W&F 1986/5

„Ich sähe es nicht gern, wenn die Leute das wüßten.“

Atomwaffen unterwegs

von Otfried Nassauer

Nuklearwaffen sind in der Bundesrepublik und im Hunsrück bekanntlich keine Rarität. Ob auf der Air Base Hahn, wo Experten 150 Atomwaffen vermuten, ob in Hasselbach, wo zumindest 96 Sprengköpfe eingelagert werden sollen, ob zwischen Kriegsfeld und Guterbacherhof (südwestlich von Bad Kreuznach) versteckt im Wald auf dem Höhenrücken, wo die US-Army ein Nuklearwaffendepot, das zu den größeren in der Bundesrepublik gehört, unterhält, oder ob an verschiedenen Flugplätzen in der Eifel – Atomwaffen gehören im Hunsrück wie in anderen Teilen der Bundesrepublik zum militärischen Alltag.1

Nuklearwaffen müssen aber auch transportiert werden. Sie müssen zur Lagerung in die Bundesrepublik gebracht werden, alte Waffen müssen abtransportiert und durch neue ersetzt werden, Sprengköpfe, die vor Ort nicht reparabel sind, müssen zur Instandsetzung gebracht werden, Nuklearwaffenlager, an denen größere Bauarbeiten durchgeführt werden sollen, müssen aus Sicherheitsgründen zwischenzeitlich geräumt werden.2 Auch wenn Atomwaffen nicht gerade zu Übungszwecken durch die Landschaft gefahren werden Für diesen Zweck tun's auch Attrappen) und wenn der Transport „sich auf das erforderliche Mindestmaß“ beschränkt, 3 ist es leicht einsichtig, daß eine große Zahl von Transporten erforderlich ist. Einige konkrete Beispiele: Die Sprengköpfe der alten Nike-Herkules-Raketenbatterie in Hasselbach mußten entfernt werden. Auf dem Gelände entsteht heute die Cruise Missile Basis, zu der zumindest 96 Atomsprengköpfe gebracht werden müssen. In Kriegsfeld, wo u. a. atomare Artilleriemunition des Kalibers 203 mm eingelagert ist, muß gegenwärtig ein alter Sprengsatz gegen einen neuen Typ (W 79) ausgetauscht werden.4 Zukünftig wird auch die alte Atomgranate 155mm durch eine neue (W 82) ersetzt. Die neue Munition hat eine sicherere Konstruktion und – vor allem – sie ist durch ein sogenanntes Tritium-Teil in eine Waffe mit ähnlicher Wirkung wie die Neutronenbombe umbaubar.5 Auch auf dem Flugplatz Hahn fanden und finden nukleare „Modernisierungen“ statt. Die Bestände an B-43 und B-57-Bomben werden gegen B-61 und B-83-Bomben ausgetauscht zukünftig werden atomare Abstandsflugkörper eingeführt.6 Die nukleare Rundumerneuerung der US-Atomwaffen, die den kaum bekannten zweiten Teil des NATO-Beschlusses von Montebello darstellt, 7 soll zu einer Stärkung der nuklearen Einsatzkraft der NATO bei gleichzeitiger 'Rationalisierung' der Lagerbestände führen.

Trotz der relativen Häufigkeit der Transporte ist über ihren Ablauf und die damit verbundenen Gefahren wenig bis gar nichts bekannt. Dies hat seinen Grund darin, daß Lagerung und Transport atomarer Waffen zu den besser gehüteten Geheimnissen der NATO gehören. Sicherheitsfragen haben die US-Army alarmiert: In geheimen Scheinmanövern gelang es z.B. 5-8 Mann starken Teams der Special Forces der US-Army, ein Nuklearwaffenlager zu überfallen die Wachen zu überwältigen und binnen 30 Minuten einer Nuklearwaffe habhaft zu werden.8 Bei Transporten hält man die Gefahr für größer. Der ehemalige Kommandeur der bei der US-Army Europa zuständigen Einheit für den Atomwaffennachschub, der 59. Feldzeugbrigade in Pirmasens, Kelly, meinte deshalb zu einem Journalisten: „Ich würde nicht gerne in der Presse nachlesen, wie wir Atomwaffen transportieren. Ich sähe es nicht gerne, wenn die Leute das wüßten.“9 Terroristenangst und der Wunsch nach einer nicht beunruhigten Bevölkerung in der Umgebung von Atomwaffenlagern greifen Hand in Hand bei solch restriktiver Öffentlichkeitsarbeit. Wer die Aussage von US-Kommandeur Kelly finden will, muß schon den „Honolulu Sunday Star Bulletin and Adviser“ lesen.

