W&F 2011/3

Für den Frieden lernen

Arbeit mit Ex-Kombattanten in Nepal

von Heidi Gutsche

In W&F 2-2011 wurde die Arbeit des Zivilen Friedensdienstes in Nepal vorgestellt. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit trägt jedoch mit wesentlich mehr Projekten und Initiativen zum Friedensprozess in diesem Land bei.1 So finanziert das BMZ beispielsweise seit 2007 ein Vorhaben mit Fokus auf Aus- und Fortbildung, das von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) durchgeführt wird. Dieses Projekt steht im Mittelpunkt dieses Artikels.

Bereits während des bewaffneten Konflikts in Nepal wurde in den beiden maoistisch kontrollierten Distrikten Rukum und Rolpa ein Vorhaben zur Ernährungssicherung durchgeführt, das nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens durch ein Reintegrationsvorhaben ergänzt wurde. Diese Vorhaben der »Entwicklungsorientierten Not- und Übergangshilfe« förderten die soziale und ökonomische Reintegration von Ex-Kombattantinnen und -kombattanten sowie von Rückkehrenden in die jeweiligen Gemeinden. Eine Replikation dieses Konzepts in der »Far West Development Region« strebt die Verbesserung der Lebensverhältnisse an und schafft einen sozialen und ökonomischen Ausgleich in den ländlichen Gebieten.

Die Wurzeln für den gewaltsamen Konflikt waren Armut sowie die Diskriminierung von Kasten, ethnischen Gruppen und Frauen. Nach dem zehnjährigen Krieg, der von den maoistischen Rebellen (People’s Liberation Army, PLA) begonnen wurde, folgte 2006 die Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen den Maoisten und den sieben im Parlament vertretenen Parteien. Das Friedensabkommen sah die Einrichtung eines modernen Rechtsstaates mit einer parlamentarischen Demokratie vor. Außerdem wurde vereinbart, dass die durch die United Nations Mission in Nepal (UNMIN) verifizierten maoistischen Kämpfer in Internierungslagern (Cantonments) zusammengefasst werden. Sobald die politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen geschaffen wären, sollte ein Teil der Ex-Kombattanten in die Sicherheitskräfte (Armee und Polizei) übernommen werden. Die verbleibenden Ex-Kämpfer sollten in die Zivilgesellschaft reintegriert werden.

Es wurde davon ausgegangen, dass die ca. 19.000 Ex-Kombattanten, die diesen Status von UNMIN erhalten haben, und die ca. 4.000 Jugendlichen bzw. spät rekrutierten Kämpfer, denen dieser Status als Ex-Kämpfer nicht zugesprochen wurde, für sechs bis zwölf Monate in den Internierungslagern verbleiben würden. Bis dahin, so wurde angenommen, würde eine politische Lösung die Auflösung der Lager erlauben. In der Folge hat sich diese Erwartung allerdings nicht erfüllt.

Die Internierungslager sind über den gesamten Terai (Grenzgebiet zu Indien) vom äußersten Westen bis zum äußersten Osten verstreut und liegen zum Teil in entlegenen Gegenden. Sie sind in sieben Divisionen mit je einem Haupt- und drei Satelliten-Cantonments organisiert. Die Cantonments und die Waffen, die in der Nähe der Cantonments in Containern gelagert sind, wurden von der Errichtung der Cantonments bis zum 15. Januar 2011 von UNMIN überwacht. Seitdem hat, wie im Friedensabkommen vorgesehen, die Regierung diese Aufgabe übernommen. Die Cantonments wurden von der Regierung errichtet. Dafür wurden Zugangsstraßen angelegt und Unterkünfte, Gesundheitsposten, Stromversorgungs- und Wasseranlagen sowie notdürftige Sanitäranlagen gebaut. Vor allem die Wasserversorgungsinstallationen und die Sanitäranlagen waren lediglich für eine Übergangszeit ausgelegt.

