W&F 2022/2

»Freiwillige« Kolonialisierung?

Franc CFA, Frankophonie und Militärabkommen in Westafrika

von Dolly Afoumba

Wie ist die Existenz dominanter Wirtschafts-, Kultur- und Militärinstitutionen in Westafrika nach dem Ende des formellen Kolonialismus zu verstehen? Weshalb scheint ein »freiwilliger« Kolonialismus fortzubestehen? Was genau ist darunter zu verstehen? Der Beitrag versucht sich an der Analyse der neokolonialen Herrschaftsmuster, die sich im Franc CFA, der Frankophonie und militärischen Abkommen mit ehemals kolonisierten Staaten widerspiegeln, und diskutiert kritisch deren Rolle und Einfluss.

In diesem Artikel setze ich mich mit der Idee des »freiwilligen« Kolonialismus auseinander. Was ist »freiwilliger Kolonialismus«? Wie drückt sich die Freiwilligkeit in den heutigen Beziehungen zwischen Frankreich oder auch Deutschland und ihren ehemaligen Kolonien aus? Es gilt herauszufinden, inwiefern die Institutionen oder Abkommen, die beide Seiten sowohl wirtschaftlich, kulturell als auch militärisch verknüpfen, zur Aufrechterhaltung des (neo-)kolonialen Systems beitragen.

»Freiwillige Kolonisierung«?

Die Idee des Willens, beherrscht oder unterworfen werden zu wollen, wurde von Kaku Nubukpo und anderen zumindest für den frankophonen Raum popularisiert (Nubukpo et al. 2016). Der togolesische Ökonom Nubukpo ist der Ansicht, dass die Länder unter dem Franc-CFA-Regime freiwillig oder absichtlich dortgeblieben sind, da einige beschlossen hatten, die Franc-Zone zu verlassen. Er spricht daher von »freiwilliger Knechtschaft«. Ein gänzlich anderes Konzept »freiwilliger Kolonisierung« brachte US-Ökonom Paul Romer mit der Idee der »Charter Cities« ins Spiel. Die Idee war, dass neue afrikanische Städte geschaffen werden sollen, die mindestens 50 Jahre ausschließlich von westlichen Länder verwalten werden sollen. Hier würde ein Kolonialsystem freiwillig und im Vordergrund des Machtverhältnisses gesetzt werden.

Die Bezeichnung »freiwilliger Kolonialismus« hängt dabei von dem Bild ab, das man dem ehemaligen Kolonisierten zuschreibt, und wie er sich selbst sieht. Franz Fanon (2001 [1959], S. 12) schrieb schon 1959: „Der Kolonialismus kämpft, um seine Herrschaft und die menschliche und wirtschaftliche Ausbeutung zu stärken. Er kämpft auch, um das Bild, das er von den Algeriern hat, und das abgewertete Bild, das die Algerier von sich selbst hatten, identisch zu bewahren“. Dieses Zitat zeigt zu Recht, dass das Kolonialsystem von einem gewissen Minderwertigkeitskomplex genährt wird, den die Kolonisierten zu einem bestimmten Zeitpunkt gegenüber den Kolonialherren haben: der Wunsch, geliebt zu werden. Die Freiwilligkeit könnte also von Menschen kommen, die ihres Selbstwertgefühls beraubt wurden. Sie glauben daher, der Dienst für ihre Herren würde ihnen mehr Selbstwertgefühl und Selbstliebe einbringen, als der eigenen Heimat zu dienen. Es scheint aber auch heute noch in der Forschung nicht klar zu sein, wie diese Freiwilligkeit zu verstehen ist. Es müsste noch mehr dazu geforscht werden, wann es gewollte und bewusste Handlungen sind und wann es sich eher um Handlungen unter Zwang handelt. Im weiteren Verlauf des Beitrags will ich dieser Idee der Freiwilligkeit auf drei Ebenen nachspüren und zu verstehen versuchen.

