W&F 2010/4

Friedliche Einmischung

Zivile Konfliktbearbeitung 1995–2010

von Norbert Ropers

Der Beitrag diskutiert drei Aspekte ziviler Konfliktbearbeitung (ZKB), die in den letzten anderthalb Jahrzehnten maßgeblich deren Entwicklung beeinflusst haben: die Interdependenz ihrer Ansatzpunkte und Verfahren in der Staaten- und Gesellschaftswelt, die Bedeutung dritter Parteien und die Leitfunktion der „interaktiven Konfliktlösung“.1

Eine der Veränderungen, die das Ende des Kalten Krieges mit sich brachte, war der fundamentale Wandel im Engagement für den Frieden. Am deutlichsten ist das wahrnehmbar an den Biographien der älteren Generation von Friedensaktivisten in Europa und Nordamerika. Viele von ihnen waren in den siebziger und achtziger Jahren aktiv engagiert in Kampagnen zur Abrüstung, Rüstungskontrolle und Entspannungspolitik, geprägt von Konzepten der Gewaltfreiheit und überzeugt von der Notwendigkeit, Basisbewegungen zu stärken gegen die Macht der militärisch-industriellen Komplexe und den »Autismus« des Systems der nuklearen Abschreckung.

Die veränderte Situation in Europa mit einer Vielzahl ethnopolitischer Konflikte in der post-kommunistischen Welt führte dazu, dass sich ein neues Arbeitsfeld im Sinne der zivilgesellschaftlichen Konfliktbearbeitung herauskristallisierte. Es hatte zwar auch deutlich sichtbare Wurzeln in der früheren Friedensbewegung, war aber von Anfang an auf das praktische Engagement mit den Menschen angelegt, die unmittelbar von den Konflikten betroffen sind. Jetzt kam es darauf an, sich für dieses Engagement zu qualifizieren und zu professionalisieren, sei es in Gestalt der Mediation von Konflikten, der gesellschaftlichen Vertiefung und Verbreiterung von Friedensprozessen oder der Unterstützung einheimischer Friedensaktivisten.

Parallel dazu gab es auch in der Staatenwelt vermehrte Bemühungen, Ansatzpunkte und Instrumente für die Prävention, Beendigung und Transformation subnationaler gewaltsamer Konflikte zu finden. Seit der »Agenda für den Frieden« von 1992 erweiterten die Vereinten Nationen schrittweise ihre Kapazitäten nicht nur zum Kapitel VII der VN-Charta (Friedensoperationen), sondern auch zum Kapitel VI (Friedliche Beilegung von Streitigkeiten) bis hin zur aktuellen Debatte um die »Responsibility to Protect«. Mittlerweile werden diese und vergleichbare Entwicklungen in der Politik diverser europäischer Staaten sowie diverser Regionalorganisationen als internationale Strategie des »liberalen Friedens« umschrieben (Richmond, 2007).

Die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahrzehnte mit ZKB und liberalem Frieden haben eine Debatte darüber ausgelöst, was mit diesen Konzepten bislang erreicht worden ist, mit welchen Schwierigkeiten und Dilemmata es konfrontiert ist und welche Schlussfolgerungen sich daraus für dessen Weiterentwicklung ergeben. In diesem Beitrag möchte ich an diese Debatte anknüpfen und auf der Basis meiner persönlichen Erfahrungen sowie der kollegialen Diskussion Überlegungen vorstellen, die sich vor allem auf Ansatzpunkte und Verfahren der ZKB beziehen. Unter diesem Begriff verstehe ich dabei sowohl die Aktivitäten der Zivilgesellschaft als auch die nicht-militärischen Bemühungen der Staatenwelt zur Friedensförderung.

