W&F 2002/1

Hochrüstung gegen den Terror

Die USA nach dem 11. September

von Lars Klingbeil

Die Attentate des 11. September haben viele sicherheitspolitische Fragen in den USA neu gestellt. Doch zwei Monate später sieht es so aus, als ob die USA auf die vielzitierten »neuen Bedrohungen« nur die alten Antworten hätten: Ausbau des Überwachungsstaates nach innen und Militäreinsatz nach außen. Lars Klingbeil, als Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung und während der Attentate in New York, verfolgte die sicherheitspolitische Diskussion in der US-Administration.
Bereits einen Tag nach den Attentaten verabschiedete der Kongress in einem Schnellverfahren ein Gesetz, mit dem Präsident Bush ermächtigt wurde „alle notwendigen und geeigneten Mittel gegen jene Nationen, Organisationen oder Personen einzusetzen, die die Terroranschläge vom 11. September 2001 planten, verübten oder unterstützten, oder die solchen Personen Unterschlupf gewährten, um für die Zukunft jegliche Angriffe des internationalen Terrorismus auf die USA durch solche Nationen, Organisationen oder Personen zu verhindern.“1 Der Senat verabschiedete diesen »Blanko-Scheck« für Bush mit 98:0, der Kongress mit 420:1 Stimmen. Lediglich die Demokratin Barbara Lee (Kalifornien) votierte gegen das Gesetz, da ihr die Befugnisse des Präsidenten zu hoch und die Einbindung des Parlaments zu gering erschienen.

Innerhalb der US-Regierung gab es verschiedene Einschätzungen über Ziele und Strategien in der amerikanischen Vorgehensweise nach den Attentaten. Der Verzicht auf eine Militäroperation stand dabei allerdings nie zur Diskussion. Die Differenzen zwischen dem als moderat geltenden US-Außenminister Colin Powell auf der einen Seite und den »Falken« um den stellvertretenden Verteidigungsminister Paul Wolfowitz, Vize-Präsident Dick Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld auf der anderen Seite bezogen sich lediglich darauf, wie schnell militärisch reagiert werden müsse, ob und wie andere Staaten einbezogen werden sollten und gegen welche Staaten Militär eingesetzt werden solle.

Es ist vor allem auf das Wirken des Außenministers zurückzuführen, dass die USA umgehend Konsultationen mit anderen Staaten aufnahmen und versuchten, eine »breite Koalition gegen den Terrorismus« zu bilden. Powell befürchtete, dass ein unkoordiniertes Vorgehen und die Nichtrücksichtnahme auf muslimische bzw. islamische Staaten wie Pakistan verheerende Folgen für die Stabilität der Region haben könnten.

Differenzen gab es in der Bush-Administration auch über die Kriegsziele und die Partner. Während das Außenministerium die Nordallianz als Bündnispartner ablehnte, heiligt für Verteidigungsminister Rumsfeld der Zweck die Mittel.

Öffentlich ausgetragen wurden auch die Auseinandersetzungen um das Kriegsziel. Für die Nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice ging es von Anfang an darum die Taliban zu stürzen, was das amerikanische Außenministerium dementierte. Auch aus dem Weißen Haus hieß es am 25. September 2001, die USA würden keinen Versuch unternehmen die Taliban zu stürzen, man wolle lediglich die Regierung in Kabul für die Unterstützung der Terroristen bestrafen.

Die momentane Kriegsführung zeigt, dass sich die Hardliner mit ihren Forderungen letztendlich durchgesetzt haben. Lediglich in der Frage, ob nur gegen Afghanistan Krieg geführt werden solle oder auch gegen den Irak, gegen die im Libanon sitzende Hisbollah und gegen radikale palästinensische Gruppen, hat sich bisher noch das Außenministerium durchgesetzt.

