W&F 2013/3

Friedenspolitische Forderungen

Kurzfassung

von Plattform Zivile Konfliktbearbeitung

Die Prävention von Krieg und Gewalt ist eine der zentralen Herausforderungen für Politik und Gesellschaft, deshalb:

1. Ein friedenspolitisches Leitbild für Deutschland

Die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung fordert:

a) Die neue Bundesregierung muss ein friedenspolitisches Leitbild formulieren, das übergreifend für alle innen- und außenpolitischen Handlungsfelder Ziele und Prinzipien für eine gewalt- und krisenpräventive, friedensfördernde Politik Deutschlands benennt.

b) Der Deutsche Bundestag sollte die Erarbeitung und Umsetzung eines friedenspolitischen Leitbilds aktiv begleiten. Dafür sollte der Unterausschuss »Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit« als wichtiger Ort der Diskussion friedenspolitischer Fragestellungen fortgeführt und politisch aufgewertet werden.

c) Die Bundesregierung sollte einen »Rat für Gewaltprävention und Friedenspolitik« beim Bundeskanzleramt einrichten – ähnlich dem »Rat für Nachhaltigkeit«. Damit würde sie der weitreichenden Bedeutung der Aufgabe Rechnung tragen und zugleich wichtige gesellschaftliche Akteure an der Debatte um ein friedenspolitisches Leitbild angemessen beteiligen.

2. Handlungsfähige Strukturen für Zivile Krisenprävention

Die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung fordert:

a) von der Bundesregierung, Gewaltprävention, Friedensförderung und Konfliktsensibilität als übergreifende Prinzipien im Regierungshandeln zu verankern. Dazu ist es notwendig, den Aktionsplan »Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung« so weiterzuentwickeln, dass er mittelfristige Ziele und überprüfbare Umsetzungsschritte benennt. Der Ressortkreis zivile Krisenprävention muss politisch aufgewertet werden. Seine Ausstattung mit finanziellen Mitteln und Personal ist deutlich zu verbessern, so dass er zu einer arbeitsfähigen und wirksamen interministeriellen Struktur wird, die einen Vorrang zivilen, krisenpräventiven Handelns in allen Politikbereichen durchsetzen kann.

b) von Bundestag und Bundesregierung, Vertreter und Vertreterinnen der Zivilgesellschaft systematisch an Beratungen zur Zivilen Krisenprävention, der Frühwarnung und -reaktion und der bi- und multilateralen Planung von Programmen und Missionen zu beteiligen.

c) von der Bundesregierung, dem Thema Geschlechtergerechtigkeit, geschlechtsspezifischer Gewalt und Diskriminierung und insbesondere der Rolle von Frauen in Friedensprozessen besondere Aufmerksamkeit im Kontext Ziviler Krisenprävention zu widmen. Für die Realisierung des nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Resolution 1325 sind Ressourcen auszuweisen, eine Berichtspflicht einzuführen und nachhaltige Arbeitsstrukturen zu schaffen.

d) für alle Politikbereiche die Erstellung von Aktionsplänen für Menschenrechte voranzubringen.

3. Den Frieden vorbereiten: Instrumente und Programme ausbauen

Die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung fordert:

a) von Bundestag und Bundesregierung, die Mittel für zivile Krisenprävention in den kommenden Jahren deutlich zu erhöhen und eine mittelfristige Finanzplanung vorzunehmen, damit insbesondere zivilgesellschaftliche Programme (zivik, Friedenserhaltende Maßnahmen/FEM) nachhaltig ausgebaut werden können. Der Etat für den Zivilen Friedensdienst muss bis zum Ende der Legislaturperiode schrittweise auf 80 Millionen Euro erhöht werden. Mit dem Ausbau werden insbesondere die lokalen Strukturen der Primärprävention und die lokalen Kapazitäten für zivile Konfliktbearbeitung in den betroffenen Ländern gestärkt.

b) von der Bundesregierung einen deutlichen Aufwuchs von qualifiziertem, zivilem Fachpersonal für internationale Friedenseinsätze. Dazu müssen auf Bundes- und Landesebene die Rahmenbedingungen zur Entsendung insbesondere in den Bereichen Polizei, Justiz und Verwaltung verändert werden sowie die bestehenden Kompetenzzentren der Qualifizierung für internationale Einsätze (ZIF, zivilgesellschaftliche Qualifizierungseinrichtungen) ausgebaut werden.

c) von der Bundesregierung, die Förderung der Friedens- und Konfliktforschung und die finanzielle Unterstützung von Kooperationen zwischen deutschen Forschungseinrichtungen, lokalen Instituten und Friedensnetzwerken mindestens zu verdoppeln. Zusätzlich schlägt die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung die Schaffung eines Fonds für kurzfristige Konfliktanalysen und die Einrichtung wirksamer Kommunikationsstrukturen zwischen politischen Entscheidungsträgern und Akteuren der zivilen Konfliktbearbeitung in den Konfliktregionen vor, um diese Expertise bei der Erstellung von zivilen Handlungsalternativen in akuten Konfliktsituationen (Early Action) besser zu nutzen.