Der Ausgangspunkt ist ein Beitrag, der 1995 als Berghof-Report 1 unter dem Titel »Friedliche Einmischung. Strukturen, Prozesse und Strategien zur konstruktiven Bearbeitung ethnopolitischer Konflikte« erschien. Dabei standen drei Gesichtspunkte im Zentrum, die bis heute die Diskussion beeinflussen:

1. die Notwendigkeit der ZKB in der Staaten- und Gesellschaftswelt,

2. die Bedeutung dritter Parteien und

3. die Leitfunktion des Konzepts der »interaktiven Konfliktlösung«.

Zur Interdependenz ziviler Konfliktbearbeitung

Eine in den neunziger Jahren weithin akzeptierte Vorstellung zur Zivilisierung akuter wie potentieller Gewalt in subnationalen Konflikten war, dass es sowohl in der Staaten- wie in der Gesellschaftswelt darauf ankomme, einerseits Prozesse der Gewaltbeendigung und Konfliktregelung in Gang zu setzen und andererseits Strukturen (und Kulturen) zu schaffen, die auf die Beseitigung der Konfliktursachen zielten. Diese Vorstellung wurde 1995 in dem schon erwähnten Beitrag in einem Vierfelder-Schema dargestellt (siehe Tabelle). In allen vier Feldern hat es seitdem eine bemerkenswerte Expansion von Instrumenten, Methoden und Aktivitäten gegeben und parallel dazu auch eine konzeptionelle Diskussion über die Leitbilder, die diese Initiativen anleiten sollten (siehe Tabelle).

Vierfelder-Schema der zivilen Konfliktbearbeitung

Staatenwelt Gesellschaftswelt
Prozesse der
Gewaltbeendigung, Konfliktregelung und Kriegsfolgen-Bewältigung
Präventive Diplomatie, Krisenmanagement, Mediation, Verhandlungsunterstützung, Friedensoperationen, »Responsibility to Protect«, »Transitional Justice«, getrenntes strategisches Engagement mit Konfliktparteien Qualifizierung von Schlüsselpersonen und -organisationen friedlichen Wandels, Dialogprojekte und Vernetzungsarbeit, Lobbytätigkeiten, Vertiefung und Verbreiterung von Friedensprozessen, Rehabilitation und Integration der Vergangenheit in Nachkriegs­situationen
Strukturen
(und Kulturen) zur
Transformation der Konfliktursachen
Staatsbildung nach dem Modell des »liberalen Friedens«, konflikt-sensitive Entwicklungskoopera­tion Pluralistische Zivilgesellschaft, Multi- und transethnische Identitätsgruppen, gewaltfreie pro-aktive Konfliktkultur

Führende Vertreter der einflussreichen International Crisis Group, die sowohl in der Staaten- wie Gesellschaftswelt engagiert sind, argumentieren, dass der signifikante Rückgang von gewaltsamen Konflikten in den anderthalb Jahrzehnten nach den frühen 1990er Jahren maßgeblich auf diese Expansion zurückzuführen ist (Evans, 2009). Getrübt wird diese Tatsache dadurch, dass es sowohl einen verbleibenden Sockel von 30 bis 40 gewaltsamen Konflikten gibt als auch eine hohe Zahl latenter Konflikte, fragiler Staaten und von Transformationsprozessen, die als »weder Krieg noch Frieden« bezeichnet werden können (Stiftung Entwicklung und Frieden, 2009).

Vor diesem Hintergrund gibt es im Hinblick auf das Engagement in der Staaten- wie Gesellschaftswelt eine intensive Debatte über deren Wirksamkeit, Effizienz und Nachhaltigkeit. In der Staatenwelt dreht sich die konzeptionelle Debatte vor allem um die Frage, inwieweit das Leitbild des »liberalen Friedens« eine angemessene Orientierung darstellt und welche Rolle die staatliche Entwicklungskooperation in diesem Zusammenhang spielen kann, zwei Themen, die in diesem Beitrag nicht weiter reflektiert werden können. In der Gesellschaftswelt haben sich vor allem zwei Schwerpunkte herauskristallisiert: Erstens die Frage, wie sich die Wirksamkeit zivilgesellschaftlichen Engagements belegen lässt, und zweitens, ob sich das Feld bei aller Expansion bzw. gerade wegen dieser Expansion nicht zu sehr den Vorgaben der Staatenwelt untergeordnet und damit ihr Potential als Kraft zur grundsätzlichen Infragestellung militärischer Konfliktbearbeitung eingebüsst hat.