Innere Sicherheit

Die Bush-Administration hat als Reaktion auf die Attentate des 11. September umgehend das »Office of Homeland Security« eingerichtet. Geführt wird die Behörde vom ehemaligen republikanischen Gouverneur und langjährigen Freund Bushs Tomas J. Ridge aus Pennsylvania. Der »Homeland-Sicherheitsrat« wird als das inländische Pendant zum Nationalen Sicherheitsrat unter der Leitung von Condoleezza Rice gesehen, der die Regierung in außenpolitischen Fragen berät. Konzeptionell soll er Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung koordinieren. Ridge, dem ca. 100 Stabsmitarbeiter unterstellt sind, soll dabei die Arbeit von ca. 50 inländischen Behörden koordinieren. Dem »Homeland-Sicherheitsrat« gehören auch der Direktor der Bundeskriminalpolizei FBI und der Direktor der Federal Emergency Management Agency an. Unklar blieb aber bisher, welche Kompetenzen Ridge beim Zugang zu Geheiminformationen bekommt und wie groß sein Budget ist. Bezahlt wird die neue Behörde aus Mitteln des Weißen Hauses und es bedarf daher keiner Koordinierung mit dem Kongress.

Justizminister Ashcroft legte drei Wochen nach den Attentaten ein umfassendes Anti-Terror-Paket mit dem Titel »Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism Act 2001« (kurz: USA PATRIOT ACT 2001) vor. Kernforderungen Ashcrofts waren die Ausweitung der Überwachungsmöglichkeiten von Personen, die mit Terrorismus in Verbindung gebracht werden, die Möglichkeit, Verdächtige unbegrenzt in Gewahrsam zu nehmen und eine verstärkte Zusammenarbeit bzw. verstärkter Informationsaustausch zwischen den Geheimdiensten und staatlichen Behörden.

Im Bereich der Kommunikationsüberwachung wird es durch ein neues Gesetz möglich, subjektbezogen abzuhören. Musste bisher für jede einzelne Telefonleitung eine Befugnis beantragt werden, wird nun die Genehmigung ausgehändigt, sämtliche Kommunikationswege eines Verdächtigen zu kontrollieren.

Die Forderung Ashcrofts, Ausländer für einen undefinierten Zeitraum in Gewahrsam nehmen zu können, wenn lediglich der Verdachtsmoment besteht, sie könnten terroristische Aktionen planen, wurde von Bürgerrechtlern und Mitgliedern beider Parteien scharf kritisiert. Die zuständigen Mitglieder des Kongresses setzten sich mit der Forderung durch, Verdächtige höchstens sieben Tage in Gewahrsam zu nehmen, bevor Beweise für ihre Schuld erbracht werden müssen. Zudem kann der Verdächtigte eine Überprüfung des Verfahrens vor dem Bundesgericht in Washington beantragen.

Einen Schwerpunkt der Diskussion bildete die Frage, wie der Informationsaustausch zwischen staatlichen Behörden, dem FBI und dem Auslandsgeheimdienst CIA geregelt sein soll. War es dem CIA bisher untersagt, im Inland zu agieren, können zukünftig geheime Unterlagen bzw. Informationen aus Gerichtsverfahren an ihn weitergeleitet werden.

Ein wichtiger Kritikpunkt an dem mittlerweile beschlossenen Gesetz der Regierung ist die Definition des Begriffes »Terrorismus« als etwas „das bewusst die Staatsführung durch Gewalt oder Einschüchterung beeinflusst oder angreift“.2 Diese Definition ist so weit gefasst, dass zukünftig alles Mögliche – vom einfachen Steinwurf eines Demonstranten bis zum Computer-Hacken – als terroristischer Akt bestraft werden kann.

Im Gegensatz zu den Plänen Ashcrofts, der die Neuregelung dauerhaft durchsetzen wollte, ist das Gesetz durch den Kongress für »nur« vier Jahren begrenzt worden, es wird dann evaluiert, um gegebenenfalls seine Verlängerung zu beschließen.

Das Repräsentantenhaus hat das »USA Patriot Act 2001« Ende Oktober mit 357 zu 66 Stimmen verabschiedet. Der Senat hatte einen Tag zuvor mit 98 zu 1 zugestimmt. Die einzige Gegenstimme kam von demokratischen Senator Russell Feingold (Wisconsin), der in der neuen Gesetzgebung einen ungerechtfertigen Eingriff in die Freiheitsrechte der amerikanischen Bürger sieht. Insgesamt lässt sich festhalten, dass das Gesetz zwar nicht soviel Macht an Justizminister Ashcroft geben wird, wie es der Entwurf forderte, es aber zu einer massiven Stärkung der Regierung und somit zur Schwächung der parlamentarischen Kontrolle kommt. Die Freiheitsrechte, die mit dem Gesetz abgebaut werden, sind erheblich. Positiv an dem Gesetz ist lediglich die stärkere Kontrolle des Bankwesens um gegen Geldwäsche und Korruption vorzugehen.