Nachdem absehbar wurde, dass die Ex-Kombattanten für eine längere Zeit in den Cantonments bleiben müssen, weil sich eine politische Lösung nicht so schnell abzeichnen würde, traten die Maoisten im Mai 2007 mit der Bitte um Unterstützung an den Landesdirektor der damaligen GTZ heran. Sie wurden darauf hingewiesen, dass dafür ein Antrag der nepalesischen Regierung an die deutsche Regierung notwendig ist. Überraschenderweise wandte sich die nepalesische Regierung innerhalb kurzer Zeit an die deutsche Botschaft mit der Bitte um Unterstützung in den Bereichen Trinkwasserversorgung, Gesundheitsdienste und berufliche Bildung. Das BMZ erklärte sich bereit, eine direkte Unterstützung für die Cantonments und gleichzeitig für die umliegenden Dörfer zu finanzieren. Hier wurde von Anfang an der entwicklungspolitische Ansatz von »Do no harm« angewendet. Wären nur die Ex-Kombattanten unterstützt worden, hätten sich neue Spannungen oder Konflikte zwischen den Ex-Kombattanten und der Bevölkerung der umliegenden Gemeinden ergeben können. Dies sollte von vornherein verhindert werden.

Das Vorhaben, das beim nepalesischen Ministerium für Frieden und Wiederaufbau angesiedelt wurde, bekam den Projekttitel »Unterstützung von Maßnahmen zur Stärkung des Friedensprozesses«, kurz STPP, abgeleitet von der englischen Bezeichung »Support of Measures to Strengthen the Peace Process«. STPP nahm im August 2007 seine Arbeit auf.

Von Nothilfemaßnahmen zum Lernprogramm

Das Instrument der Direktfinanzierung und Direktimplementierung hat sehr schnell gegriffen und konnte in einer Zeit, in der es wichtig war zu verhindern, dass die Cantonments in Katmandu zum politischen Dauerthema werden, mit ersten Maßnahmen sichtbare Erfolge aufzeigen. Die Maßnahmen wurden zwischen den maoistischen Militärführern und den Mitarbeiter/innen von STPP ausgehandelt und zielten darauf ab, die wichtigsten Dinge zuerst anzugehen: die Verbesserung der Wasserversorgung, der Gesundheitsdienste und der Sanitäreinrichtungen. Zusätzlich wurde damit begonnen, die Kriegsverwundeten zu behandeln. Dafür wurden mobile Operationscamps eingerichtet und Ambulanzen zur Verfügung gestellt.

Die Gesundheitsposten in den Cantonments wurden von der Regierung als Primärgesundheitsversorgungseinrichtungen klassifiziert. Diese sollten auch den umliegenden Gemeinden zugänglich gemacht werden, da dort eine hinreichende Gesundheitsversorgung fehlte. Dafür wurden drei der Gesundheitsposten renoviert und zwei neu gebaut. Als es Ausbrüche von Hepatitis und Cholera gab, wurden schnell Medikamente für Epidemien zur Verfügung gestellt. Auch wurden Impfungen zur Immunisierung vorgenommen. Regelmäßige Untersuchungen fanden in den Gesundheitsposten statt. Fälle, die dort nicht behandelt werden konnten, wurden an die nächst gelegenen Krankenhäuser überwiesen. Darüber hinaus wurden auch Moskitonetze zur Vorbeugung von Malariaerkrankungen, Decken und Schuhe gegen die Kälte im Winter verteilt.

Die Aktivitäten hatten den Charakter von Nothilfemaßnahmen, wurden jedoch kombiniert mit entwicklungsorientierten Maßnahmen wie Aus- und Fortbildungen.

