W&F 1993/4

Forschungsparadigmen

Instrumentarien psychologischer Friedensforschung

von Elfriede Billmann-Mahecha

„Die derzeitige psychologische Friedensforschung macht sich keine Illusionen über das Gewicht ihres Beitrages. Sie weiß, daß zwischen ihrer methodologisch-individualistischen empirisch-experimentellen Forschungspraxis und den gesellschaftlichen Phänomenen »Frieden« und »Krieg« Welten liegen.“ (Kroner 1988, S. 207) Wie bescheiden der Beitrag psychologischer Friedensforschung immer anzusetzen ist, irrelevant ist er keineswegs.

Inwieweit psychologische Forschung nicht-triviale Analysen friedens- und konfliktrelevanten menschlichen Handelns bereitstellen kann, hängt nicht zuletzt davon ab, inwieweit es gelingt, sinnvolle, dem Gegenstand angemessene Forschungsansätze zu realisieren. Ein wesentlicher Aspekt in dieser Diskussion dürfte die Frage der Übertragbarkeit empirischer Befunde aus der psychologischen Forschung auf gesellschaftliches oder gar weltpolitisches Geschehen betreffen (vgl. auch Thomae 1977, S. 255 ff.). Diese Frage ist aber nur dann wissenschaftlich fundiert zu beantworten, wenn sich die Psychologie in interdisziplinärer Orientierung der Kontextualität menschlichen Handelns mit der gleichen methodischen Sorgfalt annimmt wie den tradierten individuum- und gruppenzentrierten Forschungsinstrumentarien. So kann beispielsweise eine psychologische Analyse der uns derzeit beunruhigenden Gewalttaten von Jugendlichen zwar sicherlich wichtige Problemaspekte beleuchten; ein umfassendes Verstehen erfordert aber die Einbeziehung gesellschaftlich-politischer und zeitgeschichtlicher Kontexte.1

Die sozialwissenschaftliche Methodendiskussion der letzten 20 Jahre ist nicht unwesentlich geprägt von dem Spannungsverhältnis zwischen dem »interpretativen« und dem »normativen« Paradigma (Wilson 1973). Nachdem in der Auseinandersetzung um Erklären und Verstehen (v. Wright 1974), zwischen quantitativer und qualitativer Forschung bzw. zwischen nomothetischem und hermeneutischem Vorgehen zunächst die Abgrenzungsbemühungen dominierten, sind in jüngerer Zeit vermehrt theoretische und methodologische Bemühungen der Integration beider Paradigmen zu verzeichnen (z.B. Groeben 1986). Deutlich wird an solchen Integrationsbemühungen auch, daß sich die zwei als gegensätzlich herausgearbeiteten »Paradigmen« in wissenschaftstheoretischer Hinsicht jeweils doch nicht als so kohärent darstellen, wie das in manchen Lehrbüchern erscheinen mag.2

Ich werde im folgenden keinen umfassenden Überblick über die psychologische Friedensforschung geben.3 Auch möchte ich Paradigmen psychologischer Friedensforschung nicht abstrakt methodologisch diskutieren, sondern exemplarisch an konkreten Forschungsbeispielen veranschaulichen. So eignen sich zum Beispiel die bekannten, friedensthematisch durchaus relevanten Milgram-Experimente sehr gut, um die Möglichkeiten und Grenzen des nomothetischen Programms in der Psychologie zu diskutieren.

Die Milgram-Experimente als Beispiele nomothetisch orientierter Forschung

Stanley Milgram untersuchte in den 60er Jahren an der Yale-Universität die Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autoritäten. Bereits im Einführungskapitel des Buches, in dem er seine Experimente darstellte, zitiert Milgram ausführlich C.P. Snow: „Wenn man sich die lange und düstere Geschichte der Menschheit ansieht, entdeckt man, daß mehr scheußliche Verbrechen im Namen des Gehorsams begangen worden sind als jemals im Namen der Rebellion. Wer dies bezweifelt, sollte William Shirers »Aufstieg und Fall des Dritten Reiches« lesen. Das deutsche Offizierskorps wurde nach einem äußerst rigorosen Gehorsamskodex ausgebildet … Im Namen des Gehorsams waren diese Leute an den übelsten Massenaktionen der Weltgeschichte beteiligt und unterstützten sie.“ (Milgram 1974, S. 17f.)

