W&F 2004/3

… immer noch von Gandhi lernen?

Ziviler Widerstand, non-violence, Gütekraft

von Martin Arnold

„Gegen die absolute Brutalität der Nazis war kein Widerstand möglich“ lautet eine populäre Feststellung. Der Historiker und Sozialpsychologe Jacques Semelin hat zahlreiche Beispiele des vielfältigen Kampfes »ohne Waffen gegen Hitler« untersucht, er nannte ihn »Zivilen Widerstand«. Seine Definition nahm Martin Arnold zum Anlass für eine konzeptionelle Betrachtung inhaltlich verwandter Begriffe und der dazu gehörenden Konfliktdynamik. Eine besondere Rolle spielt dabei das von Gandhi entwickelte Konfliktaustragungskonzept Gütekraft.

In einer Welt, in der eine Mentalität des Durchsetzens mit Gewalt in der Weltpolitik wie auf Schulhöfen immer deutlicher um sich greift, sind für einen zukunftsfähigen Weg des Zusammenlebens tragfähige Formen der Konfliktaustragung nötig. Der zivile Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft in ganz Europa ist bei uns kaum bekannt. Zusammen mit dahinter stehenden Traditionen bietet er aufschlussreiche Einsichten. Diese machen weiter führende Fragen der Friedens- und Konfliktforschung dringlich.

Ziviler Widerstand gegen die Herrschaft der Nationalsozialisten

Norwegen 1942: Nach der Eroberung des Landes durch die deutschen Truppen versuchte der Marionetten-Regierungschef Vidkun Quisling die norwegischen Lehrer zu zwingen, einer nazistischen Organisation beizutreten und in deren Sinne Unterricht zu geben. Doch Rassismus zu lehren war für die große Mehrheit nicht mit ihren Gewissen und die Fremdbestimmung nicht mit ihrer norwegischen Identität vereinbar. Viele wehrten sich aktiv und schickten einzeln eine Erklärung nach Oslo. An zwei Tagen trafen 4.000 davon bei Quisling ein. Dieser ließ über 1.000 Lehrpersonen festnehmen. Daraufhin meldeten sich weitere freiwillig fürs Gefängnis. Ihre Familien wurden von der Bevölkerung versorgt. Auch bei Zwangsarbeit in einem Konzentrationslager gaben sie nicht nach – mit Erfolg: Nach vielen Monaten aus den Lagern entlassen, konnten sie weiterhin ihren Unterricht geben. Quisling: „Die Lehrer haben für mich alles zerstört!“ (Semelin 1995:109)

Semelin stellt dar, mit welchen Zielen die Historie sich zunächst mit den bewaffneten Teilen des Widerstands gegen die Deutschen befasst hat. Z.B. gab es in Frankreich „vier »politische Lesarten« der Résistance“, mit denen durch Heroisierung von Politikern, die nach 1945 aktiv waren, aktuelle politische Interessen der Gaullisten, der Kommunisten und anderer bedient wurden (S. 48). Ohne die Bedeutung militärischer Aktivitäten zu schmälern, zeigt Semelin zahlreiche Formen und die wichtige Rolle des zivilen Massenwiderstands auf, die oft weniger spektakulär waren als militärische und auch deshalb leicht »vergessen« wurden. In vielen Ländern war er aber grundlegend und wirkungsvoll und verhinderte, dass die herrschenden Deutschen Faschisten ihre politischen Ziele – überhaupt oder in der geplanten Zeit – erreichten.