Zu Beginn des Vorhabens waren die Maoisten eher misstrauisch, als die GTZ-Mitarbeiter in die Cantonments kamen. Durch die ersten vertrauensbildenden Maßnahmen im Bereich Infrastruktur und durch die Behandlung von Kriegsverwundeten konnte im Laufe der Zeit aber ein Vertrauensberhältnis aufgebaut werden. Hier hat ein Lernprozess für alle Beteiligten stattgefunden. Weitergehende Aktivitäten wurden möglich. Denn obwohl vorgesehen war, dass die Ex-Kombattanten auch eine berufliche Bildung erhalten sollten, wollten die maoistischen Militärführer zunächst nichts davon wissen. Erst durch wiederholte Gespräche konnte erreicht werden, dass Ausbildungsprogramme in bestimmten Bereichen stattfinden konnten. Zunächst wurden die bereits vorhandenen Kenntnisse und der Bildungsstand der Ex-Kombattanten ermittelt, dann der Ausbildungsbedarf. Auf der Basis dieser Informationen wurden mit professionellen Trainingsinstituten die Lerncurricula für die spezielle Zielgruppe angepasst. Da die Ex-Kombattanten die Lager nicht verlassen durften, kamen die Trainingsinstitute in die Cantonments und unterrichteten dort. Die ersten Ausbildungsmaßnahmen waren Englisch-, Computer- und Alphabetisierungskurse, die es ihnen ermöglichten, an weiteren Ausbildungsmaßnahmen teilzunehmen.

Es gab bereits Ex-Kombattanten, die im Gesundheitsbereich ausgebildet waren, bevor sie sich der PLA angeschlossen hatten. Sie hatten auch während des Krieges die Verwundeten notdürftig versorgt. Damit die Gesundheitsdienste dem Bedarf der Patienten aus den Cantonments und den Gemeinden entsprechen, hat STPP nach und nach Ex-Kombattanten in der Anwendung von Medikamenten, im Gesundheitsmanagement, in der Familienplanung, bei Röntgenanwendungen, Hals-Nasen-Ohren-Behandlungen etc. geschult. Insgesamt haben bisher 1.900 Ex-Kombattanten an diesen und später auch längerfristigen Ausbildungen im Gesundheitsbereich teilgenommen.

Berufliche Bildung wurde im Infrastrukturbereich begonnen. Erste kurze Ausbildungen für Maurer, Klempner, Schreiner und Elektriker wurden durchgeführt, um eine minimale Qualifizierung zu erreichen. Nach bestandener staatlicher Prüfung erhalten die Trainingsabsolventen ein Zertifikat, das nationalen und internationalen Standards entspricht.

Ex-Kombattanten und Gemeindemitglieder wurden ausgebildet und befähigt, Probleme bei der Wasserversorgung – wie z.B. tropfende Wasserhähne, schlechte Wasserqualität während der Monsunzeit, nicht funktionierende Wasserpumpen der Bohrlöcher, undichte Wassertanks sowie defekte Wasserleitungen – zu identifizieren und Abhilfe zu schaffen. Dies gilt auch für die Elektrik in den Cantonments. Die qualifizierten Ex-Kombattanten und Gemeindemitglieder wurden in Instandhaltungs- und Wartungsgruppen organisiert und erhielten auch eine Schulung in der Organisation dieser Arbeiten. Dadurch sind die Cantonments nicht mehr auf Handwerker von außen angewiesen.