Mit dieser zentralen Bezugnahme auf Snow stellt Milgram seine Untersuchungen zur Gehorsamsbereitschaft von vorneherein in den Kontext der Friedensthematik. Als klassisch ausgebildeter Sozialpsychologe konzipierte er eine experimentelle Basissituation, die er im folgenden, um weitere Einflußvariablen zu kontrollieren, mehrfach variierte. Die Basissituation sieht folgendermaßen aus:

„Zwei Leute betreten ein Psychologie-Labor, um an einer Untersuchung über Erinnerungsvermögen und Lernfähigkeit teilzunehmen. Einer von ihnen wird zum »Lehrer« bestimmt, der andere zum »Schüler«. Der Versuchsleiter erklärt ihnen, daß sich die Untersuchung mit den Auswirkungen von Strafe auf das Lernen befaßt.“ (Milgram 1974, S. 19) In Wirklichkeit ist nur die als »Lehrer« bestimmte Person Versuchsperson. Sie hat die Aufgabe, dem »Schüler«, der in einem Nebenraum sitzt, eine festgelegte Reihe von Aufgaben zu stellen. Bei richtiger Beantwortung wird in der Liste fortgefahren; bei jeder falschen Antwort soll ein Elektroschock in steigender Höhe, angefangen bei 15 Volt, gegeben werden. Möchte die Versuchsperson das Erteilen von Elektroschocks beenden (der »Schüler«, der in Wirklichkeit natürlich keine Schocks erhält, beginnt bei 75 Volt mit deutlichen Unbehagensäußerungen), so fordert der Versuchsleiter die Versuchsperson nachdrücklich auf, mit dem Experiment fortzufahren. Milgram versuchte, mit dieser Versuchsanordnung eine menschliche Konfliktsituation experimentell zu realisieren: „Für die Versuchsperson ist die gegebene Situation kein Spiel; ihr Konflikt ist heftig und deutlich erkennbar. Einerseits drängt die offenkundige Qual des Schülers sie dazu, die Sache aufzugeben. Andererseits befiehlt ihr der Versuchsleiter – also eine legitimierte Autorität, der sie sich in gewisser Weise verpflichtet fühlt –, das Experiment fortzusetzen.“ (S. 20)

In den ersten 4 Experimenten, an denen jeweils 40 männliche Versuchspersonen verschiedener Alters- und Berufsgruppen teilnahmen4, wurde die Nähe zum »Opfer« variiert. Die Ergebnisse dieses Experimentes und seiner Variationen erschütterten die Öffentlichkeit: Nur „35 Prozent der Versuchspersonen widersetzten sich dem Versuchsleiter bei der Fernraum-Anordnung, 37,5 Prozent bei der akustischen Rückkopplung, 60 Prozent im Raumnähe-Versuch und 70 Prozent bei der Berührungsnähe“ (S. 52f.). Umgekehrt ausgedrückt: 30 Prozent der Versuchspersonen waren selbst dann noch dazu bereit, mit dem Experiment fortzufahren, wenn der Versuchsleiter ihnen befahl, die Hand des »Opfers« mit Gewalt auf die Schockplatte zu drücken (»Berührungsnähe«). Weitere 14 Varianten des Experimentes und Wiederholungen in anderen Ländern zeigten prinzipiell ähnliche Ergebnisse.

Selbstverständlich kann dieses Experiment methodenimmanent kritisiert werden; das ist hier aber nicht mein Anliegen.5 Auch die bedeutsame ethische Frage, ob es gerechtfertigt ist, Menschen im Rahmen eines solchen Experimentes erheblichen Streßsituationen, wenn nicht gar traumatischen Erfahrungen auszusetzen (auch bei post-experimenteller Aufklärung), muß hier ausgeklammert werden.6 Unter methodologischen Gesichtspunkten interessiert hier insbesondere die Frage, ob Milgram mit der von ihm konstruierten Konfliktsituation eine friedensthematisch bedeutsame Situation erfassen konnte.