Weitere innenpolitische Maßnahmen, die diskutiert werden, sind die Verstaatlichung des Sicherheitssektors an Flughäfen (das Repräsentantenhaus lehnt den Beschluss des Senats bisher ab) und die stärkere Restriktion bei der Vergabe von Studenten-Visa.

Einsatz von Militär im Innern

Das Pentagon hat Anfang Oktober den Brigadegeneral Thomas E. White zum »Homeland-Sicherheitskoordinator« benannt. Er soll die Zusammenarbeit zwischen dem Verteidigungsministerium und dem neu geschaffenen »Homeland-Sicherheitsrat« koordinieren, da für das Pentagon zukünftig die inländische Verteidigung einer ihrer vier Schwerpunkte sein wird. „Seit den Anfangstagen unserer Nation war die Armee, sowohl der aktive Dienst wie auch die Reserve, für die Sicherheit im Inland zuständig. Die Armee verfügt dazu über enorme Erfahrung, Fähigkeiten und Einsatzmöglichkeiten.“3, so White. Anfang Oktober legte Verteidigungsminister Rumsfeld den periodischen Vierjahresbericht über die US-Verteidigungspolitik vor. Angedeutet wird in dem Bericht der anstehende Umbau der Verteidigungsstrukturen, um den Gefahren des Terrorismus zu begegnen. Laut Angaben des Verteidigungsministeriums war der Bericht schon vor dem 11. September „substantially completed“ und wurde nur an einigen Stellen nachgebessert.

Die Administration wird eine „wesentliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben im nächsten Jahr“4 festlegen und auch in den folgenden Jahren einen erhöhten Verteidigungshaushalt aufrechterhalten. Lag der Verteidigungshaushalt für das Jahr 2001 bei 310 Milliarden Dollar, so hat ihn der Kongress jetzt einstimmig auf 345 Milliarden erhöht. Mit 11% ist das eine der höchsten Steigerungsraten seit Mitte der 80er Jahre. Hinzu kommen Anteile des 40-Milliarden-»Notpaketes«, das der Kongress unmittelbar nach den Attentaten dem Präsidenten zur freien Verfügung bewilligte und aus dem Teilbeträge sicher in den Verteidigungshaushalt einfließen werden.

Das Gesetz zum Verteidigungshaushalt enthält zudem die Forderung nach einer substanziellen Erhöhung der Gelder für die Forschung, Entwicklung und Evaluation der Raketenabwehr. Der Senat hat hierfür einen Betrag von 8,3 Milliarden Dollar vorgeschlagen, wobei es dem Präsidenten offen steht, $1,3 Milliarden stattdessen in Antiterrorismusmaßnahmen zu investieren. Zur Zukunft von NMD gibt es verschiedene Einschätzungen. Einerseits wird kritisiert, dass sich die USA auf Fragen der Raketenabwehr und auf einen »Weltraumkrieg« vorbereiteten, während auf der anderen Seite die Kontrollen an Flughäfen große Mängel aufzeigten. Während die eine Seite also dafür plädiert, Abstand von den NMD-Plänen zu nehmen und sich auf eine Verstärkung der Inneren Sicherheit zu konzentrieren, fordert die andere Seite, gerade jetzt NMD zu forcieren, da die Gefahr eines Raketenangriffs ernsthaft einkalkuliert werden müsse. Da die USA in der gegenwärtigen Lage auf die Interessen anderer Länder in der »Antiterrorfront« Rücksicht nehmen müssen, wurden zuerst einmal sämtliche Aktionen, die den ABM-Vertrag von 1972 verletzen, auf Eis gelegt. Geplante Tests zu NMD wurden von der US-Regierung zunächst verschoben. NMD wird verschiedentlich sogar als Verhandlungsmasse gesehen, um die neugewonnenen sicherheitspolitischen Beziehungen, beispielweise mit Russland, zu festigen.