Gleichzeitig wurden in 25 Gemeinden für benachteiligte Frauen aus unterschiedlichen niedrigen Kasten partizipative Lernzentren, so genannte »Participatory Learning Center« (PLC) eingerichtet, um auch für die Bevölkerung in den an die Lager angrenzenden Gemeinden verbesserte Lebensbedingungen zu schaffen. In diesen lernen Frauen alltagsbezogene und gesundheitsrelevante Maßnahmen selbst zu identifizieren und umzusetzen. Ein Ergebnis war, dass alle 25 Gruppen ein Mikrosparsystem eingeführt haben, in dem die Frauen sich gegenseitig Kredite für einkommensfördernde Investitionen gewähren. Die PLCs in den Gemeinden werden nun bei der Gründung oder dem Anschluss an bestehende Kooperativen nachhaltig unterstützt. Eine Vernetzung mit nationalen Dachverbänden in diesem Bereich, die die Gruppen weiterhin begleiten sollen, wurde bereits eingeleitet. Bisher wurden neun neue Kooperativen gegründet, drei haben sich bestehenden Kooperativen angeschlossen. Diejenigen, die sich nicht dazu entschlossen haben, sich einer Kooperative anzuschließen oder eine neue zu gründen, weil die Ersparnisse dafür nicht ausreichen, werden als Selbsthilfegruppen weiterhin gefördert. Wichtig ist, dass die Gruppen und Kooperativen einkommensschaffende Maßnahmen – z.B. Gemüseanbau und Tierzüchtung – selbst planen und umsetzen können, um so ihre Einkommensverhältnisse zu verbessern. Hier ist der Lerneffekt besonders ausgeprägt. Die Gründe, die die Maoisten veranlasst haben, den bewaffneten Kampf aufzunehmen und immer mehr benachteiligte Menschen überzeugt haben, sich ihnen anzuschließen, sind auf mangelnde Ausbildung, Ausbeutung, Armut und Kastenwesen zurückzuführen. Insbesondere Frauen waren davon betroffen. Daher verwundert es auch nicht, dass der Anteil der Frauen innerhalb der PLA bei nahezu 40% lag. Die Anzahl der in den Cantonments lebenden Frauen wurde von UNMIN mit 20% angegeben.

Auch in den Gemeinden wurden berufliche Ausbildungen mit abschließendem Zertifikat durchgeführt. Hier gibt es andere Nachfragen, wie z.B. Ausbildungen für Schneider, Gesundheitsarbeiter im Veterinärbereich, aber auch nach den klassischen Berufen wie Schreiner und Elektriker. Insgesamt wurden in dem Projekt beinahe 11.000 Ex-Kombattanten und ca. 2.000 Gemeindemitglieder aus- und fortgebildet.

Gemeinsam lernen für die Zukunft

Alle Aus- und Fortbildungsmaßnahmen werden als Vorbereitung auf die zukünftige Situation der Ex-Kombattanten angesehen und sollen ihnen später bei der Reintegration ins zivile Leben helfen.

Die Nachfrage nach weiteren Trainingsmaßnahmen hat gezeigt, dass die Ex-Kombattanten am Lernen interessiert sind. Dies wird auch immer wieder von den Ausbildungsinstituten bestätigt. Die maoistischen Ex-Kombattanten werden als lern- und wissbegierig, zuverlässig und diszipliniert beschrieben. So wurden Fortgeschrittenen-Kurse für Computer und Englisch nachgefragt. Auch wollten die Ex-Kombattanten diese Kenntnisse selbst weiter vermitteln. Trainingskurse für Trainer für Englisch- und Computerkurse wurden daher ins Ausbildungsprogramm aufgenommen. Weiter bestand auch Bedarf an Computer-Hardwareausbildung zur Wartung der durch das Projekt bereitgestellten Computer.

Den Ex-Kombattanten wird immer mehr bewusst, dass sie bestimmte Ausbildungen nur machen können, wenn sie auch die entsprechenden Voraussetzungen, d.h. Schulabschluss, dafür mitbringen. Viele hatten keinen Zugang zu Bildung. Dies war eine der Gründe für den bewaffneten Kampf. Diejenigen jungen Leute, die sich der PLA anschlossen, konnten, wenn sie überhaupt zur Schule gingen, keinen Abschluss machen. STPP wurde nun gebeten, die Ex-Kombattanten beim Realschulabschluss zu unterstützen. Dies geschah zwischenzeitlich für mehr als 3.000 Ex-Kombattanten. Auch wurden längerfristige Ausbildungen im Gesundheitsbereich nachgefragt. Ca. 300 Ex-Kombattanten nehmen jetzt an 15-monatigen bzw. dreijährigen Ausbildungen für z. B. medizinisch-technische Assistenten, Laborassistenten etc. teil.