Milgram selbst war der Auffassung, daß zwar erhebliche Unterschiede zwischen der experimentellen Situation und der Befolgung von Befehlen in Kriegszeiten bestehen, daß aber die Grundvariablen solcher Situationen dennoch übereinstimmen. So vertritt er zum Beispiel mit Bezugnahme auf das bekannte CBS-Interview mit einem Beteiligten am Massaker von My Lai die Auffassung: „Im Vietnamkrieg enthüllte das Massaker von My Lai mit besonderer Deutlichkeit das Problem, dem dieses Buch gewidmet ist.“ (S. 211)

Allerdings gibt es nach Milgrams Einschätzung auch Grenzen der Übertragbarkeit, z.B. auf das Verhalten in totalitären Regimen. Mit weiteren Variationen des Experimentes konnte nämlich gezeigt werden, daß der Gehorsam der Versuchspersonen drastisch abnahm, wenn der Versuchsleiter nicht anwesend war. „Die Formen von Gehorsam in Nazi-Deutschland waren in weit größerem Maße abhängig von einer Verinnerlichung der Autorität und wahrscheinlich weniger an ständige Überwachung gebunden.“ (S. 204) Der hier angesprochene, über mehrere Jahre dauernde, politisch gesteuerte soziale Lernprozeß autoritätsgläubiger Verhaltensweisen kann nicht mehr im sozialpsychologischen Labor untersucht werden. Diese historische Dimension menschlichen Handelns bedarf anderer Analysemittel.

Ein weiterer Aspekt betrifft differentialpsychologische Fragen. Was bewegt die eine Person dazu, im Experiment gehorsam zu reagieren, und die andere, sich zu verweigern? Diese Frage stellte sich Milgram natürlich auch. Er und namhafte Kollegen suchten nach Persönlichkeitsunterschieden, nach Unterschieden im Bildungsniveau und nach Unterschieden in der moralischen Entwicklung zwischen gehorsamen und verweigernden Versuchspersonen. Aussagekräftige Zusammenhänge ließen sich nicht finden, so daß Milgram zu dem Schluß kam: „Es ist oft nicht so sehr die Wesensart eines Menschen, die seine Handlungsweise bestimmt, wie die Eigenart der Situation, in der er sich befindet.“ (S. 235) Diese Aussage erstaunt angesichts der oben erwähnten Lerngeschichte, die nicht unwesentlich unser Verhalten beeinflußt. Sie zeigt uns aber, daß auch testpsychologische Persönlichkeitsuntersuchungen nicht hinreichen, um konkretes Verhalten in menschlichen Grenzsituationen vorherzusagen.

Insgesamt betrachtet haben die Milgram-Experimente, sofern wir von ihrer Gültigkeit ausgehen können, zwar einen bedeutsamen deskriptiven Wert: Sie zeigen uns, daß vermutlich die Mehrheit sogenannter Durchschnittsbürger in extremen Konfliktsituationen durch eine von ihr anerkannte Autorität dazu gebracht werden kann, andere Menschen zu quälen. Warum das so ist und wie gesellschaftlich mehr Zivilcourage erreicht werden könnte, zeigen uns solche Experimente allerdings nicht. An einer neueren empirischen Arbeit soll nun angedeutet werden, welche friedensthematisch relevanten Fragestellungen innerhalb hermeneutisch orientierter psychologischer Forschung sinnvoll bearbeitet werden können.

Biographische Analysen als Beispiele hermeneutisch orientierter Forschung

Während die experimentelle psychologische Forschung methodisch am Ideal der klassischen Physik orientiert ist und letztlich das Ziel verfolgt, Gesetzmäßigkeiten menschlichen Verhaltens zu ermitteln (nomothetisches Paradigma), setzt die hermeneutisch orientierte Forschung andere Akzente. Ihr geht es eher um die Sinngehalte menschlichen Handelns und um die Genese dieser Sinngehalte: „Das Selbst- und Weltverständnis sowie die Praxis von Individuen können häufig nur in einer historischen und lebensgeschichtlichen Perspektive angemessen beschrieben, verstanden und erklärt werden.“ (Straub 1993, S. 21).

Eine solche Perspektive wurde von Straub in seiner Konzeption einer erzähltheoretisch begründeten Biographieforschung7 theoretisch und methodologisch ausgearbeitet (Straub 1989). Sie bildet auch die Ausgangsbasis der empirischen Studie „Geschichte, Biographie und friedenspolitisches Handeln“ (Straub 1993), die hier als Beispiel hermeneutisch orientierter psychologischer Friedensforschung erwähnt werden soll. Empirische Grundlage waren narrative Interviews8 mit 22 Naturwissenschaftlern und Naturwissenschaftlerinnen, die sich in den 80er Jahren aktiv an der Friedensbewegung beteiligt haben. Narrative Interviews ermöglichen es, „daß die jeweiligen Erzähler temporal und sozial verfaßte Ereignis-, Handlungs- und Lebenszusammenhänge aus ihrer Perspektive, nach ihren Relevanzsetzungen und in ihrer Sprache artikulieren und reflektieren können.“ (S. 49)9