Beide Fragen hängen insofern zusammen, als Wirksamkeit am Ende bedeutet, dass aufgrund von Aktivitäten der zivilen Konfliktbearbeitung ein nachhaltiger und gerechter Frieden gefördert wird (auch als »Peace Writ Large« bezeichnet). Genau dieser Zusammenhang ist aber bei der weit überwiegenden Zahl von einzelnen Initiativen nicht ohne weiteres herstellbar und im strengen Sinne angesichts der Komplexität sozialer Prozesse ohnehin kausal nicht möglich. Deshalb richten sich in der jüngsten Zeit viele Qualifizierungsmaßnahmen der ZKB darauf, »Theorien des Wandels« zu entwickeln, die es erlauben, plausible kausale Brücken zu schlagen zwischen den Aktivitäten und ihrer Relevanz für Peace Writ Large (Anderson et al, 2007).

Ein gemeinsames Merkmal der meisten Theorien des Wandels ist, dass sie von einem kumulativen Verständnis der Friedensförderung ausgehen. Sei es im klassischen Modell der Multitrack-Pyramide oder in anderen Diagrammen, wie der oben vorgestellten Aufteilung in Aktivitäten in der Staaten- und Gesellschaftswelt – es wird angenommen, dass die Chancen der Friedensförderung damit wachsen, dass auf möglichst vielen sozialen Ebenen und in möglichst vielen Feldern des Konflikts Maßnahmen der Friedensförderung stattfinden.

So plausibel die These ist, die sich auf die Kumulation komplementärer Aktivitäten richtet, sie verleitet zu der Schlussfolgerung, dass es vor allem darauf ankomme, die Triebkräfte gewaltfreier Verständigung, von Ausgleich, Verständigung und Kompromiss insgesamt zu stärken, um damit einen im Idealfall linearen Friedensprozess zu befördern. Die Analyse von realen Friedensprozessen demonstriert jedoch, dass sie selten linear verlaufen und dass es Fälle gibt, in denen eine verstärkte Friedenslobby oder »peace constituency« Gegenbewegungen provozieren, die den Effekt der friedlichen Mobilisierung ins Gegenteil verkehren können (Ropers, 2008).

Eine Konsequenz dieser Einsicht ist, dass es neben der wichtigen Aufgabe einer klugen und komplementären Kumulation von friedensfördernden Aktivitäten auch darauf ankommt, Strategien zu entwickeln, die sich auf das gesamte System des Konflikts beziehen und dabei auf jene Akteure und Faktoren zu achten, die maßgeblich zur Eskalation und Reproduktion des Konflikts beitragen. Die Frage ist, wie und ob sie im Rahmen eines kommunikativen Engagements zu erreichen sind, auf dem ein Großteil der ZKB beruht.

In diesem Bereich hat es in den vergangenen Jahren womöglich die interessanteste Entwicklung der ZKB gegeben, nämlich das getrennte strategische Engagement mit Konfliktparteien. Hier ist der Ausgangspunkt, eine vertrauensvolle Beziehung mit jenen Akteuren zu entwickeln, die zu den maßgeblichen Antriebskräften des Konflikts gehören. Das kann in der Regel nicht im Rahmen von »Projekten« geschehen, sondern bedarf einer langfristigen »projektfreien« Beziehungsentwicklung, des Zuhörens und Verstehens und des Hineindenkens in die Weltsicht der betreffenden Akteure. Beispiele gibt es dafür sowohl im Hinblick auf das Engagement mit nationalistisch eingestellten Mehrheitsvertretern als auch mit Repräsentanten nicht-staatlicher bewaffneter Gruppen, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzen.

Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen in Asien möchte ich zwei Beispiele anführen, wie ein solches Engagement transformative Qualitäten entwickeln kann.

Für viele asiatische Regierungspolitiker gibt es vor allem drei maßgebliche Ziele: den eigenen Machterhalt bzw. die Machterweiterung, wirtschaftliches Wachstum und politische Stabilität, wobei die beiden letztgenannten Ziele zugleich dem ersten dienen. Interne ethnopolitische Konflikte werden vor allem unter dem Gesichtspunkt der politischen Stabilität als Problem betrachtet. Ihre nahe liegendste Reaktion ist, alles zu vermeiden, was zu einer Neuaushandlung der politischen Machtverteilung führen könnte. Bevorzugte Methoden sind deshalb Vermeidung, Repression, Kooptation von Minderheiten-Vertretern, entwicklungspolitische und administrative Maßnahmen. Oft erweisen sich diese »quick fixes« jedoch als wenig tragfähig, nicht selten sind sie sogar kontraproduktiv. Ein wichtiges Element des strategischen Engagements innerhalb dieser Zirkel sind dann Diskussionen zu langfristigen Szenarien und alternativen politischen und nicht-militärischen Optionen.

Vergleichbare Erfahrungen gibt es beim Engagement mit Repräsentanten nicht-staatlicher bewaffneter Gruppen, insbesondere wenn sie in Verbindung gebracht werden mit Gruppen, die sich vor längerer oder kürzerer Zeit entschieden haben, anstelle einer militärischen eine ausschließlich politische Strategie der Interessenvertretung zu verfolgen. Viele von ihnen haben über die Jahre einer militärischen Auseinandersetzung einen Tunnelblick entwickelt, der es ihnen schwer macht, alternative Optionen zu sehen, vor allem die Chancen, die kluge politische Lobbyarbeit auf der Basis internationaler rechtlicher Standards bietet (Dudouet, 2009).

Ein weiterer kritischer Punkt betrifft die Frage, inwieweit zivilgesellschaftliche Aktivitäten die Defizite fragiler Staatlichkeit oder die Widerstände autoritär verfasster Staaten und radikaler politischer Bewegungen gegen einvernehmliche Konfliktregelungen ausgleichen können. Die Bilanz dieser Debatten ist, dass zivilgesellschaftliche Initiativen in der Tat wichtige Funktionen übernehmen können für die Prävention von Konflikten, die öffentliche Unterstützung von Friedensprozessen, die Bearbeitung von Kriegsfolgen, die Wieder-Annäherung voneinander entfremdeter Gemeinschaften und viele andere Aufgaben. Sie sind überfordert, wenn man von ihnen erwartet, dass sie im Umfeld eines fragilen oder autoritär verfassten Staates und einer gespaltenen oder gar verfeindeten politischen Klasse das Gemeinwesen »retten« können (Fischer, 2010 i.E.).

Im Hinblick auf den oben erwähnten zweiten Punkt, die Frage nach der Schaffung eines global wirksamen Systems friedlicher Konfliktbearbeitung, geht es ebenfalls um das Verhältnis zwischen der Staaten- und Gesellschaftswelt. Dieser Aspekt wird von jenen aufgeworfen, die sich mit dem Engagement zugunsten der ZKB eine prinzipielle Veränderung im Umgang mit Konflikten von militärischen zu zivilen Formen erhofft hatten. Sie sind besorgt, dass parallel zum Ausbau der ZKB nach einer vorübergehenden Reduktion nach dem Ende des Ost-West-Konflikts seit Ende der neunziger Jahre auch die Militärausgaben massiv angestiegen sind.

