Ein neues Afghanistan?
von Jürgen Nieth
Am 11. Januar 2013 sind französische Truppen in Mali gelandet, um „die vorrückenden islamistischen Gruppierungen“ zu stoppen (Süddeutsche Zeitung/SZ, 14.01.13, S.4). Nachträglich wurde Frankreichs Intervention in Mali vom Weltsicherheitsrat am 14. Januar gebilligt und am selben Tag auf einer Sitzung der 27 EU-Außenminister begrüßt.
Zustimmung aus Berlin
Auch der deutsche Verteidigungsminister „Thomas de Maiziere lobte das Vorgehen der französischen Armee als »konsequent und richtig«“ (FAZ, 14.01.13, S.1), und die Berliner Zeitung (BZ, 18.01.2013, S.2) berichtet, dass Außenminister Westerwelle „die Mission für »unbedingt notwendig«“ hält. Die BZ (15.01.13, S.6) kommt zu der Feststellung, „unter den maßgeblichen Parteien (allen, außer »Die Linke«) herrscht Konsens darüber, dass die Intervention […] gerechtfertigt ist und Deutschland seinen Verbündeten dabei unterstützen sollte“. Inzwischen hat die Bundesregierung drei Transall-Militärtransporter bereitgestellt und „Deutschland wird sich an der Ausbildermission der EU beteiligen“ (Frankfurter Rundschau/FR 18.01.13, S.8). Einige denken aber schon weiter. So will „Unions-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff […] einen Einsatz von Bundeswehrkampftruppen nicht grundsätzlich ausschließen“. Und auch der Fraktionschef der Grünen im Europaparlament, Daniel Cohn-Bendit, sagte auf die Frage „ob er auch den Einsatz von (deutschen) Kampftruppen für denkbar halte […] »Ja«“ (BZ 15.0113, S.6).
Vor allem politische Unterstützung
Die USA haben Frankreichs Militäreinsatz „wohlwollend begrüßt, ohne dass [sie …] sich zum Eingreifen verpflichteten“ (Tagesspiegel, 16.01.13, S.19). Das sehen auch die meisten anderen Regierungen so. Kämpfen sollen an der Seite Frankreichs die malische Armee und eine Eingreiftruppe der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft. Die Neue Zürcher Zeitung/NZZ (16.01.13, S.21) verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass „kein westafrikanisches Land […] über kampferprobte Truppen mit Erfahrung im Wüstenkrieg“ verfügt. Für die FAZ (18.01.13, S.3) ist die etwa 5.000 Mann starke Armee Malis „nicht einmal in der Lage, eine zuvor befreite Ortschaft zu sichern“. Hilfe können die Franzosen „bestenfalls von den tschadischen Truppen erwarten. Doch die sind weithin für ihre exzessive Brutalität bekannt, so dass man mit ihnen eigentlich nicht zusammenarbeiten möchte.“
Ausbilder für Malis Armee
Die EU hat eine Ausbildermission für die malische Armee beschlossen, an der sich auch Deutschland beteiligen will. Ein Vorhaben, dass die NZZ (16.01.13, S.21) angesichts der Schwäche der malischen Partner als „nicht mehr als ein Placebo“ bezeichnet. Das man aber auch aus anderen Gründen in Frage stellen kann: „Die Amerikaner trainierten zwar vier Spezialeinheiten mit zusammen 600 Mann für den Antiterrorkampf. Aber das war keine gute Idee, denn drei der Eliteverbände liefen inzwischen geschlossen zu den rebellierenden Tuareg über – weil die meisten der Kommandeure Tuareg sind.“ (Spiegel 4/2013, S.86)
Politische Lösung nicht gewollt?
Unmittelbar vor dem französischen Einmarsch hatte »le Monde diplomatique« (11.01.13, S.21) begrüßt, dass der UN-Sondergesandte für die Sahelzone eine Militäraktion vor September 2013 ausgeschlossen hatte. Das „bedeutet zumindest einen Etappensieg für die von Algier bevorzugte politische Lösung des Konflikts, gegenüber der militärischen Option, für die sich vor allem Frankreich stark macht“. Eine politische Lösung, die auch der Terrorismusforscher Ahmed Rashid (taz 23.01.13) für möglich hielt: „Wenn die Franzosen rechtzeitig eine Gruppe vertrauenswürdiger islamischer Vermittler zusammengestellt hätten, wären Verhandlungen mit lokalen Gruppen, vor allem mit den Tuareg, möglich gewesen. Aber es gab kein diplomatisches Bemühen. Von Anfang an war auch im UN-Sicherheitsrat nur von militärischen Optionen die Rede.“
Wirtschaftliche Interessen
Der französischen Regierung wird, so le Monde diplomatique, „zumindest unterstellt, vor allem durch ihr Interesse an der Uranförderung im Sahel motiviert“ zu sein. Ein Thema, das auch andere aufgreifen. Niger, der „drittgrößte Uran-Förderer weltweit soll nicht unter Al-Qaida-Einfluss geraten“ (Freitag, 24.01.13, S.7). „Frankreich hat wirtschaftliche Interessen in der Region.“ (SZ, 12.01.13, S.10) Dass es um ökonomische Interessen geht, bestätigt dann auch die Erklärung der 27 EU-Außenminister. Sie „spricht von einer »Bedrohung der europäischen Sicherheit«.“ Es gehe nicht nur um „die Sorge vor Terrorattacken in Europa […] Bedroht seien zusätzlich die strategischen Interessen der EU wie Sicherheit der Energieversorgung und der Kampf gegen den Menschen- und Drogenschmuggel“ (BZ, 18.01.2013, S.2).
Dass ganz anders gelagerte ökonomische Interessen konfliktverschärfend wirken können, darauf verweist Ulrich Schmid in der NZZ (22.01.13, S.4): „Es gibt kaum einen Politologen, der nicht vermutete, dass alle mit der Kaida verbündeten Islamisten der Sahelzone zu einem beträchtlichen, wenn nicht entscheidenden Teil von Saudiarabien und den Golfemiraten finanziert werden. Deutschland aber hat Saudiarabien letztes Jahr Waffen im Wert von 30 Millionen Euro geliefert. Riad ist an Kampfpanzern der Typen Boxer und Leopard interessiert. Verhandlungen über die Lieferung von ABC-Spürpanzern des Typs Dingo sind im Gange. Ist das nicht etwas seltsam?“
Ende offen
„Der unterschätzte Krieg“ (SZ 19.01.13), „Die Tore der Hölle“ (Spiegel 4/2013), „Malis Absturz ins Chaos“ (Neues Deutschland 14.01.13), „Afghanische Lektionen für Mali“ (NZZ 16.01.13), „Wüste Verhältnisse“ (Tagesspiegel 18.01.13), „Riskante Offensive in Mali“ (Welt 14.01.13). Das sind einige der Überschriften in den deutschen Medien. Optimismus sieht anders aus.
Da passt das Fazit, das Andreas Zumach in der taz zieht (17.01.13, S.3): „Terroristen und islamistische Rebellen bekämpfen […] Mit ähnlichen und teilweise noch weiterreichenden Zielsetzungen (Stabilisierung, Frieden, Wiederaufbau, Demokratie, Rechtsstaat, Menschen- und Frauenrechte) wurden fast alle Militärinterventionen und Kriege seit Ende des Ost-Westkonfliktes […] begründet […] Doch in keinen einzigen Fall wurden die proklamierten Ziele erreicht.“
Jürgen Nieth