Wirtschaftliche Dimension: Der Fall »Franc CFA«

Mit der Idee von Kaku Nubukpo konnten die ganzen antikolonialen Proteste gegen die Währung Franc CFA in Afrika infrage gestellt werden. Die Proteste der afrikanischen Zivilgesellschaft gegen den Franc CFA begannen im Jahr 2016, genau dem Jahr der Erscheinung seines Werkes. So bot er den Medien den geeigneten und auch attraktivsten Slogan, um all diesen Bewegungen entgegenzuwirken. Es ging nicht mehr um Neo-Kolonialismus oder koloniale Kontinuität, sondern um die freiwillige Kolonisierung, an denen afrikanische Eliten profitieren. Für ihn galt es festzuhalten: „[D]ie lokalen Regierungen in Afrika sind diejenigen, die den Franc CFA wollen“ (Nubukpo 2016). Doch stimmt das?

Die Abkommen für die Gründung der kolonialen Währung Franc CFA wurden auf Initiative General De Gaulles im Jahr 1945 unterschrieben. Dies geschah in einem kolonialen Kontext, in dem Frankreich der einzige Entscheidungsträger war. Das erklärte Ziel bestand darin, Frankreich nach dem Krieg wieder die Kontrolle über seine verschiedenen Kolonien zu verschaffen. Nach einer Rezension des Buches von Soumaïla Cissé (2013) sollte diese Währung auch dazu dienen, „die Integration der ehemaligen französischen Kolonien in den internationalen Handel zu erleichtern“ (Haïdara 2016). Dies sollte durch zwei der vier Kernprinzipien des Franc CFA geschehen: die feste Parität und die freie Konvertierbarkeit des Franc CFA mit dem französischen Franc. Es ging also um die garantierte Konvertibilität der Kolonialwährung mit einer starken Währung, die auf dem internationalen Markt als solche anerkannt war. Eine Währung, die zugleich stark und stabil war und alle französischen Kolonien in sich vereinte. Alle Zutaten waren damit vorhanden, um die Kolonien davon zu überzeugen, dieses System nach der Unabhängigkeit beizubehalten. Dennoch traten 1955 mehrere Staaten wie Kambodscha, Laos und Vietnam aus dem System aus, die nordafrikanischen Länder folgten ebenfalls. Es blieben nur die französischsprachigen Länder südlich der Sahara. Sind sie denn angesichts dieses scheinbaren Altruismus Frankreichs aus reiner Freiwilligkeit geblieben?

Kako Nubukpo zufolge waren sie unter keinerlei Zwang, vielmehr stellte er die konkreten Erfahrungen einzelner Staaten in den Vordergrund. Er sagte in einem Interview, dass „die Erfahrung des Scheiterns von Guinea Conakry, das Ende der 1950er Jahre auf den Franc CFA verzichtete, den Eifer der afrikanischen Länder, die diesem Land hatten folgen wollen, abkühlte“ (Nubukpo 2016b). Er umging es jedoch, die Gründe für das Scheitern von Guinea Conakry unter der Regierung von Sékou Touré zu erklären. Frankreich nutzte vier Mittel, um die afrikanischen Staaten dazu zu zwingen, unter dem kolonialen Regime des Franc CFA zu bleiben.

Zunächst musste der Unabhängigkeitsdrang diesen Ländern durch die Sabotage der neu geschaffenen Währungen gebremst werden. So geschah es mit Guinea Conakry. Constantin Melnik erklärte, wie die französische Regierung den Wiederaufbauplan von Sékou Touré sabotierte, nachdem sein Land den Franc CFA verlassen hatte: „Der französische Geheimdienst würde Falschgeld herstellen, Guinea damit überschwemmen und so seine Wirtschaft schwächen sowie die Unzufriedenheit der Bevölkerung verstärken. Die Fallschirmjäger des Service Action wurden mobilisiert. Im benachbarten Senegal wurden die sogenannten Maquisards ausgebildet, die bereit waren, alles zu tun, was der große weiße Zauberer, der Macht und Lohn verteilte, wollte. Es wurden Waffen und gefälschte Banknoten verschickt“ (Melnik 1994, S. 363).