Die Nachschuborganisation für Nuklearwaffen

Über das Atomwaffennachschubsystem der US-Luftwaffe, die für die Hahn Air Base und die Cruise Missiles in Hasselbach zuständig ist, ist nur wenig bekannt. Das Military Air Lift Command der US-Air Force, zuständig für den Luftnachschubtransport, dürfte besonders ausgebildete Flugcrews für den Atomwaffentransport haben. Sie bringen die Atomwaffen mit C-141-Starlifter oder C-5-Galaxy-Transportmaschinen über den Atlantik. Entweder werden die Waffen nach Ramstein eingeflogen und von dort weiter verteilt. Oder aber die Transporter landen gleich auf den Bestimmungsflugplätzen.

Innerhalb Europas ist für den Weiterflug Falls erforderlich) die 322. Air Lift Division mit Sitz in Ramstein zuständig, die aber auch auf der Frankfurter Rhein Main Air Base durch eine unterstellte Einheit, die 37. Tactical Air Lift Squadron, vertreten ist.10

Auf dem Bestimmungsflughafen sind dann sogenannte Munition Support Squadrons für die Nuklearwaffen zuständig. 11 „Das Nachschubsystem der US-Luftwaffe für Nuklearwaffen ist auch deshalb relativ unbekannt, weil sich fast alle Aktivitäten auf dem Flugplatz selbst abspielen. Sollten Transporte außerhalb des Flugplatzes, z.B. im Spannungsfall der Antransport der Munition aus dem nahegelegenen Depot erforderlich sein, so gilt für den erforderlichen Fahrzeugkonvoi, daß er so unscheinbar und normal wie möglich aussehen soll, d.h. die Fahrzeuge dürfen nicht gekennzeichnet werden. Ein Hubschrauber soll den Vorgang aus der Luft überwachen.12

Bei der US-Army steht der Nuklearwaffennachschub in ganz Westeuropa unter Kontrolle der 59. Ordnance (Feldzug) Brigade mit Hauptquartier in Pirmasens. Hier ist über die Verfahrensweise erheblich mehr bekannt. Für Artilleriemunition unterhält das US-Heer in der Bundesrepublik 13 Atomwaffenlager, je zwei für die beiden US Corps und je eines für die Corps der Verbündeten bzw. die Einheiten in Schleswig Holstein. Das wichtigste und größte Depot ist Miesau bei Ramstein – von hier aus werden die Waffen an die Corpslager weiterverteilt. Hinzu kommen Lager für die Atommunition für Pershings, die Lance-Raketen und soweit noch vorhanden die Nike-Herkules-Raketen (Buren bei Paderborn).13

Einige Feldzeugkompanien der 59. Ordnance Brigade sind für Atomwaffenlager zuständig, andere aber auch z. B. für den Nachschub an Lenkraketen oder für chemische Waffen. Es handelt sich übrigens um die größte selbständige US-Brigade in Europa. Eine weitere Aufgabe der US-Soldaten in Pirmasens ist es, die Bewachungsmannschaften (Custodial-Detachments US-Army Artillery Groups bzw. Artillerie Detachments genannt) für Nuklearwaffen bei den anderen NATO-Streitkräften zu stellen. In Pirmasens selbst ist auch die PAL-Abteilung der Brigade ansässig. Sie reist jährlich über 100.000 Meilen durch Europa, um die Atomwaffeneinheiten der US-Army mit den Sicherheitscodes und mit Service für die Codierungseinrichtungen an den Waffen zu versorgen (PAL heißt Permissive Action Link). Angesichts solcher Reisetätigkeit wundert es nicht, daß die Brigade in Pirmasens ihren eigenen Hubschrauberverband hat, das 22. Aviation Detachment. 14

Nicht direkt auf dem Hunsrück, sondern südwestlich von Bad Kreuznach, liegt das einzige wichtige Atomwaffenlager der US-Army in der Region. Im Wald des Dreiecks Kriegsfeld, Gerbach und Oberhausen liegt das Depot Northpoint, hier ist die 619. Feldzeugkompanie zuständig.