Semelin unterscheidet zwei Arten des zivilen Widerstands, je nach Mobilisierung durch die Bevölkerung oder durch Institutionen. Zur ersten gehören Demonstrationen, Streiks, ziviler Massen-Ungehorsam, Widerstand von Berufsgruppen sowie Bewegungen zur Unterstützung von Juden; er beschreibt Beispiele aus der Tschechoslowakei, Holland, Belgien, Frankreich, Norwegen, Luxemburg, Dänemark, Polen (Unterrichtswesen im Untergrund) und Deutschland (Rosenstraße). Bei institutioneller Mobilisierung hingegen waren die Träger des Widerstands staatliche Einrichtungen oder gesellschaftliche Organisationen, die Proteste, begrenzte (wie in Finnland, Italien, Rumänien, Ungarn, Dänemark und Belgien) oder totale Nichtzusammenarbeit (wie in Norwegen und später in Dänemark) praktizierten.

Semelins Definition

Semelin definiert zivilen Widerstand als „Spontaner und unbewaffneter Kampf einer zivilen Gesellschaft gegen einen äußeren Aggressor“ (S. 53). Geplanten Widerstand nennt Semelin Verteidigung. Unbewaffnet spielt bei der Definition eine entscheidende Rolle. Semelin grenzt seine Forschung auf solche zivilen Handlungen ein, die nur zivilen, nicht militärischen Zielen dienten, wie z.B. „die Forderung nach der Unabhängigkeit von Institutionen von der Kontrolle durch die Besatzungsmacht oder der Schutz verfolgter Personen.“(S. 19). (Tätigkeiten ohne Waffen, die militärischen Zwecken dienen, wie z.B. Kundschafterdienste, untersucht Semelin nicht.) Diese Widerstandsform kommt nach Semelin dem »gewaltfreien Widerstand« nahe. Wenn sie allerdings in Ermangelung von Waffen gewählt wurde, ohne dass dem ein „Verzicht auf Gewalt als strategischem Mittel“ zu Grunde liegt, zieht Semelin die Bezeichnung »ziviler Widerstand« vor. (S. 58) Zur Unterscheidung von »gewaltfrei« wird dafür in Deutschland vielfach die Bezeichnung »gewaltlos« gewählt. Semelin hat sich auch mit der Tradition gründlich befasst (z.B. Mellon, Semelin 1994); ihr Ausgangspunkt ist »ahimsa«.

Ahimsa, Satjagrah, non-violence

Ahimsa (Sanskrit: a = Verneinung, himsa = Gewalt) bezeichnet eine Lebenshaltung und Einstellung, die seit mehr als 2.500 Jahren die unbedingte Achtung vor dem Leben aller Wesen fordert; sie ist das oberste Prinzip für die Anhänger des Jainismus. Jains und viele andere sind durch den Einfluss dieser indischen Religion VegetarierInnen. Ähnliche Anschauungen finden sich in allen großen Religionen. In Indien allerdings entwickelte sich die Bedeutung von ahimsa von der rein negativen Bedeutung »Nicht-Gewalt« weiter in die positive Richtung: Liebe zu allen Wesen.

Die Bekanntschaft mit Jains hatte großen Einfluss auf Mohandas K. Gandhi. Als indischer Rechtsanwalt hatte der später Mahatma (»große Seele«) Genannte seit 1893 in Südafrika mit rassistischen Diskriminierungen zu kämpfen. Er entwickelte die Nicht-Gewalt-Anschauungen dahin weiter, dass er Formen erfand, die Forderung auf akzeptable Art auch an diejenigen zu richten, unter deren Gewalt er zu leiden hatte, und zwar über den persönlichen Bereich hinaus wirksam auch in der Politik. Journalisten nannten seine Kampfart »passive resistance«. Diese Bezeichnung fand er irreführend, weil er, im Gegenteil, sehr aktiv war, und er nahm ein neues Wort dafür: Satjagrah. Das Sanskrit-Wort ist zusammengesetzt aus: satya = Sein, Wahrheit als Liebe und Güte, und agraha = gespannt sein, sich halten an, festhalten an, Kraft. Gandhi erklärte es als „Force which is born of Truth and Love“, Kraft, die aus Wahrheit und Liebe entspringt, und »soul force«, Seelenkraft (Gandhi 1972: 102, 105). Satjagrah schließt ahimsa ein. Gandhi nannte sie auf dem Hintergrund des indischen „ahimsa“ im Englischen »non-violence«. Das erkannte er später als Fehler, denn in der übrigen Welt, wo es keine ahimsa-Tradition gab, hatte »non-violent«, »gewaltlos«, natürlich meist die Bedeutung, etwas nicht zu tun, d. h. der Impuls aus der Kritik an »passive resistance« war verloren. Nur wer die Zusammenhänge kannte, wusste Bescheid und so ist es bis heute. Denn bis zur Erkenntnis seines Fehlers in den 1930er Jahren, waren die Aktivitäten, die er anleitete, weltweit mit »non-violent« und er als »Apostel der Gewaltlosigkeit« bezeichnet worden. Schon 1925 hatte dagegen sein Freund Romain Rolland vorgeschlagen, eine andere, besser zu Satjagrah passende Bezeichnung zu suchen.

