W&F 1990/3

Gratwanderung Golfkrise

von Wolfram Brönner

Manche knüpften an das Ausklingen des Kalten Krieges, der Ost-West-Konfrontation, die Hoffnung, nun sei die Ära einer neuen Weltfriedensordnung, einer konfliktfreien Welt angebrochen. Drei Monate Golfkrise genügten, um diese Vision als allzu illusionär erscheinen zu lassen. Stattdessen signalisiert sie eine Verschiebung der Konfliktlinie gen Süden, die Gefahr umsichgreifender Nord-Süd-Konfliktszenarien, falls sich die Weltmächte nicht auf politisch-diplomatische Hebel und die Überfälligkeit weltwirtschaftlicher Umgestaltungen im Sinne der ausgeplünderten, unterprivilegierten Völker der Dritten Welt besinnen. Insofern könnte sich der Entscheid der Bush-Administration für einen Angriffskrieg gegen den Irak rasch als Auftakt für eine Serie von Verteilungs- und Interventionskriegen auf dem Trikontinent, als Einstieg in eine Weltkonfliktordnung erweisen.

Ende Oktober d.J. meldeten Beobachter des Washingtoner Krisenmanagements, ein US-Angriff auf Bagdad werde nunmehr wahrscheinlicher. Gründe, die dafür sprächen: Der »Wüstenherbst«, sprich die kühlere Jahreszeit im Mittleren und Nahen Osten begünstigen Militäraktionen. Der Hauptkontrahent USA habe nun seine mit dem Aufmarsch am Persischen Golf, der »Operation Wüstenschild«, geplanten Kontingente an Truppen und Kriegsgerät komplett vor Ort. Und: Die Einheitsfront gegen den Diktator Saddam Hussein außer- und innerhalb der USA drohe abzubröckeln. Ist der vorausgesagte Golfkrieg unvermeidlich, ein politischer Ausweg ohne Chance? Und sind die Risiken eines sog. »Überraschungsschlages« nicht viel zu hoch?

Die Vorkriegslage

Und dies ist die Vorkriegslage: Der seit dem Vietnamkrieg größte westliche Truppenaufmarsch, der mit der irakischen Kuwaitinvasion vom 2.August d.J. am Persischen Golf einsetzte, und ein UN-Wirtschaftsembargo sollen den Irak zum Rückzug aus dem besetzten Ölemirat zwingen. Nach wie vor verpuffen alle Versuche, zwischen den Hauptkontrahenten Washington und Bagdad einen politischen Dialog zustande zu bringen. Ein Inferno in der Ölregion kann jederzeit losbrechen. Und schon jetzt sind die Warnsignale dieser Golfkrise alarmierend genug.

Ein erstes Warnsignal ist das Wiedererstehen eines griffigen Feindbildes, des »Hitler« oder »Irren von Bagdad«, womit erst sich eine Vorkriegsstimmung richtig anheizen läßt. Da mit dem Ausklingen des Kalten Krieges das Feindbild des »Russen« aus der Mode gekommen ist, bedurfte es eines neuen vom Kaliber des Diktators Saddam Hussein. Ausgerechnet jene, die selbst so manche Invasion, zuletzt im Dezember 1989 in Panama, auf dem Kerbholz haben, berufen sich nun beim Kreuzzug gegen Bagdad auf die Verteidigung des Völkerrechts.

Andererseits hat Präsident Saddam Hussein durch die Annexion Kuwaits Ende August und die Geiselnahme tausender westlicher ZivilistInnen dieses Schreckensbild selbst kräftig mitgeformt. Da gibt es nichts zu beschönigen. Und dennoch gilt es mit Nachdruck, die westliche Doppelmoral zu kritisieren. Ausgerechnet sie, die heute den »Berserker Hussein« mit allen Mitteln loswerden wollen, hatten bei dessen gleichem Delikt im Jahr 1980 gegen den Iran Khomeinis keinen Finger gerührt. Ebensowenig waren ihnen der Giftgaseinsatz Bagdads gegen die Kurdenbewegung (Halabja 1988, 5000 Tote) oder seine brutale Zerschlagung der eigenen Opposition irgendwelche Strafmaßnahmen wert. Im Gegenteil, das Hussein-Regime wurde kräftig mit aufgerüstet (darunter sogar mit C- und B-Waffen) und in der Endphase des Krieges gegen den Iran einseitig militärisch unterstützt.

