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W&F 2000/1

El Salvador – Problematische Dynamik institutionalisierter Konfliktlösung

von Ulf Baumgärtner

Seit fast acht Jahren ist das kleine mittelamerikanische Land El Salvador auf dem Weg zu einem »dauerhaften Frieden«, dem Ziel, das sich die unter dem Namen »Esquipulas II« bekannte Initiative der damaligen mittelamerikanischen Präsidenten 1987 setzte. Der »nicht internationale bewaffnete Konflikt« – so die Definition des Protokolls II zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 – begann 1980, dem Jahr, in dem Erzbischof Romero ermordet und die FMLN (Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí) als Zusammenschluss von fünf Guerilla-Organisationen gegründet wurde. Beendet wurde er mit den Friedensverträgen zwischen der salvadorianischen Regierung und der FMLN am 16. Januar 1992. Der salvadorianische Friedensprozess gilt als erfolgreich. Ist er es wirklich?

Erfolgreich ist der salvadorische Friedensprozess in dem Sinne, dass die beiden vormaligen direkten Konfliktparteien nicht mehr auf einander schießen und die Vereinten Nationen ihre Überwachungsmission praktisch abgeschlossen haben, weil alle Vereinbarungen umgesetzt wurden. Dies allerdings in vielen Punkten (Menschenrechts-Ombudsbüro, Justizreform, Wahlrechtsreform, neue Polizei, Landübertragungsprogramm, wirtschaftliche und soziale Konzertation u.a.) mehr schlecht als recht. Trotz der von den neoliberalen MusterschülerInnen, zu denen die Regierungen der rechtsextremen ARENA-Partei (Republikanische Nationalistische Allianz) seit 1989 zählen, bekannten günstigen makroökonomischen Indices hat die Massenarmut weiter zugenommen. Täglich versuchen Hunderte von SalvadorianerInnen illegal in die USA zu kommen. Die Überweisungen derjenigen, die es geschafft haben, halten die Wirtschaft in Gang: Sie sind mit jährlich weit über einer Milliarde Dollar die wichtigste Devisenquelle El Salvadors. Seit Kriegsende ist die Zahl der Morde Jahr für Jahr gestiegen und liegt heute mit über 10.000 pro Jahr höher als während des Krieges. Der Schriftsteller Manlio Argueta spricht in diesem Zusammenhang von einem »sozialen Krieg«.

Die Beendigung einer bewaffneten Auseinandersetzung bedeutet also noch lange nicht Frieden. Warum das so ist, wird im Folgenden am salvadorianischen Beispiel erläutert. Dazu wird an die Ursachen des Krieges erinnert und werden die Bedingungen und die Dynamik der Konfliktschlichtung beschrieben.

Die Ursachen des Krieges
in El Salvador

Die extrem ungleiche Landverteilung, die mit Landvertreibungen vor allem im Zuge des Kaffee-Booms Ende des letzten Jahrhunderts erzwungen und mit den Mitteln des Staatsterrorismus von den Streit- und Sicherheitskräften und einem flächendeckenden Apparat von paramilitärischen Gruppen aufrecht erhalten wurde, gilt als Ursache der lang anhaltenden sozialen Krise, die wiederholt zu Aufständen geführt hat. So im Jahr 1932, als die Kaffeebarone ihre Entschlossenheit gegebenenfalls für Friedhofsruhe zu sorgen bewiesen, indem sie ca. 30.000 Menschen umbringen ließen.

