W&F 2001/2

Gesundheitsgefährdung durch Uranmunition

von Rolf Bertram

10 Tonnen abgereichertes Uran 238 wurden nach US-Angaben 1999 in die Republik Jugoslawien verschossen. Die Kritiker, die bereits damals auf die aktuellen und Langzeitfolgen der Urangeschosse für die Zivilbevölkerung hinwiesen, wurden weitgehend totgeschwiegen. Anderthalb Jahre nach dem Krieg ist die Zahl der Krebskranken im Land um 30 Prozent gestiegen. Jugoslawische Mediziner führen das unter anderem auch auf diese Munition zurück. Ursächlich für eine Thematisierung der Gefahren durch Uranmunition in den Medien der NATO-Länder ist allerdings etwas anderes: Die auffällige Steigerung von Krebserkrankungen bei im Kosovo eingesetzten Soldaten. Jetzt hält es auch der deutsche Bundeskanzler „nicht für richtig“ Munition einzusetzen, die die eigenen Soldaten gefährdet und denkt über eine Ächtung dieser Waffen nach, wozu sich die NATO allerdings nicht durchringen kann. Rolf Bertram über die Gesundheitsgefährdung durch Uranmunition.
Der Einsatz von Uranmunition ist bei militärischen Auseinandersetzungen im Irak 1994, in Bosnien sowie 1999 in Serbien, Montenegro und im Kosovo nachgewiesen. Für die zuletzt genannten liegen offizielle Angaben über die Mengen verschossener Munition und über die Einsatzorte vor. Recherchen auf der Grundlage unabhängiger Quellen deuten aber darauf hin, dass die offiziellen Angaben den wahren Sachverhalt verschleiern.1 Das gilt auch für die Angaben zur Gesundheitsgefährdung von Soldaten, Hilfstruppen und Zivilisten.2

Wenn von einer „nur minimalen Erhöhung der radioaktiven Grundbelastung“ gesprochen wird, so ist klarzumachen, dass es sich dabei um eine reine Rechengröße (etwa Gesamtaktivität dividiert durch die Bevölkerungszahl) handelt, die über die individuelle Strahlenschädigung gar nichts aussagt. Um das wahre Ausmaß der von der Uranmunition ausgehenden Schädigungen zu beurteilen, ist der gegenwärtige radiochemische und radiobiologische Kenntnisstand heranzuziehen. Dieser besagt, dass im Falle der Inkorporation von radioaktivem Feinstaub die üblichen dosimetrischen Angaben (z.B. in Millisievert pro Jahr) zur Bewertung der Schadwirkung im Organismus keine Aussagekraft besitzen.

Zur Erläuterung dieses Sachverhalts sei daran erinnert, dass beim Aufprall von Urangeschossen bis zu 70% der Masse des abgereicherten Urans in oxidischen Staub verwandelt wird. Der gröbere Anteil wird im Nahbereich sedimentieren, der Feinstaub kann luftgetragen über weite Bereiche transportiert werden. Dieser Sachverhalt geht bereits 1989 aus einer von der US-Army in Auftrag gegebenen Untersuchung hervor. Dort heißt es: „…Wenn ein solches Geschoss die Panzerung eines Fahrzeugs durchschlägt, wird das Innere durch Staub und Splitter verseucht. Metallische Fragmente, die vom Geschoss und von der Panzerung stammen, verletzen und töten die Besatzung und zerstören die Ausstattung. Danach kommt es zur Explosion und zu Bränden. Ein Anteil von 70% des DU-Geschosses kann dabei zu Aerosolen zerstäubt werden. Die uranoxidhaltigen Aerosole verseuchen das im Abwind liegende Gebiet. DU-Fragmente können auch den Boden rings um das getroffene Fahrzeug verseuchen“3

Uran in kompakter Form ist relativ ungefährlich, weil die Alphastrahlung nur aus den oberflächlichen Kernen an die Umgebung abgegeben werden kann. Dieser Effekt der Selbstabschirmung entfällt bei feiner Zerstäubung, so dass bei gleicher Masse die Emission zig-tausendfach größer ist. Inkorporiert wirken die Staubpartikel als chemisches Gift und als direkt in das lebende Gewebe emittierende Alphastrahler. Da mit jedem Atemzug ca. 100 Staubteilchen in den Atemtrakt geraten (nach Explosionen und Bränden wesentlich mehr), ist die Aufnahme von radioaktiven Staubteilchen unvermeidlich.