Gewaltfreiheit

Neugieriggewordene stellten sich die Frage, wie es entgegen gewohnten Kampfweisen zum Abbau von Gewalt, auch von struktureller Gewalt, von Ungerechtigkeit, und zu wirksamer Verteidigung gegen gewaltsame Angriffe kommen konnte, ja überhaupt kommen kann. Es wurde eine Dynamik beschrieben, die zwingende Kraft entfalten kann. Mit der Studie des britischen Admirals Stephen King-Hall »Den Krieg im Frieden gewinnen« änderte sich der Diskurs von moralischen zu strategischen und militärischen Argumenten (Bogdonoff 1982). Damit ist ein bestimmter Traditionsstrang der Gandhi-Interpretation bezeichnet. Exponent ist Gene Sharp: »The Politics of Nonviolent Action« (1973). Satjagrah wird als reine Sozialtechnik gesehen, unabhängig von Einstellungen des Akteurs, als Methode, mit deren Mechanismen der Nichtzusammenarbeit bei konsequenter Anwendung jede Person ohne körperliche Verletzung zum Nachgeben gezwungen werden kann (non-violent coercion).

Als sich in Deutschland der öffentliche Sprachgebrauch bei »gewaltlos« stark von dem der Insider entfernt hatte und nur noch »keine Gewalt« meinte, führte Theodor Ebert Ende der 1960er Jahre den Begriff »Gewaltfreiheit« ein, um auch die innere Freiheit von Gewalt als Motivation für bestimmte Handlungsweisen auszudrücken. Dies entsprach Gandhis Unterscheidung zwischen der »Gewaltfreiheit der Starken« und der »Gewaltlosigkeit der Schwachen«, d. h. jener, die nur aus taktischen Gründen, z.B. weil sie keine Gewaltmittel haben, zu dieser Methode greifen. Die Unterscheidung wurde kaum allgemein aufgenommen. Im Lauf der Jahrzehnte hat sich nun der Vorgang wiederholt, dass ein Wort im öffentlichen Diskurs entgegen der ursprünglichen Bedeutung eingesetzt wird: Z.B. begründete ein Innenminister einen Gewalt-Einsatz der Polizei gegen Demonstrierende mit den Worten: „Bayern bleibt gewaltfrei.“ Mit der positiven Dynamik Satjagrah hat dieser Sprachgebrauch kaum noch etwas gemein, sie droht vergessen zu werden. Deshalb und weil unter „Gewalt“ sehr Unterschiedliches verstanden wird, scheinen „gewaltlos“ und „gewaltfrei“ immer weniger geeignet zu sein für sachliche Verständigung über die wohlfeile Bestätigung von Legitimität hinaus. Ausdrucksweisen wie ohne »körperliche / psychische / materielle« Schädigung oder Verletzung sagen klarer aus, was jeweils gemeint ist.

