentwicklung auf der Koreanischen Halbinsel (KEDO) am 9. März 1995 eine viel versprechende Grundstruktur für eine Regimebildung im Bereich nuklearer Nonproliferation geschaffen werden. In einem quid pro quo einigten sich die USA und Nordkorea, dass Pyongyang die aus Russland stammenden Graphit-Atommeiler in Yongbyon stilllege, den Bau von zwei weiteren Reaktoren stoppe und IAEO-Inspektionen zuzulassen habe. Im Gegenzug sicherten die USA die Lieferung von zwei modernen 1.000 MW-Leichtwasserreaktoren aus Südkorea und von bis zu 500.000 Tonnen Rohöl jährlich bis zur Fertigstellung der Reaktoren zu (Nabers 2006). 1997 trat die EU dem Konsortium bei und förderte die Arbeiten in Nordkorea in der Folge mit 118 Mio. Euro. Seit 1995 hat die EU Nordkorea zusätzlich mit humanitären Hilfen in Höhe von 450 Mio. Euro unterstützt.
Inzwischen ist die Übereinkunft gescheitert, nachdem Nordkorea im Oktober 2002 überraschend zugegeben hatte, heimlich an der Entwicklung von Atomwaffen gearbeitet zu haben. Mit seinem Eingeständnis löste das Regime eine neue Krise insbesondere in den Beziehungen zu den USA aus (Japan aktuell 2/2003, Ü 43). Das internationale Konsortium zur Konstruktion der Leichtwasserreaktoren in Nordkorea beschloss, kein Rohöl mehr an Nordkorea zu liefern. Ein Jahr später wurde dann der Bau der Reaktoren eingestellt (KEDO 2005).
Um dem nordkoreanischen Atomwaffenprogramm Einhalt zu gebieten, fand seit 2003 eine Reihe so genannter »Sechs-Parteien-Gespräche« statt. An dieser Runde nehmen Vertreter der Volksrepublik China, Nordkoreas, der USA, Russlands, Japans und Südkoreas teil. Die EU ist nicht beteiligt. Daher blieb das Verhältnis der EU zu Nordkorea auf intensive humanitäre Hilfe und die politische Unterstützung bei den Sechser-Gesprächen beschränkt. Als Nordkorea am 9. Oktober 2006 einen Atombombentest durchführte, leitete dies die schwerste Krise zwischen der EU und Nordkorea seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Jahr 2001 ein (Schwinger 2006). Aktiv ist die EU seither nicht an der Beilegung des Nuklearprogramms beteiligt. Man beschränkt sich hier stattdessen auf enge Konsultationen mit den USA.
Aceh: Die erste europäische Friedensmission
Im Gegensatz zur weit gehenden Passivität der EU in den brennenden Konflikten der Region ist die erste Friedensmission der Europäer in Asien eine Erfolgsgeschichte. Nach 30 Jahren des Bürgerkriegs wurde in der indonesischen Provinz Aceh von September 2005 bis Dezember 2006 eine 227 Kopf starke Beobachtermission unter der Führung der Europäer durchgeführt (Aceh Monitoring Mission, AMM), die mit freien Wahlen am 11. Dezember 2006 endete. Seit 1976 hatte die »Bewegung Freies Aceh« (GAM) für die Unabhängigkeit gekämpft. Die Führer der Rebellenbewegung hatten eine Regierung im Exil gegründet und ihre Kämpfer in einen Guerillakrieg geschickt, der mindestens 15.000 Menschen das Leben gekostet hat. Im Jahr 2001 war ein Waffenstillstand gescheitert, und die Zentralregierung hatte eine massive Militäroperation mit 40.000 Soldaten gestartet. Erst der verheerende Tsunami vom 26. Dezember 2004 hatte ein Ende der Feindseligkeiten bewirkt (Ufen 2007).
Die historische Wahl war nun der Höhepunkt eines zweijährigen Friedensprozesses, der nach dem Tsunami eingeleitet worden war. In der Zeit der finnischen Ratspräsidentschaft war am 15. August 2005 in Helsinki ein Memorandum of Understanding (MoU) zwischen der GAM und der indonesischen Zentralregierung unterzeichnet worden, das als Grundlage für die folgende Friedensmission diente (EU 2006a). 131 der Beobachter kamen aus der EU, der Schweiz und Norwegen, 96 aus Mitgliedstaaten der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN. Hauptziel der Mission war die Entwaffnung und Wiedereingliederung der Rebellen sowie die Überwachung indonesischer Truppenverbände aus der Region. Die EU unterstützte die Mission mit insgesamt 260 Mio. Euro (EU 2006b).
