W&F 2009/3

Jungs Jungs

Sport, Nation und Militär

von Fabian Virchow

Anfang dieses Jahres sorgte beim Moskauer Armee-Club ZSKA Moskau (Zentralny Sportiwny Klub Armii) eine Direktive für nachhaltige Unruhe: Das Verteidigungsministerium hatte einen Erlass verkündet, demzufolge auch die in den Reihen des bereits zu Sowjetzeiten bestehenden Militärsportclubs trainierenden SoldatInnen Dienst in den russischen Streitkräften machen müssten. Zu den betroffenen Soldaten, die nie militärische Einheiten geführt hatten, aber Dienstgradabzeichen von Offizieren tragen, gehörte auch Islambek Albijew, der bei den Olympischen Spielen in China eine Goldmedaille errungen hatte. Gegen diese Initiative haben viele der betroffenen SportlerInnen protestiert, da sie ein Ende ihrer Karriere fürchten. Russland steht nicht alleine mit einem an nationalem und soldatischem Prestige und dem Ziel der Nachwuchsgewinnung orientierten System der militärischen Sportförderung.

Auch in der Bundesrepublik Deutschland gibt es seit mehreren Jahrzehnten »SportsoldatInnen«, d.h. SportlerInnen, die als militärische Angehörige der Bundeswehr eine besondere Förderung erhalten, um international um Medaillen und Titel zu konkurrieren. Anlässlich der Olympischen Sommerspiele in Peking im Jahr 2008 lag der auch an Kiosken erhältlichen Bundeswehrpublikation »Y« ein 16-seitiges Dossier zu den »SportsoldatInnen« bei. Darin konstatierte Verteidigungsminister Franz Jung, dass die Bundeswehr bei der „Förderung des deutschen Spitzensports (…) eine herausragende Rolle“ 1 spiele – schließlich stelle sie mehr als 75% aller mit öffentlichen Mitteln finanzierter Förderplätze. Ihre AthletInnen hätten zudem seit 1992 bei den neun Olympischen Spielen 173 Medaillen gewonnen, das sind 44% aller von deutschen OlympiateilnehmerInnen erkämpfter Edelmetalle. Auch die im Zeitraum von 1991 bis 2007 erzielten nahezu 1.000 Welt- und Europameistertitel dienten Jung dazu, seine Aufforderung zu unterstreichen, dass die SportlerInnen ihre Zugehörigkeit zum Militär offensiv nach außen vertreten sollten.

Systemkonkurrenz als Motor

Obwohl die Unterstützung des Spitzensports nicht zu den originären Kernaufgaben der Bundeswehr gehört, gilt sie heute vielen als selbstverständlich. Dabei gab es angesichts der Indienstnahme des Sports bereits für die nazistische Expansionspolitik zunächst durchaus Skepsis gegenüber der Rolle des Sportes in der Bundeswehr. Den Sportverbänden ging es in der Konstituierungsphase der Bundeswehr offiziell nicht nur darum, einen erneuten »Missbrauch« des Sports durch das Militär auszuschließen, sondern auch um eine Art Richtlinienkompetenz und prioritäre Zuständigkeit für dieses gesellschaftliche Feld. In diesem Sinne wurde 1956 geregelt, dass die Bedingungen zum Erwerb des Deutschen Sportabzeichens auch als Leistungsmaßstab für den Sport in der Bundeswehr gelten und die Bildung von Militärsportvereinen nur dort möglich sein sollten, wo es keine zivilen Sportvereine gebe. Auf diese Weise wollte sich der Deutsche Sportbund (DSB) nicht nur der Gründung von rivalisierenden Sportvereinen erwehren, wie es sie im Nationalsozialismus beispielsweise als Luftwaffen-Sportvereine gegeben hatte; mit der Zurückweisung des »Militarismus« (»Knobelbechersport«) wurde auch die Propagierung eines »unpolitischen« Sports verbunden. Dies hinderte führende Sportfunktionäre allerdings nicht daran, sich positiv zur erneuten Aufstellung einer Armee und zur Wiederbewaffnung zu äußern.