Werden Atomwaffen der US-Army in Friedenszeiten transportiert, so geschieht dies zumeist über Hubschrauber auf dem Luftweg, nicht wie oft irrig angenommen über Straßen. Atomsprengköpfe werden „im Frieden nicht im öffentlichen Straßenverkehr transportiert“, stellt der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Würzbach, am 13.6.1985 im Bundestag zurecht fest.

Nuklearwaffentransporte finden unter scharfen Sicherheitsmaßnahmen statt. Aus Manöverberichten der US-Streitkräfte geht hervor, daß an einem Transport zumindest drei Hubschrauber beteiligt sind 15 : einer mit Atomwaffen an Bord, eine Ersatzmaschine und ein Helikopter mit Sicherungsmannschaften.16 Ein CH-47 kann z.B. bis zu 8 Nuklearwaffenprojektile 155 mm laden. In der Regel ist anzunehmen, daß nicht mehr als drei solcher Atomgranaten an Bord genommen werden. Es ist deshalb bei größeren Transporten wahrscheinlich, daß mehr als drei Hubschrauber zum Einsatz kommen. Um Unfälle mit weitreichenden Folgen für die Zivilbevölkerung in Friedenszeiten zu vermeiden, sollen Flüge mit Atomwaffen an Bord nicht über bewohnte Gebiete geführt werden. In der Bundesrepublik ist dies so gut wie ausgeschlossen. Atomwaffentransporte müssen, weil die Besiedlung zu dicht ist, über unseren Köpfen stattfinden. Angesichts der nuklearen Modernisierungsprogramme der NATO und angesichts der Notwendigkeit, Atomsprengköpfe auch hier und da zu reparieren, was nicht immer vorort passieren kann, sondern oft auch in Ramstein oder gar in den USA-Laboratorien geschehen muß, sind solche Transporte relativ häufig. Im Durchschnitt überquert täglich sicher mehr als ein solcher Transport mit brisanter Fracht Teile unserer Republik. Außerdem wird die Bundesrepublik von Atombombern des Strategischen Luftkommandos der USA, die sich ständig mit z.T. entschärften Atomwaffen an Bord in der Luft befinden, überflogen. Bei besonderen Anlässen, so wenn über längere Zeit ein nuklearer Fehlalarm nicht widerrufen wird, kommen nuklear munitionierte Kampfflugzeuge der US-Air Force in Europa, die in Sofortbereitschaft lagen (QRA), hinzu.

Was aber passiert, wenn ein Nuklearwaffentransport abstürzt? Die US-Streitkräfte haben versucht, das in Manövern herauszufinden. In den Jahren 1979, 1981 und 1983 wurden Nuklearwaffenmanöver in den USA durchgeführt (Nuclear Weapons Accident Exercises/ NUWAX). Die Berichte darüber sind dick (sie füllen mehrere Ordner) und erschreckend.17

Transportunfälle mit Nuklearwaffen

Atomwaffen haben nicht nur im Krieg eine ungeheure, vernichtende Wirkung, sie stellen auch in Friedenszeiten eine Gefahr dar. Zumindest zwei der vielen schweren Zwischenfälle mit Nuklearwaffen haben die Probleme deutlich gemacht. Sowohl in Thule, Grönland, als auch in Palomares in Spanien sind atombombentragende Flugzeuge der USA abgestürzt. In Palomares erinnern noch heute 4 Meßstationen, die radioaktive Plutoniumstrahlung aufzeichnen sollen, an das mehr als 20 Jahre zurückliegende Unglück. Bei dem Absturz waren zwei Atomwaffen geborsten, Plutonium war freigesetzt worden. Im Rahmen der Aufräumungsarbeiten wurde die Erdoberfläche im Umfang von 2,2 Hektar in mehr als 4900 Fässern abtransportiert – der Boden war hoch verseucht. Weitere 224 Hektar mußten 30 cm tief umgepflügt und gewässert werden? um die radioaktiven Bestandteile zu verteilen. Noch 1977 und 1980 wurden auf gepflügtem Brachland verdoppelte Plutoniumwerte gemessen. Die medizinischen Akten von 50 Personen, die regelmäßig untersucht werden, sind bis heute selbst den Betroffenen nicht zugänglich gewesen, bis nach 20 Jahren die Frist zur Einreichung von Entschädigungsklagen abgelaufen war: Langzeitfolgen eines Atomwaffenunfalls.18