Gütekraft

Allerdings hatten Gandhi und viele andere (wie Martin Luther King: „strength to love“, „love-force“) eine Dynamik in Gang setzen können, die geeignet ist, Menschen von der Schädigung anderer abzubringen. Seit einigen Jahren wird in Deutschland für diese Dynamik das Wort Gütekraft gebraucht, im angelsächsischen Sprachraum truthforce (»Nonviolence« und »violence-free« sind andere Versuche. Nach den Erfahrungen mit »Gewaltfreiheit« ist zu vermuten, dass so dem Verflachen des Begriffsinhaltes kaum Einhalt zu bieten ist.) Ebenfalls von der negativen Bezeichnung abrückend, heißen eine kürzlich in den USA gesendete TV-Serie mit Beispielen aus der ganzen Welt und das zugehörige Buch »A Force More Powerful« (Ackermann, DuVall, 2000). Auch Johan Galtung bezeichnet die positive Seite der Gewaltfreiheit als Gütekraft (1999:39): „Sofern die sozio-psychologische Distanz zwischen den beiden (am Konflikt beteiligten) Seiten darauf basiert, dass das Gegenüber die eigene Seite entmenschlicht, dann wird gütekräftiges Vorgehen Außenstehende in einer Großen Gütekraftkette einbeziehen müssen. Einige der Vermittler werden viele soziale Charakteristika mit den Unterdrückten gemeinsam haben, andere werden ökonomisch, sozial und kulturell den Unterdrückern näher stehen.“

Galtung nennt hier einen soziologischen Aspekt der Funktionsweise der Gütekraft-Dynamik. Er setzt voraus, dass es einen – notfalls auch nur indirekten – Kontakt zum Gegner gibt. So wird durch bestimmte Vorgehensweisen – dazu kann auch Nichtzusammenarbeit gehören – (s. Ebert 1981: 37) eine Dynamik angestrebt, die nicht wie die der Gewalt in Destruktivität mündet, sondern in einen »Engelskreis« oder eine »Gütekraftspirale«, d. h. in der sich die Beziehung zwischen den Kontrahenten verbessert. Dies erfordert, dass in der Konfliktaustragung auch die eigenen Ziele dem Ziel der Verbesserung der gemeinsamen Verhältnisse untergeordnet, die eigenen Interessen eingeordnet werden, dass sich der Kampf nicht gegen Personen richtet sondern gegen ein bestimmtes Verhalten oder bestimmte Verhältnisse. Diese Dynamik und das zugehörige Konzept der Konfliktaustragung nannte Gandhi Satjagrah, Gütekraft. Gütekräftig vorgehen heißt, den Kampf zu führen als Einsatz für die Verbesserung der Verhältnisse für alle und Gegner konsequent und beharrlich auch gegen den bisherigen Augenschein als potenziell Verbündete für dieses Ziel zu behandeln. Das Konzept hat sich in vielen Konflikten auf allen Konfliktebenen bewährt, es spielt übrigens auch im familiären Alltag eine größere Rolle, als uns zumeist bewusst ist.

Unterschiedliche Konzepte

Von den Aktivitäten des zivilen Widerstands, die Semelin anführt, scheinen diejenigen besonders stark gewirkt zu haben, bei denen der Widerstand mit direktem Kontakt zu den Besatzern verbunden wurde, d. h. die nicht nur gewaltlos, sondern gütekräftig waren. Ohne solchen Kontakt scheinen die Erfolgsaussichten des zivilen Widerstands geringer oder sogar grundsätzlich gefährdet zu sein: Barbara Müller und Christine Schweitzer benennen Schwächen ziviler, gewaltloser Widerstandsaktivitäten, die durch Mangel an Dialogbereitschaft oder Nichtbeachtung der Gegnerseite bedingt waren: Das Konzept wurde in diesen Fällen nicht optimal angewendet. Burkhard Bläsis (2001) »grounded theory«, die er anhand von Interviews mit jahrzehntelang gütekräftig tätigen Personen entwickelte, bestätigt es: Gütekräftig vorgehen heißt Paroli bieten und zugleich Vertrauen aufbauen. Auch Robert Antoch (1999) nahm die psychologische Seite der Dynamik in den Blick und fand drei wichtige Faktoren: Entängstigung, Entfeindung und Ermutigung. Das ist mit Zwang, mit »non-violent coercion«, nicht erreichbar: Sharps enger Gewalt-Begriff meint wohl nur körperliche Schädigung. Gandhis ahimsa schließt dagegen auch andere Arten der Schädigung wie Beleidigung, Verleumdung oder totale soziale Isolierung als Erpressungsmittel aus. Das wirft Fragen auf.

