W&F 1987/1

Editorial

von Paul Schäfer

Die Amtszeit der neuen Regierung geht bis ins nächste Jahrzehnt. Was soll bis dahin verwirklicht sein? Die feste Verankerung der Rüstungsindustrie und einiger großer Forschungseinrichtungen im SDI-Programm; weitläufiger Aufbau eines EVI-Systems unter Führung der Bundesrepublik; offener Rüstungsexport in Kriegsgebiete; Einstieg in eine Reihe großer Rüstungsobjekte: Frauen in die Bundeswehr: Durchführung der Stationierung. Weitere Expansion des Rüstungsetats; verstärkte Militarisierung der Hochtechnologien.

Die Regierung Kohl hat bisher nicht nur Pershings und Cruise Missiles stationiert. Sie hat sich auf SDI eingelassen - erste Teilelemente sollen schon Anfang der 90er Jahre stationiert werden Sie hat die wehrtechnische Forschung kräftig aufgestockt. Nach Reykjavik hat sich die Regierung als Bremser weitreichender Abrüstungsschritte profiliert, ein Durchbruch bei den Verhandlungen ist nicht in Sicht. Diese Fakten genügen, um deutlich zu machen, daß die Arbeit der Friedensbewegung in den nächsten Jahren stabilisiert und ihr Einfluß vergrößert werden muß. Noch bleibt Zeit.

Seit Jahren ist es eine große Stärke der Wissenschaftler-Friedensbewegung, daß sie für Auswege argumentiert, Konzepte entwirft, Alternativen entwickelt - ob es um defensive Sicherheitspolitiken geht oder um den Weltraumvertrag, um C- Waffen oder - jetzt - um die „Hamburger Abrüstungsvorschläge“. Sie versammeln konsensfähige Forderungen, die auf längere Sicht die Richtschnur des Handelns bilden können.

Der Hamburger Naturwissenschaftler-Kongreß hat im übrigen eine neue Qualität der internationalen Zusammenarbeit hervorgebracht. Die Frage der organisatorischen Weiterentwicklung der Arbeit kann jetzt klarer angegangen werden. Damit wird die Naturwissenschaftler-Initiative „Verantwortung für den Frieden“ mehr und mehr zu einem wichtigen politischen Faktor. Die dümmlichen Ausfälle der „Welt“, „FAZ“ (und wie sie alle heißen) werden daran nichts ändern.

Die Herbeiführung politischer Kräftekonstellationen, die Abrüstung möglich machen, ist Leitgedanke der Friedensarbeit. Dem Mißbrauch moderner Wissenschaft und Technik ist letztlich nur durch eine solche politische Veränderung zu begegnen. Wenn es gelänge, die innige Verbindung von Wissenschaft und Militär aufzubrechen, könnte Sand ins Getriebe der Militärplaner geraten. Das Thema heißt also: Rüstungsforschung.

Daß sich Forscher bei SDI-Aufträgen anstellen, nur um Geld zu bekommen, ist moralisch unerträglich. Daß Forscher nur auf Effizienzsteigerung der Technik bedacht sind, ohne Gedanken über militärische und politische Konsequenzen anzustellen, ist unzumutbar geworden.

Es muß gelingen, solche Haltungen zu thematisieren und - zu diskreditieren. Ein öffentlicher Diskurs über Prioritäten und Ziele der Wissenschaftspolitik sollte in Gang gebracht werden.

  1. In der Bundesrepublik müssen die Forscher die Beteiligung an SDI-Projekten konsequent zurückweisen - in den Vereinigten Staaten nähert sich die Zahl der Unterzeichner der Anti-SDI-Petition den 10.000.
  2. Bislang kaum diskutierte Orientierungen wie die Bonner Weltraumpläne müssen kritisch hinterfragt werden.
  3. Eine unabhängige Grundlagenforschung ist zu stärken. Das geht nur über die Mobilisierung zusätzlicher, öffentlicher Mittel.
  4. Die Frage einer Umwandlung der Rüstungsforschung - in den USA längst Thema - muß gerade in den Großforschungseinrichtungen in Gang gebracht werden. Zur Konversion der Produktion gibt es entwickelte Vorstellungen, z.B. der Arbeitskreise „Alternative Fertigung“ in den Gewerkschaften.

Noch ein Wort in eigener Sache: Das Ziel, das wir uns Anfang 1986 gesetzt haben - nämlich die Zahl der Abonnenten auf über 1000 zu steigern -, haben wir erreicht. Wir freuen uns über alle Neubezieher des Dienstes und ihre Mitarbeit. Und: In den nächsten Monaten wird ein internationaler Beirat des „Informationsdienstes“ eingerichtet werden.

Ihr Paul Schäfer

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1987/1 1987-1, Seite