4. Stärkung Ziviler Konfliktbearbeitung in der eigenen Gesellschaft

Die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung fordert:

a) von der Bundesregierung, Initiativen zur Förderung der Friedensbildung zu ergreifen mit dem Ziel, diese in ihrer theoretischen wie auch praktischen Dimension in die schulische, berufliche und wissenschaftliche Ausbildung zu integrieren.

b) von der Bundesregierung und dem Verteidigungsministerium, auf den Unterricht durch Jugendoffiziere an Schulen zu verzichten sowie die Beendigung von Werbekampagnen der Bundeswehr, die die Gewaltdimensionen und Konsequenzen militärischer Einsätze verharmlosen.

c) von Bundestag und Bundesregierung, die strukturellen und materiellen Voraussetzungen zu schaffen, damit Verfahren der zivilen Konfliktbearbeitung im Umgang mit Konflikten und gesellschaftlichen Wandlungsprozessen in Deutschland verstärkt genutzt werden. Insbesondere gilt es, die Inanspruchnahme von Mediationsverfahren zu fördern, bei Großprojekten Bürgerbeteiligungsverfahren konsequent einzuplanen und Konfliktbearbeitung und Konfliktberatung bei Konflikten im Kontext von sozialen Problemen, Integration und Rassismus auf kommunaler Ebene zu fördern.

5. Auf internationaler Ebene Vorrang für Zivile Konfliktbearbeitung

Die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung fordert:

a) von der Bundesregierung, sich verstärkt für den Vorrang Ziviler Konfliktbearbeitung und Gewaltprävention in internationalen Strukturen – vor allem Vereinte Nationen, EU, NATO – einzusetzen. Konkret soll sich die Bundesregierung auf UN-Ebene für eine stetige Befassung der »Peace Building Commission« mit dem Feld der Pre-War Prevention und für den Aufbau einer Internationalen Polizeieinheit der Vereinten Nationen einsetzen.

b) von Bundestag und Bundesregierung, sich gegen den Export von Produkten und Dienstleistungen, die für Krieg und Unterdrückung nutzbar sind, einzusetzen. Dazu dient ein konsequent umgesetztes, rechtsverbindliches Ausfuhrverbot in Konfliktgebiete und in Länder, die Menschenrechte systematisch missachten, die Einführung einer effektiven Endverbleibsklausel für exportierte Rüstungsgüter sowie die Abschaffung staatlicher Bürgschaften für Rüstungsgeschäfte.

c) von der Bundesregierung, den Abzug der letzten verbliebenen Nuklearsprengköpfe aus Deutschland durchzusetzen.

d) von der Bundesregierung, globale Konfliktursachen – Armut und ungerechte Verhältnisse, Ursachen und Folgen von Klimawandel und Instabilität der Finanzmärkte – anzugehen. Dazu sollte ein eigenständiges Ressort für globale Strukturfragen mit den dafür notwendigen Kompetenzen und Ressourcen eingerichtet werden. Das Ziel der globalen nachhaltigen Entwicklung muss ins Zentrum von Politik und Wirtschaft gestellt werden.

Die Friedenspolitischen Forderungen der Plattform

von Christiane Lammers

Die Prävention von Krieg und Gewalt ist eine der zentralen Herausforderungen für Politik und Gesellschaft. Die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung hat deshalb in einem mehrmonatigen Prozess Forderungen zur Bundestagswahl 2013 entwickelt, die die einzelnen Schwerpunktfelder abbilden: Zivile Konfliktbearbeitung in Deutschland, Gender, Außen-, Sicherheits- und Rüstungspolitik, Zivile Konfliktbearbeitung im Ausland, Menschenrechtspolitik, Entwicklungspolitik, Bildungs- und Wissenschaftspolitik. Mindestens drei weitere Ansprüche sollte das »Produkt« am Ende erfüllen:

1. möglichst konkrete politische Erfordernisse zu definieren – ausgehend von den sehr unterschiedlichen zivilgesellschaftlichen Milieus;

2. in dem dafür notwendigen Pragmatismus mittel- und langfristige Ziele nicht aus dem Auge zu verlieren und die Komplexität, auch Widersprüche mitzubedenken, ohne dabei aussageunfähig zu werden:

3. die Inhalte in ein Format zu geben, das sich sowohl für die Auseinandersetzung mit PolitikerInnen eignet als auch als Information bei Aktionen und der Öffentlichkeitsarbeit dienen kann.

Als Ergebnis des Diskussionsprozesses sind unter dem Titel »Friedenslogik statt Sicherheitslogik soll Deutschlands Politik bestimmen« zwei Papiere entstanden: eine sechsseitige Langfassung, der ein umfangreiches Raster mit den Ressort-Zuordnungen der Forderungen angefügt ist (online unter konfliktbearbeitung.net/node/6261), sowie eine Kurzfassung, die schon beim Kirchentag Anfang Mai in Hamburg an Infotischen der Friedensorganisationen ausgelegt wurde und hier dokumentiert wird.

Mit der Erarbeitung der Forderungen haben die in der Plattform zusammengeschlossenen Organisationen und Personen nicht nur eine »Arbeitshilfe« für die »Wahlkampf-Beteiligung« aufgelegt, sondern auch eine gemeinsame Grundlage geschaffen für die Advocacy-Arbeit in der 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2013/3 Jugend unter Beschuss, Seite 41–42