W&F 2024/1

Eine Nachlese zu 40 Jahre W&F

Fachkonferenz, W&F und IWIF e.V., Bonn, German Institute of Development and Sustainability, 6.-7. Oktober 2023

Zum Anlass des 40jährigen Bestehens der Zeitschrift Wissenschaft und Frieden fand am 6. und 7. Oktober 2023 das Symposium »Wissenschaft für den Frieden« in Bonn statt. Finanziell ermöglicht wurde das Symposium durch eine Transferprojektförderung der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF). Vor den Teilnehmenden lagen zwei spannende Tage mit einem breit aufgestellten Programm aus der praktischen Friedensarbeit und der empirischen und theoretischen Friedensforschung.

Am frühen Freitagnachmittag eröffneten Regine Mehl (vorm. IDOS, Vorstand IWIF), Hans-Jörg Kreowski (Universität Bremen, Vorstand W&F), David Scheuing (verantw. Redakteur W&F), Jürgen Scheffran (Universität Hamburg, Redaktion W&F) und Conrad Schetter (Bonn International Centre for Conflict Studies – BICC) die Tagung mit ihren Begrüßungsimpulsen. Dabei hob Conrad Schetter die Funktion von W&F pointiert hervor, indem er ansetzte: „Es gibt hier im Raum vermutlich niemanden, der oder die sich in den letzten Jahren nicht über einen Beitrag in W&F furchtbar gefreut oder furchtbar geärgert hat“. Diese wichtige Funktion für den Austausch und die Debatte über aktuelle Anliegen und Fragestellungen zu Krieg und Frieden hebe die Bedeutung der Zeitschrift hervor – eine Funktion, die es zu bewahren gelte.

Kritisches und Konstruktives – der erste Tag

Im Anschluss folgte direkt der Beginn des vollen Programms. Auf dem Panel »Frieden unter Sicherheit? Die Folgen der Nationalen Sicherheitsstrategie für Friedenspolitik«, organisiert und angeleitet von David Scheuing, diskutierten Tobias Debiel (INEF), Martina Fischer (Brot für die Welt), Joachim ­Schramm (DFG-VK NRW) und Martin Schuldes (BMZ) über die direkten und langfristigen Konsequenzen der neuen »Nationalen Sicherheitsstrategie«. Kritisch wurden dabei von Martina Fischer und Joachim Schramm die Einführung des Konzepts der »Integrierten Sicherheit« betrachtet, das weniger einen Fokus auf Gewaltreduktion und menschliche Sicherheit setze, sondern eine immer weiterreichende Versicherheitlichung des Lebens anstrebe. Tobias Debiel betonte den Kompromisscharakter des Dokumentes und zeigte sich dennoch von der Zielsetzung und mangelhaften Konkretion der Strategie enttäuscht. Martin Schuldes hob hervor, dass durch die Beteiligung der unterschiedlichen ministerialen Bereiche überhaupt zum ersten Mal ein sektorübergreifendes Dokument entstanden sei, das auch wichtige Anliegen der humanitären und entwicklungspolitischen Arbeit beinhalte. Gleichzeitig gestand er natürlich die Herausforderung bei der Umsetzung zu und bedankte sich auch für die kritisch-konstruktiven Anmerkungen des Panels. Durch die Offenheit vieler der Formulierungen in der Nationalen Sicherheitsstrategie und der Vielzahl an noch zu erstellenden Substrategien sei auch noch unklar, so der Tenor auf dem Panel, welche konkreten Auswirkungen auf die Arbeit des Beirats für Zivile Krisenprävention und die Programme des Zivilen Friedensdienstes sich aus der Strategie ergeben werden. Allerdings warnten einige der Panelist*innen, dass die Gefahr einer Verschiebung des Diskurses auf eine Logik der Versicherheitlichung durchaus gegeben sei – und eine wachsame zivilgesellschaftliche Begleitung der Implementierung der Strategie wichtig sei.

Parallel fanden die Vorträge »Konfliktsensitiver Journalismus: Wissenstransfer für Berichterstattung über Debatten und Konflikte« von Sigrun Rottmann (TU Dortmund) und »Reformen im Sicherheitssektorbereich – Ein Ansatz zur Erreichung eines nachhaltigen Friedens« von Annika Biallaß und Nina Müller (beide GS Foundation) statt. Die Formate kurzweiliger Impulse und Vorträge sollten die Möglichkeit schaffen, dass die Tagungsteilnehmer*innen Eindrücke aus der Breite des Forschungsfeldes »Frieden und Konflikte, Krieg und Gewalt, Transformation und Neuordnung« erhalten konnten.