Forschungsaufgaben

  • Wie wichtig ist »Kontakt zum Gegner« für die Stärke des Vorgehens? Sowohl beim Widerstand gegen Pershing II-Raketen z.B. in Mutlangen, als auch bei den Aktionen gegen Castortransporte im Wendland spielte die Frage, wie die Konzepte reine Gewaltfreiheit und Vielfalt zu einander stehen, eine wichtige Rolle: Welches ist wie wirksam? Können sie bei einer Aktion koexistieren, ohne sich zu stören?

Wie stark sind gütekräftige Vorgehensweisen, bei denen ohne Hass mit dem Gegner Kontakt aufgenommen wird, im Vergleich zu den als zivil oder gewaltlos oder vielfältig bezeichneten Widerstandskonzepten, bei denen aus beliebiger Motivation keine körperliche Gewalt angewendet wird?

Diese Fragen stellen sich nicht nur für Situationen des zivilen Widerstands, sondern spielen bei allen Konflikten eine fundamentale Rolle, gerade auch bei solchen, in denen eine Seite versucht, durch Schädigung der anderen Seite ihre Ziele zu erreichen. Für die Friedens- und Konfliktforschung stellen sich daher eine Reihe weiterer, auch grundlegender Fragen. Wenige sollen hier angedeutet werden.

  • Bei größeren Kollektiven kann die Verhaltensänderung indirekt verlaufen. Oft wurden Verantwortliche zwar nicht überzeugt, aber gaben nach, weil ihr Umfeld sich in diesem Prozess veränderte. Z.B. gab 1986 der philippinische Diktator Marcos nach intensiv vorbereiteten, gütekräftigen Aktivitäten auf, nicht »bekehrt«, aber entmachtet, als das Militär und die USA, weitgehend gütekräftig beeinflusst, ihn nicht mehr stützten (Goss-Mayr 2004). Vor allem wenn größere Kollektive beteiligt sind, ist die »Große Gütekraftkette«, von der Johan Galtung spricht, wichtig: Nicht nur die unmittelbar Verantwortlichen werden angesprochen, sondern die zunächst gleichgültige, stumme, daher die Verhältnisse stabilisierende Öffentlichkeit wird durch gütekräftige, dramatisierende, den Konflikt deutlich machende Ansprache als Verbündete gegen das Unrecht gewonnen. In der Bewegungsforschung wird hier von einem »Spiel über die Bande« gesprochen (Roth, 2004). Ein Vergleich von dem, was mit Martin Luther King durch gütekräftiges Vorgehen, und dem, was z.B. mit Malcolm X oder den »Black Power«- Bewegungen mit anderen Konzepten erreicht wurde, sowie eine genauere Analyse der Ursachen könnte sehr nützlich sein, natürlich auch auf andere Konflikte bezogene Vergleiche (Ackermann, DuVall 2000: 457-468).
  • Die Erwartungen, mit denen im Konflikt Kontakt aufgenommen wird, stellen, wie Forschungen zu »selffulfilling prophecy« vermuten lassen, wichtige Weichen, wie sich die Beziehungsdynamik entwickelt. Offenbar sind unbewusste Einstellungen relevant. D. h. Vorgehensweise und Methodik funktionieren nicht einfach als beliebig anwendbare »Technik«. Wie aber funktionieren sie dann? Ist vielleicht die »Haltung« wesentlich? Was daran ist lernbar, was nicht? Wie kann es gelernt werden? In welchem Verhältnis steht die innere Einstellung von gütekräftig Handelnden zur zugehörigen Methodik?
  • Es gibt verschiedene Ausgestaltungen des Gütekraft-Konzepts, die oftmals religiös formuliert worden sind. Das Konzept des Hindus Gandhi ist z.B. nicht identisch mit dem des Baptisten King, dem des Moslems Abdul Ghaffar Khan oder dem des Sozio-Anarchisten Bart de Ligt usw. Gegenwärtig fördert die Deutsche Stiftung Friedensforschung ein Forschungsprojekt an der Universität Siegen indem die unterschiedlichen Konzepte gegeneinander abgeglichen werden und in dem untersucht wird, was sich unter welchen Voraussetzungen übertragen lässt.

