W&F 2014/3

Inklusion/Exklusion

AFK-Jahreskolloquium 2014, 3.-5. April 2014, Schwerte

von Daniel Katzorke

Das 46. Jahreskolloquium der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung e.V. (AFK) wurde in Kooperation mit der Evangelischen Akademie Villigst organisiert und fand in deren Räumlichkeiten in Schwerte statt. Gefördert wurde die Tagung durch die Deutsche Stiftung Friedensforschung (DSF), die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und den NOMOS-Verlag.

Das diesjährige Kolloquium beschäftigte sich mit den gesellschaftlichen Mechanismen der Inklusion und Exklusion und betrachtete diese Thematik aus zwei Perspektiven: Zum einen wurde die Bedeutung von In- beziehungsweise Exklusion vor, während und nach Konflikten thematisiert, zum anderen deren Rolle im akademischen und pädagogischen Betrieb erörtert. Durch die konfliktfördernde Wirkung, die der ökonomische oder politische Ausschluss gesellschaftlicher Gruppen haben kann, aber auch die Berührungspunkte, die Lehre und Forschung mit Inklusion und Exklusion haben, erhielt das Thema des Kolloquiums besondere Relevanz. Fragen nach der Gestaltung von Friedensabkommen oder nach der integrativen Wirkung der institutionellen Aufarbeitung eines Konfliktes standen dabei ebenso im Interesse wie die Debatte um exkludierende Mechanismen im Wissenschaftsbetrieb oder verschiedene Ansätze einer pädagogischen Annäherung an diese Begrifflichkeiten. Einige der Panels werden im Folgenden exemplarisch vorgestellt.

Im Rahmen des Kolloquiums fand zusätzlich die Mitgliederversammlung der AFK statt, auf der der neue Vorstand begrüßt wurde. Weiterhin trafen sich die Arbeitskreise »Curriculum«, »Kultur und Religion«, »Wissenschaft und Praxis« sowie das »Netzwerk Friedensforscherinnen«. Auch dieses Jahr wurden zudem herausragende wissenschaftliche Arbeiten mit dem Christiane-Rajewsky-Preis gewürdigt.

Vielfältiges Themenspektrum

Eröffnet wurde das Kolloquium durch einen Vortrag von Prof. Tom Lodge, der sich mit »Inclusion and Exclusion in South African Politics since Apartheid« auseinandersetzte. Lodge hob in seinem Vortrag die Rolle Südafrikas als Archetypus für politische Abmachungen hervor und analysierte die wichtigsten Abmachungen der Übereinkunft 1994 unter Berücksichtigung der vier Ebenen Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und nationale Identität. Dabei betonte er die Erfolge, die sich in Südafrika seit Ende der Apartheid beobachten ließen, fand jedoch auch kritische Worte für die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre sowie die zunehmend autoritären Tendenzen des African National Congress.

Inkludierenden und exkludierenden Mechanismen in der Friedenspädagogik widmeten sich insbesondere drei Panel-Beiträge, die jeweils unterschiedliche Schwerpunkte setzten. So wurden zuerst unter Bezugnahme auf Senghaas’ Konzept der organisierten Friedlosigkeit die Möglichkeiten der Friedenspädagogik in einem exkludierenden Gesellschaftssystem betrachtet. Anschließend erfolgte anhand zweier Beispiele eine Bestandsaufnahme der Mittel friedenspädagogischer Ansätze, um nicht nur die Inklusion gesellschaftlich marginalisierter Gruppen voranzutreiben, sondern auch Vorurteilen und rassistischen Deutungsmustern entgegenzuwirken.

Inhalt gleich mehrerer Panels war die Frage nach Inklusion und Exklusion und deren Folgen nach innerstaatlichen Konflikten. Die Ausgestaltung von Friedensabkommen war dabei ebenso Thema wie die Auswirkung von Transitional-Justice-Kommissionen. Einigkeit herrschte weithin darüber, dass absolute Aussagen kaum zu treffen seien. So gebe es keine eindeutige Kausalität zwischen einem Sieg- oder Verhandlungsfrieden und der Dauer des Waffenstillstandes. Gleiches ließe sich über die Wirkung von Transitional-Justice-Kommissionen sagen: Deren positive Wirkung auf die Nachkriegsgesellschaft sei beim jetzigen Forschungsstand nicht eindeutig zu belegen. Am Beispiel des Sudan wurde aufgezeigt, dass ein nur die Eliten der Konfliktparteien berücksichtigendes Friedensabkommen nicht ausreicht, um Konflikte dauerhaft kooperativ zu regulieren. Dann wurde anhand des Bürgerkrieges in Darfur die Rolle der internationalen Gemeinschaft kritisch betrachtet, die in ihrem Bemühen um Frieden die gegenwärtige Figuration im Sinne der sudanesischen Regierung festige.