Aber nicht nur auf lange Sicht stellt ein solcher Unfall die Betroffenen vor Probleme schon gleich danach können die US-Streitkräfte nur mühsam mit den gravierendsten Folgen umgehen – dies zeigten die schon angesprochenen Manöver.

Angenommen wurde der Absturz eines mit mehreren Nuklearwaffen beladenen Hubschraubers in Situationen, wo nach Ausfall der Begleitmaschinen Atomwaffen nur noch ins nächste Depot transportiert und der eigentliche Auftrag abgebrochen werden sollte. Hubschrauber dürfen die Bomben im Unterschied zu Luftwaffenflugzeugen im Notfall nicht abwerfen. Deshalb stürzen beide gemeinsam ab. Die Maschine gerät in Brand, je nach Manöverlage in unbewohntem, bewohntem oder militärischem Gebiet. Dabei führen die enormen Temperaturen zur Explosion des konventionellen Zünders bei einer der Atomwaffen, wodurch deren Hülle birst und in dem Sog des Feuers Plutonium aus der Waffe nach oben gerissen und vom Wind verteilt wird. Eine nukleare Verseuchung der Umgebung, in Windrichtung bis zu einigen Kilometern Entfernung, ist die Folge. Je nach angenommener Lage müssen Menschen evakuiert werden, und es wird ein mehrere Quadratkilometer großes Sperrgebiet eingerichtet. Mannigfaltige Probleme, die im Ernstfall Menschen das Leben kosten oder sie ernsthaft und dauerhaft gesundheitlich schädigen können, traten auf. Vielfach waren die eingesetzten Soldaten nicht in der Lage, sie zu meistern. Im folgenden nur einige Beispiele:

- Örtliche Bewohner und die zuständige Feuerwehr treffen am Unglücksort vor den ersten Soldaten ein; sie sind nicht durch Militär, sondern durch Augenzeugen alarmiert worden. Sie wissen nicht daß in dem brennenden Hubschrauber Munition liegt, geschweige denn ahnen sie die Gefahr radioaktiver Verseuchung. Deshalb halten sie auch den Sicherheitsabstand von mehr als 600 Metern nicht ein, der für Soldaten wegen der Gefahr der Explosion des Zünders vorgeschrieben ist. Diese Menschen können durch die Explosion verletzt oder getötet werden, bei Radioaktivitätsaustritt werden sie verseucht. Gerade bei Plutonium, das schon bei Aufnahme in Milligrammgrößenordnungen ernsthaftere Schäden hervorruft, ist die Gefahr besonders groß, weil die strahlenden Partikel in der Luft mit eingeatmet werden können. Auch weiß die örtliche Feuerwehr sicher nicht, daß die konventionellen Zündladungen besonders empfindlich auf Stöße und plötzliche schiede reagieren, daß ihre Explosion sofort, aber auch erst zu einem viel späteren Zeitpunkt erfolgen kann.

- Die militärischen Einheiten in Unfallbereitschaft kommen erst viel zu spät zum Ort des Geschehens. Die ersten Soldaten erreichten im Manöver 1981 erst drei Stunden nach dem Unfall die Absturzstelle. Sie sind unzureichend ausgerüstet, können radioaktive Strahlung nicht oder nur unzulänglich messen (insbesondere fehlen in den Manövern immer wieder Geräte zur Feststellung von Alphastrahlung, die bei einem solchen Unfall am häufigsten auftritt), das Personal reicht in weiten Teilen der ersten Phase kaum, um angemessene Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen und auch durchzusetzen. Eine speziell für Atomwaffenunfälle ausgebildete Einheit kommt erst elfeinhalb Stunden zu spät an.