So sprach sich Senator Josef Biden (Demokratische Partei), der vor wenigen Monaten – nach den Änderungen der Mehrheitsverhältnisse im Senat – Jesse Helms als Vorsitzenden des Ausschusses für Auswärtige Beziehungen ablöste, für eine stärkere internationale Kooperation im Kampf gegen den Terrorismus aus und zog den ABM-Vertrag betreffend die Schlussfolgerung, dass die USA nichts überstürzen und keine Alleingänge unternehmen dürften: „Heute haben wir die Führungsrolle im Kampf gegen den Terrorismus, aber wir werden sie in diesem Konflikt nur behalten, wenn wir andere von unserer Umsicht überzeugen können und von unserem Bemühen ihre Belange zu berücksichtigen. Aus diesem Grunde unterminieren Aktivitäten zur Raketenabwehr, wie etwa unser einseitiger Rückzug vom ABM-Vertrag, unsere Kriegsanstrengungen.“5

Parallel zu den Veränderungen, die in nächster Zeit die militärische Planung betreffen, stehen in den USA umfassende Wechsel in der Strategie und Struktur des Auslandsgeheimdienstes an. Vorgeworfen wird der Central Intelligence Agency (CIA) unter anderem, sie habe zu lange Zeit falsche Prioritäten gesetzt und den menschlichen Faktor in der Anti-Terrorismuskonzeption vernachlässigt. Ebenso habe man zu lange an die absolute Wirksamkeit moderner Technik geglaubt. Gefordert wird ein offensiverer Spionagedienst. Als eine der ersten Maßnahmen soll die Produktion der »Global Hawk«, eines unbemannten Spionageflugzeugs und Nachfolgemodells des »Predator«, beschleunigt werden. Das Pentagon hat hierfür schon erhebliche Mittelerhöhungen angekündigt. Der zuständige Ausschuss des Repräsentantenhauses hat aufgerufen, eine »Kulturrevolution« in den Behörden des FBI und des CIA in Gang zu bringen und die nationalen Sicherheitsstrukturen umzubauen. Zugleich wird es eine bisher nicht festgelegte, jedoch erhebliche Aufstockung des Budgets der Geheimdienste geben. Rechtliche Beschränkungen der CIA, die im Jahre 1995 beschlossen wurden, werden nun aufgehoben, da sie einen »negativen Einfluss« auf die Fahndung nach Terroristen hätten. Auch der politisch motivierte Mord, der der CIA in den letzten Jahren untersagt war, ist ab sofort wieder erlaubt.

Multilateralismus à la carte

Von Mitarbeitern der US-Regierung heißt es, dass heute „beinahe jeder Aspekt der US-amerikanischen Außenpolitik in einem neuen Licht gesehen wird.“ Eine der Fragen, die sich dabei jetzt deutlicher stellen, betrifft das multilaterale Agieren der USA. Durch die vielen Konsultationen der USA mit ihren Verbündeten, mit Staaten wie Russland und China und sogar mit Staaten, die früher unter die Rubrik »Schurkenstaaten« fielen, wie Iran, erwecken die Amerikaner den Eindruck, dass es ihnen um den Aufbau einer breiten Front gegen terroristische Aktivitäten geht. Offen bleibt dabei aber die Frage, wie die USA diese Koalition begreifen: Handelt es sich um eine Allianz, in der einzig die USA das Sagen haben (praktisch eine Internationalisierung US-amerikanischer Politik), in der die USA nur höchst bedingt Kompromisse eingehen und dann auch nur solange, wie sie ihrem »nationalen Interesse« nicht entgegenstehen, oder sind die USA bereit, ihre außenpolitischen Konzeptionen zu überdenken und zu einem neuen Handeln überzugehen, bei dem sie – auch als Fazit aus den Hintergründen der Anschläge – auf eine verstärkte Kooperation setzen. Viele Staaten haben den USA Unterstützung im Kampf gegen den Terror zusagt, bestehen aber verständlicherweise auf einem koordinierten Vorgehen und eben nicht auf einer Koalition unter US-Kommando.

