Drastische Einsparungen bei ziviler Konfliktbearbeitung
von Ute Finckh-Krämer
Leise, still und heimlich will die Bundesregierung die Mittel für zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung um teilweise bis zu 30% kürzen. Dabei beklagt selbst die Bundeswehr das Fehlen ziviler Friedenskräfte. Doch das hindert die Bundesregierung nicht daran, ausgerechnet in diesem Bereich zu sparen.
Im dritten Umsetzungsbericht zum Aktionsplan »Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung« bekräftigte die Bundesregierung noch im Juni diesen Jahres ihre Entschlossenheit, „ihre Beiträge zu Frieden, Sicherheit und Entwicklung weltweit insbesondere präventiv auszurichten und dabei vorrangig zivile Mittel zum Einsatz zu bringen“. Dementsprechend wird in den Bericht auf die in den letzten Jahren deutlich angewachsenen Haushaltsmittel für Krisenprävention, Friedenserhaltung und Konfliktbewältigung oder den Zivilen Friedensdienst verwiesen. Später wird jedoch angemerkt: „Haushaltszwänge werden sich in den kommenden Jahren auch auf die im Bereich der Krisenprävention zur Verfügung stehenden Mittel auswirken: Weitere Mittelerhöhungen sind vor diesem Hintergrund nicht zu erwarten; erneute Absenkungen mit der Folge einer notwendigen noch stärkeren Priorisierung von Maßnahmen sind nicht auszuschließen.“ Zu dem Zeitpunkt, als diese Ankündigung formuliert wurde, war die erste „Absenkung“ (zu deutsch: Mittelkürzung) bereits mit dem Bundeshaushalt 2010 beschlossen worden – gut versteckt in der Umstrukturierung einiger Haushaltstitel des Einzelplans des Auswärtigen Amtes. So wurde z.B. der Ansatz für den »Stabilitätspakt Südosteuropa« von 25 Millionen Euro auf 20 Millionen Euro reduziert.
Inzwischen liegt der Entwurf für den Bundeshaushalt 2011 vor, und hier sind weitere und diesmal sehr viel drastischere Kürzungen vorgesehen. Sie treffen unter anderem den Zivilen Friedensdienst im Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ; trotz Erhöhung des Gesamtetats hier Senkung von 30 Millionen Euro auf 29 Millionen Euro) sowie die Haushaltstitel für Friedenserhaltende Maßnahmen sowie für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitungszusammenarbeit im Einzelplan des Auswärtigen Amtes. Als Begründung für Kürzungen in der Größenordnung von jeweils 30% der Außenamt-Titel wird lapidar angeführt: „Weniger wegen Einsparungen im gesamten Geschäftsbereich des Epl.“. D.h., das Auswärtige Amt kriegt insgesamt weniger Geld, also wird die Kürzung in Bereiche weiter gereicht, die von den Zuständigen für politisch unwichtig gehalten werden. Übrigens soll auch der Titel für «humanitäre Hilfe» in ähnlicher Größenordnung gekürzt werden, was während der Flutkatastrophe in Pakistan von der Presse aufgegriffen wurde. Hier wiederholt sich dasselbe Muster: Während im »Bericht der Bundesregierung über die deutsche humanitäre Hilfe im Ausland 2006 bis 2009« berichtet wird, dass sich die dafür eingesetzten Mittel im Berichtszeitraum deutlich erhöht haben, war die Kürzung des Ansatzes im Haushalt des Auswärtigen Amtes schon beschlossen.
Noch ist der Bundeshaushalt 2011 nicht beschlossen
Nach der »Haushaltswoche« im Plenum, in der die Abgeordneten zunächst nach Details des vorliegenden Entwurfs und nach Begründungen für Veränderungen gegenüber den Vorjahren, neu aufgenommenen Titeln etc. fragen dürfen, geht das Ganze in die Ausschüsse, werden Rückfragen an die Ressorts (d.h. die Ministerien und obersten Bundesbehörden) gestellt und sind Änderungen möglich. Deswegen hat der Bund für Soziale Verteidigung in Briefen an die Abgeordneten der zuständigen Ausschüsse und des Haushaltsausschusses gegen die Kürzungen protestiert und eine ganze Reihe von Antworten erhalten. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass auf der öffentlichen Sitzung des Unterausschusses für Zivile Krisenprävention am 27. September 2010, in der der 2. und 3. Umsetzungsbericht zum Aktionsplan diskutiert wurden, Vertreter aller Fraktionen die Kürzungen kritisierten. Die SPD-Abgeordnete Edelgard Bulmahn resümiert in einer Presseerklärung vom 28.9.2010: „Das zunehmende Gewicht und die Bedeutung der Zivilen Krisenprävention, von der auch die Bundesregierung in ihrem Bericht immer wieder ausgeht, lassen sich jedoch mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht umsetzen. Trotz eines vergleichsweise geringen Sparpotenzials sollen die Mittel im Haushalt des Auswärtigen Amtes für 2011 um bis zu 30 Prozent gekürzt werden. Damit werden fast schon mutwillig erfolgreiche Strukturen zerstört und – noch schlimmer – das für dieses Feld so wichtige Vertrauen bei unseren internationalen Partner fahrlässig verspielt.“
Kein Vorrang für zivil
Rechnet man die Mittel, die im Bundeshaushalt für zivile Krisenprävention und zivile Konfliktbearbeitung vorgesehen sind, zusammen, kommt man für die Haushaltsjahre 2009 und 2010 jeweils auf eine Größenordnung von eine Milliarde Euro. Für die Bundeswehr wurden 2009 gut 31,6 Milliarden Euro ausgegeben, gut 470 Millionen mehr, als im Haushaltsentwurf 2009 vorgesehen waren. Zusätzlich wurden 2009 aus dem Haushalt des Auswärtigen Amtes 50 Millionen Euro »außerplanmäßig« für »Unterstützung des Aufbaus afghanischer Sicherheitskräfte durch die NATO« ausgegeben. Zum Vergleich: Für den Zivilen Friedensdienst standen 2009 insgesamt (also nicht nur für die ZFD-Projekte in Afghanistan) 30 Millionen Euro zur Verfügung, für das Förderprogramm »zivik« gut sieben Millionen.
