W&F 2020/3

Drohnen und Völkerrecht

Heidelberger Salon digital, MPIL, Heidelberg, 11. Juni 2020

von Hannah Rainer

In die im Koalitionsvertrag vorgesehene Debatte über die Beschaffung einer Bewaffnung für Drohnen der Bundeswehr reiht sich ein Expert*innengespräch ein, zu dem das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (MPIL) am 11. Juni 2020 im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Heidelberger Salon digital: Bewaffnete Drohnen und das Völkerrecht« einlud. Im Folgenden werden ausgewählte Themenschwerpunkte und Kontroversen der Veranstaltung nachgezeichnet.

Ein Grundkonflikt besteht in der Frage, ob hinsichtlich der Beschaffung bewaffneter Drohnen bereits der Hinweis ausreicht, dass im Völkerrecht erlaubt sei, was nicht verboten ist. Diese Auffassung vertreten Stefan Sohm (Bundesministerium der Verteidigung), Philipp Dürr (Universität Bonn) und Wolff Heintschel von Heinegg (Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder), die in der aktuellen Anschaffungsdebatte keine drohnenspezifischen Aspekte ausmachen.

Zumindest hinsichtlich des Einsatzes bewaffneter Drohnen müssen Christian Marxsen (MPIL) zufolge jedoch auch etwaige Langzeitfolgen bedacht werden, wie mögliche Wirkungen der Technologie auf die Rechtsordnung oder die Begünstigung verhinderungswürdiger Entwicklungen. Vom Standpunkt des völkerrechtlichen Gewaltverbots scheine es zwar gleichgültig, ob bewaffnete Drohnen eingesetzt würden, jedoch sei angesichts der neuen Einsatzmöglichkeiten eine sinkende Hemmschwelle abzusehen, wenn Einsätze ohne Gefahr für die eigenen Soldat*innen geführt werden können. Marxsen stellt eine nachweisbare Tendenz der Staatengemeinschaft fest, kleinere Völkerrechtsverstöße zu tolerieren. Deshalb sehen viele Völkerrechtler*innen die Gefahr, dass das Gewaltverbot ausgehöhlt werde, wozu die Bundesregierung durch eine »großzügige« Auslegung völkerrechtlicher Vorgaben mitunter beitrage. Ungeachtet ihrer militärischen Vorteile könne die Drohnenbewaffnung mittelfristig zur Eskalation von Krisen führen und somit der Friedensorientierung zuwiderlaufen.

Matthias Hartwig (MPIL) knüpft an diese Überlegungen an und befürchtet „Low-level-Kriege“ als Folge der Einführung bewaffneter Drohnen. Schließlich seien Drohnen die „ideale Waffe“, um einen Krieg nicht nur zeitlich, sondern auch räumlich über Jahre zu perpetuieren, da die eigene Zivilbevölkerung emotional meist erst dann stärker involviert und protestbereit sei, wenn eigene Soldat*innen in die Gefahrenzone entsandt würden.

Zur Sicherstellung des völkerrechtskonformen Einsatzes bewaffneter Drohnen sind laut Florian Kriener (MPIL) effektive Kontrollmechanismen erforderlich. Sohm unterstrich, dass der Parlamentsvorbehalt eines der Instrumente zur Sicherstellung der Einhaltung von Völkerrecht sein soll. Marxsen attestiert hingegen einen Mangel an Rechtsschutz im gesamten Bereich der auswärtigen Gewalt. Es bestehe kein institutionelles Korrektiv, mit dem überprüft werden könne, ob sich ein Einsatzmandat aus materiellrechtlicher Perspektive im Rahmen von völker- und verfassungsrechtlichen Vorgaben halte. Das bedeutet, dass es keiner Überprüfung zugänglich ist, ob im Falle einer Mandatserteilung durch den Bundestag die völker- und verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für einen militärischen Einsatz überhaupt erfüllt sind. Hierbei genüge der Verweis auf den Parlamentsvorbehalt gerade nicht, da der Preis einer Ablehnung des Mandats das Zerbrechen der Regierungsmehrheit wäre, was somit einer effektiven Überprüfung entgegenstünde. Ein guter Ansatz zur Kontrolle bestehe hingegen in der Einführung eines entsprechenden Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht.1 Letztlich bleibe es relevant, ob die konkreten Mandate rechtlich überprüfbar seien, da diese den Rahmen darstellten, in dem die bewaffneten Drohnen eingesetzt würden. Für Heintschel von Heinegg hat die Frage nach Rechtsschutz nichts mit der völkerrechtlichen Vereinbarkeit bewaffneter Drohnen zu tun. Zudem verwies er auf die Möglichkeit, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschrechte eine menschenrechtliche Einsatzüberprüfung zu erwirken. Kriener entgegnete diesem Argument, dass jahrelanges Warten auf Entscheidungen der internationalen Gerichte kaum zumutbar sei. Bis wirksame Kontrollmechanismen eingerichtet seien, rate er daher von einer Beschaffung bewaffneter Drohnen ab.