In zwei Beiträgen haben Lada Zimina und Simon Fisher (2008) sowie Diana Francis (2010) die Frage aufgeworfen, ob die »Kooptation« der gesellschaftlichen Akteure durch Strategien, Konzepte und Förderungsbedingungen der Staatenwelt sie nicht zumindest teilweise ihres transformativen Potentials beraubt hat. Darüber hinaus werfen sie die Frage auf, ob Akteure der ZKB in einigen Fällen nicht sogar zu Komplizen beim Versuch geworden seien, Konflikte militärisch zu lösen, und damit zumindest indirekt auch eine Verantwortung für die Fortsetzung des Systems militärischer Konfliktbearbeitung übernommen hätten.

Von »Insidern« und »Outsidern«

Das Bemühen um die friedliche Streitbeilegung durch dritte Parteien war von Anfang an ein wesentliches Element internationaler Diplomatie. Während des Ost-West-Konflikts spielte die Rolle dritter Parteien beim Krisenmanagement, der friedlichen Koexistenz und Entspannungspolitik zumindest in Europa jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Das sollte sich mit dem Ende des Ost-West-Konflikts signifikant verändern. Gerade im Hinblick auf den Umgang mit ethnopolitischen Konflikten schien die Beteiligung von dritten Parteien jetzt nahezu ein Allheilmittel zu sein, um den streitenden Akteuren einen gesichtswahrenden Ausweg zu ermöglichen und um die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft für Frieden und Sicherheit bei diesem Konflikttyp wahrzunehmen, für den es bis dahin nur wenige Regelungsmechanismen gab.

Befördert wurde das Interesse durch eine parallele Popularisierung des Konzepts der Mediation für eine Vielzahl interpersonaler wie innergesellschaftlicher Konflikte seit den achtziger Jahren in der westlichen Welt, sei es bei der Regelung von Familien-, Organisations- und Nachbarschaftskonflikten, bei Tarifstreitigkeiten, beim Täter-Opfer-Ausgleich oder bei Konflikten um öffentliche Belange, wie der Erweiterung von Flughäfen und anderen großen Investitionsvorhaben. Die Attraktion des Mediationskonzepts lag darin, dass es ein Verfahren der Konfliktregelung vorschlug, dass jenseits der Fremdbestimmung rechtlicher Prozesse und der Überwältigung durch die Macht oder Gewalt einer Seite angesiedelt war. Die Grundidee ist, in einem freiwilligen, strukturierten Kommunikationsprozess mit Hilfe einer neutralen dritten Partei die Bedürfnisse und Interessen der Parteien hinter ihren oft verhärteten Positionen zu klären und damit den Boden für eine Lösung zu bereiten, die von allen Beteiligten akzeptiert werden kann.

Mittlerweile haben sich mediative Prinzipien weltweit als wichtige und hilfreiche Orientierungsmaßstäbe für den Umgang mit Konflikten herausgestellt, wobei oft genug die Erfahrung gemacht wurde, dass es sich um Prinzipien handelt, die in vielen traditionalen Kulturen ohnehin tief verankert sind. Parallel dazu wurde deutlich, dass es ein breites Spektrum von mediativen Drittpartei-Rollen gibt, von den guten Diensten und der Pendel-Diplomatie über die Moderation von Gesprächen, die Fazilitation von Dialogen, die Mediation im engeren Sinne bis zu Arbitration und der »mediation with muscles« (Herrberg, 2009).

Die Etablierung mediativer Prinzipien und Mechanismen für die Bearbeitung ethnopolitischer und anderer subnationaler Konflikte in der Staatenwelt benötigte etwas mehr Zeit. Sie vollzog sich vor allem im Aufbau von Unterstützungsmechanismen für dritte Parteien, z.B. der »Mediation Support Unit« der Vereinten Nationen und der »Initiative for Peacebuilding« der Europäischen Union, aber auch in der Entwicklung von neuen und unterschiedlichen Organisationsformen, in der die dritten Parteien ihre Rolle wahrnahmen, z.B. als »Special Envoys« oder als »Freundesgruppen«, ein Bereich, in dem sich auch eine neue Grauzone zwischen der Staaten- und Gesellschaftswelt herausgebildet hat. Eine wichtige Rolle für die Weiterentwicklung dieser Instrumente spielten einzelne Länder wie Norwegen, die Schweiz und Finnland sowie regierungsnahe internationale Nichtregierungsorganisationen wie das Centre for Humanitarian Dialogue in Genf, deren Vertreter Pionierfunktionen bei der Entwicklung neuer Mediationsstrategien übernommen haben. Freilich waren es auch diese Akteure, die öfter schmerzhaft mit den Grenzen des Instruments konfrontiert wurden, wie z.B. Norwegen im Nahen Osten und in Sri Lanka.