Zur Wahl im Dezember entsandte die EU zusätzlich eine Wahlbeobachtungsmission. Das Team bestand aus 33 Langzeit- und 44 Kurzzeitbeobachtern. Dazu stellte die Kommission 2,4 Mio. Euro im Rahmen der europäischen Initiative für Demokratie und Menschenrechte bereit. Die Wähler waren aufgerufen, am 11. Dezember den Gouverneur, vier Bürgermeister, 15 Distriktleiter und ihre jeweiligen Stellvertreter zu wählen. Mehr als 10.000 Polizisten und mehrere Tausend Wahlbeobachter aus der Region waren im Einsatz.
Der größte Erfolg der Europäer liegt wohl darin, überhaupt von dem stark auf seine nationale Souveränität bedachten Indonesien ins Land gelassen worden zu sein. Nach dem »Verlust« Ost-Timors, bei dem Australien als externe Macht eine große Rolle gespielt hatte, stand die Masse von Bevölkerung und Politik der Rolle ausländischer Mächte bei der Regelung innerer Angelegenheiten skeptisch gegenüber. Auch die Vereinten Nationen schieden als Beobachter aus, da sie bereits die Friedenserhaltenden Maßnahmen in Ost-Timor durchgeführt hatten. Als sich die EU mit der ASEAN auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt hatte, wurde ihre Friedensmission schließlich auch von der indonesischen Regierung akzeptiert.
Rückblickend wurde die Mission daher von der EU gerühmt. Sie habe erstens zu einer Annäherung mit Indonesien geführt. Das entstandene Vertrauen könne als Grundlage für ein langfristiges Engagement der EU in Südostasien dienen. Zweitens habe die ESVP durch die Mission Auftrieb erhalten. Künftig werde die Aceh-Mission als Beispiel für eine erfolgreiche Friedensmission der EU im Ausland herangezogen werden können (EU 2006c).
Schluss
Es ist erklärtes Interesse der EU, als globaler Sicherheitsakteur in Ostasien Stabilität und Wirtschaftswachstum zu fördern. Seit Beginn des 21. Jahrtausends gibt es auch Ansätze zur Formulierung einer umfassenden Sicherheitsstrategie; Ostasien bleibt davon allerdings weit gehend ausgeklammert. Hier sind die intensiven Wirtschaftsbeziehungen dominant. Sicherheitsfragen spielen nur eine marginale Rolle und die sicherheitspolitische Präsenz der EU ist weiterhin gering. Bisher scheint sie eher versucht zu haben, ihre politische Rolle im Gepäck der Wirtschaftskooperation zu vergrößern. Auch von Seiten der asiatischen Länder wird die EU daher zwar als ökonomischer Partner, aber weniger als sicherheitspolitischer Akteur wahrgenommen.
Erst seit dem gescheiterten Versuch, das Waffenembargo gegen China aufzuheben, sind seitens der EU Ansätze erkennbar, die Beziehungen zu den USA und anderen Kooperationspartnern, d.h. vor allem Japan, in die sicherheitspolitische Strategie einzubeziehen. Dabei ist es durchaus nicht leicht für die EU, sich neben den USA als globaler Sicherheitsakteur zu beweisen.
Entsprechend nachrangig ist die Rolle der EU als Akteur in den wichtigsten Krisenherden der Region, der Taiwan-Straße und der koreanischen Halbinsel. Allein im Rahmen der Beobachtermission in der indonesischen Provinz Aceh konnte ein Erfolg auf der Weltbühne verzeichnet werden. Alles in allem ist das für die EU, die sich selbst gerne als »Zivilmacht EU« gegenüber der Militärmacht USA versteht, viel zu wenig. Als Zivilmacht hat man sich die Zähmung und Einhegung von Gewalt in allen Teilen der Welt, die Verregelung und Verrechtlichung internationaler Beziehungen, die Intensivierung multilateraler Kooperation und die Förderung sozialer Ausgewogenheit und Gerechtigkeit auf globaler Ebene auf die Fahne geschrieben. In all diesen Bereichen ist die europäische Asienpolitik indes bis heute unterentwickelt.