Anstößig ist ferner, wie sehr mit zweierlei Maß im Fall der Besetzung Kuwaits hier und Palästinas da von der Weltmacht Nr.1 gemessen wird. Im Falle der israelischen Okkupation der palästinensischen Westbank und Gazas blockiert Washington durch seine Vetopolitik in der UNO und die maßgebliche wirtschaftlich-militärische Stützung Israels seit Jahren die von der konzessionswilligen Palästinensischen Befreiungsorganisation(PLO) geforderte Zweistaatenlösung. Den Dialog mit der PLO brach die Bush-Administration jüngst ab – hier spielt sie auf Zeit. Ganz anders agiert sie in der Kuwaitfrage. Dort erhebt sie, wie Anfang Oktober d.J. Präsident Bush vor der UN-Vollversammlung, die bedingungslose, unverzügliche Räumung Kuwaits durch die Besatzungsmacht zur unverrückbaren Vorbedingung für die Aufnahme eines Dialogs mit dem Irak. Und zeitgleich droht sie Bagdad einen »Vernichtungsschlag« bzw. »Erstschlag« durch die westliche Interventionsstreitmacht für den Fall an, daß dieser nicht kapituliere.

Die Gefahr eines überregionalen Infernos

Hier rückt ein zweites Warnsignal ins Bild. Dem oberflächlich hinsehenden Otto Normalverbraucher wird angesichts steigender Benzin- und Heizölpreise, angesichts des Gespenstes einer Wirtschaftsrezession suggeriert, für seine Probleme gäbe es eine simple Ursache, folglich einen ebenso simplen, vielversprechenden Ausweg. Der Verursacher und Sündenbock heiße Saddam Hussein. Sei erst einmal der Diktator mittels eines „chirurgischen Eingriffs“ (H. Kissinger) aus der Welt, so löse sich das Krisenszenario am Persischen Golf wie von selbst auf.

In Wahrheit droht im Fall eines westlichen Angriffskrieges eher das Gegenteil: Angesichts der relativen Stärke und Gegenschlagsfähigkeit der Militärmacht Irak ist ein überregionales Kriegsinferno, und zwar unter Einsatz von chemischen, biologischen und selbst atomaren Waffen, höchstwahrscheinlich. Der Irak verfügt neben der stärksten und kampferprobtesten Armee (1 Mio zuzüglich zahlenmäßig größerer Volksmiliz) über einen ansehnlichen Raketenpark unterschiedlichster Reichweite, vermag daher – wie schon im »Städtekrieg« gegen den Iran demonstriert – relativ zielgenau einen Großteil der Ölanlagen Saudi-Arabiens, des weltgrößten Ölexporteurs, und Israel zu erreichen.

Die US-Streitmacht hat alleine rund 400-450 Atomwaffen, eine ähnliche Zahl von Cruise Missiles, 700 Kampfflugzeuge, über 50 Kriegsschiffe und Truppen in einer Stärke von 500.000 Mann vor Ort. Verantwortliche des Pentagon lassen durchblicken, daß bei einem irakischen C-Waffen-Gegenschlag die Akzeptanz eines sofortigen A-Waffen-Einsatzes ausreichend hoch liegen dürfte. Außerdem wäre auch dem – derzeit in der Gesamtregion einzig – atomwaffenfähigen Israel im Ernstfall ein solcher Coup gegen Bagdad zuzutrauen. Saddam Husseins taktische Vernüpfung von Kuwait- und Palästinafrage in der Absicht, die arabischen Massen für seine Zwecke zu mobilisieren, hat die Explosivität der gegenwärtigen Krisenlage noch erhöht.

Schon von daher wird deutlich, daß es die von den Kreuzzugsverfechtern verheißene simple Lösung überhaupt nicht gibt, ja diese höchste Risiken eines Flächenbrandes mit unwägbaren Zerstörungen und Folgewirkungen in sich birgt. Die Verschleierung der Komplexität der Konfliktursachen dient einesteils dem kurzsichtigen Zweck, die westliche Öffentlichkeit zum Abenteurertum zu verleiten. Andernteils ist sie dazu geeignet, die nackte westliche Interessenpolitik zu vernebeln, die sich hinter diesem Aufmarsch und der in Washington insgeheim weiter favorisierten Kriegsoption verbergen.