In der Gesellschaftswelt war von Anfang an der Bezug zur Nutzung mediativer Prinzipien und Methoden bei interpersonalen und anderen innergesellschaftlichen Konflikten sehr viel näher. Das führte dazu, dass sich innerhalb der ZKB eine neue Gruppe von Personen etablierte, die aus der Mediation kamen, und dass umgekehrt viele frühere Friedensaktivisten zu professionellen Mediatoren wurden. In ihrer Arbeit in Krisen- und Konfliktgebieten ging es zum einen darum, diese Methoden auf den verschiedenen »Tracks« einzusetzen, wobei es sich vor allem um die Organisation und Fazilitation von Dialogen zwischen verfeindeten bzw. konkurrierenden Gruppen handelte. Zum anderen wurden Trainings- und Ausbildungsprogramme in Mediation zu einem Schlüsselkonzept für die Beförderung einer neuen, konstruktiven Konfliktkultur in diesen Ländern (Splinter/Wüstehube, 2007).

Friedensmediation und Dialogarbeit sind zu tragenden Elementen bei der Transformation von Gewalt und politischen Konflikten geworden. Die Vision, dass es mit Hilfe eines umfassenden »multi-track«- Netzwerks von Vereinten Nationen, Europäischer Union, einzelstaatlichen, zivilgesellschaftlichen u.a. Mediatoren zu einer neuen globalen Konfliktbearbeitungskultur kommen könnte, hat sich allerdings als verfrüht, wenn nicht sogar als illusionär herausgestellt. Verantwortlich sind dafür vor allem die einseitige Stossrichtung dieses Bemühens vom globalen Norden in den Süden und der zum Teil massive Widerstand vieler Länder, die sich strikt gegen diese Form der Einmischung in ihre Souveränität zur Wehr setzen.

Diese Einwände und Vorbehalte haben die Aufmerksamkeit auf eine Tatsache gelenkt, die von Anfang an bekannt war, aber im Enthusiasmus für die internationale Friedensmediation in Vergessenheit geriet, dass nämlich die Mehrzahl der Personen, die sich für Gewaltbeendigung, Moderation, Ausgleich und Kompromisse in Krisen- und Konfliktländern engagieren, Einheimische sind. Diese Personengruppe, die man auch als Insider Mediatoren bezeichnen kann, zu unterstützen und in ihrer Arbeit zu begleiten, ist zu einer ebenso wichtigen Aufgabe geworden wie die Förderung der internationalen Mediation (Mason, 2009). Möglicherweise eröffnet die Kooperation dieser beiden Gruppen die besten Chancen für nachhaltige Friedensprozesse, wie es etwas das Beispiel Nepal gezeigt hat.

Sind die kommunikativen Veränderungsstrategien tragfähig?

Einer der einflussreichsten Ansätze in der Anfangszeit der ZKB, insbesondere in akademisch beeinflussten Zirkeln, war das Konzept der »Interactive Conflict Resolution«. Es basiert auf der Überzeugung, dass es bei Konflikten zwischen Identitätsgruppen darauf ankommt, die beteiligten Personen so miteinander ins Gespräch zu bringen, dass sie wechselseitig ihre Grundbedürfnisse der Anerkennung und Sicherung ihrer kollektiven Identitäten respektieren können. Die Aufgabe der dritten Partei sei es in diesem Zusammenhang, durch eine gemeinsame Analyse des Konflikts diese Bereitschaft zu fördern. Andere Ansätze der Mediation sind weniger anspruchsvoll im Hinblick auf die Notwendigkeiten der Analyse. Gleichwohl heben alle darauf ab, dass es in der Kommunikation mit und zwischen den Konfliktparteien darauf ankommt, die Unterschiede zwischen Positionen, Interessen und Bedürfnissen herauszuarbeiten und Wege zu finden, grundlegende Gemeinsamkeiten zu identifizieren, auf denen eine Verständigung im Hinblick auf die Konfliktthemen aufbauen kann.