Die Rolle von Inklusion und Exklusion bei Ressourcenkonflikten war ebenfalls Gegenstand eines Panels. Die ReferentInnen hoben hervor, dass Methoden wie »Land Grabbing« dazu genutzt würden, unliebsame Bevölkerungsteile, wie pastorale Gruppen in Äthiopien, ihrer Lebensgrundlage zu berauben und sie so in die Mehrheitsgesellschaft zu zwingen. Allerdings böten, wie am Beispiel des »Good Water Neighbours«-Projekts in Israel aufgezeigt wurde, Konflikte um Ressourcen auch Chancen für eine Ausweitung der Zusammenarbeit der Konfliktparteien. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass der Konflikt nicht als Nullsummenspiel wahrgenommen würde.

Der Inklusion der Geschlechter in gewaltgeprägten sozialen Verhältnissen widmete sich ein weiteres Panel. Thematisiert wurde nicht nur, dass Bewohnerinnen in Krisengebieten, die sich auf eine Beziehung mit einem Soldaten internationaler Friedenstruppen einlassen, gesellschaftliche Strukturen durch den so erworbenen Zugang zu materiellen Ressourcen in Frage stellen können, sondern auch die unterschiedliche Positionierung von Soldatinnen innerhalb und außerhalb des Militärs im In- und Ausland.

Die »Inklusion und Exklusion junger NachwuchswissenschaftlerInnen in Hochschule und Forschung« war Inhalt eines Impulsvortrages sowie einer anschließenden Diskussion. Dabei wurde auf die prekäre Situation heutiger NachwuchswissenschaftlerInnen aufmerksam gemacht, die sich insbesondere in der – in den letzten Jahren stark gestiegenen – Anzahl an befristeten Beschäftigungsverhältnissen widerspiegele. Der häufig wahrgenommene Zielkonflikt zwischen Forschung und Lehre im Zusammenspiel mit der realen Arbeitsbelastung, die zumeist über die vertraglich vereinbarte Anzahl an Arbeitsstunden hinausgehe, führe zudem zu einer Verschiebung der Forschungstätigkeit in die »Freizeit« des/der WissenschaftlerIn. Angemerkt wurde jedoch auch, dass trotz dieser Mängel ein Großteil der jungen ForscherInnen zufrieden mit den Arbeitsverhältnissen sei und es nicht bereue, den akademischen Karrierepfades eingeschlagen zu haben. Dennoch gelte es auf allen politischen Ebenen, die derzeitige Gesetzeslage im Hochschulbereich zu optimieren, um eine bessere Inklusion des wissenschaftlichen Nachwuchses zu ermöglichen.

Den Abschluss des Kolloquiums bildete ein Plenum, das sich mit der Exklusion und der Lebensrealität von MigrantInnen in Deutschland und Europa auseinandersetzte. Dabei wurde u.a. der Umgang mit MigrantInnen durch elektronische Registrierungsverfahren problematisiert. Zudem wurden Ansätze diskutiert, die die negativen Zuschreibungen und Vorurteile, mit denen sich MigrantInnen oftmals konfrontiert sehen, erklären sollten. Die allgemeine Ratlosigkeit, die momentan im Umgang mit Flüchtlingen und Asylsuchenden herrsche, wurde zudem als Chance für die Friedensforschung ausgemacht, sich in den öffentlichen Diskurs einzuklinken. Wünschenswert sei insbesondere ein Loslösen des Diskurses aus der »sicherheitspolitischen Umarmung«, auf Grund derer die Flüchtlingsfrage ausschließlich unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten betrachtet werde.

Mit diesem Plenum endete das diesjährige, gelungene Kolloquium der AFK, das sich nicht nur dem Thema Inklusion/Exklusion auf methodisch und fachlich vielfältige Weise annäherte, sondern auch den in hoher Zahl vertretenen NachwuchswissenschaftlerInnen eine Plattform zur Vernetzung und zum Austausch bot.

Verleihung des Christiane-Rajewsky-Preises 2014

Gleich drei PreisträgerInnen erhielten in diesem Jahr den Christiane-Rajewsky-Preis. Das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (HIIK) wurde für das jährlich publizierte Konfliktbarometer ausgezeichnet. Nina Grellmann erhielt die Auszeichnung für ihre Masterarbeit »The Banking Sector – financing or preventing conflict? Integrating conflict prevention into banks’ Corporate Social Responsibility (CSR)«. Außerdem wurde die Dissertation »Präsenz der Abwesenheit. Die Verschwundenen Mexikos zwischen Dehumanisierung und Rehumanisierung« von Dr. Sylvia Karl von der Jury als preiswürdig erachtet.

Ein ausführlicher Tagungsbericht mit der Beschreibung aller Panels und mit den Papers, die außerdem im virtuellen »Paper-Room« des Kolloquiums abrufbar sind, ist auf der AFK-Webseite (afk-web.de) zu finden.

Daniel Katzorke

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2014/3 Die Kraft der Künste, Seite 58–59