W&F 2024/2

Give Peace a Change!

Ein persönlicher Blick auf das 25. Jubiläum der PZKB

von Ginger Schmitz

Ein paar Tage vor der Jubiläumsveranstaltung der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung wurde Ende 2023 »Krisenmodus« zum Wort des Jahres erklärt. Angesichts der krisenhaften Eskalationen weltweit, aber auch der Angriffe auf Demokratie und Zusammenleben im eigenen Land, kann wohl mit Fug und Recht festgestellt werden, dass viele Mitglieder der Plattform, Partner*innen und Engagierte in Ziviler Konfliktbearbeitung (ZKB) und Friedensförderung im wörtlichsten Sinne in eben so einem Krisenmodus und unter hoher emotionaler Belastung arbeiten. Es stellt sich darüber hinaus die Frage, ob auch ZKB und Friedensarbeit als Arbeitsfelder mit ihren Ansätzen, Instrumenten und Handlungsprinzipien selbst aktuell im »Krisenmodus« sind. Da hierfür einiges spricht, muss sich für »uns« zwangsläufig die Anschlussfrage stellen, wie wir sie aus dem Modus wieder herausholen und »politisch wirkmächtiger« machen können. „How to give peace a change?“

Die schrecklichen Ereignisse im Nahen Osten, der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, aber auch die Erfahrungen aus Afghanistan und Mali werfen aktuell – sowohl im guten Sinne als Teil selbstkritischer Reflexion als auch als Ausdruck von Unverständnis und Fundamentalopposition gegenüber solidarischem internationalem Engagement – Fragen nach der Wirksamkeit Ziviler Konfliktbearbeitung und Friedensförderung und den Grenzen zivilen Engagements auf. In besonderem Maße lassen sich diese Angriffe im Moment an den populistisch getriebenen Attacken auf Entwicklungszusammenarbeit beobachten. Gleichzeitig tragen die Kontextveränderungen zu einer wieder zunehmend spürbaren Spannung zwischen friedenspolitischem Selbstverständnis der ZKB und sicherheitspolitischen Prioritäten bei. Eine Spannung, die die »Nationale Sicherheitsstrategie« nicht auflösen konnte, die aber auch nicht zu einem Rückfall in eine »Frieden vs. Sicherheit«-Dichotomie führen darf.

In der öffentlichen Wahrnehmung und Berichterstattung über gewaltsam eskalierte Konflikte und Kriege, in der Zivile Konfliktbearbeitung sich schon vor den Veränderungen der jüngeren Vergangenheit nur schwer gegenüber eher sicherheitspolitischen Perspektiven behaupten konnte, scheint ZKB nun kaum mehr eine Rolle zu spielen. Trotz scheinbar hohen Zustimmungsraten in der Bevölkerung für außenpolitisches Engagement. Dennoch – oder gerade deshalb – braucht es sie mehr denn je. Mit dieser Haltung und diesem Selbstverständnis blicke ich auch auf die Plattform ZKB, die ich einen kleinen Teil ihrer langen Geschichte begleiten darf; es braucht auch sie heute, 25 Jahre nach ihrer Gründung (leider) mehr denn je.

Als die Plattform 1998 in Bad Honnef vor dem Eindruck eines „unerträglichen Ausmaßes an Gewalt“ gegründet wurde, hat sie sich in ihrer Charta das Ziel gesetzt, die im Netzwerk „Beteiligten bei ihrer gewaltmindernden Arbeit zu unterstützen, miteinander zu verbinden und in ihrer Arbeit vor Ort effektiver zu machen“. Seitdem unterstützt sie die in ihr Beteiligten bei ihrem Bemühen, eine konstruktive, Frieden fördernde Transformation von Konflikten voranzubringen.

Die Plattform hat es zur Erreichung dieses Ziels von Anfang an als ihre zen­trale Aufgabe verstanden, Menschen und Organisationen zusammenzubringen: Um zusammenzuarbeiten, vorhandene Kapazitäten und Erfahrungen intensiver zu nutzen und letztlich um zivilgesellschaftliche friedenspolitische Wirkung zu entfalten und zu stärken.

Gleichzeitig hat die Plattform aber auch immer nach außen gewirkt, um die Strukturen und Rahmenbedingungen für ZKB und Friedensförderung zu stärken, über diese Arbeit zu informieren und sich konstruktiv an Diskussionen im politischen Raum zu beteiligen. Das hat sie in den Gründungsjahren beispielsweise getan, indem sie maßgeblich zur Entwicklung und Etablierung der friedenspolitischen Infrastruktur beigetragen hat, deren Teil sie noch heute ist (Beirat Zivile Krisenprävention, Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung (FriEnt), u.a.). Auch für den »Aktionsplan Zivile Krisenprävention« der Bundesregierung hat die Plattform kritische Impulse gesetzt und ihn in seiner Entwicklung und Umsetzung kritisch begleitet. Heute versuchen wir uns im gleichen Geist und mit dem gleichen Anliegen, ZKB und Friedensförderung zu stärken, in die Weiterentwicklung des Nachfolgedokuments einzubringen, der Überarbeitung der »Leitlinien Zivile Krisenprävention«, die sich die Bundesregierung für dieses Jahr vorgenommen hat.

Für das, was die Plattform in den 25 Jahren ihres Bestehens auf den Weg gebracht und möglich gemacht hat, für die Räume die sie geschaffen und Diskurse, die sie angestoßen hat, gebührt vielen Menschen Dank. Ein Dank denen, die die Plattform in dieser Zeit geprägt und getragen haben und die zu ihrer Entwicklung beigetragen haben. Sei es als Gründungsmitglied, Teilhabende, AG-Mitglied, Gremienmitglied, Hauptamtliche oder Partner*in. Eines habe ich bei der Plattform schnell gelernt: »Die Plattform«, das sind die Menschen, die sie bilden und tragen. Mit Engagement, Lust am kritischen, konstruktiven Diskurs, und dem Willen etwas zu verändern. Das macht unser Netzwerk stark, macht uns stark und gibt Kraft für die Aufgaben, die wir noch vor uns, und die Ziele, die wir uns gesetzt haben.

Ein signifikanter Teil dieser Aufgaben wird es sein, dass wir uns als Netzwerk in Zukunft weiter selbstkritisch damit auseinandersetzen, wie wir uns selbst als Teil von Friedensarbeit verändern müssen. Mit welcher Haltung tun wir das, was wir tun? Welches Verständnis von Partnerschaft haben wir und wie kann und muss Friedensarbeit konfliktsensibel, macht- und rassismuskritisch gestaltet werden? Mit ihrem internen Veränderungsprozess ist die Plattform erste Schritte auf diesem Weg gegangen. Give Peace a Change!

Ginger Schmitz ist seit April 2018 Geschäftsführerin der Plattform ZKB und in dieser Funktion Mitglied des Beirats für Zivile Krisenprävention und Friedensförderung.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2024/2 Fokus Mittelmeer, Seite 48–50