Die Umsetzung dieses Projekts wird als »Operation Persil« bezeichnet. Dies erfahren wir in den Schriften von Maurice Robert (2014), damaliger Leiter der Afrika-Abteilung des SDECE (Service de Documentation Extérieure et de Contre-Espionnage). Diese Operation trug maßgeblich zur Schwächung der guineischen Wirtschaft bei. Heute wird Guinea missbräuchlich als Beispiel angezeigt, um jeden anderen Staat abzuschrecken, der aus dem Franc-CFA-System aussteigen möchte. Die Einführung von Falschgeld im zweiten Schritt führte zu Inflation und zu einem monetären Chaos auf dem Binnenmarkt Guineas. Der Staat war nicht mehr in der Lage, die Menge des Geldes im Land sowie die Kapitalzuflüsse und -abflüsse zu kontrollieren; die Unternehmen und die Bevölkerung wussten nicht genau, ob sie legitimes Geld oder Falschgeld in ihren Kassen hatten. Der Vertrauensverlust in die Währung führte zu weiterer Destabilisierung des Landes.

Frankreich nutzte auch die Strategie der Isolierung. Im Jahr 1965 war Guinea, wie heute beispielsweise Mali, durch Frankreich und seine Verbündeten in Westafrika isoliert. Die Elfenbeinküste, Niger, Senegal und Burkina Faso brachen ihre wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen zu Guinea ab (Société Générale Guinée o.J.). Zwischen der Sabotage seiner Währung, Putschversuchen (wie 1961) und wirtschaftlicher Isolation konnte die Wirtschaft Guineas keinerlei Fortschritt erzielen.

Andere Länder versuchten ebenfalls, aus diesem System auszusteigen, wie z. B. Togo unter Sylvanius Olympio im Jahr 1960. Nach dessen Ermordung 1963 stieg Togo wieder in das Franc-CFA-System ein. Mali unter Modibo Keita kann ebenso als ein Beispiel gelten. Mali wurde ebenso wie Guinea Conakry isoliert und trat am 01. Juni 1984 nach dem Sturz und Tod von Keita wieder dem Franc-CFA-System bei (Tambour 2021).

Die französische Regierung ist die oberste Instanz bei der Verwaltung des Franc CFA. Zu den Prinzipien des Franc CFA gehört auch die Fixierung der Parität. Eine solche Garantie wäre für Investoren attraktiv, da sie sich keine Sorgen um die Volatilität der Währung machen müssten. Seit seiner Einführung hat der Franc CFA jedoch mehrere Abwertungen erfahren, die einseitig von Frankreich beschlossen wurden. Dies lernen wir von der Forschung des ivorischen Ökonom Nicola Agbohou. Nach der Abwertung des Franc CFA im Jahr 1994 sagte Édouard Balladur, der damalige französische Premierminister, der Franc CFA wurde 1994 auf Betreiben Frankreichs abgewertet, weil es uns schien, dass dies die beste Formel war, um diesen Ländern (den Afrikanern) bei ihrer Entwicklung zu helfen“ (Jeune Afrique Economique 1994, zitiert von Agbohou 1999). Später erinnert er daran, dass „die Währung kein technisches, sondern ein politisches Thema ist, das die Souveränität und Unabhängigkeit der Nationen berührt“. Ein Ausbruch des französischen Ministers, der viel über die wahren Entscheidungsträger der Währungspolitik in den Ländern des Franc CFA aussagt. Mit dieser Währung besetzt Frankreich nicht nur die wirtschaftliche und finanzielle Führung dieser Länder, sondern auch ihre Souveränität. Zudem wurde diese Abwertung deutlich von afrikanischen Führern verweigert. Agbohou (1999) berichtet, dass Omar Bongo, Präsident von Gabun, und Gnassingbé Eyadema, Präsident von Togo, diese Entscheidung anprangerten: „Wir wurden in denselben Korb geworfen“, bedauerte Bongo. „Frankreich […] hat […] entschieden. Die afrikanischen Stimmen zählten nicht viel“, sagte Gnassingbé. Die Stimme der westafrikanischen Zivilgesellschaften war erst recht weder gefragt noch wurde sie berücksichtigt. Ein ähnlich koloniales Verhältnis zur Währung Franc CFA wurde im Jahr 2019 sichtbar, als im französischen Parlament über »das Ende des CFA Franc« debattiert wurde. Die westafrikanischen Bevölkerungen, geschweige denn ihre Regierungen, die diese Währung benutzen, waren nicht gefragt und nicht eingeladen. Institutionell drückt sich das neokoloniale Verhältnis des Franc CFA darin aus, dass die Debatten auf den außerplanmäßigen Gipfeltreffen der Staatsoberhäupter der CEMAC (Central African Economic and Monetary Community) und WAEMU (West African Economic and Monetary Union) immer unter der Aufsicht des französischen Finanzministers und der Direktorin des IMF (International Monetary Fund) stattfinden.