In diesem Zusammenhang muss auch das Verhalten der USA gegenüber internationalen Strukturen gesehen werden. Die wichtigste Frage betrifft hier sicher das Verhältnis der US-Außenpolitik zur UNO. Bisher fällt die Antwort zwiespältig aus: Der UN-Sicherheitsrat wurde nur rudimentär in die Planungen der Gegenschläge der USA eingebunden und zwei Tage nach den Anschlägen haben die USA als ihren neuen UN-Botschafter John Negroponte benannt. Negroponte war Anfang der 80er Jahre US-Botschafter in Honduras und ihm wird vorgeworfen zahlreiche Menschenrechtsverletzungen und Morde an politischen Gegnern geduldet, wenn nicht sogar aktiv unterstützt zu haben. Auch das nicht gerade ein ermutigendes Zeichen. Auf der anderen Seite haben die USA unmittelbar nach den Attentaten beschlossen, 582 Millionen Dollar an die UN zu zahlen um einen Teil ihrer Schulden abzugleichen.

Exkurs: Generalversammlung der UNO

Ursprünglich hatte das Thema Terrorismus als Tagesordnungspunkt Nr. 178 auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen nur einen geringen Stellenwert. Durch den 11. September veränderte sich das wesentlich. In der Debatte sprachen insgesamt 167 Vertreter von UN-Staaten und es handelt sich damit um die größte Debatte, die innerhalb der Generalversammlung jemals zu einem einzelnen Thema geführt wurde.

In seiner Eröffnungsrede zur fünftägigen Debatte forderte Kofi Annan die Staaten dazu auf, die Gesetze zu verschärfen, was die Exporte von Technologien und Waren anbelangt, die zur Massenvernichtung benutzt werden können. Auch sprach er sich dafür aus, den Verkauf von Kleinwaffen an nicht-staatliche Gruppen zu verbieten. Annan weiter: „Aus dem Bösen kann Gutes entstehen. (…) Paradoxerweise haben die heimtückischen Angriffe auf unsere menschliche Gemeinschaft den Effekt gehabt, unsere Gemeinschaft zu stärken.“6 Er forderte die Mitgliedsstaaten auf, gemeinsam zu handeln, die 12 Konventionen der UNO gegen den Internationalen Terrorismus zu ratifizieren und sich nicht über die Definition des Terrorismus zu streiten, schließlich gehe es darum Menschenleben zu schützen. Trotzdem war genau das eines der Reizthemen. Viele befürchten eine schwammige Definition könne staatliche Gewalt gegen politische Gegner legitimieren. Innerhalb der Generalversammlung konnte dann auch keine Einigung gefunden werden, so dass nun über eine High-Level-Konferenz nachgedacht wird.

Lediglich 83 ihrer 189 Mitgliedsstaaten hatten vor den Anschlägen die 12 UN Konventionen gegen den Terrorismus ratifiziert. Auch die USA haben die Konventionen nur unterzeichnet, jedoch nicht ratifiziert. Die Nichtratifizierung wurde bisher damit begründet, dass die Konventionen dann Einfluss auf das bestehende US-amerikanische Rechtssystem hätten und somit dem »nationalen Interesse« entgegenstehen könnten. Bush drängt den Kongress nun darauf, die Konventionen möglichst bald zu ratifizieren. Die letzten beiden Konventionen stammen aus dem Jahre 1999 mit dem Titel »International Convention for the Supression of Terrorist Financing« und aus dem Jahr 1997 mit dem Titel »Convention on the Suppression of the Terrorist Bombing«.

Zwei neue Konventionen werden momentan durch die Generalversammlung verhandelt: die von Russland eingebrachte »International Convention for the Suppression of Acts of Nuclear Terrorism« und eine umfassende »Convention on International Terrorism«, die von Indien eingebracht wurde und in der in 27 Artikeln die Schlüsselpunkte der bisherigen Konventionen zusammengefasst sind. Die UNO hat mittlerweile ein beachtliches Regelwerk gegen den internationalen Terrorismus aufgestellt, deren Ratifizierung durch viele Mitgliedstaaten, u.a. auch die USA, jedoch bisher ausblieb.