Vor dem Hintergrund, dass Nepal Erdbeben gefährdet ist und es während des Monsuns zahlreiche Überflutungen und Erdrutsche gibt, sind die Ex-Kombattanten hinsichtlich der Ausbildungen sehr innovativ. Ihre Ideen haben dazu beigetragen, das Trainingsangebot immer wieder zu erweitern. Katastrophenhilfe war z.B. eine der Nachfragen. Die maoistischen Ex-Kombattanten wollen bei Naturkatastrophen darauf vorbereitet sein, den Dörfern zu helfen. Hierfür wurden spezielle Ausbildungen konzipiert und durchgeführt.

Auch werden mehr und mehr Interaktionen zwischen den Cantonments und den anliegenden Gemeinden gewünscht. Diese werden zwar vom Vorhaben unterstützt und gefördert, jedoch von den beiden Zielgruppen selbst geplant und durchgeführt. Hier sind der Weltfrauentag, der Welt HIV/AIDS-Tag oder Sport- und Kulturveranstaltungen zu nennen. Auch hier findet ein Lernprozess statt, der auf das spätere Zusammenleben einen positiven Einfluss haben wird.

Friedensbildende Maßnahmen werden hauptsächlich durch konfliktsensitive Ansätze möglich. Bei den Gemeinden ist dies leichter zu bewerkstelligen als bei den maoistischen Ex-Kombattanten.

Wenn man in die Zukunft blickt, weiß man, dass alle Aus- und Fortbildungsmaßnahmen mit der Wirtschaft verknüpft sein müssen. Dies ist bei den Gemeinden durchaus möglich, für die Ex-Kombattanten stellt das jedoch eine größere Herausforderung dar. Unternehmensförderung oder Schulungen zur Vorbereitung auf eine selbstständige Tätigkeit bzw. Gründung eines Unternehmens werden von der Parteiführung der Maoisten bislang abgelehnt und sind daher bisher nicht möglich. Es gibt jedoch einen regelmäßigen Austausch zu diesem Ansatz. Wohl wissend, dass die erworbenen Kenntnisse später nur angewendet werden können, wenn auch unternehmerische Voraussetzungen bzw. Managementkapazitäten vorhanden sind, denken die Maoisten darüber nach, wie sie ihre Ideologie beibehalten und die doch die notwendigen Voraussetzungen dafür schaffen können. Eine Idee ist, dass die Maoisten in Kooperativen gleiche Interessen verfolgen und Einkommen sichern können.

Blick nach vorn

Das Rehabilitierungsprogramm sollte an den Wünschen und Bedürfnissen der maoistischen Ex-Kombattanten anknüpfen, gleichzeitig aber nachfrageorientiert angelegt sein. Letzteres allerdings ist ein Problem: Der Arbeitsmarkt in Nepal hat lediglich begrenzte Möglichkeiten für diese Zielgruppe. Eine erste Marktuntersuchung hat ergeben, dass es zwar Chancen für maoistische Ex-Kombattanten gibt, auf dem Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden. Es wurde aber auch klar, dass weitergehende Aus- und Fortbildungen durchgeführt werden müssen, um das Niveau für offene Stellen auf dem Arbeitsmarkt mit den damit verbundenen Lohnforderungen erreichen zu können. Erschwerend kommt hinzu, dass in Unternehmen Befürchtungen bestehen, die Beschäftigung von Ex-Kombattanten könnte die Arbeitsatmosphäre vergiften und Unruhe in die Unternehmen bringen. Auch wird eine Stärkung der maoistischen Gewerkschaften befürchtet. Trotz aller Bedenken gibt es – zumindest in den Wirtschaftsverbänden – ein großes Interesse, am Friedensprozess aktiv mitzuwirken. Und auch einzelne Unternehmer signalisieren trotz aller Vorbehalte die Bereitschaft, maoistische Ex-Kombattanten in ihr Unternehmen aufzunehmen. Der Bedarf in einigen Sektoren wie z.B. Infrastruktur, Gesundheit und Sozialarbeit, Tourismus und verarbeitende Landwirtschaft ist groß. Dennoch wiegen die Befürchtungen seitens der Unternehmer schwer.