Im Laufe des Freitags folgten zwei weitere Panelsessions (»Nicht Krieg, sondern etwas noch gewaltigeres«. Wirtschaftssanktionen, Frieden & Menschenrechte« ausgerichtet von IALANA und ein Angebot des »Peace Workers Collaborative« mit Andreu Ginestet, Burcu Eke-Schneider und Asli Telli) sowie eine Reihe ganz unterschiedlicher Impulse: Karl Hans Bläsius (Uni Trier) und Jörg Siekmann (Universität des Saarlandes) präsentierten ihre konzeptionellen Überlegungen für »Computergestützte Frühwarn- und Entscheidungssysteme für nukleare Bedrohungen«, gefolgt von Christian Heck (Kunsthochschule für Medien Köln), der sich der Bedeutungskonstruktion durch KI-Systeme und deren Auswirkungen auf Entscheidungen in der modernen Kriegsführung des „gläsernen Gefechtsfelds“ annahm. Ryan R. Swan (BICC) sprach über die Herausforderungen, »Friedliche Anwendung der Informationsrevolution« zu schaffen – gerade da viele Dynamiken und Mechanismen dieser Technologien eher gewalt- bzw. eskalationsbestärkende Tendenzen haben.

In zwei Beiträgen wurden Perspektiven der Friedenspädagogik eröffnet: Anne Kruck (Berghof Foundation) trug die Ergebnisse einer »Bestandsaufnahme der Friedensbildung an Schulen« vor, und Merle Strunk und Alisa Rieth (beide Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung) präsentierten Ergebnisse eines Praxisprojektes zur Anwendung von »Serious Gaming« in der Friedenspädagogik (»Unlock Europe«).

Festakt zu 40 Jahre W&F

Gefeiert wurde im Kontext des Symposiums auch: Der abendliche Festakt blickte zurück auf vierzig Jahre erfolgreicher Zeitschriftengeschichte und voraus auf eine herausfordernde Zukunft. Durch den Festakt leitete Michaela Zöhrer (Universität Augsburg), die erste Vorsitzende von Wissenschaft und Frieden. Zunächst überbrachte die Bonner Bürgermeisterin Nicole Unterseh Grußworte der Bundesstadt Bonn und ordnete die Geschichte von W&F ein in das friedenspolitische Engagement auch der Stadt Bonn. Sie gratulierte zur Erfolgsgeschichte der Zeitschrift und wünschte mindestens 40 weitere gelingende Jahre.

Den Kern des Festaktes machte ein wissenschaftshistorisches Gespräch zwischen Eva Senghaas-Knobloch (Universität Bremen) und Jürgen Altmann (TU Dortmund) aus. Ein kurzer Videoclip mit Eindrücken von Aktionen im Oktober 1983 setzte die Szene vor deren Hintergrund sich die beiden unter Moderation von Michaela Zöhrer über ihre ganz persönlichen Zugänge und Erlebnisse von 1983 bis heute in Friedensforschung und Friedensbewegung (mit primärem Fokus auf Westdeutschland) unterhielten (dokumentiert in W&F 4/2023, S. 5-10). Beide schilderten das solidarisch-kritische Verhältnis, das Friedensforschung und Friedensaktivismus auch in den 1980er Jahren schon zueinander hatten – vereint unter der Zielsetzung, zu einer friedlicheren Gestaltung gesellschaftlicher und politischer Verhältnisse gelangen zu können.

Anschließend richtete Paul Schäfer, der erste Redakteur von W&F in den 1980er Jahren, seinen Blick darauf, welche Schlussfolgerungen sich aus der Entwicklung von W&F für die kommenden Jahre ziehen lassen. Sein Beitrag breitete die Herkunft des Profils der Zeitschrift aus und betonte deren Relevanz er für heute: Interdisziplinarität, Dialog zwischen Wissenschaftskulturen (Natur-, Geisteswissenschaften), solidarisch-kritisches Verhältnis zur Friedensbewegung, Notwendigkeit beständiger Erneuerung. Er mahnte daher an, dass es weiterhin darum gehen müsse, in unübersichtlichen und schnelllebigen, emotional aufgeheizten Zeiten ein Angebot für Analyse, Kritik und alternative Konzepte zu bieten. Er blickte durchaus gespannt auf die Zukunft, in der gerade die Frage nach den inhaltlichen Angeboten und deren Darreichungsform in medial stark digitalisierten Zeiten notwendig immer wieder neu verhandelt werden werden wird.