Die Ursachen des Konflikts

Worin sind die eigentlichen Ursachen des Konflikts auszumachen? Zuerst ist die von der Kolonialmacht Großbritannien hinterlassene vakante irakisch-kuwaitische Grenzziehung zu nennen, die 1961, im Jahr der Unabhängigkeit des Emirats, schon einmal zu einer prekären Konfliktlage samt britischem Militäraufgebot geführt hatte. Hinzu trat nun der Zank um das grenzübergreifende Ölfeld von Rumaila und um die von den Golfmonarchien (Saudi-Aarabien, Kuwait, Vereinigte Emirate usw.) innerhalb des Ölexportkartells OPEC verfolgte Überproduktionspolitik, die auf ein Niedrighalten des Rohölpreises – ganz im Sinne der Ölmultis und Westmächte – bedacht war. Demgegenüber forderten gerade die durch ihren achtjährigen Krieg wirtschaftlich ruinierten und hoch verschuldeten Regimes in Bagdad und Teheran zur Jahresmitte energisch eine Förderdrosselung und Preisanhebung auf über 20 $ pro Barrel Rohöl.

Der mit geschätzten 80-150 Mrd $ im Ausland verschuldete Irak sah in seiner Einverleibung des reichen Emirats in erster Linie einen Ausweg aus der wirtschaftlichen Klemme, wenngleich er sich mit den internationalen massiven Gegenreaktionen (Stopp der Öleinnahmen, Sperrung der ausländischen Geldanlagen Kuwaits usw.) offensichtlich verkalkulierte. Die vom Hussein-Regime angepeilten Vorteile der Aneignung der Reichtümer der Königsfamilie der Sabahs, nämlich sich mit einer Schuldensumme von ca. 30 Mrd $ die größten Gläubiger vom Halse zu schaffen und mit der Übernahme der kuwaitischen Ölanlagen weitere rund 9% der Weltölreserven unter Kontrolle zu bringen, zahlen sich indessen nicht aus. Bagdad ist nun zwar mit 20% der Weltölreserven und einem Rohöl-Produktionsanteil von 7,4% zur hinter Saudi-Arabien (25% der Reserven, 8,3% der Förderung) potentiell stärksten Ölexportmacht aufgestiegen, bleibt jedoch dank des UN-Boykotts auf diesem Reichtum sitzen. An die ca. 150 Mrd $ Kapitaleinlagen der kuwaitischen Ölscheichs in westlichen Banken und Konzernen gibt es auch kein Herankommen. Stattdessen schlägt die enorme Abhängigkeit des Zweistromlandes von Nahrungsmittelimporten (Getreide 88%, Reis 80%) auf die Versorgungslage durch, die kritisch zu werden beginnt.

Die Militarisierung

des Nahen Ostens

Eine andere implizite Konfliktursache liegt in der Überrüstung des Irak begründet, die sich in dem horrenden Anteil der Militärausgaben von 31,7% des Bruttoinlandprodukts (Kuwait 7,2%, Iran 5%, Saudi-Arabien 22,7%) ausdrückt. Daß sich die Golfregion zur höchstmilitarisierten Zone in der Dritten Welt ausstaffieren konnte, ja zum Einsatzgebiet von chemischen und in Kürze biologischen Waffen (Ende 1990 soll Bagdad laut CIA-Erkenntnissen soweit sein!), möglicherweise gar von Atomwaffen werden kann, geht in hohem Maße auf das Konto des Westens bzw. der Großmächte.