All dies zeigt, dass es eine wahrhaft töricht wäre, im Fall des Franc CFA von freiwilliger Knechtschaft zu sprechen.

Auf kultureller Ebene: die Frankophonie

Zunächst einmal ist es schwierig, eine kulturelle Institution als kolonial zu bezeichnen. Aber die Mittel der Herrschaft sind zahlreich und die Sprache ist eine furchtbare Waffe bei der Unterwerfung von Völkern. Die Geschichte, in die sich die Gründung der Frankophonie einreiht, ist die Geschichte des Verbots der lokalen Sprachen in Behörden, Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen zugunsten des Französischen, das die Sprache der Zivilisation sein sollte. Kolonialgesetze und Gesetze zur Klassifizierung von »Rassen« wie der »Code de l’indigénat« in Algerien wurden in französischer Sprache verfasst. Die Schule in den französischen Kolonien und Protektoraten wurde auf Französisch abgehalten. Es wird sogar berichtet, dass während dieser ganzen Zeit Kinder, die in der Schule nicht Französisch sprachen, streng bestraft werden konnten. Afrikanische Soldaten, die während der europäischen und der Weltkriege an der Seite der französischen Armee gekämpft hatten, sangen das sogenannte »Lied der Afrikaner«, eine spezielle französische Hymne der afrikanischen Soldaten. Es ist also nicht nur die Sprache, sondern auch die Kultur, die sich auf Kosten der lokalen Kulturen durchsetzt.

Es gab eine administrative und soziopolitische Auferlegung der Sprache, die es im Sinne der Kolonialisten ermöglichen sollte, die Afrikaner*innen zu »zivilisieren«, um sie aus ihrer »Primitivität« herauszuholen. Gleichzeitig wurden die lokalen Sprachen einer Kategorisierung und Hierarchisierung unterworfen. Sie wurden als Sprachen »ohne« betrachtet, d.h. Sprachen ohne Geschichte, ohne Kulturen usw. Diese Logik der Hierarchisierung und Kategorisierung der afrikanischen Sprachen existiert heute noch. So erklärten die beiden Linguistinnen Cécile Canut und Mariem Guellouz, dass Strafen, die von Frankreich während der Kolonialzeit angewandt wurden, um Schüler*innen zu verbieten, ihre lokalen Sprachen in der Schule zu sprechen, auch heute noch angewandt werden (Canut und Guellouz 2019). Ihre Behauptungen wurden von Zeug*innen aus Burkina Faso, Senegal und Mali bestätigt. Es geht zum Beispiel darum, dass die zu bestrafende Schüler*in den ganzen Tag vom Unterricht bis nach Hause einen »verfaulten« Eselsschädel auf dem Kopf tragen musste. Zu Hause führen sogar einige Eltern diese Unterdrückung fort, indem sie als Folge dieser Strafe ihren Kindern das Sprechen der Heimatsprachen verbieten. In den Ländern des Franc CFA ist Französisch nach wie vor die offizielle Landessprache. Obwohl Französisch mittlerweile eine globale Sprache mit mehr afrikanischen Sprecher*innen als französischen Staatsbürger*innen ist, bleibt Frankreich der führende Staat in der Frankophonie selbst. Wie die Politikwissenschaftlerin Françoise Vergès (2018) treffend erklärte: „Es ist nicht so, nur weil ich Französisch spreche, dass ich Ideen einbringen muss, die unbedingt Ideen der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte sind. Ich kann entgegen auf Französisch Ideen einbringen, die Ideen der Mandeng-Erklärung (Erklärung der Menschenrechte in Afrika aus dem 19. Jahrhundert) sind.“ Anders gesagt, die französische Sprache muss nicht nur benutzt werden, um über die Werte und die Geschichte Frankreichs zu berichten. Frankophone Sprecher*innen müssen die Freiheit haben, auf Französisch über ihre Kultur, Werte und Geschichte zu berichten.