Literatur
Auswärtiges Amt (2006): „Ausblick auf die deutsche EU-Präsidentschaft: Stand der Vorbereitung in der Bundesregierung“ (Rede von Staatssekretär Silberberg, 04.10.2006), http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Infoservice/Presse/Reden/2006/061004-SilberbergEuropa.html [10. Juli 2007].
Commission (2006): „Communication from the Commission to the Council and the European Parliament. EU-China: Closer Partners, Growing Responsibilities“, Brussels, COM (2006) 631, Commission of the European Communities, S.1.
Dent, Christopher (2004): „The Asia-Europe Meeting and Inter-Regionalism“, in: Asian Survey 44:2, S.213-236.
The European Council (1989): „Declaration on China“ (Madrid 27 June 1989), Annex I of European Union Factsheet, http://ue.eu.int/uedocs/cmsUpload/FACTSHEET_ON_THE_EU_AND_CHINA.pdf [4.7.07].
Europäische Union (2006a): „EU monitoring mission in Aceh“, 7 September 2006, http://www.consilium.europa.eu/aceh [27. Juni 2007].
Europäische Union (2006b): „EU entsendet Wahlbeobachtungsmission in die indonesische Provinz Aceh“, IP/06/1570.
Europäische Union (2006c): „Council Conclusions on Indonesia/Aceh“, 11 December 2006, http://www.consilium.europa.eu/Newsroom [27. Juni 2007].
Ferrero-Waldner, Benita (2007): „Common Experiences, Common Hopes and Engagement in our Common Interest“, in: Asia Europe Journal 5:1, S.9-11.
KEDO (2005): „A Message from the Executive Director, Ambassador Charles Kartman“ (April 2005), http://www.kedo.org/ [16. September 2005].
Loewen, Howard/Nabers, Dirk (2005): „Transregional Security Cooperation after 9/11 – Asia, Europe and the United States“, in: Asia-Europe Journal 3:3, S.333-346.
Nabers, Dirk (2006): „Krise und Identitätswandel in Japan“, in: Die Friedens-Warte. Journal of International Peace and Organization 81:3-4, S.43-60.
Schwinger, Philipe (2006): „Europas Reaktion auf ein nukleares Nordkorea“, in: europa-digital, http://www.europa-digital.de/aktuell/dossier/aussenbez/nord_korea.shtml [27. Juni 2007].
Ufen, Andreas (2007): „Wahlen in Aceh – Neue Hoffnung auf Frieden?“, GIGA Focus Asien Nr. 1/2007.
van der Putten, Frans Paul (2007): „The EU Arms Embargo, Taiwan, and Security Interdependence between China, Europe and the United States“, in: The Indian Journal of Asian, Spring, http://www.clingendael.nl/publications/2007/20070400_cscp_art_putten.pdf [retrieved 8. Mai 2007].
Anmerkungen
1) Strategiepapiere der EU-Kommission: „Relations between the European Community and the Republic of Korea“, COM, 1993, unpubl.; „European Union Policy towards the Republic of Korea“, COM (1998) 714; „Europe and Japan: The Next Steps“, COM (95) 73; „A Long-term Policy for China-Europe Relations“, COM (95) 279, „The EU‘s Relations with China: Building a Comprehensive Partnership with China“ COM (1998) 181, „EU Strategy towards China: Implementation of the 1998 Communication and Future Steps for a more Effective EU Policy“ COM (2001) 265; „A new partnership with South East Asia“, COM (2003) 399/4.
2) Neben den Mitgliedstaaten der EU nahmen auf asiatischer Seite die ASEAN-Mitglieder Brunei, Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam sowie die VR China, Japan und Südkorea teil.
3) Siehe dazu das Interview mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Hamburger Abendblatt vom 26. Mai 2007.
PD Dr. Dirk Nabers nimmt derzeit eine Lehrstuhlvertretung für Internationale Beziehungen und Europäische Integration an der Universität Stuttgart wahr. Dr. Günter Schucher ist Kommissarischer Direktor des German Institute of Global and Area Studies (GIGA)