Sicherung der Rohstoffe

Hinzu tritt die weiterhin hohe Abhängigkeit der Westmächte vom Golföl (voran Japan mit 64% und Frankreich mit 35% des Ölbedarfs) und die außerordentliche geostrategische Konzentration der USA auf diese ihres Erachtens „lebenswichtige Interessensphäre“ (laut Carter-Doktrin von 1980) des Westens. Damit ist zuvörderst die Kontrolle über die dort angehäuften 66% der Ölreserven der Welt zu verstehen. Mit dem hochkarätigen militärischen Schutz der Schnellen Eingreiftruppe (Gesamtstärke derzeit rund 400.000) für ihre treuesten Sachwalter, die Sauds, die Sabahs usw., sichern sich die Metropolen zudem die – vom Ausnahmefall abgesehen – künstliche Aufrechterhaltung der OPEC-Niedrigpreispolitik. Und sie bauen darauf, mittels ihrer eigenen ausgedehnten Militärpräsenz in der Ölregion auch künftig einen Damm gegen den antiimperialistisch akzentuierten arabischen Nationalismus und islamischen Fundamentalismus errichten zu können. Im September d.J. hat US-Außenminister Baker als eine vordringliche Konsequenz aus der Golfkrise die Schaffung eines neuen Sicherheitsbündnisses unter US-Dominanz im Mittleren Osten, und zwar nach dem Modell der NATO, angekündigt. Doch mit dieser militaristischen Version des Zugriffs auf das Golföl verleiht Washington nur dem antiinterventionistischen Aufbegehren der betroffenen Völker neuen Auftrieb, was durch die potentielle Einbeziehung Israels in eine übergreifende nah- und mittelöstliche Konfliktkonstellation noch zusätzlich an Sprengkraft gewinnt.

Schon jetzt zeichnet sich ab, welch hohe politische Kosten die Regierung Bush riskiert, sollte sie an der Vorrangigkeit ihrer militärischen Option gegen den Irak festhalten und sich nicht ernsthaft auf einen Dialog mit dem Kontrahenten über eine friedliche Lösung der Geiselnahme und Kuwaitfrage einlassen. Selbst eine Reihe von gegenwärtigen Mitstreitern, darunter Syrien und Frankreich, haben für den Fall von US-Offensivschlägen ihr Ausscheren aus der gemeinsamen Front angekündigt.

Vor einer neuen Ölkrise?

Zum anderen hat der zwischenzeitliche Anstieg des Rohölpreises auf über 40 $ pro Barrel den Beginn einer neuen Ölkrise und insbesondere einer Wirtschaftsrezession der USA angezeigt. Diese hat wegen ihres extremen Handels- und Haushaltsdefizits hier mit den empfindlichsten konjunkturellen Einbrüchen unter den drei westlichen Zentren zu rechnen. Und sie hat verglichen mit Westeuropa und Japan seit den 70er Jahren die wenigsten Anstrengungen unternommen, den Ölanteil am heimischen Primärenergieverbrauch abzusenken. Am schlimmsten betroffen vom Ölpreisboom sind wohl die ohnehin tief in einer Schulden- und Entwicklungskrise steckenden »Habenichtse« der Dritten Welt und die auf den Weltmarkt drängenden Staaten Osteuropas.

Mehr noch, sollte es tatsächlich zum Waffengang in der Krisenregion Mittlerer und Naher Osten kommen, so wäre ein Hochschnellen des Ölpreises auf astronomische 200 bis 400 $ pro Barrel denkbar, damit würde auch der Keim für künftig serienweise Verteilungskriege a la Kuwait-Invasion vorprogrammiert sein.

Insofern setzt die aktuelle Golfkrise auch ein großes Warnsignal dafür, daß die Westmächte bei einem Festhalten an ihrer neokolonialistischen Diktatpolitik gegenüber den Rohstofflieferanten des Südens, an ihrer Unnachgiebigkeit gegenüber deren Forderungen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung oder einer Wiederaufnahme des seit 1981 blockierten Nord-Süd-Dialogs am eigenen Ast sägen. Dies kann nur zur vertieften wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Zerrüttung großer Teile der ausgebeuteten Dritten Welt, zur Anhäufung zusätzlichen Konfliktstoffs führen. Und die aktuelle westliche Golfkrisenpolitik weist genau in die entgegengesetzte Richtung einer alternativen, langfristig erfolgverheißenderen Entwicklungs- und Krisenstrategie. Denn sie treibt die Tendenz einer Militarisierung auf die Spitze, anstatt sich endlich auf einen vorrangigen wirtschaftlich-sozialen Interessenausgleich und auf eine weltweit anzulegende ökologische Vorsorge in ihrer Dritte-Welt-Politik zu verlegen.

