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von Fabian Virchow
Anlässlich der jüngst in Afghanistan getöteten Bundeswehr-Soldaten flackerte erneut die Diskussion auf, ob sich das deutsche Militär dort im Krieg befinde oder als »humanitärer Aufbauhelfer« tätig sei. Während der zuständige Minister noch immer für die letztgenannte Sprachregelung eintritt, stellen sich die Erfahrungen der in Afghanistan befindlichen SoldatInnen anders dar – und die Boulevardpresse mit ihrem Flaggschiff BILD spricht dies auch deutlich aus. Die dem militärischen Feld entlehnte Metapher ist nicht zufällig gewählt, tatsächlich geht es hier um die Frage, wie die mit der Wende zur »Armee im Einsatz« notwendig auftretenden Toten in den eigenen Reihen gegenüber der Öffentlichkeit begründet werden.
Auch wenn von einer militärkritischen Einstellung weiter Teile der Bevölkerung in Deutschland schon lange nicht mehr gesprochen werden kann, so gibt es doch ein verbreitetes Unwohlsein hinsichtlich mancher Auslandseinsätze der Bundeswehr einerseits sowie ein »wohlwollendes Desinteresse« andererseits. Dieses akzeptiert zwar die Existenz der Bundeswehr und steht auch der Umwandlung des deutschen Militärs in eine »Einsatzarmee« nicht grundsätzlich negativ gegenüber, verbindet dies aber nicht mit öffentlichen Bekenntnissen oder besonderem persönlichen Engagement – im Falle junger Menschen etwa mit der Ableistung des Kriegsdienstes bei der Bundeswehr oder gar der Verpflichtung zu einer längeren Dienstzeit.
Die Umwandlung der Bundeswehr in eine »Armee im Krieg« ist – von einzelnen Phasen zugespitzer Kontroverse wie etwa im Vorfeld des Kriegseinsatzes der Bundeswehr in Jugoslawien abgesehen – erstaunlich glatt über die Bühne gegangen; das hat sicher auch damit zu tun, dass »humanitäres Handeln« regelmäßig als Begründung angeführt wurde. Dies wird auf Dauer nicht so bleiben; auch in den Kommentarspalten der konservativen Tagespresse wird gemahnt, dass diese Argumentationslinie irgendwann an ihre Grenzen stoße und doch bitte von den PolitikerInnen das »nationale Interesse« als Handlungsmotiv viel stärker betont werden möge.
Weil die Bundeswehr und die für sie politisch Verantwortlichen wissen, dass das deutsche Militär und sein Einsatz als Mittel der Außenpolitik zumindest ein gewisses Maß an Billigung und Unterstützung seitens der Bevölkerung bedürfen, wird die Präsenz in der Öffentlichkeit und bei Großveranstaltungen gesucht. Nachdem durch die Schließung etlicher Bundeswehr-Standorte das deutsche Militär in manchen Regionen nicht mehr wie selbstverständlich Teil des öffentlichen Lebens ist, soll nun durch Karrieretrucks, Beratungen in Arbeitsagenturen, Info-Stände auf Messen, Werbeanzeigen, Sportveranstaltungen, Musikwettbewerbe oder die Bereitstellung von Infrastruktur bei Großereignissen wie Kirchentagen oder internationalen Sport-Events Abhilfe geschaffen werden. Dieser Werbefeldzug der Bundeswehr zielt auf die Verbesserung der allgemeinen Akzeptanz der Streitkräfte als Institution und der jeweils konkreten Militärpolitik sowie auf die Rekrutierung von Personal.
Diese zivil-militärische Kooperation im Inland trifft nicht immer auf Zustimmung; so protestierten in Bremen PfarrerInnen dagegen, dass die Bundeswehr den Kirchentag im Juni dieses Jahres als Plattform für ihre Militärwerbung genutzt hat. Auch gegen das weitere Vordringen der Bundeswehr in die Schulen regt sich Widerstand, und gegen Großveranstaltungen wie die »Münchner Sicherheitskonferenz« oder den »Celler Dialog« wird demonstriert.
Interesse an einer zivil-militärischen Zusammenarbeit bzw. der Übernahme von Aufgaben, die jahrzehntelang vom Militär selbst erfüllt wurden, gibt es auch von Unternehmen. Im Zuge der neoliberalen Privatisierungsideologie sind auch wichtige Aufgaben, ohne die das Militär nicht funktionieren könnte, an private Unternehmen ausgegliedert worden. Eine solche Entwicklung mag von manchen als Rückzug und Bedeutungsverlust des Militärs betrachtet werden; sie stellt jedoch andererseits eine weit engere Verschränkung bisher ziviler Bereiche mit militärischen Erfordernissen und Handlungslogiken als zuvor dar. In Deutschland – aber auch im Irak – gehört die Deutsche Post mit ihrem Tochterunternehmen DHL zu den Unternehmen, die von Dienstleistungen für Militär und Krieg profitieren. Dass die meisten Unternehmen mit einem solchen Engagement nur in den einschlägigen Publikationen werben, hat sicherlich auch mit der oben bereits erwähnten Ambivalenz in der Bevölkerung gegenüber der Militarisierung der Außenpolitik zu tun.
Andere Unternehmen hingegen bedienen sich ganz offen der für manche Menschen vom Militärischen offenbar ausgehenden Faszination; zum diesjährigen »Vatertag« warb das Touristikunternehmen TUI beispielsweise mit »Panzerfahren für jedermann«; und das Angebot an Computerspielen, in denen es um Krieg, militärische Missionen und die Tötung des virtuellen Gegenübers geht, ist nahezu unüberschaubar, die Fangemeinde riesig.
So zahlreich die Protagonisten einer weiteren Verschränkung des Zivilen und des Militärischen sind, so rudimentär ist bisher die Forschung in diesem Bereich. Welche Auswirkungen etwa die wachsende Dienstleistung von DHL für das Militär in den Köpfen der dort Beschäftigten hat, ist bisher völlig unklar. Das sollte freilich auch die Gewerkschaften interessieren.