Wie der Aufstand von 1932 von den in der Weltwirtschaftskrise zusammengebrochenen Kaffeepreisen mit verursacht worden war, bescherte die Hochkonjunktur nach dem Zweiten Weltkrieg El Salvador hohe Deviseneinnahmen aus dem Kaffee-Export. Das Land wurde elektrifiziert, der Baumwollanbau kam als neue Devisenquelle (und wurde bis zum ökologischen Selbstmord forciert) und mit dem Aufbau einer Leichtindustrie wurde Importsubstitution betrieben. Es entstand der Mittelamerikanische Gemeinsame Markt, der aber schon bald von den Ungleichgewichten zwischen den beteiligten Ländern gefährdet wurde. Zum endgültigen Bruch kam es, als sich Honduras und El Salvador 1969 den kurzen »Fußballkrieg« lieferten. Seine wesentliche Ursache war die Politik des damaligen honduranischen Präsidenten, der die Forderungen der eigenen Bauernschaft nach einer Agrarreform mit der Vertreibung von salvadorianischen SiedlerInnen meinte erfüllen zu können. Das Militärregime in El Salvador war weder willens, die aus Honduras Vertriebenen zu integrieren, noch den wachsenden sozialen Konflikte mit längst überfälligen Reformen zu begegnen. Die entstehende soziale Bewegung speiste sich aus zwei Quellen: den christlichen Basisgemeinden, die im Gefolge der lateinamerikanischen Bischofskonferenz von Medellín (1968) entstanden, und den Guerillaorganisationen, die sich ab 1970 entwickelten. Die massiven Wahlfälschungen, mit denen 1972 und 1977 die Opposition um ihre Siege gebracht wurde, taten ein Übriges.

Im Oktober 1979 wurde der gerade regierende General von jungen Offizieren hinter denen auch zivile Reformkräfte standen gestürzt – der letzte Versuch, den offenen Krieg zu verhindern. Er scheiterte, weil die US-Regierung, von der Sandinistischen Revolution in Nicaragua (1979) alarmiert, eingriff. Die erste Reagan-Regierung (ab 1981) war entschlossen, in El Salvador die »Entscheidungsschlacht gegen das Vordringen des Kommunismus« in Lateinamerika zu schlagen – und ließ sich das 10 Jahre lang ca. eine Million US-Dollar pro Tag an Militär- und Wirtschaftshilfe kosten.

Der Beginn
des Friedensprozesses

Verschiedene nationale und regionale Dialog-Versuche in den Jahren zwischen 1981 und 1987 scheiterten. Die FMLN beharrte darauf, dass es keinen Waffenstillstand und schon gar keine Demobilisierung ihrer Truppen ohne substanzielle militärische, politisch-institutionelle und wirtschaftlich-soziale Reformen geben konnte. Die regierenden ChristdemokratInnen hatte keine wirkliche Macht. In der Tradition der Kaffeediktatur setzten die in der ARENA-Partei neu formierten Kräfte der Oligarchie und die Streitkräfte auf eine Zerschlagung der »Subversion«.

Die Wende wurde mit dem Esquipulas II-Abkommen eingeleitet. Im Kern ging es darum, die Unterstützung von »irregulären Kräften« (gemeint war die nicaraguanische Contra) und »Aufstandsbewegungen« (gemeint war die FMLN) durch ausländische Regierungen zu unterbinden. Die Reagan-Regierung war mit Esquipulas II einverstanden, weil dadurch die Sandinisten zu vorgezogenen Wahlen gezwungen wurden, bei denen sie geschlagen werden konnten. Das war dann auch im Februar 1990 der Fall. Zu diesem Zeitpunkt war die Mauer in Berlin bereits gefallen. Der endgültige Rückzug der UdSSR aus der Region wurde zum ersten Punkt auf den Tagesordnungen der sowjetisch-amerikanischen Präsidentengipfel. Er wurde bekanntlich flott abgearbeitet. Damit war das strategische Ziel der US-Intervention in Mittelamerika erreicht.

In El Salvador selber hatten sich die Bedingungen ebenfalls verändert. Im März 1989 gewann die ARENA-Partei die Präsidentschaftswahlen. Da Wirtschafts- und Finanzlobby, welche die christdemokratische Regierung fünf Jahre lang bekämpft hatten, hinter dem neuen Präsidenten standen, waren die Voraussetzungen für ernsthafte Verhandlungen gegeben. Ein erster Versuch im September 1989 scheiterte jedoch, weil die Regierungen in Washington und San Salvador die FMLN für schwächer hielten als sie tatsächlich war und sich entsprechend intransigent zeigten. So löste die FMLN 1989 ihre parallel zu den Verhandlungsbemühungen vorbereitete Offensive aus. Sie machte allen Beteiligten klar, dass die Guerilla auf absehbare Zeit militärisch nicht zu besiegen war. In der Situation des zu Ende gehenden Kalten Krieges wurde eine Verhandlungslösung für die US-Regierung akzeptabel. Die Rolle des Vermittlers konnte dabei getrost den Vereinten Nationen übergeben werden.