- Die Identifikation des Unfallgeschehens dauert viel zu lange. Zwar gelang es z.B. 1981 zwei der Atomwaffen relativ schnell zu finden – die dritte wurde aber erst am Tag nach dem Unfall und dann auch 300 m außerhalb der eingerichteten Sicherheitszone gefunden. Wäre sie geborsten gewesen, so wäre ein noch größeres Gebiet verseucht gewesen. Selbst die Einrichtungen der militärischen Unfallmannschaften wurden in ungenügenden Sicherheitsabständen aufgebaut. 1983 befanden sich 75 % der verseuchten Fläche außerhalb der Sperrzone.

- Es gab mehrfach lange kein klares Bild über das Ausmaß der radioaktiven Verseuchung, Streitigkeiten über die zulässigen Belastungs- und Grenzwerte und selbst bei Ende keinen Überblick über die radioaktive Verstrahlung von Menschen.

- Bei dem Manöver des Jahres 1983 sollten 815 Personen (also nicht sehr viele) evakuiert werden, pro Person wurden 4 Minuten benötigt.

- Über die nötigen Aufräum- und Dekontaminierungsmaßnahmen herrschte massive Unsicherheit und Unklarheit. 1981 war man froh, daß diese nicht mehr Gegenstand der Übung waren, 1983 wurde neben umfassenden Entseuchungsarbeiten auch diskutiert, ob die US-Streitkräfte nicht das ganze verseuchte Gebiet aufkaufen, die darauf stehenden Häuser abreißen und zusammen mit der abzutragenden Erde als radioaktiven Müll deponieren sollten.

Diese und viele andere Probleme, wie unzureichende Kommunikationsmittel, grobe Unwissenheit selbst bei Sondereinheiten, Streitigkeiten um Befehlsgewalt traten auf, obwohl die Ausgangslage der fünftägigen Manöver schon besonders günstig war: Alle Einrichtungen des Basiscamps – einer Zeltstadt für ca.800 Teilnehmer – waren im voraus aufgebaut worden, im Ernstfall gäbe es sie nicht. Weitere Verzögerungen und Improvisationen wären erforderlich.19 All diese und viele andere Schwierigkeiten (Verseuchung von Trinkwasser) traten auf, obwohl nur bei einer der Bomben der konventionelle Zünder explodiert war. Wäre dies bei mehreren passiert, so wären die Übungsteilnehmer noch weiter überfordert gewesen. Die vielen ungelösten und nicht lösbaren Probleme werden auch in der Dienstvorschrift der US-Streitkräfte, die Vorgaben für ein richtiges Reagieren auf Nuklearwaffenunfälle enthält, immer wieder erwähnt. Sie sind nicht gelöst.20 Sie resultieren daraus, daß „ein Nuklearwaffenunfall völlig andersartig ist als die meisten anderen Unfälle, wegen der sehr realistischen Möglichkeit einer radioaktiven Kontamination des Unfallortes, die sich viele Meilen in Windrichtung ausbreiten kann.“21

Anders sieht das der in solchen Fragen zuständige bundesdeutsche Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Peter Kurt Würzbach: „Es gibt kein realistisches Szenario, das die Behauptung der Ausbreitung einer radioaktiven Verstrahlung (er meint einer weitreichenden, d. Red.) auch nur im Entferntesten rechtfertigen.“22 Für Herrn Würzbach ist dies eine Art vernachlässigbares Restrisiko, so wie für die US-Streitkräfte die Explosion des nuklearen Sprengsatzes bei einem Unfall. Da wird lapidar festgestellt, einen solchen habe es bislang nicht gegeben.23 Ein anderes – für das US-Verteidigungsministerium besonders brisantes – Problem wurde allerdings mittlerweile gelöst: Die Übungen zeigten, daß die Glaubwürdigkeit militärischer Stellen all zu sehr litte, wenn man an der generellen Politik festhielte, die Anwesenheit von Atomwaffen weder zu bestätigen noch zu leugnen (was in der Praxis bei solchen Unfällen nur heißen kann, sie zu leugnen). Heute gibt es vorformulierte Presseerklärungen zur Beruhigung der Öffentlichkeit, die der zuständige Presseoffizier nur noch mit Ort, Datum, Art des Unfalls und der Wahl zwischen verschiedenen Varianten zu bearbeiten braucht.24

Leicht gekürzter Vorabdruck aus: Militärheimat Hunsrück, Beiträge zu einer regionalen Rüstungsanalyse, Neckarsulm,1986.