Natürlich durfte auch der Dank nicht fehlen – denn in vierzig Jahren begleiteten viele Menschen direkt und indirekt die Geschicke der Zeitschrift. Michaela Zöhrer und David Scheuing richteten ihre Dankesworte an die Gründer*innen der ersten Stunde und hoben hier die unumstößlich herausragenden Beiträge von Rainer Rilling (der leider krankheitsbedingt nicht anwesend sein konnte), Corinna Hauswedell und Paul Schäfer hervor. Ohne diese Menschen gäbe es die Zeitschrift nicht in der heutigen Form. Ein Grußwort des BdWi, das am Abend verlesen wurde, drückte dies auch aus: W&F, zunächst ein Kind in Trägerschaft des BdWi, sei in diesen vierzig Jahren zu einer starken Stimme und einem verlässlichen Partner geworden, der gemeinsam für kritische Wissenschaft und eine friedliche Zukunft einstehe. Dies ist auch diesen Menschen und Trägerorganisationen der ersten Stunde zu verdanken. Doch natürlich sollte auch das hervorragende Engagement der verantwortenden Redakteur*innen über die Jahrzehnte (Paul Schäfer, Caroline Thomas, Jürgen Nieth, Fabian Virchow und Regina Hagen) nicht vergessen werden, von denen sogar fast alle zum Festakt anreisen konnten und somit auch die jahrzehntelange Tradition der Zeitschrift verkörperten.

Michaela Zöhrer und David Scheuing bedankten sich allerdings auch bei den vielen Autor*innen (mehrere Hundert mittlerweile), den neu hinzugekommenen Trägerorganisationen, den ehrenamtlichen Redakteur*innen (ein paar Dutzend) und selbstredend den Leser*innen – unter denen auch immer noch viele Abonnent*innen der ersten Jahre sind.

Ein intensiver zweiter Tag

Die Breite der Impulse, Panels, Workshops und interaktiven Formate des Symposiums kam am zweiten Tag der Konferenz voll zur Geltung. In bis zu fünf parallelen Sessions tagten die Konferenzteilnehmer*innen. Auch wenn dies in manchen Formaten zur Folge hatte, dass es eher weniger Teilnehmer*innen pro Panel waren, wurde die Vielfalt der Auswahl und die Intensität des Austausches wertgeschätzt.

Eine kurze Auflistung kann die Vielfalt bestens illustrieren:

  • Eine ganze Reihe an Workshops und Vorträgen thematisierte das Verhältnis von Klimakrise und nachhaltigem Frieden: Jürgen Scheffran, Daniela Pastoors, Rebecca Froese und Melanie Hussak sowie Daniel Bucurescu thematisierten Transformationsprozesse; Angelika Claußen fokussierte auf die Klimawirkung aktiver Abrüstung; Wolfgang Send teilte seine Überlegungen auf ein »Grundrecht auf Energie“.
  • Feministische und herrschaftskritische Perspektiven wurden in wiederum einer Reihe an Formaten aufgebracht: Victoria Fontan (American University of Afghanistan), Adham Hamed (Austrian Center for Peace) und Mamusu Kallon (derz. Universität Innsbruck) problematisierten die Universität als Gewaltraum; Lena Wittenfeld (Universität Bielefeld) hinterfragte feministische Außenpolitik als neue Vokabel für die Friedens- und Konfliktforschung und Aidan Gnoth (Philipps-Universität Marburg) sprach in seiner Präsentation »Why we write: Barriers to criticality in Peace Studies« über Trends und Muster in der Friedens- und Konfliktforschung, in denen auch Akademiker*innen neoliberale Logiken reproduzieren und damit Möglichkeiten innovativeren Denkens verpassen.
  • Mehrere Beiträge beschäftigten sich mit Möglichkeiten gewaltfreier Alternativen und friedenspädagogischer Interventionsmöglichkeiten: Nele Anslinger (Kampagne »Wehrhaft ohne Waffen«), Stephan Brües (Wehrhaft-ohne-Waffen Modellregion Oberrhein) und Jochen Neumann (KURVE Wustrow – Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion e.V.) stellten die Ergebnisse der praktischen Anwendung von Sozialer Verteidigung in Modellregionen vor, während sich die Teilnehmenden in Annalena Groppes (Friedensakademie Rheinland-Pfalz) Workshop zu »Friedenspädagogik in polarisierenden Konflikten« im Konflikt-Mapping übten, um sich selber und ihre Erfahrungen stärker als in einem System aus Machtstrukturen und -dynamiken einbegriffen erfassen zu können.
  • Eher grundsätzliche Diskussionsrunden und Panels thematisierten disziplinäre Zukunftsfragen: So kamen Corinna Hauswedell (u.a. IWIF) und Dorothée Goetze (Mittuniversitetet Schweden) über die Zukunft der Historischen Friedens- und Konfliktforschung ins Gespräch, während eine Paneldiskussion von Klaus Boehnke (Constructor University Bremen), Janine Dieckmann (IDZ Jena), Stefanie Hechler (DeZIM-Institut), Ruth Ditlmann (Hertie School), Klaus Harnack (W&F) und Frank Eckerle (Philipps-Universität Marburg) die Zukunft der Friedenspsychologie thematisierte.
  • Einen weiteren Schwerpunkt bildeten Impulse zu neuen Entwicklungen in der Rüstungsforschung und Rüstungskontrolle, aber auch der Proliferation von Waffengattungen, wie bspw. »Krieg im Weltraum? Es ist mal wieder Fünf vor Zwölf« von Dieter Engels (Universität Hamburg) oder auch Jens Hälterleins (Universität Paderborn) Kritik an den Legitimationsstrategien für autonome Waffensysteme.
  • Grundsätzliche Begriffliche, theoretische oder methodische Beiträge spannten sich über eine Vielzahl an Themen und Disziplinen: so bspw. der Beitrag »Frieden und Konflikt in der digitalen Ära« von Timothy Williams (Universität der Bundeswehr München), der die Entwicklungen im digitalen Raum und die Auswirkung dort stattfindender Eskalationsdynamiken auf das Ausüben von Gewalt illustrierte, oder auch der Beitrag »Der Afroplanetarismus als Friedensphilosophie?« von Korassie Téwéché (Universität Münster), der die Bedeutung einer Aufarbeitung kolonialer Vergangenheit bei gleichzeitiger Überwindung historizistischer Konzepte philosophisch-konzepzionell darlegte.

Den Krieg gegen die Ukraine einordnen – und Perspektiven schaffen

Voll besetzt waren die beiden letzten Paneldiskussionen der Konferenz am Samstagnachmittag zu Fragen der Analyse und der Bearbeitbarkeit des Kriegs in der Ukraine. Auch mehr als eineinhalb Jahre nach dem Angriff bleibt der Krieg ein bewegendes und bedeutendes Thema, erst recht für die Friedens- und Konfliktforschung und Friedensbewegte.

Den Auftakt bereitete ein Expertengespräch »Der Russische Angriffskrieg – Versuch einer politisch-soziologischen Analyse« organisiert von Paul Schäfer. Den Versuch einer solchen Einordnung und damit auch des Zugangs zu Fragen von Kriegsursachen, Kriegszielen und Kriegsdynamiken unternahmen Klaus Dörre (Universität Jena), der seinen Input unter den Titel »Kampf um eine neue Weltordnung« stellte, und Klaus Schlichte (Universität Bremen), der »Zur Politischen Soziologie des Angriffskrieges« sprach. Während Dörre das Ringen um Einfluss und Herrschaft in einer neuen Ära der Konkurrenz thematisierte, problematisierte Schlichte mit seinem Beitrag einerseits die je für sich analytische Schwäche realistischer und liberaler Erklärungsversuche des Angriffskrieges und hob andererseits in seiner kritischen Soziologie internationaler Beziehungen ermöglichende und bedingende Komplexe hervor, die ein solch vertieftes Verständnis ermöglichen sollen. Vor allem der „postimperiale Habitus“ in der Politik Russlands als eine strukturierende Erzählung ermögliche eine Analyse der Kriegsermöglichung und unter anderem auch der eingeschränkt erscheinenden Handlungsoptionen staatlicher Akteure. Schlichte warnte auch vor der strukturierenden Wirkung der Kriegslogik, in der nun die behauptete neue Konfliktlinie zwischen »Demokratien« und »Autokratien« Konflikte aufzuladen und zu militarisieren drohe. Dörre hob er hervor, dass die aktuellen Kriege die Menschheit gefährlich dicht an den Abgrund führten (Ökozid), da dadurch die überfällige Konzentration auf die Bewahrung der Umwelt blockiert werde. Die Solidarität mit der überfallenen Ukraine, die er bejahte, könne schon von daher nicht „bedingungslos“ sein.