Es wäre daher für die Dekolonisierung der Frankophonie wichtig, dass Französisch auf die spezifischen Werte und Identitäten der Völker hört, die diese Sprache nun auch sprechen, aber nicht die gleiche kulturelle Geschichte wie die Französ*innen haben. Um dies zu erreichen, muss Französisch zu einer Sprache des geteilten Ausdrucks werden und nicht zu einer Sprache, die eine bestimmte Kultur aufzwingt. Franz Fanon sagte zu Recht: „Der Kolonialismus zwingt die Wiederholung des kulturell Identischen als ein Schicksal auf, das für seine eigene Stabilität funktional ist. Als Folge davon schließt sich die Kultur der Kolonisierten, ‚einst lebendig und offen für die Zukunft‘, erdrückt von der militärischen, wirtschaftlichen und symbolischen Unterdrückung durch den Kolonisator, erstarrt im kolonialen Status, gefangen im Korsett der Unterdrückung. Zugleich präsent und mumifiziert attestiert sie gegen ihre Mitglieder. Sie definiert sie in der Tat unwiderruflich“ (Fanon 2001 [1959], S. 41). Die afrikanischen Staaten, die sich von dieser kolonialen Bindung nach der Unabhängigkeit trennen wollten, wählten die lokalen Sprachen als erste Amtssprachen. Dies war beispielsweise in Ruanda der Fall, das Swahili zur Amtssprache erklärte. In jüngerer Zeit war diese Entsagung in Mali der Fall, das Bambara als offizielle Sprache gegen die ehemalige Amtssprache Französisch wählte. Allein diese sprechen dafür, dass die Entfernung von Französisch als erster Amtssprache in ehemaligen Kolonien in Afrika auch ein Märtyrerakt der Unabhängigkeitserklärung ist. Dies beweist, dass die Spitzenposition des Französischen auf Kosten lokaler Sprachen nicht das Ergebnis einer kreativen Aneignung der kolonialen Sprache ist, sondern vielmehr das der Dominanz Frankreichs über diese Länder darstellt.

Auf der militärischen Ebene

Auf militärischer Ebene ist die Redewendung »mit Zustimmung der Regierung« das meistgenutzte Argument der europäischen Mächte, die sich auf afrikanischem Boden niedergelassen haben. Am Beispiel Malis lässt sich zeigen, wie neokoloniale Tendenzen immer noch alltägliche Praxis vieler Staaten darstellen. Am 13. Januar 2022 verbot die neue militärische Übergangsregierung Malis sowohl französischen Truppen als auch den weiteren Kräften der europäischen Task Force Takuba den Zugang zu seinem Territorium. Noch am selben Tag beschuldigte Mali die französische Armee, seinen Luftraum verletzt zu haben (France24 2022). Am 14. Januar erklärte Frankreich wiederum, es handle legitim, da Mali 2013 und 2020 zwei Abkommen in Form von Briefwechseln unterzeichnet habe, die den Einsatz seiner Armee vor Ort rechtfertigten (Houmfa 2022). Durch diese Antwort bestätigte Frankreich, dass es mit seiner Präsenz in Mali eher ein imperialistisches Ziel als den Kampf gegen Terroristen verfolgte. Bei diesem Verbot bezog sich die malische Regierung auf das »Prinzip der Gegenseitigkeit«, und betrachtete es als Antwort auf Sanktionen Frankreichs und seiner westafrikanischen Verbündeten, die diese aufgrund des gewaltlosen Putsches im Mai 2021 verhängt hatten. Mali ist ein souveräner Staat und seine Regierung hat das Recht, sich seine Partnerländer beim Kampf gegen den Terrorismus selbst auszuwählen. Frankreich sieht die »Abkommen« aber als Beweis der freiwilligen Kolonisierung. Gemäß diesem Abkommen gelte: „Das Personal der französischen Truppe bewegt sich ohne Einschränkung auf dem Hoheitsgebiet der Republik Mali einschließlich ihres Luftraums unter Verwendung der ihm zur Verfügung stehenden Mittel und ohne dass es eine Begleitung durch die Kräfte der malischen Seite beantragen muss“ (zitiert nach: Accord 1901 vom 7.3.2013 und Zusatzprotokoll). Kurz gesagt geht es hierbei um eine bewusste Selbstaufgabe der eigenen Souveränität an die Armee der ehemaligen Kolonialmacht. In diesem Zusammenhang wurde Deutschland auch beschuldigt, den malischen Luftraum verletzt zu haben. Im Januar 2022 wurde ein deutsches Militärflugzeug von der malischen Regierung zurückgewiesen (Tognon 2022), doch das Land schloss sich Frankreich an und weigerte sich, die Souveränität Malis in diesen Fragen zu respektieren. Am 18. Februar 2022 forderte die Regierung Malis dann den unverzüglichen Abzug der Militäroperationen »Barkhane« und »Takuba« aus Mali. Eine Entscheidung, die Frankreich nicht mehr dazu zwang, einen Abzug in Erwägung zu ziehen, sondern zu gehen.