So hilfreich der Ansatz ist, haben die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte seine Grenzen aufgezeigt. Ein erster Punkt ist, dass die Unterscheidung zwischen nicht-verhandelbaren Grundbedürfnissen, verhandelbaren Interessen und Positionen in der Praxis sehr viel schwieriger ist als in der Theorie. Wer definiert, was verhandelbar ist und was nicht? Ein zweiter Punkt ist, dass diese Konflikte in der Regel zwischen Parteien mit unterschiedlicher Macht ausgetragen werden, was zwangsläufig Folgen selbst für die wohl gemeintesten allparteilichen Vermittlungsbemühungen hat. Schließlich stellt sich die Frage, inwieweit primär kommunikative Verfahren, wie sie bei Dialogveranstaltungen und in Mediationssitzungen verwandt werden, hinreichend sind, um nachhaltige Einstellungs- und Verhaltensänderungen zu bewirken.

Diese Einsichten haben zu einer Reihe von Überlegungen, Konzepten, Initiativen und Aktivitäten geführt, die darauf hindeuten, dass die ZKB erst am Anfang ihrer theoretischen wie praktischen Entwicklung steht. Von Anfang an war ein wichtiger Aspekt die Kombination mit entwicklungspolitischen Vorhaben verschiedenster Art. Drei jüngere viel versprechende Ansätze sind die Auseinandersetzungen mit der fundamentalen Kluft tiefer Meinungsverschiedenheiten, die Bedeutung von Demütigungen und die Verarbeitung ihrer Folgen sowie Ansätze, die Arbeit an Konflikten institutionell zu verankern.

In vielen lang anhaltenden Konflikten, z.B. im Nahen Osten, sind die Meinungsverschiedenheiten so fundamental ausgeprägt (deep disagreements), dass gut gemeinte Dialogbemühungen oft entweder in wechselseitiger Verständnislosigkeit oder – schlimmer – in verstärkten Aversionen enden. In diesen Fällen kommt es darauf an, neue Formen des strategischen Engagements zu entwickeln, bei denen es sich zunächst um die Arbeit innerhalb der jeweiligen Gruppe handelt (Ramsbotham, 2010). Ähnliches gilt für den Umgang mit Demütigungen, die vermutlich zu den wichtigsten psychologischen Antriebskräften von Konflikten gehören (Lindner, 2006).

Die Bearbeitung tief verwurzelter Konflikte braucht Zeit. Die meisten Initiativen der ZKB sind eher kurzfristig angelegt. Mit der Einführung von Projektzyklen in die professionelle Friedensarbeit wurden zwar längere Zeiträume möglich. Zugleich aber wurden sie der klassischen Projektlogik unterworfen, die nicht notwendigerweise der Logik des Konflikts und seiner Bearbeitung folgt. Eine Reaktion auf diese Erfahrung war die Schaffung von Initiativen und Organisationen, die die Konfliktbearbeitung institutionell absichern sollten, wie Friedenssekretariate, lokale und regionale Friedenskommissionen und diverse parteiliche wie allparteiliche Beratungsgremien. Diese »Infrastrukturen der Friedensunterstützung« sind bislang erst wenig im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit untersucht worden. Es spricht aber viel dafür, dass in diesen institutionellen Räumen ein erhebliches Potential für die Weiterentwicklung der ZKB liegt.

