W&F 2006/4

Energie- und Klimasicherheit durch Sonnenenergie

von Gerhard Knies

In W&F 3-2006 mit dem Schwerpunkt »Konfliktherd Energie« haben wir u.a. das Memorandum der Naturwissenschaftler-Initiative »Energie und Zukunft« veröffentlicht. Dr. Gerhard Knies, selbst Mitglied dieser Initiative, setzt sich in einem Leserbrief an W&F kritisch mit diesem Dokument auseinander.

Klimawandel und Energieverknappung sind täglich deutlicher werdende Gefahren des gegenwärtigen fossilen Energiesystems. Dass der Energiebedarf der weiter im Wachstum befindlichen Menschheit auch aus sauberen, erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden könnte, wird oft in Frage gestellt – manchmal mit vordergründigen Hintergedanken. Die Eigentümer von Kohle, Öl und Gasfeldern, die Besitzer von Kerntechnologie, die Entwickler von Fusionstechnologie sehen in den Erneuerbaren Energien (EE) eine unliebsame Konkurrenz und reden diese deshalb klein. Aber auch unter den Befürwortern der EE gibt es jetzt Stimmen, die sich am Kleinreden der EE beteiligen: In einem von der NaturwissenschaftlerInnen Initiative »Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit e.V.« in W&F 3/06 veröffentlichen Memorandum zur nachhaltigen Energieversorgung wird behauptet: „Zusammengenommen können all diese Techniken (Anm.: erhöhte Energieeffizienz in Kraftwerken, Kraft-Wärme-Kopplung, CO2 Abscheidung, Erneuerbare Energien) jedoch die fossilen Energieträger wohl nur zum Teil substituieren. Den durch weiteres globales Wachstum erzeugten Energiebedarf können sie auf keinen Fall decken.“

Nun sollte man bei Naturwissenschaftlern erwarten, dass eine solche Aussage auf Daten beruht. Doch Angaben über die auf der Erde verfügbaren Potenziale der EE und über die angesetzten zukünftigen Energiebedarfe, aus denen eine solche Schlussfolgerung gezogen werden müsste, werden nicht gemacht. Ist diese Aussage, die für die Stoßrichtung des Memorandums grundlegend ist, eine naturwissenschaftlich belegbare Tatsache, oder ist sie eine Spekulation?

Ich habe die dafür relevanten Zahlen recherchiert und komme zu gänzlich anderen Ergebnissen.

Um die Sache zu vereinfachen, betrachte ich hier nur die Solarenergie in den Wüsten der Erde. Hierzu gibt es leicht überprüfbare gesicherte Daten:

1. Wüstenflächen der Erde = 36 Millionen km² (Global Deserts Outlook, UNEP, 2006)

2. Energie der mittleren jährlichen direkten Normalstrahlung auf 1 km² Wüste = 2,2 TWh = 0,28 Mtce = 1,4 Millionen Barrel Öl (Studie MED-CSP des DLR für das BMU, 2005, www.dlr.de/tt/med-csp)

3. Globaler Energieverbrauch = 13 Gtce/Jahr (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Ressourcen, BGR, Hannover, Energiestudie 2004)

4. Effizienz der Energie-Umwandlung – Strahlung zu Elektrizität > 11%.

Hier bedeuten: TWh = Terawatt Stunden = Milliarden kWh, Gtce (Mtce) = Giga (Mega) Tonnen Steinkohle äquivalent, (1tce = 8140 kWh = 29 GJ (Giga Joule) = 5 Barrel Öl).

Die Wüsten erhalten jährlich Solarenergie von 10.000 Gtce = 700facher Welt-Jahresverbrauch. Oder: Der Welt-Jahresverbrauch an Energie kommt in 5,7 Stunden Sonnenschein in den Wüsten an.

Die Sonne strahlt jährlich Energie wie in einer Kohleschicht von 20 cm oder wie in einem Ölteppich von 22 cm Dicke enthalten auf die Wüsten. Rein rechnerisch könnte man damit über 9 Millionen TWh Strom pro Jahr erzeugen, etwa das 500-fache des weltweiten Stromverbrauchs von derzeit ca. 17.000 TWh. Hierfür würden ca. 0,2% der Wüstenflächen ausreichen.

Diese Zahlen zeigen, dass es in den Wüsten mehr als genug Solarenergie gibt, auch für die wachsende Menschheit.

In der Tabelle (siehe unten) wird das Solarenergie Angebot der Wüsten mit den Daten über Vorräte und Verbrauche fossiler Brennstoffe verglichen.