Fazit

In den weltweiten Erfahrungen mit gütekräftigem Vorgehen liegt ein Schatz, den bewusster zu heben für Gesellschaft und Politik dringlich ist. In der konsequenten Betrachtung der anderen Seite als gleichwertig, wie im Gütekraft-Konzept entwickelt, dürfte ein Schlüssel für die Lösung von Konflikten liegen – im Großen wie im Kleinen.

Literatur

Ackerman, Peter / DuVall, Jack (2000): A Force More Powerful. A Century of Nonviolent Conflict, New York.

Antoch, Robert (1999): Kraft der Liebe. In: Arnold, Knittel (Hrsg.), 1999, S. 58-64

Arnold, Martin und Knittel, Gudrun (Hrsg.) (1999): Gütekraft erforschen. Kraft der Gewaltfreiheit, Satjagraha, Strength to love, Minden, Gewaltfreie Aktion, 31. Jg., H. 121, online:

Berg, Birgit (1999): Vom Gewaltkult zur Gütekraft. Beispiele und Aspekte einer neubenannten Qualität. In: Arnold, Knittel (Hrsg.) 1999, S. 17-30.

Bläsi, Burkhard. (2001): Konflikttransformation durch Gütekraft. Interpersonale Veränderungsprozesse. Münster, Hamburg, Berlin, London.

Bogdonoff, Phil (1982): Civilian-Based Defense – A Short History. www.blancmange.net/tmh/articles/cbdhist.html

Ebert, Theodor (1981): Gewaltfreier Aufstand. Alternative zum Bürgerkrieg. Waldkirch.

Galtung, Johan (1999): Mohandas K. Gandhis Realpolitik. In: Arnold, Knittel (Hrsg.) 1999, S. 35-41.

Gandhi, Mohandas K. (1928): Satyagraha in South Africa. Ahmedabad.

Goss-Mayr, Hildegard (2004): Die Kraft der Gewaltfreiheit am Beispiel der Philippinen. In: Gewaltfreie Aktion, i.E.

Mellon, Christian / Semelin, Jacques (1994): La non-violence. Paris

Roth, Roland (2004): Erfolgsbedingungen sozialer Bewegungen heute, Vortrag vom 08.05.04, Bremen, Archiv Aktiv.

Semelin, Jacques (1995): Ohne Waffen gegen Hitler. Eine Studie zum zivilen Widerstand in Europa, Frankfurt a.M.

Sharp, Gene (1973): The Politics of Nonviolent Action, Boston.

Martin Arnold ist Pfarrer. Er arbeitet z. Zt. an einem Forschungsprojekt der Universität Siegen zu den verschiedenen Gütekraft-Modellen. Die deutsche Arbeitsgruppe Gütekraft wurde von ihm mitgegründet: Siehe auch www.guetekraft.net

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2004/3 Ziviler Widerstand, Seite