So begannen im April 1990 die Verhandlungen. Da die FMLN-Offensive klargestellt hatte, dass es keine Demobilisierung auf der Grundlage vager Versprechungen geben würde, wurde vereinbart, zunächst eine Reihe von Reformen und dann erst einen Waffenstillstand auszuhandeln. Dazu gehörten: Reform der Streit- und Sicherheitskräfte, Justizreform, Menschenrechte, Wahlrechtsreform, ökonomische und soziale Themen, politische Teilnahme der FMLN, Beendigung des bewaffneten Konfliktes, Überwachung durch die Vereinten Nationen. Zum ersten Themenkomplex gehörten so heikle Fragen wie Säuberung der Streitkräfte, Beendigung der Straffreiheit für Uniformierte, Unterordnung der Streitkräfte unter die Zivilgewalt, Ersatz der dem Kriegsministerium unterstellten Sicherheitskräfte durch eine Zivilpolizei, Auflösung der paramilitärischen Strukturen und Truppenreduktion.

Der Verlauf
der Konfliktschlichtung
am Beispiel der Militärfrage

Da es den Rahmen dieser Abhandlung sprengen würde, den Verlauf der Verhandlungen zwischen April 1990 und Januar 1992 detailliert nachzuzeichnen (z.B. wie der Punkt »wirtschaftliche und soziale Fragen« zu kurz kam und die neoliberale Wirtschaftspolitik ausdrücklich festgeschrieben wurde), wird im Folgenden nur die Auseinandersetzung um die Zukunft der bewaffneten Kräfte beider Seiten skizziert. An diesem Beispiel werden das reale Kräfteverhältnis zwischen den Parteien und die Dynamik der Verhandlungen deutlich.

Die Frage nach der Zukunft ihrer Militärapparate war für beide Seiten entscheidend. Für die FMLN war klar, dass sie mit der Demobilisierung ihr wichtigstes Instrument zur Durchsetzung gesellschaftlicher Reformen aus der Hand geben würde. Für die Streitkräfte war klar, dass sie mit den Reformen, die zur Diskussion standen, ihre zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung der inneren Ordnung verlieren würden. Nachdem die Verhandlungen an entscheidenden Aspekten der Militärfrage mehrfach zu scheitern drohten, ging die FMLN im August 1990 das Thema von einer neuen Seite an. Sie schlug die Abschaffung beider Streitkräfte vor. Die Regierung lehnte es ab, auch nur darüber zu verhandeln. Erst nach intensiver UNO-Diplomatie und einem weiteren militärischen Vorstoß der FMLN, bei dem sie zum ersten Mal Luftabwehrraketen einsetzte, gelang im März 1991 ein erster Durchbruch: Die Regierung stimmte Verfassungsänderungen zu, mit denen die Rolle der Streitkräfte auf die Landesverteidigung beschränkt wurde. Danach stagnierten die Verhandlungen erneut. Wieder ergriff die FMLN die Initiative: Sie schwenkte auf die Zimbabwe-Lösung ein und schlug im Juli 1991 die Integration ihrer KämpferInnen in die Regierungsstreitkräfte vor. Der UNO-Generalsekretär rief die Parteien nach New York. Als die Verhandlungen dort zu scheitern drohten, machte die FMLN neue Konzessionen: Sie begnügte sich mit einer zwanzig prozentigen Beteiligung an der neu zu schaffenden Zivilen Nationalpolizei. Die Zugangsbedingungen zu dieser Polizei wurden dann so hoch geschraubt, dass später nur wenige FMLN-Kader in Führungspositionen kamen. Am 31. Dezember 1991 wurden die Verhandlungen abgeschlossen, die Friedensverträge am 16. Januar 1992 unterzeichnet und am 1. Februar begann der Waffenstillstand.