Aus der Tabelle sind 3 Punkte hervor zu heben:

1. Der globale Primärenergie Jahresbedarf von 13,1 Gtce kommt in 5,7 Stunden als Solarstrahlung in den Wüsten der Erde an (und der für 2100 erwartete [WBGU Bericht 2004] von 55 Gtce in 2 Tagen).

2. Die Energie aller nachgewiesenen fossilen Reserven kommt in 47 Tagen, und die aller vermuteter Ressourcen in 227 Tagen als Solarstrahlung an.

3. Der Energiegehalt aller bekannten und vermuteten Vorkommen an spaltbaren Elementen für Kernkraftwerke kommt in 13 Tagen als Solarstrahlung

Eine Satelliten gestützte Auswahl von Gebieten nach geographischen und ökonomischen Gütekriterien durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt kommt zu dem Ergebnis, dass in den MENA Wüsten solarthermische Kraftwerke 630.000 TWh Elektrizität pro Jahr erzeugen könnten (www.dlr.de/tt/trans-csp), also mehr als das 40-fache des gegenwärtigen weltweiten Stromverbrauchs von 17.000 TWh. Für den gesamten deutschen Strombedarf von 500 TWh/Jahr würde die Fläche von Berlin und Hamburg reichen (ca. 2000 km²).

Um mit der Sonnenenergie der Wüsten tatsächlich die fossilen Brennstoffe weltweit ablösen zu können, sind 3 Fragen zu beantworten:

  • Kann Solarenergie den Bedarf zeitgerecht beliefern?
  • Kann Solarenergie von den Wüsten zu den Regionen großen Bedarfs übertragen werden?
  • Ist Solarenergie ökonomisch akzeptabel?

Solarstrom zeitlich nach Bedarf

Fossile Brennstoffe sind gespeicherte Energie – Sonnenenergie muss man nehmen wenn die Sonne scheint. Sonnenschein selbst lässt sich nicht speichern, aber seine Energie kann in Hochtemperatur-Wärme umgewandelt und dann mit einfachen Mitteln verlustarm über Stunden oder Tage gespeichert werden. Das gibt solarthermischen Kraftwerken eine Vorzugsstellung: Aus gespeicherter Solarenergie können sie Strom nach Bedarf erzeugen, sogar nachts. Thermische Energiespeicherung ist technisch kein Problem und ist kostengünstig.

Längere Perioden ohne direktes Sonnenlicht können durch fossile Ergänzungsfeuerung überbrückt werden. Solarthermische Kraftwerke benötigen keine externen Ersatzkapazitäten: sie liefern gesicherte Leistung.

Übertragung zu Regionen des Bedarfs

Nach der Umwandlung in Strom kann Solarenergie problemlos und über tausende Kilometer übertragen werden. Bei Gleichstrom mit hoher Spannung (HGÜ), typischerweise zwischen 500 und 1000 kV, sind die Übertragungsverluste recht gering: ca. 3% auf 1000 Kilometer. Da große Wüsten in Nord- und Süd-Amerika, Nord- und Süd-Afrika, Nahem Osten, Indien, China und Australien vorhanden sind, könnte sauberer Strom aus Wüsten an mehr als 90% der Weltbevölkerung geliefert werden.

Ökonomie des Wüstenstroms

Solarkraftwerke erhalten Dampf aus Solarkollektoren. Dessen Energie kann mit der von Öl direkt verglichen werden. Die Kosten für Solardampf wie aus 1 Barrel Öl erzeugbar liegen jetzt, je nach Standort, zwischen 50 und 70 $. Diese Kosten können in 10-15 Jahren durch Massenproduktion auf unter 30 $ gebracht werden, mit der Tendenz langfristig weiter zu sinken, im Unterschied zu Öl und Gas. Diese Kosten variieren mit örtlicher Solarstrahlung und Kapitalkosten. Als Materialien werden in größeren Mengen lediglich Glas und Eisen gebraucht, die in großen Mengen auf der Erde vorhanden sind.

Nach Studien des DLR (siehe www.trec-eumena.org) sind innerhalb von 2-3 Dekaden erreichbar:

  • Strom Erzeugungskosten: 4 - 6 c$/kWh
  • MENA-EU Übertragungskosten: 1 - 2 c$/kWh

Mit einem EU-MENA Verbundnetz als Infrastruktur für Energie- und Klima-Sicherheit kann Solarstrom aus den Wüsten nicht nur konkurrenzfähig sondern zur »least cost option« auch für Europa werden. Kohle- und Kernkraftwerke können in ca. 50 Jahren durch Solarstrom und andere erneuerbare Energien ersetzt sein. Weitere Investitionen in Technologien zum Abbau der gefährlichen, auslaufenden fossilen Energieträger verschärfen den Klimawandel und das nukleare Risiko. Mit der Erschöpfung der fossilen Vorräte werden sie wertlos, aber nicht schadlos. Investitionen in Solartechnologie dagegen sind von dauerhaftem Wert für Klima und Energiesicherheit.

