W&F 1998/1

Internationale Richtlinien für das Management von Plutonium

von Martin B. Kalinowski

Die fast vier Jahre langen Verhandlungen wurden mit dem Ziel geführt, eine erhöhte Sicherheit und mehr Transparenz über den weltweiten Umgang mit dem Waffenstoff Plutonium zu erreichen. Eine starke Motivation zu diesen Verhandlungen ist nach Ansicht von Kritikern wesentlich aus dem Ziel gespeist, die Akzeptanz für die Nutzung von Plutonium zu erhöhen. Ein zunehmender Protest dagegen regte sich nicht mehr nur bei Bürgerinitiativen und nichtstaatlichen Organisationen, sondern auch bei einer Anzahl von Staaten, die sich insbesondere gegen Schiffstransporte von Plutonium aus Frankreich nach Japan wehrten. An den Verhandlungen waren neben allen fünf etablierten Kernwaffenstaaten auch Deutschland, Japan, Belgien und die Schweiz beteiligt. EURATOM und die IAEO waren mit Beobachtern an den Verhandlungen, die auch unter der Bezeichnung »International Plutonium Regime« bekannt geworden sind, beteiligt.

Am 1. Dezember 1997 haben fast alle der neun Länder gleichzeitig die beschlossenen Richtlinien in Verbindung mit einer Note an den Generaldirektor der IAEO in Wien überreicht. In der Sitzung des Gouverneursrats der IAEO Mitte Dezember wurden die neuen Richtlinien für den Umgang mit Plutonium vorgestellt und diskutiert. In seiner Eröffnungsrede am 8. Dezember berichtete Mohamed ElBaradei, der neue Generaldirektor der IAEO, daß die beteiligten Staaten sich darauf geeinigt hätten, über die Möglichkeit zu beraten, ähnliche Richtlinien auch für hochangereichertes Uran (HEU) zu erarbeiten. Nach Angaben von Hans-Friedrich Meyer von der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit der IAEO sollen die Richtlinien als Information Circular gedruckt und allgemein zugänglich gemacht werden. Auf freiwilliger Basis können sich neben den neun Ländern, die die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen geführt haben, weitere Länder den Richtlinien anschließen.

Einen Tag nach Veröffentlichung der Richtlinien hat die britische Regierung ihre erste Jahresbilanz im vereinbarten Format mit Stichtag 31. Dezember 1996 vorgelegt und das Erscheinen der nächsten für Juni 1998 angekündigt. Von deutscher Seite ist wegen notwendiger Abstimmungen mit EURATOM nicht so schnell mit einer Veröffentlichung zu rechnen.

Eine Überprüfung der Richtlinien für das Management von Plutonium durch alle Staaten, die ähnliche Richtlinien verabschieden, ist vorgesehen. Sie soll frühestens fünf Jahre nach der Notifizierung der Richtlinien durchgeführt werden. Bei der Überprüfung sollen Erfahrungen und die sich verändernden Umstände berücksichtigt werden.

Inhalt der Richtlinien

Die Richtlinien für den Umgang mit Plutonium gliedern sich wie folgt:

Allgemeine Bestimmungen, Nichtverbreitung und internationale Sicherungsmaßnahmen, Verantwortliche Handhabung, Physischer Schutz, Kontrolle und Bilanzierung von Kernmaterial, Internationale Weitergabe, Politische Leitlinien für den Umgang mit Plutonium, Veröffentlichung von Informationen, Anlage A: Umfang des physischen Schutzes, Anlage B: Jährliche Angaben zu den Beständen an unbestrahltem Plutonium, das für zivile Zwecke genutzt wird, Anlage C: Geschätzte Plutoniummengen in abgebrannten Brennelementen ziviler Reaktoren

Bis auf die Veröffentlichung von wenigen Daten fallen abgebrannte Brennelemente nicht unter diese Bestimmungen. Dennoch wird anerkannt, daß mit diesen ebenso wie auch mit hochangereichertem Uran genauso verantwortungsbewußt umgegangen werden muß wie mit abgetrenntem und unbestrahltem Plutonium. Die einschlägigen internationalen Verpflichtungen der beteiligten Staaten zur Nichtverbreitung, zum physischen Schutz, zur nuklearen Sicherheit, zur sicheren Beförderung und zum Strahlenschutz bleiben von diesen Richtlinien unberührt.

