W&F 2003/1

Großbritannien: Wachsender Widerstand gegen Kriegsbeteiligung

von Ian Martin

Es sind britsche Flugzeuge, die seit über 10 Jahren an der Seite der US-Luftwaffe den Irak bombardieren. Und es ist Tony Blair, der nie einen Zweifel daran aufkommen ließ, dass er auch im Falle eines neuen Krieges gegen den Irak an der Seite der USA sein Militär einsetzen würde und der Wert darauf legt der loyalste Partner Bushs zu sein. Doch in der britschen Öffentlichkeit wächst der Widerstand. Im Oktober kam es zur bisher größten Demonstration der britischen Friedensbewegung und die nächsten Aktionen sind bereits angekündigt.
Die Anti-Kriegsbewegung steht hauptsächlich unter dem Dach der »Stop The War Coalition« (STWC). 400.000 Teilnehmer demonstrierten am 28. September in London. Zusätzlich kam es an dem von dem Labour-Veteranen Tony Benn ausgerufenen und von STWC koordinierten Aktionstag gegen den Irak-Krieg zu kreativen Protestaktionen im ganzen Land. Für den 15. Februar sind Vorbereitungen für erneute Großdemonstrationen im Gange.

Die Friedens- und die Antikriegsbewegung hat die Stimmung in der Öffentlichkeit bereits jetzt stark beeinflusst. Nach einer Meinungsumfrage vom Oktober unterstützen nur noch 31 Prozent der Bevölkerung einen Krieg gegen den Irak. Dass in den letzten Wochen keine weitere Umfrage in Auftrag gegeben wurde, spricht für sich. Mittlerweile ist auch der Tenor der meisten Leitartikel in der Mainstream-Presse stark skeptisch bis offen gegen einen Krieg.

In Ergänzung dieser Aktionen hat jetzt die »Campaign for Nuclear Disarmament« eine eigene Initiative gestartet. Sie hat eine Klage eingereicht, die nach ihrer Aussage zwar nicht die Invasion der Amerikaner im Irak aufhalten, vielleicht aber die Beteiligung Großbritanniens stoppen könnte.

Zum Verständnis: Die CND ist die führende Organisation in der britischen Friedensbewegung. Sie wurde 1958 gegründet, insbesondere mit dem Ziel »die Bombe zu bannen«. Einige Aktionsformen der frühen Jahre ragten besonders hervor (und hatten u.a. auch einen großen Einfluss auf die Ostermarschbewegung der 60er Jahre in der Bundesrepublik, d.R.). Dazu zählen die Aldermaston-Märsche, die Sit-Down-Proteste und die Massenfestnahme der Gruppe, die »Kommittee der 100« genannt wurde.

Die CND übersandte jetzt Premierminister Tony Blair, Außenminister Jack Straw und Verteidigungsminister Geoff Hoon ein Rechtsgutachten der Kronanwälte Rabinder Singh und Charlotte Kilroy.

Dieses Rechtsgutachten besagt, dass die UN-Sicherheitsratsresolution 1441 nicht den Einsatz von Gewalt rechtfertigt und dass das Vereinigte Königreich internationales Recht bricht, wenn es gegen den Irak Gewalt einsetzt, ohne dass eine weitere Resolution des UN-Sicherheitsrates vorliegt.

Um zu verstehen, warum diese Klageandrohung für den CND ein wichtiges Mittel ist, um Blairs-Kriegsbeteiligung zu vereiteln, ist es nötig einen Blick auf die Menschen neben ihm zu werfen:

  • Da ist Peter Hain, als Kabinettsminister zuständig für Wales und möglicherweise nach Blair nächster Labour-Spitzenmann. Er ist Mitglied im CND.
  • Da ist Robin Cook. Der Vorsitzende des Unterhauses sagt Journalisten »off the record« seine Meinung über diesen Krieg und unterstützt die Anliegen des CND immer noch.
  • Oder nehmen wir Ben Bradshaw. Der stellvertretende Vorsitzende des Unterhauses kam über die CND zu Labour.

Für mich ist Ben typisch für die Regierungsmitglieder, die nun in hohen Positionen sind und in der Vergangenheit Friedensaktivisten waren. Ihre Karriere bindet sie an Blair, der nie etwas anderes war als ein rechter Karrierist (obwohl seine politische Identität oft absichtlich vermischt wird mit den offen demokratisch-sozialistischen Ansichten seiner Frau). Diese Spitzenpolitiker von Labour möchten einen Weg finden, um mit ihrem Gewissen ins Reine zu kommen, gleichzeitig möchten sie aber auch ihren Job behalten. Die CND-Klage bietet ihnen den Kompromiss, sie ermöglicht ihnen zu sagen: „Wir würden Ihnen ja gern zum Irak folgen, Herr Bush, aber als eine Regierung, die internationale Friedensverträge unterzeichnet hat und die die Herrschaft des Internationalen Rechts respektiert, können wir es nicht. Auch wenn wir unzählige UN-Konventionen, Verträge und Resolutionen unterzeichnet und nicht beachtet haben, diese Resolution 1441 reicht nicht zur Rechtfertigung eines Krieges.“

Natürlich erwarten wir nicht wirklich, dass diese Regierung, die aus lauter Anwälten besteht, sofort nach einem Gerichtsbeschluss umkippt. Aber es ist ein wichtiger Schritt, der die Differenzen vergrößern kann.

Wir halten diesen Krieg für völlig unmoralisch, unlogisch und illegal. Wir sind der Ansicht, dass die britische Regierung internationales Recht nicht unterminieren darf. Und wir hoffen, dass unsere Aktion wenigstens einige der Labour-Spitzenpolitiker eines Besseren belehrt und somit dazu beiträgt, die Plattform für weitere Kampagnen gegen einen Irak-Krieg zu verbreitern und den Widerstand gegen die militärische Expansion der USA und gegen jegliche britischen Interventionspläne zu stärken.

Ian Martin ist Pressesprecher der britischen Campaign for Nuclear Disarmament
Übersetzung: Annette Hauschild

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2003/1 »Präventiv«kriege, Seite