Anmerkungen

1 Arkin, William M.; Fieldhouse, Richard W.: Nuclear Battlefields, Cambridge, 1985, S. 236-245.Zurück

2 Grave, Frank: NATO-Missile Sites: Ripe for Terrorists, Miami Herald 2.1.1983Zurück

3 Deutscher Bundestag, Stenographisches Protokoll der 143. Sitzung, 10. Wahlperiode, Bonn, 13.6.1985, S. 10592.Zurück

4 Charles, Daniel: Unveröffentlichtes Arbeitspapier, ohne Titel, Washington, 1986, S. 3.Zurück

5 ebd.Zurück

6 Arkin, William M.; Cochran, Thomas B.; Hoenig, Milton M.: Resource Paper on the US Nuciear Arsenal, Bulletin of the Atomic Scientists Aug./Sept.1984, S. 6. Zurück

7 In der Öffentlichkeit wird immer nur der erste Teil dieses Beschlusses wiedergegeben: Die Reduzierung der Lagerbestände um 1400 Sprengköpfe.Zurück

8 Greve, Frank, a.a.O.Zurück

9 ders.: Confidence on deoline over N-Storage security, Sunday Star-Bulletin & Adviser, Honolulu, 3 3.1983.Zurück

10 Vgl. Arkin, Fieldhouse, a.a.O.Zurück

11 Informationsbüro für Friedenspolitik (Hrsg.): Lagerung und Transport von Atomwaffen, München 1982, S. 46 ff.; 50th TFW/PAO (Hrsg.): 30 Years in the Hunsrück, Idar Oberstein, 1981, S. 17. Zurück

12 Vgl.: US Congress, Subcommittee of the Committee on Appropriations, House, Military Construction Appropriations FY 1987, Part. 3, 99th Cong.,2nd Sess., Washington, GPO, 1986, S. 1190. Zurück

13 Vgl. Arkin, Fieldhouse, a.a.O.Zurück

14 59th Ordnance Brigade (Hrsg.): Welcome to the 59th Ordnance Brigade, o. O. (Pirmasens), o. J.Zurück

15 Auch andere Hubschrauber können eingesetzt werden: UH-1 H/M, UH-60, CH-53. Zurück

16 Field Command Defense Nuclear Agency: Joint DoD/DoE Nuclear Weapons Accident Exercise NU-WAX '81, After Action Report Vol. II, Kirtland AFB 1982, S. 7 f.Zurück

17 a.a.O. (16); diese.: NUWAX '79, After Action Report, Vol. I/II, o. J. (1979); diess.: NUWAX '83, After Action Report, Vol. I/II, 1983.Zurück

18 Vgl. Der Spiegel: Wie Versuchskaninchen, 1986, Heft 4, S. 123 ff. Zurück

19 Alle Angaben nach Anm.17.Zurück

20 Defense Nuciear Agency: Nuclear Weapons Accident Response Procedures Manual, DNA 51001, 24.1.1984, Washington. Zurück

21 ebd., S. 44. Zurück

22 Deutscher Bundestag, a.a.O., S. 10591.Zurück

23 a.a.O. (20). Altere Angaben sagen noch offen, daß ein solcher Unfall so unwahrscheinlich sei, daß man ihn als zu vernachlässigende Große behandle - so: Department of Defense/Atomic Energy Commission: Guidance and Information on Nuclear Weapons Accident Hazzards, Precautions and Emergency Procedures, Washington, 1973, S. 3. Zurück

24 Department of Defense Directive No. 5230, 16 vom 7.2.1983. Zurück

Otfried Nassauer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der GRÜNEN im Dt. Bundestag.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1986/5 Wege aus dem Wettrüsten, Seite