Strom und Entsalzung in K-W Kopplung

Thermische Solarkraftwerke können ca. 35% der zugeführten Solarenergie in Elektrizität umwandeln. Von der übrigen Energie können ca. 50% zur Meerwasser Entsalzung verwendet werden. So kann die Solarenergie mit bis zu 85% genutzt und mit der Abwärme von 1 TWh Strom ca. 40 Millionen m³ Wasser in Kraft-Wärme Kopplung entsalzt werden.

Globale fossile Energien: Nachgewiesene Reserven, vermutete Ressourcen, jährlicher Verbrauch, statische Reichweite

Fossil energy source
In Giga tonnes coal equivalent (Gtce) *
Proven Reserve (expected additional Resources)
Gtce
Annual Production/ consumption
Gtce
Static depletion time of reserves
In years
Solar energy delivery time to the global deserts, corresponding to
Global reserves (Resources)
in days
Annual fossil consumption
in hours
Total 1,279 (6,224) 13.1 98 47 (227) 5.7
Oil (conventional) 233 (118) 5.5 42 8.5 (4.3) 2.4
Oil (non-conv.) 96 (361) 3.5 (13.2)
Natural gas (conv.) 196 (230) 3.0 65 7.2 (8.4) 1.3
Natural gas (non-conv.) 2 (1,687) 0.1 (62)
Coal (hard and lignite) 697 (3,541) 4.1 170 25 (129) 1.8
Uranium, Thorium 56 (293) 0.5 101 2.0 (11) 0.2
1 Gtce = 29 EJ = 8,140 TWh-thermal = 5 Billion bbl oil
(Quelle: BGR, Energiestudie 2004) und die entsprechenden Lieferzeiten als Solarenergie auf 36 Millionen km² Wüste (www.unep.org/geo/gdoutlook/018.asp#fig12)

Mit der Energie der Wüsten gegen die Verwüstung der Erde:

1. Das Solarenergie Angebot der Wüsten ist mehr als 700-mal so groß wie der globale Primärenergie Verbrauch.

2. Mit Solarthermischen Kraftwerken kann man es sehr effektiv nutzen, denn sie können Solarenergie viele Stunden speichern und so Strom nach Bedarf produzieren, auch nachts.

3. Durch elektrische Fernübertragung könnten über 90% der Weltbevölkerung Solarstrom aus Wüsten erhalten. Kern- und Fusionstechnik würden vollständig überflüssig.

4. Technologie- und Wüstengürtel könnten in Kooperation Strom zu 4-6 c$/kWh und gemäß Bedarf erzeugen.

5. Wie von Prinz Hassan von Jordanien auf der Hannover Messe 2006 vorgeschlagen, könnten mit einem »Apollo« Programm DESERTEC die Wüsten in den Dienst für dauerhafte globale Energie- und Klima-Sicherheit gestellt werden (www.clubofrome.org).

6. The Club of Rome und die Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation TREC bereiten eine derartige Kooperation von Technologie- und Wüsten-Ländern vor.

7. Mit der Solarenergie der Wüsten und den vielen anderen global vorhandenen erneuerbaren Energien könnten wir uns weltweit üppig mit Energie versorgen und die Erde vor der fortschreitenden Verwüstung durch fossile Brennstoffe bewahren – wenn wir es nur wollten.

8. Eine grundlegende These des Memorandums: „Den durch weiteres globales Wachstum erzeugten Energiebedarf können sie (die Erneuerbaren Energien und andere) auf keinen Fall decken.“ steht im krassen Widerspruch zu den bekannten technischen Möglichkeiten der Solarenergie, und die darauf gestützte These „Es gibt nach unserer Einschätzung keinen rein technischen Ausweg aus der Energiekrise,“ ist dann nicht mehr zwingend. Die Möglichkeiten der EE klein zu reden schadet unserer Zukunft und nutzt den Befürwortern der Kernenergie.

Dr. Gerhard Knies, Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation TREC, in Kooperation mit The Club of Rome gerhard.knies@trec-eumena.org / www.trec-eumena.org / www.clubofrome.org

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2006/4 Zivil-militärische Zusammenarbeit, Seite