Einige Hinweise auf die mühselige Entstehung der neuen Zivilen Nationalpolizei (Policia Nacional Civil, PNC) illustrieren, wie sich die Dynamik der Verhandlungen in die Umsetzung ihrer Ergebnisse hinein verlängert hat. In der Waffenstillstandsphase sollte die schrittweise Demobilisierung der FMLN-KämpferInnen mit der Auflösung der alten Sicherheitskräfte und dem Aufbau der neuen PNC verzahnt werden. Als Erstes versuchte die Regierung, die Verträge zu unterlaufen, indem sie die Finanzpolizei und die Nationalgarde in eine Militär- bzw. Grenzpolizei umwandelte, statt sie aufzulösen. Dann schleuste sie die Kriminalabteilung der alten Nationalpolizei, die z.B. in die Vertuschung der Ermordung von sechs Jesuiten-Priestern, ihrer Haushälterin und deren Tochter im November 1989 verwickelt war, geschlossen und ohne vorherige Säuberung in die neue PNC. Der bis Anfang diesen Jahres amtierende erste Inhaber des neuen Vizeministeriums für öffentliche Sicherheit Hugo Barrera ließ nichts unversucht, innerhalb der PNC mit ehemaligen Angehörigen der Streit- und Sicherheitskräfte Parallelstrukturen aufzubauen. Wann immer die UNO für deren Entfernung aus dem Polizeidienst sorgte, machte er diese kurzerhand zu »Beratern«. In den Jahren, in denen Victoria Velásquez de Avilés das auf die Friedensverträge zurückgehende Amt der Ombudsfrau für Menschenrechte bekleidete (1995-98), spiegelten ihre Berichte solche Entwicklungen wider: 1996 z.B. waren Beamte der PNC für 55,7 Prozent der bei dem Ombudsbüro angezeigten 4.455 Fälle von Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Wurde diese Einrichtung in der Amtszeit von Frau de Avilés in Meinungsumfragen als vertrauenswürdigste Institution des Landes genannt, so hat ihr Nachfolger, ein mittelmäßiger, in Korruptionsfälle verwickelter vormaliger Richter, diesen Kredit längst verspielt. Und auch mit der PNC scheint es weiter abwärts zu gehen. Ihr neuer Direktor Mauricio Sandoval hat sein Handwerk Anfang der 70er-Jahre an der Polizeiakademie von Taiwan gelernt und war zuvor Chef des neuen Geheimdienstes OIE, der unter Ausschluss der Öffentlichkeit und praktisch auch der UNO aufgebaut wurde und gegenüber dem Parlament nicht rechenschaftspflichtig ist.

Bilanz

Der Weg von der Forderung der FMLN nach Entmilitarisierung von Staat und Gesellschaft bis zur heutigen Situation, in der die Menschen auch der neuen Polizei wieder misstrauen müssen, illustriert die Reichweite des salvadorianischen Friedensprozesses und das soziopolitische Kräfteverhältnis in diesem Land. Mit Beginn der Friedensverhandlungen ging es der salvadorianischen Regierung und ihren internationalen Verbündeten darum, die Demobilisierung der FMLN zu einem möglichst niedrigen Preis zu bekommen; der FMLM ihrerseits darum, für diese Demobiliserung möglichst viele politische, wirtschaftliche und soziale Reformen auszuhandeln. Im Tauziehen darum entstanden die Friedensverträge und wurde um deren Umsetzung gerungen. Selbst im Kernbereich der Verhandlungen, den militärisch-politischen Reformen, gelang eine Einigung nur durch wiederholte Konzessionen seitens der FMLN. Mehr noch: Obwohl alle Beteiligten wussten, dass die soziale Ungleichheit die wichtigste Ursache des Krieges war, wurden in den Friedensverträgen die Vorherrschaft des ungebundenen Privateigentums an Produktionsmitteln und die Politik der Strukturanpassung festgeschrieben. So wurde die Gelegenheit verpasst, einen Neuanfang auf der Grundlage des gesellschaftlichen Ausgleichs und der sozialen Gerechtigkeit zu machen. Den US-Regierungen ist die Wiedereingliederung der Region in ihren Hinterhof gelungen. Die »Kriegsführung niedriger Intensität« hat ihr Ziel erreicht: Der aufbegehrende Teil der Bevölkerung hat seine Haltung geändert, Befreiung von der Vorherrschaft der USA und grundlegende Strukturveränderungen sind heute keine Themen mehr.