Literatur

Anderson, Mary B., Diana Chigas, Peter Woodrow (2007): Encouraging Effective Evaluation of Conflict Prevention and Peacebuilding Activities. Towards DAC Guidance. Paris: OECD-DAC, S.23; http://www.oecd.org/dataoecd/52/3/39660852.pdf.

Dudouet, Veronique (2009): From War to Politics. Resistance/Liberation Movements in Transition. Berlin: Berghof Conflict Research (Berghof Report 17).

Evans, Gareth (2009): The Responsibility to Protect: Ending Mass Atrocity Once and For All. Washington: Brookings.

Fischer, Martina (2010 i.E.): Zivilgesellschaft und Staatsbildung in Nachkriegsregionen – Erfahrungen in Bosnien-Herzegowina, in: Die Friedenswarte. 2010 i.E.

Fisher, Simon & Zimina, Lada (2009): Just Wasting Our Time? Provocative Thoughts for Peacebuilders, in: Beatrix Schmelzle, Martina Fischer (Hrsg.): Peacebuilding at a Crossroads? Dilemmas and Paths for Another Generation. Berghof Handbook Dialogue Series 7. Berlin: Berghof Conflict Research, S.11–35.

Francis, Diana (2010): From Pacification to Peacebuilding. A Call to Global Transformation. London: Pluto Press.

Herrberg, Antje with Canan Gündüz, Laura Davis (2009): Engaging the EU in Mediation and Dialogue. Reflections and Recommendations. Synthesis Report. Brussels: Initiative for Peacebuilding.

Lindner, Evelin (2006): Making Enemies: Humiliation and International Conflict. New York: Praeger.

Mason, Simon (2009): Insider Mediators. Exploring Their Key Role in Informal Peace Processes. Berlin: Berghof Peace Support (& Mediation Support Project of the Swiss Peace Foundation and the Center for Security Studies at the ETH Zurich).

Paffenholz, Thania (Hrsg.) (2010): Civil Society & Peacebuilding. A Critical Assessment. Boulder, Col: Lynne Rienner.

Ramsbotham, Oliver (2010): Transforming Violent Conflict: Radical Disagreement, Dialogue and Survival. London: Routledge.

Richmond, Oliver P. (2007): The Transformation of Peace. Basingstoke: Palgrave Macmillan.

Ropers, Norbert (1995): Friedliche Einmischung. Strukturen, Prozesse und Strategien zur konstruktiven Bearbeitung ethnopolitischer Konflikte. Berlin: Berghof Conflict Research. (2. Aufl. 2007).

Ropers, Norbert (2008): Systemic Conflict Transformation: Reflections on the Conflict and Peace Process in Sri Lanka, in: Daniela Körppen et al (Hrsg): A Systemic Approach to Conflict Transformation. Exploring Strengths and Weaknesses. Berlin: BCR (Berghof Handbook Dialogue Series 6), S.11–41.

Splinter, Dirk & Wüstehube, Ljubjana (2007): Konfliktbearbeitung im internationalen Kontext – was können wir als MediatorInnen beitragen? In: Ralf Lange et al (Hrsg.): Frischer Wind für Mediation. Konzepte, Praxisfelder und Perspektiven der Konfliktberatung. Bundesverband Mediation, S.21–36.

Stiftung Entwicklung und Frieden (2009): Globale Trends 2010: Frieden – Entwicklung – Umwelt. Frankfurt am Main: Fischer.

Anmerkung

1) Für Anregungen zur Überarbeitung der ersten Fassung des Artikels bedanke ich mich herzlich bei Ulrike Hopp.

Dr. Norbert Ropers ist Gesellschafter und Geschäftsführer von Berghof Peace Support in Berlin und Leiter eines Projekts zur Unterstützung von Insider-Mediatoren in Asien mit Sitz in Bangkok; seine Aktionsforschung befasst sich mit Friedensprozessen, und er ist Mediations-Trainer und Facilitator von Dialog-Projekten.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2010/4 Konflikte zivil bearbeiten, Seite 11–15