Unterdessen haben die USA den Sicherheitsrat dazu gedrängt, eine Resolution zu verabschieden, die es erlaubt Sanktionen gegen Länder zu erheben, die US-geführte Anti-Terror-Maßnahmen nicht unterstützen. Die Resolution 1373 fordert Staaten auf, Informationen über Terroristen bekannt zu geben, ihre Geldmittel einzufrieren und Personen strafrechtlich zu verfolgen, die Terroristen unterstützen. Für die Implementierung der Resolution hat der Sicherheitsrat einen Ausschuss eingesetzt, der Druck auf die Mitgliedstaaten ausübt, innerhalb von 90 Tagen die Resolution zu ratifizieren. Gleichzeitig soll er Informationen sammeln. Zum Vorsitzenden des Ausschusses wurde der Botschafter Jeremy Greenstock (GB) gewählt. Der Einfluss Großbritanniens, dem engsten Verbündeten der USA, vergrößert sich damit abermals. Gebrochen wurde hier mit der Tradition, dass die Ausschussleitung nicht an permanente Mitglieder des Sicherheitsrates vergebeben wird. Jeder der 15 Staaten im Sicherheitsrat wird Vertreter in den Ausschuss senden. Zudem ergänzen ihn unabhängige Experten aus den Bereichen Justiz, Immigration und Wirtschaft. Die letztendliche Entscheidung Sanktionen gegen Staaten zu verhängen, die sich nicht an die Resolution halten, liegt allerdings beim UN-Sicherheitsrat selbst.

Ausblick

Der Versuch der USA, eine internationale Koalition gegen den Terrorismus aufzubauen, passierte in einer Zeit, in der Washington entschlossen unilaterale Politik praktizierte. „Wie können die Vereinigten Staaten Zusammenarbeit gegen den internationalen Terrorismus erwarten, wenn sie in anderen Fragen wie Klimawandel, Kleinwaffen, B-Waffen, Landminen und der Schaffung eines Internationalen Strafgerichtshofs nicht kooperieren“7, so der Militärexperte Michael Khatana (USA). Und weiter: „Wenn die USA den Terrorismus ausrotten wollen, müssen sie mit anderen Nationen in globalen Fragen zusammen arbeiten.“

Ende September hat sich die US-Regierung für die Annahme des »American Servicemember Protection Act« ausgesprochen. Das Gesetz verbietet dem Internationalen Strafgerichtshof in den USA Ermittlungen durchzuführen. Zudem dürfen sich danach US-Bürger nicht an UN-Friedensmissionen beteiligen, wenn nicht sichergestellt ist, dass sie von Strafverfolgung verschont bleiben. Entgegen einiger positiv zu bewertender Anzeichen deutet dies auf einen weiterhin unilateralen Kurs der USA hin. Multilaterales Handeln kann aber nicht erfolgreich sein, wenn es sich nur auf Teilbereiche bezieht, es muss die Bereitschaft zur wirklichen Kooperation beinhalten. Wer den Terrorismus wirklich eindämmen will, muss zu einer Stärkung der Internationalen Gemeinschaft und vor allem der Vereinten Nationen beitragen. Der Aufbau internationaler globaler Rechtsstrukturen ist dafür unumgänglich. Das müssen auch die USA begreifen.

Anmerkungen

1) Zitiert nach Rothschild, Matthew: A Blank Check for War, The Progressive, 17 September, 2001 (Internetausgabe).

2) LA Times: Lawmakers tone down terror bill, 2. Oktober 2001.

3) The New York Times: Homeland Security in an Pentagon Post, 3. Oktober 2001 (Internetausgabe).

4) Financial Times USA: Bush seeks big defence budget boost, 25. September 2001 (Internetausgabe).

5) Biden, Josef: Biden objects loosening of congressional oversight on missile defense amid current international crises, Presse Release, 26. September 2001.

6) UN Wire: An independent news briefing about the UN, 02. Oktober 2001.

7) IPS Terra: VIVA – the inter press service daily journal, Vol. 9 No. 169, 14. September 2001.

Lars Klingbeil (IFIAS) ist Student der Politikwissenschaften und Leiter der Bundeskommission Internationales des Juso-Bundesverbandes

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2002/1 Terror – Krieg – Kriegsterror, Seite