Die teure Truppe
von Jürgen Nieth
„Getrennt marschieren, gemeinsam schlagen – so lautete der strategische Grundsatz des preußischen Generalstabschefs Helmuth von Moltke […] Nun haben ihn aktuell die Aufsichtsinstanzen über die Bundeswehr nachgeahmt: Fast zur gleichen Zeit präsentieren […] der Wehrbeauftragte Hans Peter Bartels und […] die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen verschiedene Zahlen und Grafiken, die auf dieselbe Forderung hinauslaufen: Der personelle und finanzielle Schrumpfungsprozess der Bundeswehr muss ein Ende nehmen.“ (FAZ, 28.1.16, S.1)
Von allem zu wenig …
… hat die Bundeswehr nach den Ausführungen Bartels (SPD). „Der Fehlbestand beginne beim Großgerät, wie Panzerhaubitzen, Transportflugzeugen, Hubschraubern oder Fregatten, und er reiche bis zu Schutzwesten, Nachtsichtbrillen, Munition oder tauglichen Kampfstiefeln.“ Bartels legt nach: „Nie zuvor in den 60 Jahren ihres Bestehens […] habe die Bundeswehr »eine derartige Fülle unterschiedlicher Aufgaben und Einsätze« bewältigen müssen: der verlängerte und ausgeweitete Einsatz in Afghanistan mitsamt dem Erstarken der Taliban, die Russland-Ukraine-Krise mit der Wiederentdeckung der NATO-Aufgaben zur Bündnisverteidigung, die Konflikte in Syrien, im Irak und in Mali, ein Dutzend weiterer Auslandseinsätze mit kleineren Kontingenten – und dazu der Amtshilfeeinsatz der Streitkräfte in der Flüchtlingskrise.“ (Welt, 27.1.16, S.5)
Deshalb bezeichnet Bartels „die Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 ohne entsprechendes Personalkonzept als falsch“ (ND 27.1.16, S.5). Er möchte nicht nur bei der Ausrüstung, sondern auch beim Personal der Bundeswehr nachlegen und spricht davon, dass die Zahl der Soldaten „von 600.000 im Jahr 1990 in West- und Ostdeutschland auf heute 177.000 aktive Soldatinnen und Soldaten reduziert“ worden sei (Welt 27.1.16, S.1). Zumindest sollten „die 185.000 Stellen, die bisher nur auf dem Papier stehen, auch tatsächlich besetzt werden“ (SZ 27.1.16, S.5). Unter geht bei Bartels, dass es sich bei den 600.000 noch um die SoldatInnen zweier Armeen handelte, die sich vorher im Kalten Krieg an der wohl gefährlichsten Front gegenüberstanden und deren Größe eben auch mit dieser Konfrontation zwischen NATO und Warschauer Pakt begründet wurde. Ebenfalls nicht erwähnt wird, dass die Zahl 185.000 nicht als Soll-, sondern als Obergrenze festgelegt wurde.
Geldsegen für die Truppe
Dahingestellt sei, ob es sich bei von der Leyens Antwort auf Bartels um eine schnelle Reaktion handelte oder um ein abgekartetes Spiel: der eine morgens, die andere am Nachmittag. Für Ottfried Nassauer (taz 28.1.16, S.1) treibt es „Ursula von der Leyen […] auf die Spitze [….] Die zusätzlichen 8 Milliarden binnen vier Jahren, die ihr bisher zugestanden wurden, reichen nicht. 130 Milliarden Euro verteilt auf 15 Jahre fordert die Verteidigungsministerin nun alleine in Bewaffnung und Ausstattung der Bundeswehr zu investieren. Pro Jahr wären das etwa 3 bis 4 Milliarden mehr als bisher.“ Auch die FAZ (27.1.16, S.4) stellt fest: „Gemessen an dem aktuellen Budgetposten für Beschaffung und Rüstung, der 2016 bei weniger als fünf Milliarden Euro liegt, müssten sich die Jahresetats in den Jahren bis 2030 jährlich auf 8,7 Milliarden Euro nahezu verdoppeln.“ An anderer Stelle weist die FAZ (28.1.16., S.4) darauf hin, dass die Opposition der Ministerin vorrechne, „zu den verlangten höheren Rüstungskosten […] kämen [jährlich] weitere Milliarden hinzu, da sich in der Folge auch die Kosten für Materialerhalt und für Personal erhöhten“.
Von der Leyens Wunschliste
René Heilig zitiert im ND (28.1.16., S.5) aus der Wunschliste der Verteidigungsministerin. „Statt 225 »Leopard«-Panzern soll es 320 geben, der Bestand an Fennek-Spähpanzern soll um 30 auf 248 steigen. Statt 89 will man 101 Panzerhaubitzen. Außerdem sollen sechs Marine-Helikopter zusätzlich angeschafft werden und 40 schwere Transporthubschrauber als Ersatz für die alten CH53-Maschinen. Für einen internationalen Hubschrauberverbund kommen 22 NH90-Helikopter dazu. Man will 80 »Tornados«, 138 »Eurofighter«, verschiedene Aufklärungs- sowie 16 kampffähige Drohnen fliegen lassen. Statt der bislang geplanten vier Mehrzweckkampfschiffe schickt man sechs über die Weltmeere. Noch gibt es keine großen Veränderungen gegenüber den von de Maizière 2011 bestimmten Obergrenzen. Doch wohlgemerkt – das ist der aktuelle Bedarf. Was man demnächst alles in IT-Systeme und die Cyberkriegsführung investieren will, ist gewiss weniger sichtbar als Panzer oder Raketen, wohl aber kampfstärker. Zudem geht von der Leyen davon aus, den Prozess der erhöhten Rüstungsausgaben »zu verstetigen«.“
NATO will mehr Geld
Für Johannes Leithäuser (FAZ 28.1.16., S.1) hat die Verteidigungsministerin mit ihrem Vorstoß „doppelte Erwartungen geweckt: Bei den Soldaten, die schon lange auf eine vollständige Ausrüstung warten, aber auch bei den Partnern Deutschlands, vor allem bei jenen der NATO, die schon lange die deutsche Beteuerung hören, die Verteidigungsausgaben wieder in Richtung des NATO-Ziels von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu bringen“. Otfried Nassauer sieht als ersten Adressaten der Ansage von der Leyens die amerikanischen Teilnehmer der Münchner Sicherheitskonferenz: „Hört, hört! Wir Deutschen tun etwas und stocken unsere Militärausgaben auf.“ (taz 28.1.16., S.1) Und Olaf Standke (ND 29.1.16., S.4) kommentiert den Jahresbericht des NATO-Generalsekretärs mit den Worten, dass dieser „sichtlich erfreut verkünden [konnte], dass die Militärausgaben diverser Mitgliedsländer wieder gewachsen seien; das bewege sich in die »richtige Richtung« […] [D]ie zwei Prozent des Bruttosozialprodukts, auf die man sich 2014 geeinigt hat, bringen zum Ärger des Hauptquartiers nur fünf Staaten auf, darunter zynischerweise das im besonderen Maße schuldengeplagte Griechenland.“
Übrigens: In diesem Jahr steigt der Anteil des Verteidigungsetats der BRD am Bruttosozialprodukt von 1,16% im Vorjahr auf 1,18% (Welt 27.1.16., S.5). Eine Erhöhung auf zwei Prozent, das wären jährlich nicht nur vier, sondern über 20 Milliarden Euro mehr.
Zitierte Presseorgane: DIE WELT (Welt), Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), neues deutschland (ND), Süddeutsche Zeitung (SZ), tageszeitung (taz).
Jürgen Nieth