Zu der sich in der Folgezeit entwickelnden Kooperation zwischen der Bundeswehr und dem DSB gehörten logistische Unterstützungsleistungen bei sportlichen Großveranstaltungen, so etwa 1963 beim Turnfest in Essen, sowie die gezielte Förderung des Spitzensports im Kontext der sogenannten »Systemkonkurrenz«. In der DDR hatte es bereits früh eine entsprechende systematische Förderung gegeben, in der die Nationale Volksarmee eine tragende Rolle spielte. Bereits 1956 wurde die Armeesportvereinigung Vorwärts gegründet, der zahlreiche Armeesportklubs folgten, deren Trainingsmöglichkeiten auch von Jugendlichen rege genutzt wurden. Diese Konstellation trug dazu bei, dass AthletInnen der DDR vergleichsweise gut bei den Olympischen Spielen abschnitten. Für die Förderung der Sportsoldaten stellten in der Bundesrepublik Deutschland die Olympischen Spiele in München 1972 einen wichtigen Meilenstein dar. Mit dem Beschluss des Deutsche Bundestages, der Bundeswehr per Beschluss die Option zur Einrichtung von Sportfördergruppen zu ermöglichen, wurde die Integration der Sportförderung der Bundeswehr in das System des organisierten Hochleistungssports im DSB nachdrücklich vorangetrieben. Die Verlagerung der 1957 gegründeten Sportschule der Bundeswehr vom bayerischen Sonthofen in das nordrhein-westfälische Warendorf im Jahr 1978, wo sich auf dem Gelände auch ein Olympiastützpunkt befindet, hat zur weiteren Vertiefung der Kooperation beigetragen.

Förderung und Symbiose

Schon in seiner Rede anlässlich der Grundsteinlegung der Sportschule der Bundeswehr in Warendorf am 15. November 1974 äußerte der damalige Präsident des DSB, Willi Weyer, Dankbarkeit gegenüber der Bundeswehr und lobte das Bundesministerium der Verteidigung für die Offenheit gegenüber den Wünschen und Vorstellungen des DSB.2 Mit Blick auf die nur zwei Jahre zurückliegenden Olympischen Spiele in München erinnerte er daran, dass „in unseren Olympia-Mannschaften 1972 doppelt so viele Soldaten gestanden haben wie in denen des Jahres 1968“. Die von der Bundeswehr und dem DSB ergriffenen Maßnahmen seien demnach erfolgreich gewesen.

Diese systematische militärische Sportförderung hat bei der Bundeswehr Anfang des 21. Jahrhunderts den Umfang von insgesamt 25 Sportfördergruppen erreicht, denen etwa 740 SportlerInnen aus 67 Sportarten zugerechnet wurden. Zu den geförderten Sportarten zählten u.a. Fußball, Rudern, Schwimmen, Boxen, Schießen, Kanu fahren, Rugby, Minigolf, Schach und Billard. Zu den zentralen Voraussetzungen zur Aufnahme in die Sportförderung der Bundeswehr gehört ein entsprechendes Votum des jeweiligen bundesweiten Sportverbandes sowie die Bereitschaft, SoldatIn zu werden. Gehören die so ausgewählten SportlerInnen ohnehin bereits zu den Besten ihrer Disziplin, so führt das Nichterreichen der im Rahmen des Sportförderprogramms gesetzten Ziele zur Rückversetzung in die militärische Einheit und zum Verlust der mit dem Status SportsoldatIn verbundenen privilegierten Trainings- und Wettkampfmöglichkeiten.