Die anschließende Podiumsdiskussion »Den Krieg beenden, den Frieden gewinnen – Lösungsvorschläge« brachte MdB Kathrin Vogler (u.a. Bund für Soziale Verteidigung), Thomas Nielebock (Universität Tübingen), Tobias Debiel (INEF) und Corinna Hauswedell (u.a. IWIF) in der Diskussion zusammen. Die Beiträge der Diskutant*innen drehten sich um ganz konkrete und handlungspraktische Möglichkeiten für eine Friedensordnung, die über den Status Quo des Krieges hinausblickt und schon jetzt ein »danach« ins Auge fasst.

Eine Konferenz vor gleichzeitig welt­politisch herausragenden Ereignissen

Der zweite Konferenztag war im Verlauf des Tages zunehmend auch überschattet von den Nachrichten über den Überfall der Hamas auf israelische Kibbuzim, ein Musikfestival sowie die Raketenangriffe von ungeahnter Vielzahl – und nicht zuletzt durch die Nachrichten über Todesopferzahlen in schwindelerregender Höhe. Dass es der tödlichste Angriff auf jüdische Menschen seit der Shoah sein würde, war noch nicht erkennbar – aber es wurde klar, dass es nicht bei dem akuten Angriff und einem entsprechenden Gegenschlag bleiben würde. Die schon am frühen Nachmittag einlaufenden drastischen Meldungen ließen befürchten, dass eine abermalige, langfristige Eskalation drohte, die Menschenleben, Lebensgrundlagen sowie eine Aussicht auf anhaltenden Frieden in Israel, aber auch in der Region, langfristig zu schädigen in der Lage war.

Diese gewaltvolle Eskalation brachte die ganz realweltlichen Kontexte der Themen der Konferenz »Wissenschaft für den Frieden« noch einmal akut ganz nah. Die Welt ist kein friedlicher Ort und über Frieden zu forschen, zu sprechen und dafür zu streiten ist sogleich Aufgabe wie auch immer wieder aufs Neue herausfordernd. Dennoch gaben viele der Tagungsbeiträge (beispielsweise zu gewaltfreiem Widerstand, zu engagierter Friedensarbeit und dem Potential wissenschaftlicher Innovation) Anlass zu dem Glauben daran, dass Konflikte festgefahren sein können, aber nicht ewig sind, dass Wissen nicht feststeht sondern andauernd getestet und geschaffen wird, und dass Frieden immer wieder neu gedacht wird und somit auch neu erarbeitet werden kann.

An die Aufgabe, genau dies zu tun, erinnerte David Scheuing bei seinen Schlussworten zum Ende der Konferenz. Kurz stellte er heraus, dass gerade die von kollegialem Austausch geprägte Stimmung und das intergenerationelle und interdisziplinäre Interesse der Tagungsteilnehmer*innen an den Beiträgen anderer Teilnehmer*innen die wesentlichen und den Geist von W&F aufs Neue bestätigenden Eindrücke von diesem Jubiläumssymposium waren. Er gab den Besucher*innen noch mit auf den Weg nach Hause, dass W&F auch für die kommenden Jahre den Anspruch anmeldet, als wesentlicher Kompass in einer unübersichtlichen Welt der Kriege und Konflikte dienen zu können – dass es dafür aber auch der finanziellen und strukturellen Grundlagen bedürfe. Damit seien auch alle Leser*innen aufgefordert, W&F breiter bekannt zu machen und somit auch »Wissen für den Frieden« weiter sicherzustellen.

Den allerletzten Schlusspunkt zur Konferenz setzte allerdings Hans-Jörg Kreowski mit seinem spontan auf der Konferenz verfassten Gedicht in Anlehnung an die Tradition der konkreten Poesie. Zu Fünferblöcken gefügt reihten sich zentrale Titelworte aller Konferenzbeiträge hintereinander und machten so zum Schluss noch einmal fulminant sichtbar, was es bedeutet »Wissenschaft für den Frieden« zu denken.

Zusammengestellt von Astrid Juckenack und David Scheuing

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2024/1 Konflikte im »ewigen« Eis, Seite 52–54