Über die Konvention zum physischen Schutz von Kernmaterial hinausgehend definieren die neuen Richtlinien für bestimmte Mengenklassen an Plutonium den Umfang des sicherzustellenden physischen Schutzes bei der Nutzung, Lagerung und Beförderung. Dabei soll den Empfehlungen der IAEO über den physischen Schutz von Kernmaterial Rechnung getragen werden. Die drei hier definierten Mengenklassen liegen bei 15 bis 500 g, 0,5 bis 2 kg sowie bei über 2 kg. Die neuen internationalen Richtlinien vereinheitlichen nicht nur den Umfang der nationalen Maßnahmen zum physischen Schutz, sondern regeln bei Beförderungen die internationale Kooperation und Arbeitsteilung bei deren Anwendung. Dabei werden die Verantwortlichkeiten von Liefer- und Empfängerland klar voneinander abgegrenzt. Drittländer, deren Territorium beim Transport berührt wird, müssen an den Schutzmaßnahmen nicht beteiligt werden.

Das in den meisten der beteiligten Ländern bereits installierte System einer Kernmaterialbilanzierung und -kontrolle soll in allen beteiligten neun Ländern installiert werden. Für die Kernwaffenländer ist es ein Novum, daß sie eine formale Absichtserklärung zur Installierung eines nationalen Kontrollsystems für ziviles Plutonium abgeben. Dieses Ergebnis ist besonders für die russischen Plutoniumbestände von Interesse, deren wirksame Kontrolle vielfach angezweifelt worden ist. Militärisches Material ist jedoch explizit davon ausgenommen. Unter anderem sieht das geforderte System vor, die Meßgenauigkeit und die Abschätzung der Meßunsicherheit zu bewerten. Diese Informationen wären für die Öffentlichkeit von großem Interesse, ihre Freigabe ist jedoch nicht vorgesehen.

Für die internationale Weitergabe von mehr als 50 Gramm Plutonium innerhalb eines Jahres an ein einzelnes Land muß ein am Abkommen beteiligtes Lieferland eine förmliche Kontrollzusage von der Regierung des Empfängerlandes einholen. Diese Zusage muß garantieren, daß das Material ausschließlich für zivile Zwecke verwendet, unter IAEO Safeguards gestellt und nicht ohne Zustimmung weitergegeben wird. Diese Regierung hat ferner die Richtigkeit der Endverbleibserklärung des Empfängers zu bestätigen. Sie muß diese Lieferung unter Berücksichtigung der von ihr veröffentlichten Angaben über ihre Bestände an abgetrenntem Plutonium sowie ihrer Strategie für die Nutzung von Plutonium mit der Regierung des Lieferlandes erörtern.

Alle Länder, die die Richtlinien unterzeichnen, verpflichten sich, ihre nationale Strategie für die Kernenergie und den sogenannten Brennstoffkreislauf sowie ihre allgemeinen Pläne für den Umgang mit den nationalen Plutoniumbeständen zu erklären. Diese Erklärung darf »kurz« sein und muß nur »gelegentlich« abgegeben werden.

Veröffentlichung der Plutoniumbestände

Eine große Hoffnung lag darin, daß das neue internationale Plutoniumkontrollregime zumindest Transparenz über die Plutoniummengen schafft. Im Rahmen der Wiener Gespräche hatte sich die Bundesregierung bereits Anfang 1995 gemeinsam mit sechs anderen Ländern darauf geeinigt, jährlich die Inventare an zivilem Plutonium zu veröffentlichen. Noch vor der Überprüfungs- und Verlängerungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrags (NVV) 1995 sollte diese Vereinbarung in einen formalen Rahmen gefaßt werden.1 Zwei Jahre später war aus dem Außenministerium zu hören, daß in absehbarer Zeit eine Einigung auf ein gemeinsames Format erreicht werde, welches als Vorbedingung für eine Veröffentlichung von Plutoniumdaten durch Deutschland galt.2

Bislang gab es kein klares Bild von den deutschen Plutoniumvorräten, sondern nur vereinzelt zu findende Aufstellungen bestimmter Bestände oder von Aktivitäten und dabei angefallenen Mengen. Die bisher umfassendste Plutoniumbilanz wurde von Albright, Berkhout und Walker 1997 in einer aktualisierten und erweiterten Form vorgelegt.3 Sie ist für Deutschland nicht ausreichend detailliert. Die Bundesregierung, alle öffentlichen Stellen und i.d.R. auch die Betreiber der kerntechnischen Anlagen verweigern präzise Auskünfte über Plutoniummengen. Hier greift immer noch ein alter Geheimhaltungsbeschluß. Die Bundesregierung hat sich insbesondere wiederholt geweigert, detaillierte Angaben über den Bestand an Plutonium im Bundeslager in Hanau zu machen.4 Erst durch den Antrag der Firma Siemens für ein Leerfahrprogramm wurden einigermaßen detaillierte Zahlen bekannt.