Statistisch gesehen emittiert ein 10 Mikrometer großes im Lungengewebe eingelagertes Staubkorn aus abgereichertem mit Plutonium und anderen Transuranen verunreinigtes Uran etwa alle Stunde ein Alphateilchen. Durch den Emissionsakt wird innerhalb von 10-15 Sekunden in der unmittelbar angrenzende Zellschicht ein Energiebetrag von rund 4 MeV deponiert. Diese Energiemenge reicht aus, um in getroffenen Biomolekülen einige hunderttausend Bindungen aufzubrechen. Die Molekülbruchstücke lösen sekundär vielfältige biochemische Reaktionsketten und damit biologische Veränderungen aus. In mikroskopisch kleinen Bereichen wirken solche sich stets wiederholende Prozesse wie Explosionen. Obwohl diese durch einzelne Alphateilchen ausgelösten Ereignisse sowie die sich anschließenden thermochemischen und strahlenchemischen Folgereaktionen durch Messmethoden nicht zu erfassen sind, sind sie dennoch hoch wirksam. Die dabei durch direkte wie indirekte Einwirkungen verursachten Ionisations- und Dissoziationsprozesse bleiben primär auf nur eine Zelle oder wenige Zellen beschränkt. Es ist bekannt, dass Alphateilchen in charakteristischer Weise die Chromosomenstruktur und damit die Vererbungs- und Steuerungsprozesse verändern. Die zahlreichen seit ca.10 Jahren laufenden Untersuchungen zur genomischen Instabilität durch dichtionisierende radioaktive Strahlung zeigen, dass schon durch ein einziges Alphateilchen irreparable Chromosomenschäden hervorgerufen werden können.4

Panzerungen und Munition aus abgereichertem Uran gehören seit Jahren international zum gängigen Waffenhandel. Die in den USA ansässige metallurgische Firma Starmet wirbt ganz offen für die Vorzüge ihrer Produkte aus »depleted Uranium« (DU): „Starmet`s low cost DU manufactoring capabilities make it one of the leading suppliers of low cost ammunition for U.S. government weapons systems. Our anti-armor penetrator munitions helped bring a quick conclusion to the Desert Storm conflict.“5

Starmet gilt als Hauptabnehmer von abgereichertem Uran, das massenweise bei der Anreicherung von Uranerzen und bei der Wiederaufarbeitung anfällt. Für die noch immer ungelöste Entsorgung dieser radioaktiven Abfallprodukte aus der Kerntechnik ist diese »Verwertung« höchst willkommen. Die gemeinsamen Interessen der militärischen und zivilen Nutzung sind hier offensichtlich.

Bei einer Bewertung des abgereicherten Urans (DU) muss berücksichtigt werden:

  • Bei den durch Einsatz von Uranmunition freigesetzten radioaktiven Stäuben handelt es sich überwiegend um quasi unlösliches Uranoxid.
  • DU ist ein Gemisch verschiedener Uranisotope, Verunreinigungen durch Plutonium und andere Transurane (aus der WAA) sind nachgewiesen.
  • Die radioaktiven Folgeprodukte sind Alpha-, Beta- und Gammastrahler und tragen zur Strahlenbelastung bei.
  • Da einige Folgeprodukte in der Zerfallsreihe wesentlich stärker strahlen als das Ausgangsmaterial U-238, steigt die Radioaktivität mit der Zeit erheblich an.
  • Die Gesundheitsschäden durch radioaktiven Staub werden simultan durch Radioaktivität und chemische Toxizität hervorgerufen.

Anmerkungen

1) „Current Issues – Depleted Uranium Weapons in the Balkans“, http://www.antenna.nl/wise/uranium. „Die Verschleierung hat eine lange Geschichte – Uranmunition, das Gesetz des Schweigens“, Le Monde diplomatique, Beilage zur TAZ, Februar 2001, S.4 und 5.

2) „Es begann mit einer Lüge“ – ARD-Film von J. Angerer und M. Werth, 8. Feb. 2001 www.wdr.de/online/news/kosovoluege

3) Fliszar et. al. Aus Combat and Post – Combat du Issues, AEPI (Army Environmental Policy Institute) 1989.

4) Kadhim, M. A. u. a.: „Long-Term Genomic Instability in Human Lymphocytes Induced by Single-Particle Irradiation“ und die dort aufgeführte Literatur: Radiat Research 155, 122-126 (2001), Bertell, R.: „The Hazards of Low Level Radiation“, http://ccnr.org./bertell-book.html., Bertell, R.: „No Immediate Danger, Prognosis for a Radioactive Earth“, Book Publ. Comp.-Summertown, Tennessee, ISBN 0-913990-25-2, S. 15 – 63, Köhnlein, W. R.: „The Effects of Alpha-Particles on Chromosomal Alterations“, 1997, www.foe.arc.net.au/kohnlein/kohnpaper4.html

5) Starmet Metallurgical Excellence: „Depleted Uranium: A Versatile Heavy Metal“, Starmet Corporation 2229 Main St. Concord, www.starmet.com

Dr. rer. nat. Rolf Bertram, Universitätsprofessor (im Ruhestand), Technische Universität Braunschweig, Fachgebiet Physikalische Chemie und Elektroenergie.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2001/2 Recht Macht Gewalt, Seite