Ziel der interpretativen Studie10 war, auf dieser Basis lebensgeschichtlicher Erzählungen das friedenspolitische Engagement der Informanten „in seiner zeitlichen Struktur und damit als Resultat oder Bestandteil eines in autobiographischen Erzählungen artikulierten lebensgeschichtlichen Prozesses“ zu analysieren (S. 31). Die hermeneutische Analyse erschöpft sich allerdings nicht in der Einzelfallbearbeitung. Einzelfallanalysen versteht Straub nur als einen methodischen Zwischenschritt „in der psychologischen Erfahrungs- und Erkenntnisbildung […], die letztlich auf Typisierungen und Typiken abzielt“ (S. 67). Straub entwickelte aus seinem Material drei Typiken, eine Generationstypik, eine Berufstypik und eine Geschlechtstypik, die er mit Bezug auf die Erfahrungshorizonte seiner Interviewpartner zur Darstellung bringt. Da sich hermeneutische Analysen wie die von Straub nicht so griffig zusammenfassen lassen wie die Egebnisse eines sozialpsychologischen Experimentes, möchte ich zur Veranschaulichung nur einen Aspekt aus diesen Typiken herausgreifen.

Im Rahmen der Generationstypik analysiert Straub die zeitgeschichtlichen Rahmenbedingungen für die individuell-biographische Entwicklung seiner Interviewpartner. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der »Göttinger Erklärung«11 vom 12.4.1957 zu, mit der sich fast alle Interviewpartner in der einen oder anderen Weise auseinandergesetzt haben. Nach einer gesellschafts-politischen Einordnung der »Göttinger Erklärung« analysiert Straub deren Stellenwert für die Lebensgeschichten seiner Informanten. Er kommt dabei zu dem Ergebnis: „Die »Göttinger Erklärung« ist, wie die vorliegenden empirischen Materialien nahelegen, wohl längst auch ein allgemeineres Symbol für einen Typus des politischen Denkens und Handelns, dem für die Explikation des Selbstverständnisses und der Praxis der in unseren Tagen friedenspolitisch engagierten Naturwissenschaftler eine wichtige Bedeutung zukommt.“ (S. 205) Diese Bedeutung liegt u.a. in dem durch die Erklärung gestifteten Bewußtsein, „daß sich die Frage nach der individuellen Mitverantwortung des einzelnen Naturwissenschaftlers für gesellschaftliche und politische Prozesse keineswegs ohne weiteres beiseite schieben läßt“. (ebenda)

Um einen – sicherlich unzureichenden, minimalen – Einblick in das solchen Analysen zugrundeliegende empirische Material zu geben, sei noch eine kurze Interviewpassage zitiert. (Der männliche Informant ist 46 Jahre alt, war also zur Zeit der »Göttinger Erklärung« selbst noch im Schulalter.):

„Der M (Name) ist ein Chemiker, der aber auch alles mögliche macht, der hat also auch den X-Preis (öffentliche Auszeichnung für besondere Leistungen, J.S.) mal gekriegt, das ist ein sehr berühmter Naturwissenschaftler eigentlich, Namen, die man eigentlich kennt, so als Student ist man ganz ehrfürchtig davor, daß die, und das ist eigentlich das, das im Grunde sehr Motivierende, daß sich also berühmte Wissenschaftler, die man kennt von der Wissenschaft her, daß sich die stark engagieren.“ (zit. nach Straub 1993, S. 204)

Auch wenn diese Passage aus dem Gesamtzusammenhang des Interviews »gerissen« ist und hier weitere für das friedenspolitische Engagement des Informanten relevante biographische Erfahrungsbereiche nicht angesprochen sind, so zeigt sie doch, welche Rolle dabei anerkannte Autoritäten spielen können. Während in Milgrams Experimenten in einer fingierten Situation »anerkannte Autoritäten« (Wissenschaftler) Menschen dazu gebracht haben, andere vermeintlich menschenunwürdig zu behandeln, wird hier die Orientierung an Autoritäten in der realen Lebenspraxis thematisiert, allerdings im Hinblick auf das Prinzip Verantwortung.12