Diese Analyse zeigt, dass es auf wirtschaftlicher, kultureller und sogar militärischer Ebene nicht sinnvoll ist, von einer »freiwilligen Kolonisierung« in der Zone der westafrikanischen Frankophonie bzw. der Länder des Franc CFA zu sprechen, da diese Staaten in den meisten Fälle in kolonialen Kontinuitäten gebunden ihre Souveränität über Geldpolitik, Kultur oder Militärpolitik aufgeben. Der Fall Mali zeigt auch, dass dies Neo-Kolonisierung von einem Staatsoberhaupt gewollt werden kann, der gegen das Interesse seines Volkes zugunsten der Kolonialmacht handelt. Im Fall der Länder der Frankophonie ist es klar, dass sie in vielen Fragen immer noch unter dem Einfluss der kolonialen Ideologie ihrer Gründungszeit stehen.

Literatur

Agbohou, N. (1999): La France et l’Euro contre l’Afrique. Pour une monnaie africaine et la coopération Sud-Sud. Paris: Editions Solidarite Mondiale.

Canut, C.; Guellouz, M. (2019): Les Africains ont-ils été dépossédés de leurs langues au cours de l’histoire ? Interview bei RFI, 28.01.2019.

Cissé, S. (2013): De belles années au service de l’intégration régionale. Abidjan: Edition Eburnie.

Fanon, F. (2001[1959]): L’An V de la révolution algérienne (1959). Paris: Éditions La Découverte.

France 24 (2022): Le Mali dénonce une «violation» de son espace aérien par un avion militaire français. 13.01.2022.

Haïdara, B. (2016): Le franc CFA, véritable élément d’intégration africaine ou instrument d’une dépendance perpétuelle vis-à-vis de la France? Lamenparle, Hypotheses.org, 27.6.2016.

Houmfa, M. (2022): Violation de l’espace aérien malien: la France se dit protégée par des accords existants. Voa Afrique, 14.1.2022.

Melnik, C. (1994): Un espion dans le Ciecle. La diagonale du double (Non Fiction). Paris: Ed. Plon.

Nubukpo, K. (2016): Le Franc CFA est un outil de la servitude volontaire. Videointerview mit France24.

Nubukpo, K. et al. (Hrsg.) (2016): Sortir l’Afrique de la servitude monétaire. À qui profite le franc CFA? Paris: La Dispute.

Robert, M. (2014): Ministre de l’Afrique. Entretiens avec André Renault. Roubaix: Seuil.

Société Générale Guinée (o.J.): Histoire de la Guinée. Webseite.

Tambour (2021): 1 juillet 1962. Le 1er président Malien Modibo Keita retire de facto le Mali de la zone franc en créant le franc malien. Website, 1.7.2021.

Tognon, A. (2022): Mali. Un avion militaire allemand refoulé par le régime Goïta. La Nouvelle Tribune, 20.01.2022.

Vergès, F. (2018): Il faut décoloniser la francophonie. Interview bei France 24, 11.10.2018.

Dolly Afoumba ist Bildungsreferentin und Doktorandin im Fachbereich Neueste Geschichte an der Universität Marburg. Sie schreibt regelmäßig über (Neo-)Kolonialismus in der afrikanischen Wirtschafts-, Militär- und Währungspolitik.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2022/2 Kriegerische Verhältnisse, Seite 38–41