Alle bisher durchgeführten Maßnahmen waren nur möglich durch fortwährende Verhandlungen. Flexibles Vorgehen und ständiges Anpassen sind die Grundvoraussetzungen, damit Angebot und Nachfrage nach Lernen und Qualifikation den größtmöglichen Nutzen erzielen. »Lessons learnt« und gute Praktiken helfen dabei. So konnten auch weitere Akteure für den Friedensprozess gewonnen werden wie z.B. die Privatwirtschaft oder weitere Geber.

Bildung und berufliche Ausbildung dienen der Vorbereitung und besseren Qualifizierung der Ex-Kombattanten auf ein Zivilleben. Dies wird auch von den Gebern und der Regierung so verstanden. Ein Vorhaben wie STPP kann die große Nachfrage nach Bildung und Ausbildung nicht abdecken. Deshalb ist es wünschenswert, dass sich weitere Geber und Organisationen im Friedensprozess engagieren und alle Ansätze gut koordiniert werden.

Der Friedensprozess kommt nur sehr langsam voran. Nepal befindet sich in einer Phase, in der die Parteien mit ihren eigenen Schwierigkeiten beschäftigt sind. Nach der Wahl des neuen Premierministers im Februar 2011 bilden CPN-UML (Communist Party of Nepal – Unified Marxist Leninist) zusammen mit den Maoisten eine Regierungskoalition. Ursprünglich war beabsichtigt, eine Konsensregierung zu bilden, in der alle wichtigen Parteien vertreten sind. Diese kam jedoch nicht zustande, weil die Differenzen hinsichtlich der Forderungen zu Integration und Rehabilitierung und der Inhalte der zu verabschiedenden Verfassung unüberwindbar scheinen.

Das Schicksal der Ex-Kombattanten ist direkt mit der zu verabschiedenden Verfassung verknüpft. Deshalb schauen alle darauf, wie sich die Parteien in diesen Punkten einigen werden.

Wenn man rückblickend betrachtet, wie es zum bewaffneten Konflikt gekommen ist und welche Schlüsselfaktoren dafür verantwortlich waren, wird jedem klar, dass ohne aktive und gezielte Einflussnahme der Regierung auf den Friedensprozess dieser ständig gefährdet wäre. Die Aussicht, dass junge Menschen ohne Chance auf Arbeit und ein Einkommen wieder an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, könnte zu Gewalt und Instabilität führen. Deshalb muss der Teufelskreis von Armut, Unzufriedenheit und Perspektivlosigkeit durchbrochen werden. Lernen und Qualifikation gibt den Menschen eine Chance, ihr Leben zu meistern und ein eigenes Einkommen zu erzielen.

Anmerkungen

1) Die Bundesrepublik Deutschland leistet über das Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) einen personellen und finanziellen Beitrag zum nationalen Friedensfonds Nepals (NPTF). Der NPTF erhält Mittel von der nepalesischen Regierung, hauptsächlich aber von europäischen bilateralen Gebern. Projekte, die zum Friedensprozess beitragen sollen, werden hieraus finanziert. Darüber hinaus gibt es auch einen Friedensfonds der Vereinten Nationen sowie weitere Unterstützungsleistungen anderer multilateraler und bilateraler Geber.

Heidi Gutsche arbeitet für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und leitet das Vorhaben »Unterstützung von Maßnahmen zur Stärkung des Friedensprozesses« seit Januar 2010. Der Artikel gibt die persönliche Meinung der Autorin wieder.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2011/3 Soldaten im Einsatz, Seite 44–47