Biographische Analysen erhellen den lebensgeschichtlichen Erfahrungszusammenhang solcher und anderer lebenspraktisch bedeutsamer Orientierungen. Die zitierte Studie von Straub erhellt insbesondere die Bedeutung zeitgeschichtlicher Ereignisse sowie berufs- und geschlechtsspezifischer Erfahrungen für die individuelle Entwicklung friedenspolitischen Engagements. Wissen dieser Art ist im sozialpsychologischen Experiment nicht zu gewinnen. Das Experiment untersucht demgegenüber situationale Einflüsse unter weitgehender Abstraktion von lebensgeschichtlichen Erfahrungsbereichen. Versteht man Methoden und damit auch Paradigmen der Forschungspraxis als Mittel zum Zweck und nicht als Selbstzweck oder gar Weltanschauung, so haben wohl beide bisher angesprochenen Forschungsparadigmen, bezogen auf je eigene Fragestellungen ihre Berechtigung. Weder das sozialpsychologische Experiment noch der biographische Ansatz können allerdings Veränderungswissen im Hinblick auf gesellschaftliche Konfliktlagen bereitstellen. Straub (1993) versteht mit Bezug auf Taylor die Humanwissenschaften sogar prinzipiell als unabänderlich historisch, d.h. rückwärtsschauend (S. 19f.).

Als drittes Beispiel soll nun noch die handlungstheoretisch orientierte Konfliktforschung betrachtet werden. Mit der Biographieforschung teilt sie die zentrale Bezugnahme auf den Handlungsbegriff und damit auf ein Menschenbild des reflexiven Subjekts. Mit der experimentellen Sozialpsychologie teilt sie den zentralen Bezug auf konkrete soziale Interaktionssituationen.

Handlungstheoretisch orientierte Konfliktforschung

Die handlungstheoretisch orientierte Konfliktforschung hat einen wesentlichen Ursprung in der sog. Erlanger Schule des Konstruktivismus (Kamlah & Lorenzen 1967; Lorenzen & Schwemmer 1975). In engem Zusammenhang mit dieser wissenschaftstheoretischen und philosophischen Grundlegung entwickelte Werbik (1974) eine „Theorie der Gewalt“. Schwemmer (1976) formulierte zwei Prinzipien, das praktische Vernunftprinzip und das Moralprinzip, zur Lösung von Konfliktsituationen, auf deren Basis Kempf (1978) ein Modell der argumentativen Konfliktlösung entwarf. Kaiser & Seel (1981) entwickelten und erprobten, ebenfalls an diese Tradition anknüpfend, in einem groß angelegten Beratungsforschungsprojekt eine Konfliktberatungsstrategie. Einher ging diese Entwicklung der Erlanger Konfliktforschung mit der Entwicklung handlungstheoretischer Konzepte und einer ausführlichen Beschäftigung mit der Aggressionsforschung (Hilke & Kempf 1982).13

Als jüngstes Beispiel dieser Forschungstradition, zu der letztlich auch – unter Einbeziehung weiterer, soziologischer und geschichtswissenschaftlicher, Theorietraditionen – Straub (1993) zu zählen ist, sei hier ein Beitrag von Kempf (1993) vorgestellt. In diesem geht er von dem Ziel einer argumentativen Konfliktlösung aus und benennt als deren grundlegende idealtypische Bedingung den »herrschaftsfreien Dialog«. Die Orientierung an einem »herrschaftsfreien Dialog« ist selbst dann aufrechtzuerhalten, wenn die konkreten Konfliktgespräche weit entfernt von einem solchen Ideal sind: „Es gibt also ein Nebeneinander von Diskurs, Veränderung der Wahrnehmung und Veränderung der Realität – und nicht ein Nacheinander, wonach erst die Machtbasis gleich und die gegenseitige Anerkennung gewährleistet sein muß, bevor man überhaupt in ein Gespräch eintreten kann. Man findet sich zum Gespräch zusammen und tut so, als seien die Voraussetzungen gegeben, um in Wahrheit erst den Boden zu bereiten, auf welchem sie wachsen können.“ (S. 58) Anerkennt man diese Notwendigkeit der – kontrafaktischen – Unterstellung eines »herrschaftsfreien Dialogs«, so kann es auch gelingen, Friedensgespräche selbst dann fortzusetzen, wenn der Konflikt außerhalb dieser Gespräche fortdauert.