Die militärische Sportförderung trägt maßgeblich zu den von deutschen AthletInnen erkämpften Olympischen Medaillen bei; in Salt Lake City wurden 71% der von deutschen SportlerInnen erkämpften Medaillen an Bundeswehrangehörige vergeben. Das Team der Gewichtheber bei den Spielen in Athen im Jahr 2004 setzte sich ausschließlich aus Sportlern zusammen, die im Rahmen der Sportförderung der Bundeswehr trainieren. In einigen Disziplinen, wie etwa dem Bobfahren, gehören die Sportsoldaten seit Jahren zur Weltspitze.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich eine enge Symbiose zwischen der Bundeswehr und den Sportverbänden im Bereich der Sportförderung entwickelt. Es besteht inzwischen eine signifikante Abhängigkeit des Spitzensports und zahlreicher SpitzensportlerInnen von der Sportförderung der Bundeswehr. Hinsichtlich der Nordischen Ski-Weltmeisterschaften hieß es von Verbandsvertretern beispielsweise: „Ohne die Bundeswehrsoldaten wäre die Weltmeisterschaft im eigenen Lande zum Nullsummenspiel geworden“. 3

Die Leistungen der SportsoldatInnen werden innerhalb der Bundeswehr umfangreich kommuniziert. Berichte von größeren Sportereignissen, an denen SportsoldatInnen teilnehmen, wie etwa die Biathlon-Weltmeisterschaften im thüringischen Oberhof, werden vom Militärsender »Radio Andernach« für die im Ausland eingesetzten Einheiten der Bundeswehr ausgestrahlt. Auf den Internet-Seiten der deutschen Streitkräfte nimmt das Thema Sport einen prominenten Platz ein, die wöchentliche Bundeswehrpublikation »aktuell« widmet mindestens eine ihrer wöchentlich meist zwölf Seiten dem Thema SportsoldatInnen, und zum Informationsangebot der Bundeswehr gehört auch eine Broschüre, die sich ausschließlich diesem Aspekt widmet.

Nachwuchswerbung

Hinsichtlich der Erfüllung der ihr gestellten Aufgaben und im Vergleich mit anderen gesellschaftlichen Akteuren wie beispielsweise politischen Parteien oder Medien genießt die Bundeswehr in der Bevölkerung ein vergleichsweise hohes Ansehen. Dies korrespondiert jedoch nur begrenzt mit der Bereitschaft junger Menschen, der Wehrpflicht bei der Bundeswehr nachzukommen oder sich für einen längeren Zeitraum zum Militärdienst zu verpflichten. Daher hat die Bundeswehr die Palette ihrer Informations-, Werbe- und Rekrutierungsmaßnahmen beträchtlich erweitert und modernisiert, um einen qualifizierten Personalbestand sichern zu können.

Im Jahr 2002 organisierte die Bundeswehr erstmalig die »BW-Olympics«. Dabei wurden etwa eintausend junge Menschen im Alter von 16 und 17 Jahren für ein Wochenende in die Sportschule der Bundeswehr in Warendorf eingeladen, um sich bei Spaß und Musik neben der Teilnahme an Sportwettbewerben auch „über die attraktiven Karrierechancen zu informieren, die die Bundeswehr als Arbeitgeber bietet“. Die etwa 800 sportbegeisterten Jugendlichen, darunter etwa 25% junge Frauen, die im Jahr 2004 an den »BW-Olympics« teilnahmen, wurden mit Bussen auf das Kasernengelände gebracht, wo sie sich – wie Soldaten – gruppen- und zugweise aufstellen mussten, da es auch darum ging, die Bundeswehr kennen zu lernen bzw. – so eine Publikation der Bundeswehr – „die Bundeswehr als attraktiven Arbeitgeber zu präsentieren“.4 Der erste Tag endete mit einer Party, die jedoch durch die für 23 Uhr angeordnete Bettruhe zeitlich begrenzt wurde. Während des Wochenendes fanden Wettkämpfe in den Disziplinen Fußball, Schwimmen, Beach-Volleyball, Leichtathletik und Orientierungslauf statt. Da sich die Bundeswehr auf dem Gelände nicht nur mit Informationsständen präsentierte, sondern auch Waffensysteme zeigte, konnten die Jugendlichen neben einem Hubschrauber auch „eine Fliegerfaust bestaunen“ 5. Die Zielsetzung, Jugendlichen Einblicke in das soldatische Berufsbild zu geben, sie ansatzweise mit militärischen Gepflogenheiten vertraut zu machen und für den »Dienst an der Waffe« zu gewinnen, schlug sich auch in den bei den »BW-Olympics« ausgelobten Preisen nieder: Besuche bei Bundeswehr-Einheiten.