Andreas Schüller (ECCHR) hat die Einsatzpraxis anderer Staaten und die Reaktion der Bundesregierung unter diesem Aspekt beobachtet. In der Zusammenschau der letzten elf Jahre gebe es großen Anlass zur Skepsis, ob Drohneneinsätze der Bundeswehr rechtlich hinreichend überprüft werden können. Wo ausnahmsweise eine rechtliche Überprüfung der völkerrechtlichen Einschätzungen der Bundesregierung erfolgt sei, wie etwa vor dem OVG NRW,2 sei die Rechtsposition der Exekutive eingeschränkt worden. Die Fragen, wann ein bewaffneter Konflikt vorliegt und wer angegriffen werden darf, würden von der Exekutive und den Gerichten unterschiedlich beurteilt. Sofern sich die Rechtsschutzmöglichkeiten nicht verbessern und die Bundesregierung ihre Positionierung nicht offen und konkret artikuliere, solle daher von der Anschaffung von Drohnenbewaffnung abgesehen werden.

Diese bislang nicht eindeutige völkerrechtliche Positionierung der Bundesregierung stellt für viele der Referent*innen ein zentrales Problem dar. Unklar bleibe, so Leander Beinlich (MPIL), welche Leitlinien künftigen Drohneneinsätzen zugrunde liegen und in welchen rechtlichen Szenarien sie zulässig sein sollen. Zwar gebe es ausdrückliche Bekenntnisse der Bundesregierung zum Völkerrecht, jedoch bliebe sie eindeutige Erklärungen, was dies konkret bedeute, schuldig.

Carolyn Moser (Humboldt-Universität Berlin und MPIL) weist darauf hin, dass zudem der eigentliche »Elefant im Raum« und Gegenstand der Debatte die Drohnenpraxis des „Schwergewichts“ USA sei. Über den Bündnispartner USA sei Deutschland stets militärisch definiert, da in Deutschland sicherheitspolitische Themen immer transatlantisch gedacht würden. Moser sieht Deutschland aktuell an einem Scheideweg zur größeren Unabhängigkeit.

Hartwig verwies auf bisherige völkerrechtswidrige Einsätze der USA. Sobald bewaffnete Drohnen zur Verfügung stünden, bestehe die Gefahr rechtswidriger Einsätze. Auch Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, dass sich Deutschland mit der Beschaffung von Drohnenbewaffnung ohne deutliche Distanzierung von den USA in eine Tradition der Völkerrechtsverstöße stellen würde; dies führe zu einer Schwächung der Versicherung, Deutschland wolle sich völkerrechtskonform verhalten. Heintschel von Heinegg zeigt sich davon überzeugt, dass in Deutschland niemals die Geheimdienste die Kontrolle über Drohneneinsätze in den Händen halten werden, wie es bei den USA mit den überwiegend durch die CIA gesteuerten »signature strikes« der Fall ist.

Schüller sieht Deutschland bereits seit vielen Jahren mitten im Drohnenkrieg. Die USA nutzen seit 2009 extensiv Drohnen, und Deutschland habe beispielsweise durch die Erlaubnis gegenüber den USA, den Luftwaffenstützpunkt Ramstein zu nutzen, diese Praxis unterstützt. Dies spiele eine entscheidende Rolle im globalen Drohnensystem, weil über Ramstein riesige Datenmengen liefen, die in Angriffsentscheidungen miteinflössen.

Anne Peters (MPIL) hielt im Schlusswort fest, dass weiterer Bedarf zur Debatte bestehe. Dem ist wohl nicht nur aus völkerrechtlicher Perspektive nichts hinzuzufügen.

Die Videoaufzeichnung der Veranstaltung ist zu finden unter youtube.com/watch?v=nbv_GdmYuz4&feature=youtu.be. Die Liste aller geladener Expert*innen steht auf der Website des MPIL (mpil.de).

Anmerkungen

1) In die gleiche Richtung weise bereits ein aktueller Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen, zu finden unter dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/140/1914025.pdf.

2) Urteil des OVG Münster v. 19.03.2019, zu finden unter openjur.de/u/2170527.html.

Hannah Rainer

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2020/3 Der kranke Planet, Seite 51–52