Sind diese Voraussetzungen für eine argumentative Konfliktlösung gegeben, so hängt deren Gelingen wesentlich davon ab, inwieweit die Bedeutungsviefalt von Handlungen von den an den Beratungen Beteiligten in Rechnung gestellt werden kann. Kempf verweist hier auf die prinzipielle Kontextabhängigkeit der Bedeutungen unserer Handlungen. Dieser Kontext „besteht sowohl aus dem Kontext der gesellschaftlichen und ökologischen Lebensbedingungen der Subjekte als auch aus dem jeweils individuellen Kontext ihrer Biographien, ihrer Lebenserfahrungen, Wünsche, Hoffnungen, usw. […] Handlungen gehören somit grundsätzlich zu mehreren Kontexten gleichzeitig.“ (S. 60f.) Aus dieser nicht zu reduzierenden Bedeutungsvielfalt entsteht auch das Problem, in Konfliktsituationen eine Perspektive einzunehmen, die nicht der eigenen Position in den konflikthaften Handlungszusammenhängen entspricht.

Nach diesen grundlegenden Überlegungen stellt Kempf ein Modell vor, das die Eigendynamik von Konflikten, die sich unabhängig von den Intentionen der beteiligten Konfliktparteien autonom entfalten kann, zu verstehen erlaubt. Es geht dabei insbesondere um die Wirkungen nicht-intendierter und nicht-wahrgenommener Nebenfolgen von Handlungen in Konfliktsituationen, die in bestimmten Konstellationen zu einer Stabilisierung oder Eskalation des Konfliktes (anstatt zu seiner Lösung) führen. Solche Prozesse können am Modell veranschaulicht und damit bewußt gemacht werden.

Kempf erläutert sein Modell am Beispiel eines Ehekonfliktes, in dem nur zwei Handlungsweisen (der Ehefrau und des Ehemannes) miteinander unverträglich sind. Es ist das Wesen von Modellen, faktische Komplexität auf relevante Variablen zu reduzieren, wobei sich die Relevanz der Variablen aus der jeweils eingenommenen theoretischen Perspektive ergibt. Der Vorteil solcher Modelle von Handlungszusammenhängen mehrerer Akteure ist, komplexe Situationen – wenn auch stark vereinfacht – übersichtlich und strukturiert zu veranschaulichen und damit Lösungsmöglichkeiten gedankenexperimentell (auf dem Papier) durchspielen zu können.

Kempf selbst konstatiert, daß politische Konflikte viel komplexer sind als der von ihm als paradigmatisches Beispiel verwendete Ehekonflikt. Es wäre eine »sträfliche Vereinfachung«, politische Konflikte auf die von ihm erläuterten Aspekte zu reduzieren. Der Fortschritt handlungstheoretischer Analysen von Konfliktsituationen besteht also weniger darin, bereits – über normative Prinzipien hinausgehendes – praktisch nutzbares Veränderungswissen auch für politische Konfliktlagen bereitzustellen, sondern darin, die Komplexität menschlichen Handelns erst einmal an ganz einfachen Beispielen aufzuzeigen. Hierzu gehört die Unterscheidung mehrerer Ebenen von Handlungsorientierungen (Kempf 1982), die Unterscheidung von subjektiven und objektiven Bedeutungen einzelner Handlungsweisen sowie die Untersuchung der historisch und sozial vermittelten lebensgeschichtlichen Genese von Handlungsorientierungen und deren individuelle und kollektive Bedeutungen.

Handlungstheoretisch orientierte Konfliktforschung muß, wenn sie in der Anwendung über den Bereich interpersonaler Konflikte hinausgehen soll, prinzipiell interdisziplinär ausgerichtet sein. So können wir beispielsweise Konflikte in Institutionen meist erst dann »richtig« verstehen, wenn wir sie nicht auf interpersonale Konflikte reduzieren. Die Herausbildung und die tiefere Bedeutung bestimmter, möglicherweise konfliktträchtiger, Handlungsmuster und -orientierungen innerhalb einer Institution können oft erst über eine Analyse der Geschichte dieser Institution verständlich und damit argumentationszugänglich werden. Wie bereits in dem zitierten Aufsatz von Kempf angedeutet, bedarf eine handlungstheoretische Konfliktforschung, die von einem komplexen, nicht nur zweckrationalen Handlungsbegriff ausgeht, also ganz wesentlich auch einer hermeneutischen Orientierung. Auch wenn eine hermeneutische Orientierung von vornherein zum Selbstverständnis der handlungstheoretischen Arbeiten in der hier angesprochenen Forschungstradition gehört, so ist deren forschungspraktische Integration z.B. auch in Kempfs Prozeßmodellen doch erst ansatzweise zu erkennen.