So droht die Chance des Endes der Ost-West-Konfrontation und der Aufwertung der Rolle der UNO in der Weltpolitik vertan, ja durch eine tendenzielle Zuspitzung von Nord-Süd-Konfliktszenarien abgelöst zu werden. Die Golfkrise zeigt an, wie weitgehend durch eine skrupellose Rüstungsexportpraxis der Großmächte und infolge des Machtschwundes der »Supermächte« USA und UdSSR die Ambitionen regionaler Vormächte wie des Irak, Indiens usw. außer Kontrolle geraten können. Nicht eine Politik des Abstrafens bzw. der Vernichtung, sondern eine konsequente Nichtweiterverbreitungspraxis von A- und C-Waffen, ein Rüstungsexportstopp, eine Politik des Dialogs unter Gleichberechtigten kann hier nur die Alternative lauten.

Die Rolle Deutschlands

Dem vereinigten Deutschland stünde bei der Realisierung einer solchen Abkehr von der überholten Nord-Süd-Politik eine vorwärtstreibende Rolle gut an. Als fünftgrößtem Rüstungsexporteur, größter Handelsnation und einer der drei führenden Weltwirtschaftsmächte trägt sie ein hohes Maß an Mitverantwortung an der Verelendung, Militarisierung und am ökologischen Niedergang der Dritten bzw Einen Welt. Umkehr hieße, eine alternative, nämlich umwelt-, sozialverträglichere und friedensfördernde Nord-Süd-Politik einzuschlagen und international mit anzubahnen.

In der Golfkrise aber demonstriert Bonn bislang eher Unverantwortliches. Die »Operation Wüstenschild« wird durch reichliche logistische, Material- und Finanzhilfe (vorerst einmal 3,3 Mrd DM) unterstützt. Sieben Schiffe der Bundesmarine bezogen ersatzweise (noch!) im östlichen Mittelmeer Stellung. Und Kanzler Kohl sicherte Washington die baldige Beseitigung der grundrechtlichen Hemmschwellen für ein Nachrücken.von Bundeswehreinheiten ins Golfkrisenzentrum, d.h. außerhalb des NATO-Geltungsbereichs, zu. Eine westeuropäische Interventionsstreitmacht unter deutscher Mitregie für künftige Einsätze in der Dritten Welt ist im Werden.

Dies aber ist als ebenso friedensgefährdend zurückzuweisen, wie die dubiose Waffenexportpolitik deutscher »Todeskrämer«, ihre mit langjähriger Bonner Duldung völkerrechtswidrig betriebenen Weiterverbreitungspraktiken in Sachen chemischer, atomarer und biologischer Militärtechnologien.

Eine deutsche Initiative zur Anbahnung einer friedlichen Beilegung der Golfkrise blieb erwartungsgemäß aus. Frankreich und die Sowjetunion haben hierzu immerhin seit Beginn der UN-Vollversammlung erste Ansätze für eine gegenseitige Annäherung Bagdads und Washingtons beigetragen. Mitterrands Vorschlag stellte die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Irak in Aussicht, sobald dieser seine Absicht(!) zum Abzug aus Kuwait und zur Beendigung der Geiselnahme bekunde. Damit wurde für Bagdad und Washington eine Brücke geschlagen, um in Richtung einer Kompromißformel einzuschwenken – die Alternative dazu heißt Kriegsinferno in der Ölregion, dessen Auswirkungen auch die westlichen Zentren nicht verschonen werden.

Noch ist es nicht zu spät. Werden die skizzierten Warnsignale gerade in den NATO-Staaten endlich ernstgenommen, so ist ein nichtkriegerischer Ausweg aus der Golfkrise möglich. Die Friedenskräfte stehen gerade hier in der Verantwortung, durch eine breite Mobilisierung gegen die militärische Option, gegen den Einstieg »ihrer« jeweiligen Regierungen in eine Kriegsabenteuer, für eine politische Verhandlungslösung den Druck auf die Washingtoner Verantwortlichen zu erhöhen.

Wolfram Brönner ist Mitglied der Redaktion Dritte Welt in Marburg.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1990/3 Die Krise am Golf, Seite