Macht dieses jugendgerechte Angebot mit einigen Gepflogenheiten des militärischen Alltags vertraut (z.B. Antreten in Formation, verordnete Bettruhe), so bleiben andere Dimensionen, insbesondere die Realität des Krieges, Zerstörung, Verwundung und (möglicher) Tod unthematisiert. Eine solche Banalisierung von Militär und Krieg stellt auch die Kampagne »BW-Beachen ‘05« dar, bei der der staatliche Gewaltapparat im Sommer 2005 in Urlaubsorten als Veranstalter eines Beach-Volleyball-Wettbewerbes mit dazu gehörendem Musikprogramm und Strandparty auftrat. Nach vier Vorausscheidungen fand das Finale in Warnemünde statt; zu den ersten drei Preisen gehörte ein Besuch der Beachvolleyball-WM 2005 in Berlin, ein Flug mit der Luftwaffe nach Sardinien sowie ein fünftägiges Sommercamp bei der Marine in Eckernförde. Da, so der Beauftragte für militärische Nachwuchsgewinnung, Generalmajor Wolfgang Otto, die Bundeswehr „in manchen Regionen nicht mehr vertreten“ sei, habe sie nur „bei solchen Veranstaltungen (…) die Möglichkeit ihrer Zielgruppe zu zeigen, dass wir mehr sind als über den Kasernenhof marschierende Soldaten“.6 Auch im Rahmen dieser Veranstaltung wurde das Sportprogramm von Informationsangeboten über Laufbahnen und Verwendungen in der Bundeswehr begleitet, und die teilnehmenden Jugendlichen erhielten zahlreiche Einblicke in militärische Abläufe und Aufgabenstellungen.

Sport und nationales »Wir«

Dass Sport wie andere Bereiche sozialen Handelns auch sozial und kulturspezifisch durchformt ist und gesellschaftliche Verhältnisse ebenso zum Ausdruck bringt, wie er sie auch reproduziert, lässt sich – hier mit Blick auf das Militär und den Krieg – historiographisch wie kultursoziologisch anhand zahlreicher Spuren in unterschiedlichen gesellschaftlichen Feldern nachvollziehen. Einige Überlegungen zur Vermessung des in seiner Komplexität schwierig zu bestimmenden Verhältnisses von Militär, Krieg und Sport deren Bezug zur Rekonstruktion der Nation. Die SportsoldatInnen der Bundeswehr leisten nicht nur einen Beitrag als Werbeträger und Rekrutierungsmedium, sondern tragen auch zur Integrierung bei. Eine Hauptfunktion der Anteilnahme an sportlichem Geschehen besteht in „der Integrationsleistung des Sports, indem ein gruppenspezifisches Zusammengehörigkeitsgefühl erweckt wird. Die Großgruppen des Staates und der Nation [hier sei ergänzt: des Militärs, F.V.] bedürfen solcher Erlebnisse, weil sie für den einzelnen nur schwer real und konkret erfahrbar sind“.7 Diesem Verständnis folgte auch zwanzig Jahre später ein Kommentator der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der die Erfolge der SportsoldatInnen als Beitrag zum »nation-building« in einem Land anpries, das über Jahrzehnte geteilt gewesen sei.