Großbritannien hat hingegen bereits zum elften Mal einen – wenn auch unzureichenden – Jahresbericht über das zivile Plutonium veröffentlicht.5 Japan hat dies bereits dreimal getan.6 Im Februar 1996 erschien die erste Veröffentlichung einer Plutoniumbilanz der USA,7 wenig später legte Frankreich eine – wenn auch nur sehr spärliche – Plutoniumbilanz vor.8

Die Bundesregierung stellt sich auf den Standpunkt, daß sie alle Kompetenzen diesbezüglich an EURATOM abgegeben und somit keine eigenen Erkenntnisse über Plutoniummengen habe. Bis auf die Verpflichtung, sich die Daten von EURATOM zu besorgen und sie der IAEO zu melden wird sich auch mit dem neuen Abkommen nichts Wesentliches ändern. Bei den Verhandlungen ging es u.a. darum, sich auf ein gemeinsames Format für diese Plutoniumbilanzen zu einigen.

Das festgeschriebene Standardformat verwendet für abgetrennte und unbestrahlte Plutoniumbestände Rundungen auf 100 kg (für Plutonium in abgebrannten Brennelemente nur auf 1.000 kg genau), so daß die Angaben bei jeder Position um eine Menge ungenau ist, die der für rund zehn Kernwaffen benötigten entsprechen kann. Nur der Gesamtplutoniumgehalt wird genannt. Der spaltbare Anteil und die Isotopenzusammensetzung bleiben ebenso geheim wie die chemische Form des Plutoniums. Die nationalen Bestände von abgetrenntem und unbestrahltem Plutonium werden zu lediglich vier die Klasse von Lagerorten sowie zu drei die Nationengrenzen betreffenden Zahlenangaben aggregiert werden. Durch diese Zusammenfassungen werden klare Zuordnungen zu einzelnen Anlagen und verantwortlichen Ländern in den meisten Fällen unmöglich sein.

Bei den vier Bestandstypen, für die aggregierte Zahlen mitgeteilt werden sollen, handelt es sich um abgetrenntes und unbestrahltes Plutonium, das für zivile Zwecke genutzt wird,

  • in Lagern von Wiederaufarbeitungsanlagen,
  • während der Herstellung oder Fertigung (incl. von Plutonium, das in einer Brennelementefabrik oder einer anderen Fertigungsanlage oder andernorts in unbestrahlten Halbfertig- oder Roherzeugnissen enthalten ist),
  • an Standorten von Reaktoren oder andernorts in unbestrahltem Mischoxid-Brennstoff oder anderen Fertigerzeugnissen
  • sowie in anderen Beständen.

Extra angeführt werden als eine Summe die unter den obigen vier Nummern angegebenen Anteile, die sich im Besitz ausländischer Stellen befinden sowie als eine zweite Summe die nationalen Plutoniummengen, die sich an Standorten in anderen Ländern befinden und daher nicht in die aufgeschlüsselte Bilanz einbezogen werden. In einer dritten Summe werden Plutoniumbestände vermerkt, die sich am Stichtag der Bilanzierung (jeweils der 31. Dezember eines Jahres) auf einem internationalen Transport vor dem Eintreffen im Empfängerstaat befinden. Um welche Länder es sich bei den ersten beiden Summen handelt, wird nicht mitgeteilt. Für ein Land, das Plutonium im Besitz mindestens einer ausländischen Stelle auf seinem Territorium hat oder das eigenes Plutonium an mindestens einem Standort in einem anderen Land lagert, kann nur eine nationale Gesamtbilanz für abgetrenntes und unbestrahltes Plutonium ermittelt werden. Einzelangaben wie beispielsweise die Mengen, die in Lagern von landesinternen Wiederaufarbeitungsanlagen liegen und sich im Besitz von inländischen Stellen befinden, sind nicht möglich. Die Verschleierung der Daten bedingt auch, daß zwar die Gesamtmenge von abgetrenntem und unbestrahltem deutschen Plutonium, das sich im Ausland befindet, bekannt gemacht werden soll. Es bleibt aber nicht nur verschlossen, wie sich diese Mengen beispielsweise auf Frankreich oder England aufteilen, sondern es bleibt auch offen, ob das Plutonium in Lagern bei Wiederaufarbeitungsanlagen oder bei Fertigungsanlagen für Mischoxidbrennelemente oder aber an ganz anderen nicht genannten Orten lagert.

