W&F 1986/5

Infrastruktur und Rüstungshaushalt

von Arbeits- und Forschungsstelle
Militär, Ökologie und Planung (MÖP)

I. Vorbemerkung

Die Bundesrepublik ist „Hauptoperationsgebiet (Weißbuch 1985, S. 112) sowie „Kampfzone“ der NATO. Es ist verständlich, daß die Kampfzone infrastrukturell präpariert wird. Wir haben in unseren letzten beiden Analysen (BdWi, Stellungnahme zum Rüstungshaushalt 1985 und 1986) die wichtige Rolle der Infrastruktur herausgearbeitet. Der EP 14 1986 hatte die Schwerpunkte Infrastruktur und Umweltschutz. Der Haushalt 1987 führt diese Schwerpunkte fort.

II. Infrastruktur

Im Rüstungshaushalt lassen sich drei Quellen für militärische Infrastruktur analysieren. 1

a) nationale Infrastruktur (Mittel des BMVg)

Im einzelnen lassen sich folgende Aussagen machen:

Jahr Kleine Baumaßnahmen Große Baumaßnahmen
1981 90 Mio 1200 Mio
1985 130 Mio 1350 Mio
1986 160 Mio 1650 Mio
1987 150 Mio 1590 Mio

b) NATO-Infrastruktur

Für die innerhalb der Bundesrepublik gemeinsam finanzierte Infrastruktur wurde der Etatansatz etwas verringert, bleibt jedoch über dem Etat von 1985:

1981 260 Mio
1985 570 Mio
1986 610 Mio
1987 580 Mio

Der Gesamt-Infrastruktur-Etat der NATO (NATO-Infrastrukturprogramm) verzeichnet eine enorme Steigerung:

1975 – 1979 4,4 Mrd.
1980 – 1984 9,5 Mrd.
1985 – 1990 21,96 Mrd.

Der größte Teil davon wird in der Bundesrepublik materiell umgesetzt (vergleiche Stellungnahme zum Rüstungshaushalt 1986).

c) bilaterale Abkommen

Insbesondere seien hier erwähnt die Wartime Host Nation Support mit den USA und Großbritannien. Es sind „Abkommen zur Unterstützung durch den Aufnahmestaat in Krise oder Krieg“. Während das Abkommen mit den USA im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde (BGBL II, 22.4.1986) wird das Abkommen mit den Engländern geheimgehalten.

Die Etatansätze lassen sich im Einzelplan 14 nicht differenzieren. Bemerkenswert ist, daß das Kürzel WHNS aber den gesamten Haushalt durchzieht. Etatansätze für 1987 sind 25 Mio (1986 10 Mio). (Materielle Umsetzung vgl. Rüstungshaushalt 1986)

Es ist nochmals festzustellen, daß sich der Ansatz in ER 14 seit 1981 fast verdoppelt hat:

Infrastruktur im Einzelplan 14
(kleine und große Baumaßnahmen: WHNS/NATO-Infrastruktur) in Mrd. DM

1975 1,41
1980 1,48
1981 1,48
1982 1,82
1983 1,85
1984 2,01
1985 2,14
1986 2,40
1987 2,37

III. Andere Entwicklungen

Für die Infrastrukturanalyse sind auch andere Fakten von Wichtigkeit. Die Etatansätze für

Zivile Infrastruktur von militärischem Interesse“ sind z. B.:

  • Zuweisungen für Straßenbaumaßnahmen des Bundes: 1987: 20 Mio (1986: 18 Mio).
  • Überprüfung und Ausbau öffentlicher Verkehrseinrichtungen und Versorgungsanlagen von militärischem Interesse: 1987: 79 Mio (1986: 82 Mio).
  • Beschaffung von Liegenschaften für militärische Zwecke: 1987: 48 Mio (1986: 50 Mio).

Auch „Entschädigungsetats“ sind von Wichtigkeit:

  • Ersatzleistungen für Wege und Straßenschäden (nur Bundeswehr): 1987:27 Mio (1986: 27 Mio).
  • Ersatzleistungen für Übungsschäden (nur Bundeswehr): 1987: 10 Mio (1986: 10 Mio).
  • sowie Entschädigungen aufgrund des Schutzbereichsgesetzes (1987: 2,7 Mio) oder aufgrund des Fluglärmgesetzes (1987: 2 Mio).

Ein anderer Aspekt sind „Bewirtschaftungsetats“:

  • Betrieb und Bewirtschaftung des NATO-Übungsplatzes Bergen: 1987: 23 Mio (1986: 20 Mio).
  • Verwaltung der US-Truppenunterkunft Caristedt und des NATO-Flugplatzes Gibelstadt: 1987: 12 Mio (1986: 11 Mio).

Die wichtigste und auch besorgniserregendste Entwicklung ist der Etatansatz für Munition:

1983 1,850 Mrd.
1984 2,151 Mrd.
1985 2,282 Mrd.
1986 2,325 Mrd.
1987 2,400 Mrd.

Mehr Munition bedeutet auch automatisch mehr Lagerraum! In den nächsten Jahren sollen 192 Depots neu- bzw. ausgebaut werden (davon 21 Atomwaffendepots)!

IV. Umweltschutz

Die Bemühungen des BMVg, auf Umweltschutzmaßnahmen zu verweisen, haben einen Höhepunkt erreicht. Waren es im Etat 1986 „nur“ 500 Mio. für Umweltschutz, sind es 1987 bereits 600 Mio. (weniger als 1% des Gesamthaushaltes nach NATO-Kriterien!) Die Bundeswehr versucht anscheinend den wachsenden Widerstand in der Bevölkerung gegen Neubaumaßnahmen (1985 weit über 1000) mit inflationären Steigerungen der „Umweltschutzausgaben“ zu übertönen. Im Mai 1986 wurde sogar eine Ausstellung „Bundeswehr und Umweltschutz in Nürnberg eröffnete. 2 Im Einzelplan selbst lassen sich diese Ausgaben nicht nachvollziehen. Die Diskussion über diese Thematik ist zwar Bestandteil der Infrastrukturanalyse, kann jedoch hier nicht weitergeführt werden.

V. Zusammenfassung

Die Militarisierung der Bundesrepublik durch die infrastrukturelle Präparation als Kampfzone der NATO ist auf gleichem Level wie im Vorjahr, d.h. daß verstärkt mit Baumaßnahmen im militärischen aber auch im zivilen Bereich (Straßenbau) gerechnet werden muß.

Insgesamt liegt das Bauvolumen (ohne ausl. Stationierungsstreitkräfte) bei 3,3 Mrd. DM! Die Belastung der Bevölkerung durch zunehmende Mobilisierung (z.B. Pershing und Patriot) und gigantische Manöver (1986 in 3 Monaten 250.000 Soldaten) sowie durch Munitionstransporte und Depotausbauten wird ansteigen. Der kommunalen Friedensforschung und Friedensarbeit wird hierdurch ein enormes Gewicht verliehen.

Die MÖP analysiert kontinuierlich den Infrastrukturbereich und gibt Informationen über Art und Ausmaß, Verfahrensabläufe bei der Bereitstellung von militärischer Infrastruktur sowie deren ökologischen Auswirkungen und den Widerstand. Hierzu gibt die MÖP einen Rundrief heraus.„Der alltägliche Krieg“ (Broschüre zur Ausstellung) Militärische Neubauten in der Bundesrepublik (incl. Bunkerbau) 1986/87 (in Vorb.) Militäratalas von Flensburg bis Dresden; 3000 Daten zur Militarisierung der BRD und DDR (Hrsg.: Die Grünen).

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1986/5 Wege aus dem Wettrüsten, Seite