Dass Sport als paradigmatisches Feld der Rekonstruktion von (Staats-)Nationen gelten kann, lässt sich an sogenannten »Nationalsportarten«8 und (internationalen) Großveranstaltungen aufzeigen. So stellen etwa die Eröffnungszeremonien der Olympischen Spiele solche kunstvoll komponierten und kommerzialisierten Erzählungen der jeweiligen Nationalgeschichte dar.9 Entsprechend wurden in der Eröffnungszeremonie der Olympischen Winterspiele in Salt Lake City, nur wenige Monate nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, mit dem Auftritt des Kapitäns der Eishockey-Mannschaft, die zur Hochzeit des Rüstungswettlaufs zwischen der USA und der Sowjetunion das favorisierte Team der UdSSR im Kampf um die Goldmedaille 1980 bezwungen hatte, Inszenierungselemente eingewoben, deren außen- und militär(politisch)e Konnotation im aktuellen Kontext unübersehbar war.

Das Abschneiden der jeweiligen »Nationalmannschaften«, das regelmäßig an der Zahl der gewonnenen Medaillen gemessen und in tabellarischen Rankings rasch erfass- und interpretierbar gemacht wird, gilt auch als Indikator für das ‚nationale Prestige‘ eines Landes. Staatsoberhäupter interpretieren das schlechte Abschneiden der Olympiateams als „Nachlassen unserer einst bewunderten nationalen Stärke“ (John F. Kennedy) bzw. „nationale Schande“ (Charles de Gaulle). Entsprechend ist die Teilnahme an Endspielen und mehr noch deren Gewinn eine häufig genutzte Gelegenheit für die RepräsentantInnen der Staatsnation, sich und das nationale Kollektiv in Szene zu setzen.

Symbolische Rekonstruktionen

Die gesellschaftliche Reichweite des Sports als massenkulturelles Phänomen, insbesondere bei Großereignissen wie Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen, ist enorm. Die Erinnerung an sie trägt – wie die Erinnerung an Kriege – beträchtlich zur Konstruktion »nationaler Identität« bei. Der Gewinn der Fußballweltmeisterschaft im Jahre 1954, mythologisiert als der »Triumph von Bern«, wurde zeitgenössisch von vielen Sportfunktionären in Deutschland als Ausdruck »wahren Deutschtums« gefeiert und in zahlreichen Medien und großen Teilen der Bevölkerung als wichtiger Schritt der Überwindung des Pariah-Status im System der internationalen Beziehungen gewertet.10 Zahlreiche Länderspielbegegnungen von Fußballnationalmannschaften bieten medial vermittelte Gelegenheiten, Erinnerungen an zwischenstaatliche Konflikte und national(istisch)e Untertöne aufzurufen.11

Fand sich aufgrund des erfolgreichen Abschneidens des Radrennfahrers Jens Voigt bei der »Tour de France« 2005 auf der Titelseite der BILD-Zeitung die Schlagzeile »Endlich wieder ein deutscher Held!«, so ist dies lediglich ein aktuelles Beispiel für die Bedeutung, die dem Sport als „nationalistische Sprache“ 12 bei der (Re-) Konstruktion »nationaler Identität« zukommt. Bedürfen Nationen als symbolische Konstruktionen der fortwährenden Reproduktion in unzähligen, meist unspektakulären Interaktionen des Alltags, so eignet sich Sport hierzu besonders gut, da an den mit ihm – in den Wettkampfarenen wie in seiner medial vermittelten Präsenz – verknüpften und sozial gelebten sowie interaktiv hergestellten Praxen einerseits eine große Zahl von Menschen partizipiert, andererseits in seinen Erzählungen offener als andernorts kulturelle und nationale Stereotypisierungen vorgenommen werden können bzw. das Ausleben nationalistischer Gefühle mindestens toleriert wird.13 „Der Sportplatz und der Kriegsschauplatz sind als Orte der Demonstration legitimer patriotischer Aggressivität miteinander verbunden“.14