Die geschätzten Plutoniummengen in abgebrannten Brennelementen ziviler Reaktoren werden aufgeschlüsselt nach

  • Standorten ziviler Reaktoren,
  • Wiederaufarbeitungsanlagen sowie
  • anderen Orten (z.B. Zwischenlager in Ahaus und Gorleben).

Extra anzuführende Zusatzzahlen, die den im Land gelagerten Besitz ausländischer Stellen oder den eigenen an Standorten im Ausland gelagerten Bestand betreffen, sind hier nicht vorgesehen. Demnach wird Deutschland für Plutonium in abgebrannten Brennelementen in Wiederaufarbeitungsanlagen keine Angaben machen, da sich die in Frage kommenden Standorte alle im Ausland befinden. Die Länder mit Wiederaufarbeitungsanlagen werden aggregierte Angaben über das in abgebrannten Brennelementen in Wiederaufarbeitungsanlagen lagernde Plutonium machen, ohne nach Herkunft der Brennelemente zu unterscheiden.

Bewertung der Ergebnisse

Die endlich mühsam erzielte Einigung über »Guidelines for the Management of Plutonium« kann grundsätzlich begrüßt werden. Die darin vorgesehenen Maßnahmen müssen aber nicht nur von Kritikern der Plutoniumnutzung als unzureichend bewertet werden, sie stellen auch aus Sicht von beteiligten Regierungen einen zu mageren Kompromiß dar. Unzulänglichkeiten verbleiben sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich.

So haben die Nichtkernwaffenstaaten nicht einmal erreichen können, daß die aus der Abrüstung frei werdenden Plutoniumbestände in Zukunft Kontrollen unterworfen werden, die nach dem international etablierten Standard der nuklearen Sicherungsmaßnahmen für ziviles Plutonium gestrickt sind. Eigentlich hatten sich die Kernwaffenländer schon in den Prinzipien, die bei der unbefristeten Verlängerung des NVV im Mai 1995 verabschiedet worden sind, dazu verpflichtet, das aus der Abrüstung freiwerdende Plutonium so schnell wie praktikabel einer internationalen Kontrolle zu übergeben. Ein Teil der Kernwaffenstaaten hat sich lediglich bereit erklärt, nach eigenem Ermessen und im Rahmen ihrer bestehenden Abkommen zur freiwilligen Überwachung eine begrenzte Menge an Waffenmaterialien einer Kontrolle zu unterwerfen. Dafür soll ein Sonderkontrollregime geschaffen werden, auf dessen Gestaltung und Ausführung die Nichtkernwaffenstaaten keinen direkten Einfluß haben werden. Von einer aus Abrüstungsperspektive wünschenswerten internationalen Kontrolle über alle militärischen Bestände von Plutonium ist diese Zusage noch sehr weit entfernt.

Im zivilen Bereich soll es keinerlei Beschränkungen für die Produktion und Nutzung von Plutonium geben, obwohl dies bei den Verhandlungen immerhin auf dem Tisch war. Nicht nur zur Verminderung der Proliferationsrisiken hätte dies einen notwendigen Fortschritt gebracht. Ein Vorschlag der USA, der allerdings völlig undurchsetzbar war, hatte vorgesehen, die Wiederaufarbeitung von abgebrannten Brennelementen zur Abtrennung von Plutonium vorübergehend zu stoppen und in Zukunft nur noch in dem Maße zu betreiben, in dem das anfallende Plutonium für MOX-Brennelemente wieder verwertet werden kann. Das Ziel wäre eine drastisch reduzierte Lagerhaltung, die einem Nullinventar von Plutonium möglichst nahe kommen sollte. Alleine das in Frankreich aus deutschen Brennelementen abgetrennte und auf Halde liegende Plutonium kann auf derzeit etwa 14 bis 20 Tonnen geschätzt werden. Vor allem von Frankreich und England wurde massiv gegen diesen Vorschlag protestiert.9

Lediglich zwei Passagen in den Richtlinien sprechen mögliche freiwillige Einschränkungen im Umgang mit abgetrenntem Plutonium an. Im Absatz über den physischen Schutz geht es um die Genehmigung von Lagerungsstandorten. Die Regierung des betreffenden Staates wird dabei „berücksichtigen, daß es aus Sicherheitsgründen wünschenswert ist, die Zahl der Standorte, an denen sich dieses Material befindet, zu begrenzen.“ Von einer Minimierung von Beförderungen des Plutoniums ist nicht die Rede. Im Absatz über die politischen Leitlinien für den Umgang mit Plutonium verpflichtet sich der unterzeichnende Staat, bei der Formulierung seiner Strategie zum Umgang mit Plutonium, u.a. zu berücksichtigen: „die Notwendigkeit, zu vermeiden, daß die Gefahren der nuklearen Verbreitung erhöht werden, insbesondere während eines Lagerzeitraums, bevor das Plutonium entweder als Brennstoff in einem Reaktor bestrahlt oder auf Dauer beseitigt wird;“ sowie „die Bedeutung eines möglichst raschen Ausgleichs zwischen Angebot und Nachfrage, einschließlich der Nachfrage nach angemessenen Betriebsvorräten für nukleare Operationen.“

