W&F 2013/1

Digitalisierte Gesellschaft – Wege und Irrwege

Jahrestagung des FIfF, 9.-11. November 2012, Fulda

von Werner Winzerling und Stefan Hügel

Unter dem Motto »Digitalisierte Gesellschaft – Wege und Irrwege« trafen sich ca. 100 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Technik mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern zu der gemeinsam mit dem Fuldaer Informatik Kolloquium und der Hochschule Fulda veranstalteten Tagung des Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FifF), um sich kritisch mit aktuellen Entwicklungen der Informatik auseinanderzusetzen.

In allen Bereichen der Gesellschaft nimmt der Rechnereinsatz laufend zu; das Internet ist nicht nur für Industrie, Handel und Behörden, sondern auch für den Privatbereich zu einem zentralen Teil der Infrastruktur geworden. Der Einfluss der Digitalisierung auf unser tägliches Leben wächst überall – von der Kindheit über Ausbildung und Berufsleben bis hin zur Freizeit.

Den Auftakt bildete am Freitagabend eine öffentliche Veranstaltung im Stadtzentrum von Fulda unter dem Motto »KinderMedienBildung«. Nach der Begrüßung durch Prof. Dr. Werner Winzerling, Dekan des Fachbereichs Angewandte Informatik an der Hochschule Fulda und Organisator der Tagung, und Stefan Hügel, Vorsitzender des FIfF, stellte Prof. Dr. Manfred Nagl von der Hochschule der Medien Stuttgart in seinem Vortrag sehr anschaulich die historische Entwicklung der Sichtweise von Medien und ihrer Nutzung durch Kinder dar. Er erläuterte, was Kindern im Mittelalter an heute unvorstellbarer Gewalt zugemutet wurde. Außerdem ging er auf die sich im Lauf der Zeit wandelnde Sichtweise der Wirkung von Medien auf Kinder ein. Früher war noch von den großen Gefahren der Lesesucht die Rede, in den 1950er Jahren wurde die Wirkung von Comic-Heften auf die Jugend in ihrer Wirkung mit der Atombombe verglichen. Heute redet man von »Internet-Sucht« und »Digitaler Demenz«. Prof. Nagl bezweifelte auch den gerne kolportierten Zusammenhang von Amokläufen mit Computerspielen – es sei etwas völlig anderes, ob man »Ego-Shooter« spiele oder eine reale Waffe abdrücke.

Danach stellte Prof. Dr. Heidi Schelhowe von der Universität Bremen dar, wie an ihrem Institut Kinder mit der Technik vertraut gemacht werden und ihnen beigebracht wird, die Zusammenhänge hinter der Oberfläche zu verstehen und einschätzen zu können – eine wichtige Voraussetzung für kompetente Techniknutzung.

Den zweiten Tag leitete Anja Lorenz von der TU Chemnitz ein. »Neue LebensWeltKrisen« war ihr Vortrag überschrieben, der zunächst anhand einer Fülle aktueller Beispiele die Pathologien der Web-Nutzung darstellte und anschließend diese Pathologien kategorisierte. Sie schloss mit der Feststellung, dass neben vielen positiven Entwicklungen auch eine Reihe von Gefahren mit der Nutzung der veränderten Medienwelt des Internet verbunden sind, die neue Forschungsfragen aufwerfen. Diese Fragen wurden dann am Nachmittag in einem Workshop vertieft.

Der folgende Vortrag von Prof. Dr. Jutta Weber von der Universität Paderborn behandelte die neue »Techno-Security – Alltägliche Überwachung, präventive Sicherheit und moderne Kriegsführung« mit ihrer Verschränkung von digitalen Infrastrukturen, gouvernementalen Sicherheitskonzepten und militärischem Kontext.

Prof. Dr. Rainer Kuhlen von der Universität Konstanz fragte in seinem Vortrag, was »Eigentum im Urheberrecht« zu suchen habe. „Mit Reförmchen ist es nicht länger getan“, stellt er dabei fest und fordert auf der politischen Ebene einen Neuansatz, der dem Umgang mit Wissen und Informationen in elektronischen Umgebungen angemessen ist.

In der sich an die Mittagspause anschließenden Workshop-Phase wurden folgende Themen behandelt:

  • Weltbilder in der Informatik,
  • Ethik und Verantwortung in der Informatik anhand von Fallbeispielen,
  • Faire Computer – sind sie möglich?,
  • Vom Cyberwar zum Cyberpeace,
  • Anstiftung zur praktischen Filmbildung,
  • Neue LebensWeltKrisen,
  • EU-Datenschutzgrundverordnung,
  • FIfF-Kommunikation.

Herausragende Qualifikationsarbeiten wurden anschließend im Rahmen einer Feierstunde mit dem FIfF-Studienpreis prämiert. Stefan Hügel leitete die Preisverleihung ein, in der die Arbeiten von Rainer Rehak von der Humboldt-Universität Berlin mit dem ersten Preis, Göde Both, ebenfalls von der Humboldt-Universität Berlin mit dem zweiten Preis, Stefanie Müller von der Universität Jena und Angel Tchorbadjiiski von der RWTH Aachen mit dritten Preisen ausgezeichnet wurden. Herzlichen Glückwunsch!

Peter Bittner stellte in seinem Vortrag »Wider das unauslöschliche Siegel« zu Beginn des dritten Tages Strategien zur Überwindung biometrischer Verifikationen und Identifikationen dar. Er stellte dabei fest, dass das Unterwandern, Hintergehen und Austricksen biometrischer Systeme überhaupt kein neues Phänomen ist und legte eine Systematik dieser Überwindung vor.

Den Ausklang bildete wie gewohnt die Mitgliederversammlung des FIfF. Neben dem alljährlichen Bericht des Vorstands wurde dort eine Stellungnahme des FIfF zur aktuell debattierten EU-Datenschutzgrundverordnung verabschiedet.

In vielen Gesprächen am Rande der Tagung hatten die Teilnehmer Gelegenheit, die Themen in Diskussionen weiter zu vertiefen, alte Kontakte aufzufrischen und neue zu knüpfen. Ein viel diskutiertes Thema war dabei der erschreckende Abbau von Lehrstühlen für Informatik und Gesellschaft an deutschen Hochschulen.

Das Fuldaer Organisationsteam hat erneut eine gelungene Tagung organisiert. Wo die Jahrestagung 2013 stattfinden wird, ist noch offen. Ganz bestimmt wird auch das wieder eine Veranstaltung sein, auf die wir uns freuen können. Stay tuned!

Werner Winzerling und Stefan Hügel

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2013/1 Geopolitik, Seite 56–57