Es ist schon absurd: Während Vertreter der Bundeswehr nicht müde werden, zu betonen, dass sie – bei weitem nicht nur in Afghanistan – die bestehenden Defizite bei der zivilen Arbeit nicht ausgleichen können, werden die knappen Mittel im zivilen Bereich nicht erhöht, sondern in wesentlichen Bereichen gekürzt. Nur für den »Stabilitätspakt Afghanistan« wurden 2010 zusätzliche Mittel bereit gestellt, die aber voraussichtlich nicht sinnvoll eingesetzt werden können, weil nach wie vor eine zivile Strategie für Afghanistan fehlt. Stattdessen wird versucht, die Vergabe von Projektmitteln an Hilfsorganisationen für zivile Projekte in Afghanistan aus dem Haushalt des BMZ an die Bedingung zu koppeln, dass diese sich in militärisch-zivile Zusammenarbeit einbinden lassen. Wörtlich wird in der Ausschreibung für die Projektmittel unter dem sperrigen Namen »NRO-Fazilität Afghanistan« formuliert: „Folgende Grundprinzipien gelten für geförderte Projekte: Die Projekte stehen im Einklang mit dem Afghanistan-Konzept der Bundesregierung von Januar 2010 und in Übereinstimmung mit dem Konzept der vernetzten Sicherheit.“
Der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) hat dies zu Recht scharf kritisiert. In seiner Stellungnahme heißt es: „Nicht-staatliche Hilfsorganisationen arbeiten unabhängig und unparteilich. Ihre Hilfe richtet sich ausschließlich nach den Bedürfnissen der Bevölkerung und dient nicht den Interessen einer Regierung oder internationaler Politik. Nur auf diese Weise lässt sich eine Akzeptanz der Arbeit von Hilfsorganisationen im Kontext von gewaltsamen Konflikten erreichen. Das Konzept der Vernetzten Sicherheit und die dafür eingeforderte zivil-militärische Koordination führen jedoch zwangsläufig zu einer Instrumentalisierung ziviler Hilfe für militärische Ziele beziehungsweise zu einer Militarisierung der Hilfe. Es kommt somit zu einer Verwischung der Grenzen zwischen den Aufgaben von Streitkräften und dem Mandat unabhängiger Hilfsorganisationen, die zu einer Gefährdung von Hilfsorganisationen und ihrer Arbeit werden kann. Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen oder ihre Zielgruppen häufig von Aufständischen zu legitimen Angriffszielen erklärt werden, sofern eine militärische Anbindung der zivilen Hilfsprojekte besteht. Für die Hilfsorganisationen ist deshalb Unabhängigkeit eine unverzichtbare Voraussetzung, um in gewaltsamen Konflikten Hilfe nach den humanitären Prinzipien leisten zu können.“
Zivile Konfliktbearbeitung verlangt in den meisten Fällen eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen und vom Konflikt Betroffenen. Die zunehmende Ausrichtung an Projekten, die erst nach Verabschiedung des jeweiligen Bundeshaushalts beantragt, geprüft, genehmigt werden können und dann bis Kassenschluss des betreffenden Haushaltsjahres durchgeführt und abgerechnet werden müssen, ist daher genauso Besorgnis erregend wie die Tatsache, dass angesichts der mittelfristig vorgesehenen Einsparungen in den Haushalten des Auswärtigen Amtes und des BMZ weitere Versuche zu erwarten sind, die Mittel für Zivile Konfliktbearbeitung zu kürzen. Auch die kürzlich durchgeführte Evaluation des Zivilen Friedensdienstes, deren Ergebnisse bei Redaktionsschluss dieses Heftes noch nicht vorlagen, könnte in dieser Situation zur Rechtfertigung weiterer Kürzungen missbraucht werden.
Während also auf dem Papier der Vorrang der Krisenprävention vor der Intervention und der Vorrang des Zivilen vor dem Militärischen beschworen werden, werden auf der Ebene des Bundeshaushalts bzw. im so genannten Haushaltsvollzug harte Fakten für den Vorrang des Militärischen geschaffen. Mittel, die bisher als Gelder für zivile Aufbauprojekte zur Verfügung standen, werden direkt oder indirekt militärischen Erwägungen untergeordnet und verlieren dadurch ihren zivilen Charakter.
Dagegen können und müssen wir protestieren.
Dr. rer. nat. Ute Finckh-Krämer ist Mathematikerin und derzeit beruflich im Bereich Pressedokumentation tätig. Seit gut 30 Jahren friedenspolitisch aktiv, war sie Gründungsmitglied des Bundes für Soziale Verteidigung, dessen Vorsitzende sie seit fünf Jahren ist.