Fällt der Sportler als »nationale Figur« mit dem Soldaten, der historisch ebenfalls als »nationale Figur« bzw. als »Vertreter des nationalen Interesses« konstruiert wurde15, zusammen – eben in der Figur des Sportsoldaten –, so lässt sich begründet vermuten, dass damit nicht nur die alltägliche Rekonstruktion der Nation, sondern auch die des Militärs als Institution stattfindet. Die Forderung Jungs, die deutschen SportsoldatInnen sollten sich deutlich zur Bundeswehr bekennen, zielt auch auf die Legitimierung der gegenwärtigen Militärpolitik. Massenmedial inszenierte einen solchen Zusammenhang von Sport und Militär die BILD-Zeitung: Anlässlich eines Besuchs von Spielern der deutschen Fußballnationalmannschaft bei Bundeswehrsoldaten im Einsatz schrieb sie: „Unsere Jungs bei unseren Soldaten“.

Anmerkungen

1) Dossier »Sportsoldaten«, S. II.

2) Willi Weyer: Rede anlässlich der Grundsteinlegung für die Sportschule der Bundeswehr am 15. November 1974 in Warendorf (Auszug), in: Sportschule der Bundeswehr (Hg.): Sportschule der Bundeswehr. Porträt einer Schule, Koblenz 1993: 32.

3) Vgl. Gerd Kebschull: Heimspiel alpin, in: Y. Magazin der Bundeswehr 4/2005: 90-92.

4) Nicolaas Bongaerts, (2004): ‚Wir haben gezeigt, was wir können‘, in: BW-aktuell 39 (2004) 24: 8-9, (8).

5) Andreas Meier: Die Bw-Olympix 2004, in: Hardthöhenkurier 20 (2004) 3: 38-39, (38).

6) Nathalie Poulheim & Holger Wilkens: Die Jugend im Blick, in: BW-aktuell 40 (2005) 24: 6.

7) Detlef Grieswelle: Sportsoziologie, Stuttgart 1978: Kohlhammer, S.98.

8) Roman Horak & Georg Spitaler: Sport Space and National Identity. Soccer and Skiing as Formative Forces: On the Austrian Example, in: American Behavorial Scientist 46 (2003) 11: 1506-1518.

9) Jackie Hogan: Staging the Nation. Gendered and Ethnicized Discourses of National Identity in Olympic Opening Ceremonies, in: Journal of Sport and Social Issues 27 (2003) 2: 100-123, (102).

10) Arthur Heinrich: The 1954 Soccer World Cup and the Federal Republic of Germany’s Self-Discovery, in: American Behavorial Scientist 46 (2003) 11: 1491-1505.

11) Allen L. Sack/Seljan Suster: Soccer and Croatian Nationalism. A Prelude to War, in: Journal of Sport and Social Issues 24 (2000) 3: 305-320.

12) William J. Morgan: Sports and the Making of National Identities: A Moral View, in: Journal of the Philosophy of Sport 24 (1997): 1-20, (11).

13) Samantha King: Offensive Lines: Sport-State Synergy in an Era of Perpetual War, in: Cultural Studies – Critical Methodologies 8 (2008) 4: 527-539.

14) J.A. Mangan: Foreward, in: ders. (Hg.): Shaping the Superman: Fascist Body as Political Icon – Aryan Fascism, London & Portland, OR 1999: Frank Cass, S. xi-xiii, (xii).

15) Ruth Seifert: Militär, Nation und Geschlecht: Analyse einer kulturellen Konstruktion, in: Wiener Philosophinnen Club (Hg.): Krieg/War. Eine philosophische Auseinandersetzung aus feministischer Sicht, München 1997: Fink, S.41-49, (45).

Dr. Fabian Virchow lehrt an der Universität Köln, ist Mitglied des Zentrums für Konfliktforschung der Philipps-Universität Marburg und verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift »Wissenschaft & Frieden«.

erschienen in: Wissenschaft & Frieden 2009/3 Okkupation des Zivilen, Seite