Vor diesem Hintergrund sind Kriminalität und Alltagsgewalt nicht erstaunlich. Die Ursachen des Massenelends wurden nicht beseitigt, weshalb Tausende von Demobilisierten beider Seiten auch nicht produktiv integriert werden konnten – und Waffen gibt es mehr als genug. So zählt die Kriminalität neben der Abwanderung in die USA zu den individuellen Lösungsversuchen. Dem Gefühl des »Rette sich, wer kann«, das in der salvadorianischen Gesellschaft vorherrscht, folgt der Ruf nach der »starken Hand«. Meinungsumfragen ergeben so regelmäßig Mehrheiten für die Einführung der Todesstrafe.

In der Abfolge von struktureller Gewalt, revolutionärer Gewalt, Staatsterrorismus und Krieg ist jetzt im Frieden niedriger Intensität eine Phase neuerlicher struktureller Gewalt gefolgt.

Einige Schlussfolgerungen bezüglich der Mediations- fähigkeit von Konflikten

Je nachdem, ob es sich um einen Beziehungskonflikt, einen Konflikt in der Gruppe, einen sozialen Konflikt oder eben einen Großkonflikt mit internen und internationalen Aspekten handelt, sind die Ausgangsbedingungen für eine Mediation sehr verschieden. Bei einem Friedensprozess wie dem in El Salvador muss nicht nur der Krieg beendet, sondern es müssen auch die Konfliktursachen beseitigt werden. Dies wiederum ist schwer vorstellbar ohne die Herstellung von Wahrheit und Gerechtigkeit, ohne Vergangenheitsbewältigung. Versöhnungsarbeit an der Basis kann aber wirtschaftliche Strukturen nicht verändern und gesellschaftliche Probleme nicht lösen.

Neben der Komplexität der Konfliktlage sind weitere Faktoren wichtig für die Erfolgsaussichten einer Mediation: das Interesse der KontrahentInnen an einer einvernehmlichen Lösung, Zeit, die Machtunterschiede zwischen den Konfliktparteien. Das Machtgefälle zwischen ehemaligen Soldaten und ehemaligen Guerilla-KämpferInnen, die in einer Gruppe oder Gemeinde aufeinander treffen, ist z.B. gering. Ihre gegenseitigen Vorurteile sind vor allem durch Indoktrinierung und Abbruch der Kommunikation entstanden. Im Interesse eines einvernehmlichen Zusammenlebens und bei entsprechender Hilfestellung lassen sich die Vorurteile abbauen, ist Konfliktschlichtung relativ leicht möglich.

Bei gesellschaftlichen oder gar internationalen Konflikten sind eine Vielzahl von Machtstrukturen (zwischen Klassen, sozialen Gruppen, Geschlechtern, Ethnien usw.) im Spiel und die Machtgefälle sind groß. Hier reichen die Beseitigung von Kommunikationsbarrieren und Verhaltensänderungen nicht aus, um die Konflikte zu lösen. Oft wollen eine oder mehrere der beteiligten Machtgruppen die sozialen Ursachen des Konfliktes gar nicht beseitigen und Basis-MediatorInnen können dies auf der Beziehungs- und gruppendynamischen Ebene nicht leisten.

Eine Schlussfolgerung für die praktische Versöhnungsarbeit hieße dann, dass sie blind bleibt ohne die genaue Analyse der verschiedenen Machtstrukturen innerhalb derer sie sich bewegt und ohnmächtig ohne das gleichzeitige Bestehen auf gesellschaftlichen Reformen zur Beseitigung der Konfliktursachen.

Zivile Friedensdienste dürfen sich deshalb nicht blind und ohnmächtig da und dort einsetzen lassen, sonst laufen sie Gefahr schlimmstenfalls integraler Bestandteil von »out-of-area«-Einsätzen zu werden.

Ulf Baumgärtner ist Diplom-Agraringenieur und Mitarbeiter der Informationsstellen El Salvador und Lateinamerika (ILA).

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2000/1 Der schwierige Weg zum Frieden, Seite