Falken im Aufwind
von Jürgen Nieth
Zwei Personalentscheidungen des US-Präsidenten haben in den letzten Wochen selbst unter befreundeten Regierungen der USA zu Irritationen geführt, bei anderen zeigt sich blankes Entsetzen: Mit John Bolton nominierte die Bush-Regierung einen ausgesprochenen UN-Gegner zum neuen US-Botschafter bei den Vereinten Nationen und mit Paul Wolfowitz, den »Irakkriegsarchitekten« zum neuen Chef der Weltbank.
Bolton – der »wohl undiplomatischste Hardliner«
Der Mann, der neuer US-Botschafter bei den Vereinten Nationen werden soll, hat sich in den letzten 20 Jahren nicht nur als ausgesprochener Hardliner hervorgetan, sondern auch als scharfer Kritiker der UN. So schreibt die TAZ (09.03.05): „Er war es, der in den 90er Jahren dafür warb, dass die USA die Zahlung ihrer Mitgliedsbeiträge an die Vereinten Nationen einstellen. Die UNO ist für ihn ein »großes rostendes Wrack einer bürokratischen Superstruktur«, die sich um unwichtige Dinge kümmert.“ Die Frankfurter Rundschau (09.03.05) bezeichnet Bolton als den „wohl undiplomatischsten Hardliner“, für den die UN ein Debattierclub ist, „der sich bestenfalls für amerikanische Interessen einspannen lässt, den man ansonsten links liegen lassen muss.“
Störfeuer als Programm
In den 1980er Jahren half John Bolton bei der Finanzierung der nicaraguanischen Contras, in den 1990er Jahren versuchte er , die Untersuchungen des US-Kongresses über die Iran-Contra-Affäre und die Verwicklung in Waffen- und Drogenschmuggel zu unterbinden. Er zählt zu den exponiertesten Falken, wenn es darum geht, internationale Abkommen zu unterbinden, die die USA auch nur im Ansatz einschränken könnten. „Bolton hat als Staatssekretär für Fragen der Rüstungskontrolle die Verhandlungen zur Stärkung der Biowaffen-Konvention sowie die mit Nordkorea torpediert. Im Atomstreit mit dem Iran lehnt er den europäischen Gesprächsansatz ab.“ (FR 09.03.05) Bolton „schrieb jenen Brief, mit dem die USA ihre Unterschrift unter das Rom-Statut zur Einrichtung des internationalen Strafgerichtshofes zurückzogen, und beschrieb das später als »den glücklichsten Moment meines Dienstes für diese Regierung«. Bei der UN-Kleinwaffenkonferenz 2001 brachte er den Versuch eines Abkommens zu Fall, in dem er erklärte, die USA würden sich jedem Versuch widersetzen, den Handel mit Schusswaffen zu regulieren, der »das verfassungsgemäße Recht zum Waffen tragen« außer Kraft setzen könnte.“ (TAZ 09.03.05)
Wolfowitz: Irakkriegsarchitekt…
Wolfowitz ist seit Jahren einer der herausragenden neokonservativen Vordenker in den USA. Sein Name taucht in fast allen konservativen US-Think-Tanks auf (siehe R. Rilling in W&F 4-2004). Den bisherigen Vize-Verteidigungsminister betrachten zahlreiche Kommentatoren als »Drahtzieher« des Irakkrieges. So schreibt die TAZ (18.03.05). „Er brachte eine Militäraktion (gegen den Irak) ins Spiel, als selbst Bush noch nicht daran dachte.“ Wolfowitz sei unzufrieden gewesen, als Bush nach dem 11.09.2001 den Plan für den Afghanistankrieg vorgelegt habe. Für ihn war Saddam Hussein der Hauptfeind, der „Massenvernichtungswaffen besitze… (und) auch bereit sei, sie an Terroristen zu verkaufen. Sein Rat: Ein Militärschlag gegen den Irak.“
…ohne Erfahrung in der Entwicklungspolitik
Entwicklungspolitik ist die zentrale Aufgabe der Weltbank, die der größte Geldgeber für Entwicklungsprojekte weltweit ist. 184 Länder sind Mitglieder. Vom Chef der Weltbank müssten also eigentlich Erfahrungen in der Entwicklungspolitik erwartet werden. Bis auf drei Jahre als Botschafter in Indonesien und einer kurzen Zeit im Außenministerium der USA hat Wolfowitz aber den größten Teil seiner Karriere im US-Verteidigungsministerium verbracht, von 1977 – 1980 als Beauftragter für die Golfregion, später als Staatssekretär unter Georg Bush, sen. und dann als stellvertretender Verteidigungsminister unter Georg Bush, jun.
Der Leiter des UN-Millennium-Projekts zur Bekämpfung von Hunger und Armut, Jeffrey Sachs, übte dementsprechend deutliche Kritik: „Es wird Zeit, dass sich andere Kandidaten melden, die Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung haben… Das ist eine Position, von der das Leben hunderter Millionen Menschen abhängt,“ dazu sei eine professionelle Führung notwendig. (zitiert nach FR 18.03.05)
Entwicklungshilfe nur noch für Freunde
„Entwicklungshilfe nur noch für Freunde der USA?“, titelt der Bonner Generalanzeiger (18.03.05). Weiter heißt es: Experten glauben nun, „dass der Kriegsfalke Wolfowitz die Mittelvergabe weniger an den finanziellen Bedürfnissen der Entwicklungsländer ausrichten wird, sondern vielmehr deren Loyalität zu den USA während des Irakkriegs als Kriterium gelten wird… Die größte Sorge gilt dem möglichen Missbrauch von Weltbankgeldern zur Finanzierung des Wiederaufbaus des Irak sowie der indirekten Subventionierung der amerikanischen Militärpräsens.“ Der Generalanzeiger zitiert dann Moises Naim, ein früheres Mitglied des Weltbankdirektoriums: „Der Mythos, es handele sich um eine Welt-Bank, gehört jetzt der Vergangenheit an. Sie wird unter Wolfowitz zu einer rein »amerikanischen« Bank, einer Art Unterabteilung des Pentagons und des Außenministeriums.“
Eine Zumutung
„Paul Wolfowitz als Präsident der Weltbank ist eine klare Provokation,“ schreibt der Züricher Tages-Anzeiger (17.03.05). „Präsident Bush weiß, dass der neokonservative Hardliner nicht nur für die Europäer kaum akzeptabel ist, sondern auch für die Schwellen- und Drittweltländer eine Zumutung darstellt. Wenn Bush seine Wahl trotzdem durchdrückt, dann signalisiert er klar und deutlich, dass er der Welt nach der Irak-Invasion eine weitere Lektion erteilen will.“
Kooperation à l‘a Bush
„Mit Wolfowitz bei der Weltbank und dem gerade erst zum neuen Un-Botschafter nominierten John Bolton macht Bush sein Versprechen war – auf seine Art. Die zweite Amtszeit, so hat er verkünden lassen, werde weniger von einsamen Beschlüssen geprägt sein, als vielmehr im Zeichen der Kooperation mit der Weltgemeinschaft stehen. Und genau deshalb schickt er seine loyalsten Mitstreiter an die Schaltstellen internationaler Politik. Ihre Aufgaben: der Welt die Bedingungen beizubringen, unter denen der Präsident zur Zusammenarbeit bereit ist.“ (Spiegel 12/2005, S. 120)