Schlußbemerkungen

Die drei hier vorgestellten Studien sollten einen exemplarischen Einblick in Paradigmen psychologischer Friedensforschung geben. Dabei dürfte deutlich geworden sein, daß jeder Ansatz seine Berechtigung hat, indem er friedensthematisch relevantes Wissen um menschliches Verhalten und Handeln in gesellschaftlich-politischen Zusammenhängen und in Konfliktsituationen bereitstellt. Dieses Wissen kann aber immer nur als ein Beitrag zum Verstehen bestimmter Aspekte von Konfliktlagen aufgefaßt werden. So dürfte auch die Notwendigkeit interparadigmatischer und interdisziplinärer Zusammenarbeit angesichts der uns drängenden gesellschaftlichen und politischen Problemlagen kaum in Frage stehen.

Während das sozialpsychologische Experiment dem nomothetischen Paradigma verpflichtet ist, gelten die Biographieforschung und die handlungstheoretische Konfliktforschung als subjektorientiert. Subjektorientierung heißt aber nicht, daß nur die subjektiven Sichtweisen der handelnden Personen in den Blick genommen werden. Vielmehr werden in diesen Ansätzen den subjektiven Sichtweisen auch gesellschaftlich vermittelte »objektive« Bedeutungen von Handlungsweisen, die den Handelnden gar nicht bewußt oder zugänglich sein müssen, gegenübergestellt. Insofern wäre es verkürzt, diese Ansätze als bloß subjektive zu etikettieren. Im übrigen ist auch der sozialpsychologische Experimentator nicht prinzipiell desinteressiert an den subjektiven Bedeutungen, die die Versuchspersonen mit ihren Handlungen verbinden. Milgram führte z.B. nach seinen Experimenten ausführliche Nachgespräche, einmal, um die Versuchspersonen über das wahre Anliegen seiner Versuche zu informieren, und zum anderen, um etwas über die Gründe für ihr Verhalten im Experiment und über ihre Gefühle dabei zu erfahren. Auch zeichnete er die Gespräche zwischen Versuchsperson und Versuchsleiter während des Experimentes auf. Der Unterschied zu hermeneutischen Forschungsansätzen liegt darin, diese Gespräche nur als Illustration der Forschungsergebnisse (Prozentzahlen der Verhaltensweisen in den einzelnen Experimenten) aufzufassen und sie nicht selbst als »Datenbasis« für eine eingehende Analyse zu verwenden.14 Trotz dieser Unterschiede zeigt dieses Beispiel aber, daß sozialpsychologisches Experimentieren und hermeneutische Analysen in der Forschungspraxis auch miteinander verbunden werden könnten. Auf wissenschaftskonzeptioneller Ebene wäre bei einer solchen Methodenverknüpfung allerdings zu klären, welche Art von Theoriebildung jeweils angestrebt wird und welche unveräußerlichen »Kernannahmen« (z.B. Menschenbildannahmen) dabei die tragende Rolle spielen.

Eskola (1993) schlägt beispielsweise für die psychologische Friedensforschung einen handlungstheoretischen Zugang vor, in dem auf der einen Seite der Akteur als reflexives Subjekt mit seinen geschichtlich gewordenen und sozial vermittelten Orientierungen untersucht wird. Gleichzeitig wird aber davon ausgegangen, daß der Akteur in konkreten Handlungssituationen selbst bestimmte »Gesetzmäßigkeiten« in Rechnung stellt bzw. stellen muß. So werden unsere Handlungsweisen in Konfliktsituationen zum Beispiel nicht unerheblich davon bestimmt, welche Art von Wissen über menschliches Verhalten uns zur Verfügung steht.

Unter »Gesetzmäßigkeiten« (»laws«, »rules«) versteht Eskola sowohl naturwissenschaftliche als auch sozialwissenschaftliche Erkenntnisse (z.B. über soziale Regeln) der Form »wenn x, dann y«. Menschliches Handeln funktioniert zwar nicht schlicht nach solchen Zusammenhängen, aber es ist besser zu verstehen über die Art und Weise, wie der einzelne Akteur solche Zusammenhänge bei seinem Handeln konkret in Rechnung stellt. Dieser Ansatz erinnert an das Forschungsprogramm »Subjektive Theorien« (Groeben u.a. 1988), in dem das Wissen des Handelnden in Parallelität zu wissenschaftlichen Theorien aufgefaßt und als sog. subjektive Theorien rekonstruiert wird.

