Ein amerikanischer »hibakusha«
Zu der Debatte um die »Enola-Gay-Ausstellung« in den USA
von Thomas Smith
Ich heiße Thomas Smith und bin Überlebender der Atomversuche, also ein amerikanischer hibakusha. Während meiner Dienstzeit bei der amerikanischen Marine wurde ich 17mal Zeuge von Atombombendetonationen im Pazifik. Das war im Jahre 1958. Ich war damals aufder USS-Hooper-Island stationiert, die beim Eniwetok-Atoll, im Archipel der Marshall-Inseln lag.
Als Zeuge habe ich die Sprengungen aus verschiedenen Entfernungen erlebt (…). So nah, daß man die Hitzewelle spüren konnte; so heiß, daß man dachte, die Kleider am Leib könnten in Flammen aufgehen. (…)
Viele Jahre danach habe ich mit gesundheitlichen Beschwerden zu schaffen gehabt;Beschwerden, die niemand vorher in meiner Familie gehabt hat; Beschwerden, die kein Arzt erklären konnte, und schließlich gesundheitliche Beschwerden, die nun auch meine Kinder hinnehmen müssen. Sowohl meine Tochter als auch mein Sohn zeigen genetische Auffälligkeiten, die durch meine Verstrahlung verursacht wurden. Und jetzt bange ich um die Gesundheit meiner Enkel.
<>Jene Detonationen und damit verbunden die gesundheitlichen Schäden bei meinen Kindern und bei mir selbst gehören zu dem dauernden Vermächtnis der Bomben auf Hiroshima und Nagasaki; und das National Air & Space Museum hat sich entschlossen, die Spuren dieses Vermächtnisses aus seiner »Enola-Gay«-Ausstellung zu entfernen.
Erst Jahre nach jenen Tests habe ich andere Menschen mit ähnlichen Beschwerden gefunden. Menschen aus allen Teilen der Welt und mit den unterschiedlichsten Lebensläufen– Veteranen, »downwinders«, Menschen, die in Uranbergwerken gearbeitet haben, und natürlich die japanischen hibakusha. Eines hatten wir gemeinsam, wir waren radioaktiven Strahlungen ausgesetzt gewesen, entweder durch Berührung bei der Arbeit oder durch die Strahlung nach der Detonation einer nuklearen Bombe.
Ich habe 25 Operationen über mich ergehen lassen (…). Allein sechs Eingriffe an der Wirbelsäule einschließlich zahlreicher Knochentransplantationen aus dem Beckenbereich habe ich hinnehmen müssen, außerdem Eingriffe zur Wiederherstellung von Gelenken und zur Entfernung von Tumoren. (…) Heute muß ich mit einem geschwächten Immunsystem, Diabetes und chronischer Leberentzündung leben, und trotz-alledem rechne ich mich zu den Glücklichen. Heute bin ich noch am Leben und rede zu Ihnen, viele meiner Gefährten sind es nicht. Sie sind vor ihrer Zeit gestorben.
Die Ausstellung soll die Amerikaner ehren
Zu der Debatte über die »Enola-Gay-Ausstellung« in den USA
Als B 29-Kampfflieger des Zweiten Weltkrieges und Mitglied des Enola Gay-Komitees möchte ich meine Unzufriedenheit über die geplante Ausstellung des B 29-Bombers, der am 6. August 1945 die Atombombe auf Hiroshima abwarf, durch das Nationale Luft- und Raumfahrt-Museum zum Ausdruck bringen. Trotz der angekündigten Ergänzungen läuft das ganze auf eine »Anti-Bomben«-Ausstellung hinaus.
Die ein Jahr dauernden Verhandlungen mit Martin Harwit, dem Museums-Direktor, haben gezeigt, daß sämtliche Korrekturen rein kosmetischer Natur sind und nichts am Grundkonzept der Ausstellung ändern.
Die Ausstellung sollte eine Feier zum 50. Jahrestag des Kriegsendes sein. Sie sollte die Amerikaner ehren, die so lange auf so vieles verzichteten, und das sind fast alle amerikanischen Bürger, die zwischen 1941 und 1945 lebten.
Sie sollte unsere Führung für ihre großartige Leistung ehren, den Krieg so schnell zu beenden. Sie sollte die arbeitende Bevölkerung ehren, die oft erhebliche persönliche Opfer brachte, um ihre Arbeitskraft den kriegswichtigen Betrieben zur Verfügung zu stellen. Und sie sollte die siebeneinhalb Millionen Mitbürger ehren, die in dieser Zeit für ihr Land kämpften.
Für all dies ist die »Enola Gay« ein einzigartiges Symbol. Sie ist der berühmteste von allen B 29-Bombern. Mit dem Luftbombardement Japans konnte zum ersten Mal ein Krieg ohne Invasion beendet werden.
Uns allen sind die schrecklichen Ereignisse von »D-Day« bekannt. Und bei dieser Invasion ging es lediglich um den Transport über den Ärmelkanal. Dagegen hätten die Schrecken einer Invasion auf der Insel Honschu »D-Day« als Kinderspiel erscheinen lassen.
Wenn wir die Schrecken Hiroshimas zeigen, dann müssen wir auch Dresden, Tokio, London und all die anderen Städte zeigen, auf die Bomben fielen.
Wir sollten den Schwerpunkt der Ausstellung völlig verändern. Wir sollten mit dieser Ausstellung das Ende des Zweiten Weltkrieges gebührend feiern. Es leben schließlich noch viele von uns, die an diesem Krieg auf die eine oder andere Weise teilgenommen haben.
Leserzuschrift, New York Times, 10.9.1994. (Übersetzung: Helga Wagner.)
Presseerklärung von Thomas Smith. Veteran von Atomversuchen und Erster Vorsitzender der Vereinigung überlebender Strahlenopfer in Amerika. (Übersetzung Bill Hadfield)