Der Wert der mit den jährlichen Plutoniumdaten zu schaffenden Transparenz ist äußerst gering. Ein gravierendes Manko besteht darin, daß ganze Bereiche von Daten völlig außen vor gelassen werden. Plutonium aus militärisch klassifizierten Beständen wird überhaupt nicht in die veröffentlichten Bilanzen einbezogen. Ebenso sind auch Transfers zwischen Ländern kein Gegenstand der zu veröffentlichenden Plutoniumbilanzen.

Ein zweites gravierendes Manko besteht in dem völlig unzulänglichen Format der Plutoniumbilanz. Durch die Aggregierung der Daten in nur wenige Klassen bleibt der Informationsgehalt niedrig. Eine Zuordnung nach bestimmten Anlagen ist grundsätzlich unmöglich. In der Regel wird nicht einmal eine vernünftige Zuordnung nach Ländern möglich sein, weil keine saubere Trennung nach den Nationalitäten der Nutzungs- und Verbrauchsrechte vorgenommen wird, durch die eine sinnvolle Zuweisung von Verantwortlichkeiten für die Plutoniumbestände möglich wäre. Darüber hinaus ist die Genauigkeit der Angaben unbefriedigend. Bei Rundungen auf 100 kg werden die gemeldeten Daten um einen Betrag vom realen Buchwert abweichen können, der ein Vielfaches der signifikanten Menge von 8 kg beträgt. Dadurch können die aufgrund von etwaigen Bilanzierungsproblemen auftretenden Unstimmigkeiten verdeckt bleiben und werden der Öffentlichkeit nicht bekannt. Da die zugänglichen Informationsquellen viele Inkonsistenzen, Lücken und Widersprüche enthalten, ist es bedauerlich, daß die geplanten Veröffentlichungen von nationalen Bilanzen kaum zur Klärung beitragen werden.

Alternative Vorschläge von unabhängiger Seite, wie das Format der zu erfolgenden Angaben über Plutoniumbestände und auch über -transfers zu gestalten wäre, sind wünschenswert. Immerhin weisen einige der nationalen Bilanzen, die bereits vorgelegt worden sind, z.T. einen höheren Informationsgehalt aus, als es nun von den neun Ländern vereinbart worden ist.

Die geschilderte Situation macht es auch notwendig, von unabhängiger Seite einen möglichst detaillierten Überblick über die deutschen Plutoniumvorräte zu erstellen. Ein solcher Überblick ist die notwendige Basis für eine kritische und unabhängige Auseinandersetzung mit Fragen zum gegenwärtigen deutschen Plutoniumbestand und dem zukünftigen Umgang damit.

Anmerkungen

1 Nucleonics Week, 26. Januar 1995, Seite 5. Zurück

2 Persönliche Mitteilung vom Auswärtigen Amt am 12. Dezember 1996. Zurück

3 D. Albright, F. Berkhout, W. Walker, Plutonium and Highly Enriched Uranium 1996. World Inventories, Capabilities and Policies, New York: Oxford University Press 1997. Zurück

4 Siehe beispielsweise BT Drucksache 12/7472 vom 2.5.1994. Zurück

5 Eleventh annual plutonium figures published, press notice, Department of Trade and Industry, 31. Juli 1997. Eine Tabelle mit Angaben zu den Beständen an unbestrahltem Plutonium, das für zivile Zwecke genutzt wird, ist veröffentlicht in Kalinowski/Damjanow, Blätter für deutsche und internationale Politik, 3/98, Bonn. Zurück

6 Annual Atomic Energy White Paper 1994, 1995, 1996 und 1997. Zurück

7 DOE Plutonium. The first 50 years. Washington, Februar 1996. Zurück

8 Findet sich in Min. de l'Industrie, L'energie nucleaire en 113 questions, März 1996. Zurück

9 Rob Edwards, Carry on reprocessing. European nuclear firms have defeated attempts to reduce plutonium stockpiles, New Scientist, 26. Juli 1997, Seite 20. Zurück

Dr. Martin Kalinowski ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei IANUS an der TU Darmstadt

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 1998/1 Gewaltverhältnisse, Seite