Abschließend möchte ich einschränkend nochmals erwähnen, daß ich mit den hier besprochenen Paradigmen selbstverständlich nicht die ganze Breite friedenspsychologischer Forschung veranschaulichen konnte. So stellen insbesondere sprachanalytische Überlegungen einen wichtigen Beitrag zur Friedensforschung dar, wenn man bedenkt, daß unsere Wahrnehmung der »sozialen Wirklichkeit« ganz wesentlich auch von den Möglichkeiten der Sprache abhängt, diese zu benennen. Insbesondere die Verwendung der Termini »Aggression« und »Gewalt« ist inzwischen eingehenden Untersuchungen unterzogen worden. Ein weiteres Feld, das hier nicht angesprochen worden ist, ist die Mediationsforschung, in der Modelle der Konfliktvermittlung praktisch erprobt und dabei optimiert werden. Einen Einblick in diese hier nicht angesprochenen Forschungsbereiche mag der jüngst erschienene, von Kempf u.a. herausgegebene Band „Gewaltfreie Konfliktlösungen“ geben.

Literatur

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Anmerkungen

1) Die öffentlichen Spekulationen reichen hier von rechtsradikaler Indienstnahme an sich unpolitischer Jugendlicher bis zu der These, die Jugendgewalt von rechts sei eine Folge der linken Aufklärung. Mit der zweiten These setzt sich kritisch und sehr differenziert von Hentig (1993) auseinander. Zurück

2) Zur Heterogenität von Theorie- und Empirie-Auffassungen in den Sozialwissenschaften vgl. z.B. die Diskussionseinheit „Formen und Aufgaben von »Theorieforschung« in den Sozialwissenschaften“ (Hauptartikel von Patzelt, Metakritik von Billmann-Mahecha) in Heft 1/1993 der Zeitschrift „Ethik und Sozialwissenschaften“. – Zur Heterogenität speziell qualitativer Forschungsansätze vgl. z.B. den Sammelrezensions-Aufsatz von Lüders (1993). Zurück

3) Vgl. hierzu z.B. Boehnke, Macpherson & Schmidt (1989) und die Bibliographie von Müller-Brettel (1993). Zurück

4) Insgesamt nahmen an den Milgram-Experimenten über tausend Versuchspersonen teil. Zurück

5) Zum Beispiel stellt sich die Frage, ob die Versuchspersonen wirklich glaubten, daß den »Schülern« echte Elektroschocks erteilt wurden. Milgram führte dazu Nachbefragungen durch. Etwa 20 Prozent der Versuchsteilnehmer gaben darin Zweifel an (vgl. Milgram 1974, S. 199f.). Zurück

6) Vgl. dazu Milgrams Stellungnahme (1974, S. 221ff.). Zurück

7) Zur Geschichte der Biographieforschung in Soziologie und Psychologie sowie zu verschiedenen methodologischen und methodischen Ansätzen vgl. z.B. Jüttemann & Thomae (1987). Zurück

8) Zur Methode des narrativen Interviews, auf die hier nicht eingegangen werden kann, vgl. Schütze (1976). Zurück

9) Dies ist auch ein wesentlicher Unterschied etwa zu Fragebogenerhebungen, in denen die Relevanzsetzungen und meist auch die Antwortalternativen sowie die sprachlichen Formulierungen vom Forscherteam bereits vorgegeben sind. Zurück

10) Die einzelnen interpretativen Schritte sind ausführlich in Kap. 6 der zitierten Arbeit dargestellt. Zurück

11) Die »Göttinger Erklärung« beginnt mit den Worten: „Die Pläne einer atomaren Bewaffnung der Bundeswehr erfüllen die unterzeichneten Atomforscher mit tiefer Sorge …“. Der gesamte Wortlaut befindet sich in Straub (1993, S. 302f). Unterzeichnet wurde die Erklärung von 18 namhaften Naturwissenschaftlern. Zurück

12) Zu verschiedenen Formen autoritären Handelns und zur Unterscheidung zwischen autoritärem, autonomem und kommunikativem Handeln vgl. Popp (1989). Zurück

13) Selbstverständlich ist diese Entwicklung hier verkürzt und nur exemplarisch dargestellt; es geht mir nur darum, einige Zusammenhänge aufzuzeigen. Zurück

14) Dies entspricht auch der Auffassung von Anselm Strauss, der den eigentlichen Unterschied zwischen quantitativen und qualitativen Forschungsrichtungen darin sieht, wie das Datenmaterial analytisch behandelt wird (1991, S. 26). Zurück

Elfriede Billmann-Mahecha

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1993/4 Friedenswissenschaften, Seite